Begrüßung und Eröffnung des Seminars
Liebe Geschwister, ich begrüße Sie herzlich zu diesem Seminar. Das Thema lautet: Das Monopol der Bibelkritik überwinden.
Lassen Sie uns zunächst die Hände falten.
Lieber Vater im Himmel, lieber Herr Jesus, von der Buße zur Bußbewegung – Du mahnst uns, Buße zu tun. Deine Güte will uns zur Buße lenken, Herr. Wir bitten Dich, dass diese Buße auch unser Denken einschließt. Herr, schenke uns die Bekehrung des Denkens, damit wir nicht nur im Herzen fromm sind, während unser Verstand heidnisch bleibt, sondern dass wir ganz Dir gehören und auch mit unserem Denken Dir dienen. Dazu schenke uns Deinen Segen. Amen.
Zum Zeitrahmen, liebe Geschwister: Ich versuche, mich auf zehn bis fünfzehn Minuten zu beschränken. Danach wird Schwester Linnemann einen Vortrag von etwa vierzig Minuten halten. Anschließend bleibt uns noch eine halbe Stunde für die Diskussion. Dabei werden wir wahrscheinlich knapp mit der Zeit sein.
Ich weiß nicht genau, wie weit wir die Pause von einer halben Stunde, die um 15:30 Uhr beginnt, überschreiten wollen.
Sie werden Schwester Linnemann und mich jedoch jederzeit auch außerhalb des Seminars, am Stand der Initiative für bibeltreue Hochschulen, deren Vorstand wir angehören, für persönliche Gespräche finden.
Die Bibelkritik als Weltanschauung und ihre Überwindung
Bibelkritik
Bibelkritiker fragen oft: Was könnt ihr denn gegen Bibelkritik haben? Kritik bedeutet ja unterscheiden, und gegen Unterscheiden kann doch niemand etwas haben. Dennoch ist die Bibelkritik eine Weltanschauung. Das haben ihre schärfsten Verfechter, wie zum Beispiel Trölsch, sehr wohl gewusst. Sie ist eine Weltanschauung mit einem eigenen Weltbild – einem Weltbild ohne Gott. Sie hat eine eigene Methodik, die auf atheistischen Voraussetzungen beruht, und ein eigenes Menschenbild.
Es sage mir niemand, dass es neutral wäre, wenn man Gott in der Wissenschaft vor die Tür stellt. Vor Gott gibt es keine Neutralität, nicht wahr? Selbst wenn sich die Wissenschaft so gibt, als sei sie ein Standpunkt über allen menschlichen Standpunkten, gilt das vor Gott nicht.
Es gibt auch keinen Kompromiss irgendwo in der Mitte zwischen bibeltreu und bibelkritisch, wie das viele Evangelikale gerne wollen. Sie setzen sich in die Mitte auf einen stacheligen Zaun und kippen mal zur einen Seite, mal zur anderen – meistens zur anderen. Das hat uns diese Grauzone beschert, von der noch zu reden sein wird.
Ich möchte Sie ein wenig provozieren, denn das ist heute leider modern geworden. Ich stelle an den Anfang die Behauptung: Die Bibelkritik ist überwunden. Erstens ist sie überwunden durch Gott, durch sein Wort.
Heute wird oft an Lüdemann angeknüpft, obwohl Lüdemann keine Sonderrolle spielt. Seine Position ist fast Gemeingut aller Bibelkritiker: Aussage gegen Aussage. Die einen sagen, Christus ist auferstanden, die anderen sagen offen, Christus ist nicht auferstanden. Wenn Aussage gegen Aussage steht, fragt man sich, was die plausiblere Antwort ist. So sagt man heute.
Plausibel ist für den, der die atheistische wissenschaftliche Methodik beherrscht, natürlich die atheistisch-wissenschaftliche Antwort: Er ist nicht auferstanden. Wenn wir unseren Herrn aber kennengelernt und lieben gelernt haben und seinem Wort wirklich uneingeschränkt Vertrauen schenken, dann ist die andere Antwort naheliegender: dass Gott wirklich existiert, dass er in unsere Gegenwart hineinwirkt, dass er auch in den Prozess der Bibelwerdung eingegriffen hat und dass er auch in unser Verstehen seines Wortes hineinwirkt.
Plausibilität entscheidet dann über das, was wir für richtig halten. Aber hier kommen wir aus einer gewissen Relativität nicht heraus. Wir müssen sehen, dass es vor Gott diese Neutralität nicht gibt. Entweder wir sagen Ja zu ihm, dass es ihn gibt und dass wir ihn als einen voraussetzen, der in unsere Wirklichkeit hineinwirkt, oder wir gehen von der gegenteiligen Voraussetzung aus und bleiben dann ohne Antwort und ohne Ergebnis.
Gott hat die Bibelkritik längst überwunden. Es liegt nun an uns: Wenn ein Mensch zum Glauben an den lebendigen Gott kommt, hat er Gott als den Eingreifenden erfahren. Dann wäre es für ihn unsinnig, Gott nun vor die Tür zu stellen, wie es die Theologieprofessoren von ihm verlangen. Als Theologiestudenten müssen sie ja dieser atheistischen Methodik folgen.
Die Bibelkritik ist aber auch wissenschaftlich überwunden, und das sollten sich die Evangelikalen doch auch einmal sagen lassen. Ich will hier nicht Schwester Linnemann vorgreifen, die sehr viele der Säulen, auf denen die moderne Bibelkritik ruht, angesägt hat. Wo immer sie die Säge angesetzt hat, hat sie gefunden, dass alles zusammenstürzt.
Nur was hilft es, wenn die Evangelikalen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht zur Kenntnis nehmen? Jedenfalls in Deutschland tut man sich damit schwer. Sonst wäre wahrscheinlich diese ganze Bibelkritik schon zusammengefallen, wenn wir Evangelikalen wenigstens unsere eigenen Forscher wirklich lesen würden.
Wenn wir also hier immer wieder entdecken müssen, dass wir uns schwer tun, sagt die Welt: Ihr habt ja gar kein Selbstvertrauen. Ich würde sagen: Wir haben kein Gottvertrauen. Wir haben nicht das Vertrauen, dass wir uns wirklich hundertprozentig auf die Bibel verlassen können.
Wissenschaftstheoretische Erkenntnisse und ihre Bedeutung für die Bibelkritik
Ich möchte an dieser Stelle einen zweiten Punkt anführen, und zwar die Wissenschaftstheorie. Diese ist gewissermaßen die Wissenschaft von der Wissenschaftlichkeit. In unserem Jahrhundert hat die Wissenschaftstheorie zwei große Wenden erlebt, die die moderne Bibelkritik in den 70er, 80er und 90er Jahren noch gar nicht nachvollzogen hat.
Die erste Wende bestand darin, dass wir aus wissenschaftlichen Gründen erkennen mussten, dass es kein voraussetzungsloses Forschen gibt. Jegliche Forschung und jedes Denken sind von Voraussetzungen, von Prämissen abhängig. Wenn Theologieprofessoren ihre atheistischen Voraussetzungen verschweigen, machen sie es sich sehr leicht. Erstens negieren sie damit die modernen Erkenntnisse der Wissenschaftstheorie, und zweitens machen sie sich unangreifbar.
Wenn sie ihre Voraussetzungen verschweigen, haben sie ein leichtes Spiel mit den Studenten, denn diese können nicht einhaken. Für die Studenten bedeutet das, dass sie keine Chance haben, sich gegen die Zumutungen und den Denkzwang der Bibelkritik zu wehren, es sei denn, sie durchschauen, wie die Ergebnisse dieser Theologie wirklich von atheistischen Voraussetzungen abhängig sind.
Heute kann man einem Schüler der fünften Klasse schon erklären, wie das in der modernen Bibelkritik funktioniert. Er weiß genau, was er in seinen Computer eingespeist hat. Heute hat ja fast jeder Schüler einen Computer. Was er nicht eingespeist hat, kann er auch nie wieder herausbekommen. Wenn er sich also weigert, unter tausend oder meinetwegen auch unter Milliarden von möglichen Ursachen die Ursache Gott – oder besser gesagt den Urheber Gott – auszuschließen, dann kann er nicht erwarten, dass ein bibeltreues, ein gottgemäßes Ergebnis dabei herauskommt.
Wenn wir also zur Kenntnis nehmen, dass die Bibelkritik durch Gottes Wort überwunden ist, und wenn wir akzeptieren, dass die Bibelkritik wissenschaftstheoretisch kalter Kaffee aus dem 19. Jahrhundert ist, dann sollten wir lernen, Gott auch in unserem Denken zu vertrauen.
Vor uns steht wirklich nur ein Papptempel, und wenn wir an den Säulen sägen, wie es Schwester Linnemann gleich tun wird, dann merken wir, wie schnell ein Gebäude zusammensacken kann. Was heute noch als hehres, edles und solides Gebäude erscheint, ist morsch.
Haben wir Vertrauen zu Gott und seinem Wort? Ich habe eben gesagt: In dem Maße, wie wir unser Denken durch Gottes Güte bekehren lassen, können wir an der Überwindung der Bibelkritik teilhaben – an der Überwindung durch Gott und sein Wort und auch an der Überwindung durch die Wissenschaftstheorie. Dabei möchte ich die Wissenschaftstheorie nicht neben Gottes Wort stellen, verstehen Sie das nicht falsch.
Die Bibelkritik ist dadurch nicht als Ganzes überwunden. Vielmehr wird deutlich, dass jeder von uns – einzeln oder als Gemeinde – aufgerufen ist, wirklich an dieser Überwindung teilzuhaben und sein Denken durch Gott und sein Wort bekehren zu lassen.
Im Grunde genommen ist es das alte Problem: Wir haben gelernt, in den Schulen alles nach dem Vernunftprinzip zu beurteilen, und dann steht die Bibel unten. Luther musste das ja auch wieder auf die Füße stellen, indem er Gottes Wort über die Vernunft der Scholastik stellte.
Nichts anderes müssen wir tun: Gottes Wort über die Vernunft, die autonome Vernunft, die versklavte Wissenschaft und auch die versklavte Theologie überordnen. Wenn Sie fragen, was der oberste Maßstab ist, dann kommen Sie in vielen Gesprächen zu der Rangfolge, dass die moderne Theologie und die Bibelkritik dem Vernunftprinzip vor dem Schriftprinzip den Vorzug geben.
Praktische Konsequenzen und Aufruf zur Umkehr
Wie ist nun wirklich das Monopol zu brechen? Das ist ja das Heikle an der Themerstellung.
Nun, wenn die Bibelkritik nicht biblisch zu rechtfertigen ist und wenn sie nicht einmal wissenschaftlich oder wissenschaftstheoretisch zu rechtfertigen ist, dann ist natürlich auch das Monopol nicht aufrechtzuerhalten. Es ist also reine Anmaßung, dass Kirchen diese eine Theologie, die von atheistischen Voraussetzungen ausgeht und deshalb atheistische Ergebnisse zwangsläufig zeitigt, monopolisieren.
Was heißt das für uns praktisch? Hören wir auf, unsere Kinder bibelkritischen Lehrern anzuvertrauen, auch im Religionsunterricht. Hören wir auf, unsere Kinder in bibelkritischen Konfirmandenunterricht zu schicken. Hören wir auf, unsere Studenten an die Fakultäten der Universitäten zu schicken.
Wir haben eine klare Weisung im Wort Gottes. Im Buch der Sprüche finden Sie folgendes Zitat: Sprüche 19,27: „Hör auf, mein Sohn, oder: Lass ab, mein Sohn, auf Unterweisung zu hören, die abirren macht vom Wort der Erkenntnis.“ Dieses Abirren können wir aber an all unseren Studenten sicherlich in unterschiedlichem Ausmaß nachweisen, auch bei denen, die eine Wiedergeburt bekennen können.
Wir haben die klare Weisung aus der Schrift, dass wir uns diesen Einflüssen nicht aussetzen sollten. Paulus hat seine Jünger auch nicht zu Gamaliel geschickt, und Jesus hat seine Jünger auch selbst unterrichtet.
Das wäre eine Schlussfolgerung, bei der Buße des Denkens auch in unserer Verantwortung als Eltern und Lehrer ganz konkret werden kann. Das geschieht beispielsweise, indem wir bibeltreue Bekenntnisschulen gründen. Indem wir unsere Schüler, wenn sie Abitur gemacht haben, auf die FTA oder STH in Gießen beziehungsweise Basel schicken. Dort sind ganz klare Wege möglich, die wir nun auch gehen sollten.
Da kann also Buße des Denkens konkret werden. Dann könnte es auch von Gott gesegnet werden, anstatt dass wir laufend dabei bleiben, auf dem Zaun zu sitzen – mit einem frommen Herzen, aber einem heidnischen Kopf.
Thesen zur theologischen Erneuerung und Ermutigung zum Vertrauen
Ich möchte zum Abschluss dieser Einleitung noch vorlesen, was unsere Thesen dazu sagen. Sie können diese gerne selbst noch einmal nachlesen.
Die These 62 lautet: Für eine Reformation im Sinne einer geistlichen Erneuerung ist die Erneuerung der Theologie notwendig.
Eine Erneuerung der Theologie, sagt die These 63, kann es nur geben, wenn in der theologischen Ausbildung die Bibel wieder als das Wort Gottes ernst genommen wird und die menschliche Vernunft sich ihm in Respekt und Ehrfurcht unterordnet.
Und die These 64 besagt: Eine bibeltreue Ausbildung – das heißt die Gründung und Anerkennung bibeltreuer Ausbildungsstätten, Schulen, Bibelschulen, Studienhäuser, Akademien und Hochschulen – ist daher unverzichtbar.
Gottes Wort soll diese Vorbemerkungen abschließen. 1. Johannes 5,4 enthält eine Verheißung. Dort heißt es: „Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt, und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“
Gott schenke, dass die Menschen, die ihn nicht kennen, uns spüren können – auch unserem Denken spüren können.
Ich erinnere noch einmal an das Wort von Zinzendorf, das heute schon einmal zitiert wurde:
„Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhen?
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll Theologie ruhen?
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll Ethik ruhen?“
Vorstellung der Referentin und Beginn des Hauptvortrags
Ich freue mich sehr, dass wir heute Schwester Linnemann zu Gast haben. Frau Professor Doktor Linnemann war Schülerin von Bultmann, bis sie durch die Gnade Gottes eine Bekehrung erfahren durfte, die bis in ihr Denken hineinwirkte.
Sie hat einmal selbst gesagt, dass ihr Ja zu ihrem Retter und Heiland, Jesus Christus, aus ihrem Nein zur Bibelkritik entspringt. Insofern kann ich Ihnen versichern: Nachdem ich Dutzende von Vorträgen von ihr gehört habe – und Sie finden unten an unserem Stand sowie hier auf dem Tisch einige Kostproben ihrer Vorträge über Religionsbücher – ist es fantastisch, wie klar sie analysieren kann.
Sie vermittelt uns eindrücklich, dass wir den Bibelkritikern nicht einmal einen kleinen Finger reichen dürfen, denn sie ziehen uns sonst ganz auf ihre Seite. Bitte keine Kompromisse!
Schwester Linnemann, ich bitte Sie, das Wort zu übernehmen.
Grundlegende Mahnung aus Gottes Wort und Einführung in die Bibelkritik
Ich möchte mit einigen Versen aus Gottes Wort beginnen, und zwar aus Kolosser 2,3, 4 und 8.
In Christus sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Dies sage ich aber, damit niemand euch verführe durch überredende Worte. Seht zu, dass niemand euch einfange durch die Philosophie und den leeren Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt und nicht Christus gemäß.
Das ist eine grundlegende Mahnung aus Gottes Wort. Sie werden gleich verstehen, warum ich diese Verse in diesem Zusammenhang herangezogen habe.
Das Thema lautet: Bibelkritik – ist das Wissenschaft oder ist es Manipulation? Man könnte auch fragen: Ist es Gehirnwäsche?
Entstehung der Bibelkritik und philosophische Grundlagen
Die erste Frage lautet: Wie entstand die Bibelkritik?
Hier sind einige Namen mit Daten aufgeführt, die im Verlauf der Ausführung erwähnt werden. Die Bibelkritik entstand, weil eine wichtige Mahnung aus Gottes Wort missachtet wurde. Man machte die Philosophie zum Fundament der Theologie, nicht mehr Gottes Wort. Gottes Wort durfte nur noch die Fassade schmücken. Die Philosophen wurden als Lehrer der Christenheit respektiert, und was sie lehrten, übernahmen die Theologen wie Gottes Offenbarung.
Sobald eine neue Philosophie auftauchte, hieß es: „So denkt der moderne Mensch.“ In Wirklichkeit dachte aber gar nicht der moderne Mensch so, sondern nur einzelne Exemplare der Menschheit. Diese hätten im günstigsten Fall eine begrenzte Anzahl von Anhängern gehabt. Doch dann kamen die Theologen und nahmen diese Ideen auf, als wären sie Gottes Offenbarung. Auf diese Weise wurden diese philosophischen Ideen erst recht verbreitet.
Also wurden die Philosophen als Lehrer der Christenheit respektiert, und was sie lehrten, übernahmen die Theologen wie Gottes Offenbarung.
Wir müssen hier zunächst die gesamte Philosophie des Humanismus erwähnen. Einige wesentliche Grundgedanken unseres Jahrhunderts gehen darauf zurück, zum Beispiel der Wahrheitsbegriff. Nach dieser humanistischen Denkweise gibt es grundsätzlich nur eine Wahrheit.
Wenn heute Theologen auf die abwegigen Ideen kommen, zusammen mit Buddhisten und Muslimen gemeinsame Gebetsveranstaltungen abzuhalten, dann ist die Grundlage dafür der humanistische Denkansatz. Wenn von uns mehr Offenheit für Homosexualität verlangt wird, geht das ebenfalls darauf zurück. Nach dem Humanismus steht der Mensch im Mittelpunkt. Alles Übrige ist vom Menschen produzierte Kultur, und zu dieser Kultur gehört auch die Religion. Der christliche Glaube ist dann eben nur ein Bruchteil dieser vom Menschen als Kultur produzierten Religion.
Dann begann es mit Francis Bacon, dass man Definitionen erfand. Diese Definitionen, die ja von Menschen lediglich erfunden wurden, führten dazu, dass Gottes Wort, Gottes Offenbarung, außerhalb der Wahrheit stand. So sagte Bacon, Wahrheit könne nur induktiv gefunden werden. Das war die erste einer ganzen Kette von Definitionen, die dazu führten, dass Gottes Wort außen vor blieb.
Von René Descartes wurde der Zweifel zum Prinzip der Erkenntnis gemacht. Genau das wurde von der Bibelkritik übernommen. Man muss alles hinterfragen – so heißt es heute. Das ist nichts anderes als das kartesianische Prinzip des Zweifels.
Thomas Hobbes und David Hume starteten die Wunderkritik. Genau genommen hatte Bacon sie schon begonnen. Bacon machte das noch auf fromme Weise. Er sagte, es sei unmöglich, Gottes Wort zu denken. Aufgrund seiner Definition war das natürlich nicht möglich. Aber das ist genauso, als wenn ich hier einen Kreidestrich ziehe und sage, man könne nicht darüber hinausgehen. In Wirklichkeit kann man das sehr wohl, es sei denn, man folgt den Worten eines Philosophen mehr als den Worten Gottes.
Bacon hat das fromm verbrämt und gesagt: „Es ist ja doch viel mehr, wenn wir jetzt glauben, obwohl wir das nicht denken können, da bringen wir eben unserem Verstand ein Opfer.“ Daher stammt das Sacrificium intellectus.
Wie gesagt, von Descartes wurde der Zweifel als Prinzip des Erkennens übernommen und von Hobbes und Hume die Wunderkritik. Rudolf Bultmann hat sich mit Hume auseinandergesetzt. Damals habe ich es noch nicht begriffen, aber jetzt kann ich die Zusammenhänge besser erkennen. Er versuchte, sich auf der Grundlage solcher Denkweisen mit diesen auseinanderzusetzen. Da hatte man natürlich keinen sehr guten Stand.
Diese Wunderkritik wurde natürlich von Baruch Spinoza im Extrem fortgesetzt, aber auch bei Immanuel Kant. Spinoza war der eigentliche Begründer der Bibelkritik. Er stellte die Behauptung auf, dass die fünf Bücher Mose nicht von Mose geschrieben sein können. Damit schuf er Raum für die Überlegung, woher sie dann stammen.
Er war der Erste, der sagte, dass in den Prophetenbüchern nur einige wenige Bruchstücke von diesen Propheten enthalten sind. Das entspricht durchaus dem, was ich später im Studium gelernt hatte. Er war auch der Erste, der die Kritik an den Evangelien startete. Er sagte, an der Tatsache, dass wir nicht ein Evangelium, sondern vier haben, könne man klar erkennen, dass die Evangelien nicht inspiriert seien. Dabei begriff er nicht, dass es Gottes Prinzip ist, dass die Wahrheit aus zweier oder dreier Zeugen Mund beruht.
Dann kam Kant, der grundsätzlich die Möglichkeit einer wirklichen Gotteserkenntnis infrage stellte. Er sperrte das menschliche Denken gewissermaßen in einen Käfig ein. Er wollte den Rationalismus und den Empirismus, die in den Jahrhunderten davor abwechselnd die Vorherrschaft hatten, in ein System vereinen. Dafür zahlte er einen hohen Preis.
Der Mensch wurde in einen Käfig aus Stäben gesperrt. Die eine Reihe der Stäbe kam aus dem Empirismus, die andere aus dem Rationalismus. Aber wir sind nicht gezwungen, uns diesem Käfig zu unterwerfen.
Kants Lehre wurde gut auf den Punkt gebracht in Goethes Faust: „Zum Jenseits ist der Ausblick uns verrammelt.“ Das bringt die kantische Philosophie praktisch auf einen Nenner. Von daher hieß es, es gebe grundsätzlich keine Möglichkeit, Gott zu erkennen. Man könne nicht direkt über Gott reden. Direktes Reden von Gott wurde total verpönt.
Ich werde nie vergessen, wie Bultmann uns einmal in einer seiner Vorlesungen sagte: „Wir müssen doch respektieren, dass wir nachkant leben und es uns deshalb nicht mehr erlaubt ist, so zu denken, wie es vor Kant noch möglich war.“ Hier wurde Kant also sozusagen zu einem Ereignis gemacht.
Aber wer ist denn Kant? Ein Mensch! Ein Mensch ist wie Gras, und Menschenherrlichkeit wie die Blume des Grases, mehr ist das nicht. Wodurch sind wir denn gezwungen, etwas in solcher Weise mehr zu respektieren als Gottes Offenbarung?
Das wichtigste Ergebnis dieser Übernahme der Philosophien war neben der Trennung von Glauben und Denken das monistische Weltbild. Den Begriff monistisches Weltbild hat erst Ernst Hecke geprägt, aber die Sache ist viel älter.
Das monistische Weltbild meint, es gibt nur diese eine Welt, die sichtbare und fühlbare Welt. Gottes Wort kennt die sichtbare und die unsichtbare Welt – nicht in Stockwerken, wie man uns das weismachen will, sondern in ihm leben, weben und sind wir die unsichtbare Welt, die die sichtbare Welt durchdringt und umfasst.
Aber man hat sich entschieden, das philosophische Weltbild des Monismus zu übernehmen. Damit bekam man natürlich Schwierigkeiten mit Gottes Wort. Gottes Wort hat ein völlig anderes Weltbild als dieser philosophische Monismus.
Das Weltbild des Monismus ist nicht in der Lage, einen Gott als handelndes und redendes Subjekt zu umfassen. Deshalb bekommen die Theologen Schwierigkeiten mit der Bibel. Gottes Wort redet auf jeder Seite davon, dass Gott ein handelndes und redendes Subjekt ist.
All das kann von der historisch-kritischen Theologie nicht respektiert werden. Sie finden in der ganzen Bibel nur Glaubensaussagen, zum Beispiel in den Briefen des Paulus. „Soweit echt“ heißt es dann: Ja, hier gibt Paulus von seinem Glauben an Gott Zeugnis. Man dringt nur zu diesen menschlichen Aussagen über Gott vor.
Die Frage, wer denn nun der Gott ist, von dem die einzelnen Schreiber in Gottes Wort reden, darf dann gar nicht mehr gestellt werden. Aber das ist das Ergebnis des Monismus.
Das führte zum Beispiel zur Entmythologisierung, weil man nicht mehr akzeptieren konnte, wovon Gott direkt die Rede war. Es führte zur Verleugnung der Gottessohnschaft Jesu. „Wer den Sohn hat, hat das Leben, wer den Sohn nicht hat, der hat das Leben nicht.“
Unendlich viel Ungereimtes, was wir aus dieser Theologie kennen, hat seinen Ursprung in der Übernahme des monistischen Weltbildes. Niemand hat die Theologie gezwungen, das monistische Weltbild zu übernehmen und an die Stelle des biblischen Weltbildes zu setzen.
Man wird sagen, das Weltbild der Bibel sei das antike Weltbild des Aristoteles. Aber da sind gleich drei Fehler auf einmal drin: Erstens war das Weltbild des Aristoteles nicht das antike Weltbild, sondern zu seiner Zeit eine Neuerung gegenüber dem Weltbild der Pythagoreer.
Zweitens lebte Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus, da war das ganze Alte Testament schon längst geschrieben. Es war also unmöglich, dass das Weltbild des Aristoteles irgendeinen Einfluss gehabt haben konnte.
Und drittens ist auch das Weltbild der Bibel nicht das Weltbild des Aristoteles. Wie es in Hiob 26,7 heißt: „Er hängt die Erde auf ins Nichts.“
Nach Wernher Gitt ist das die beste allgemeinverständliche Beschreibung der Situation der Erde im Kosmos.
Vorgehen und Hypothesen der Bibelkritik im Alten Testament
Aber nun wollen wir uns fragen, wie die Bibelkritik arbeitet und wie es in der Bibelkritik zugeht. Im Alten Testament gibt es die sogenannte Vierquellenhypothese oder Dokumentenhypothese. Wie kam es dazu?
Ich sagte schon, Kant leuchtete ein, dass die fünf Bücher Mose von Mose stammen. Dann machte sich ein Arzt, ein Mediziner, kein Theologe, Jean Astruc, der Leibarzt von Ludwig, ich glaube dem Fünfzehnten, Gedanken und kam auf die Idee, verschiedene Quellen zu unterscheiden, nämlich den Javisten und den Eloisten, benannt nach den Gottesnamen.
Dies führte zu vielen Ungereimtheiten. Ich gehe hier nicht auf Einzelheiten ein, sondern erwähne nur das Urteil von Albrecht. Er sagt, wenn man damals schon die archäologischen Erkenntnisse gehabt hätte, die wir heute haben, dann hätte diese Quellentheorie nie entstehen können. Heute hat man all diese archäologischen Erkenntnisse, doch man nimmt sie nicht zur Kenntnis. Die gleichen verkehrten Thesen werden weiterhin unter den Studenten verbreitet.
Um ein Schlaglicht auf die Bibelkritik zu werfen, möchte ich etwas über die letztgenannte Schrift, über P-Sachen und über das, was im Zusammenhang mit der Beurteilung der Genesis-B-Stücke geschehen ist, sagen. Ein Professor hatte eines Tages eine Intuition und gab diese mit einer einprägsamen Formel an seine Studenten weiter: „Die Propheten sind älter als das Gesetz und die Psalmen jünger als beide.“
Das Gesetz, also die fünf Bücher Mose, stehen am Anfang unserer Bibel. Dann folgen die Psalmen und danach die Propheten. Diese Intuition des Professors Reuss hatte erhebliche Einflüsse. Ich musste lernen, dass es keinen einzigen Psalm von David gibt und dass alle Psalmen erst nachexilisch sind, was ich damals nicht wusste.
Als ich das lernen musste, dass die Psalmen nachexilisch sind, wurde mir klar, dass diese ganze Datierung allein auf der Intuition eines Professors aus dem 19. Jahrhundert beruht. Diese Definition von Reuss, die nur auf einer Intuition basiert, begeisterte einen seiner Schüler namens Graf.
Sein Professor warnte ihn jedoch, und Graf begriff, dass er vorsichtig sein musste. Schließlich musste er sich als Theologe auf die Bekenntnisschriften verpflichten. Ihm wurde klar, dass mit dieser Idee die ganze Geschichte Israels von den Füßen auf den Kopf gestellt wurde.
Auch sein Lehrer Reuss war vorsichtig und erwähnte diese Idee nur in einigen Lexikonartikeln. Es kam niemals zu einer richtigen Diskussion, in der diese Frage geprüft wurde: Stimmt das? Sind die Propheten wirklich älter als das Gesetz? Sind die Psalmen jünger als beide?
Diese Intuition schlich sich einfach in die Theologie ein, wurde aber nie wirklich überprüft. Dann kam als Dritter im Bunde Wellhausen. Graf hatte in seinen Kommentaren, vor allem in dem genannten Buch, das als Hintergrund diente, ohne es ausdrücklich zu diskutieren, über diese Bücher so geschrieben, als wäre das Alte Testament des Huren eine Tatsache. Dabei war es im besten Fall eine Hypothese.
Auf der Grundlage dieser Hypothese, die allein auf einer Intuition beruhte, schrieb Wellhausen die Geschichte Israels. Als ich studierte, war Wellhausens Geschichte Israels das maßgebliche Buch für uns. Heute benutzt man vielleicht den Rat oder etwas Neueres, aber die Grundideen von Wellhausen sind nach wie vor enthalten.
Der einzige Ausgangspunkt für das alles ist eine Intuition. So wissenschaftlich ist die angeblich wissenschaftliche Theologie.
Nun noch ein anderes Schlaglicht: der Prophet Jesaja. Zunächst kam jemand und nahm Anstoß an Kapitel 50 im Jesaja. Er schob es sich sozusagen vom Hals mit der Hypothese beiseite, dass Jesaja 50 nicht vom Propheten Jesaja geschrieben sei.
Niemand regte sich groß auf, es war ja nur ein einziges Kapitel. Einige akzeptierten es, andere vielleicht nicht, aber es war nur ein Kapitel. Doch dann ging die Sache weiter.
Der Nächste sagte: „Ja, aber es ist ja kein grundlegender Unterschied zwischen Kapitel 50 und Kapitel 40 bis 66.“ Man hätte erwarten können, dass man nun diese Unechterklärung für Jesaja 50 zurückweist.
Aber nein. Das wäre zwar die theologische Folgerung gewesen, doch man darf in der historisch-kritischen Theologie nicht erwarten, dass so gesund gedacht wird. Stattdessen hieß es nun: Nein, auch Kapitel 40 bis 66 sind nicht echt.
In mehreren Anläufen wurde dann herausgefunden, dass sich etliches in den Kapiteln 1 bis 39 gar nicht von den Kapiteln 40 bis 66 unterscheidet. Man hätte sagen können, hier sei eine neue Chance, zu sehen, dass es keinen Grund gibt, Jesaja 40 bis 66 dem Propheten abzusprechen.
Stattdessen wurde das Gegenteil gemacht. Selbst die konservativsten Theologen sprachen dem Propheten Jesaja noch etwa ein Drittel von Jesaja 1 bis 39 ab.
Dann kam Duhm und sagte, Kapitel 40 bis 66 könne unmöglich einen Verfasser haben. Er unterschied dann zwischen dem Deutero- und dem Tritojesaja. So wurde allmählich dieses Buch in seine Bestandteile zerlegt.
Wenn man fragt, welcher Grund wirklich dafür vorhanden ist, dann kann man nur sagen: Hypothesen und nichts weiter.
Bibelkritik im Neuen Testament und das synoptische Problem
Aber nun kommen wir zum Neuen Testament. Hier kann ich noch etwas mehr ins Detail gehen. Ich gebe Ihnen jetzt einiges dazu.
Ich habe Ihnen hier zwei Bücher hingestellt, die ich geschrieben habe. Das eine behandelt das synoptische Problem, und darauf möchte ich jetzt erst einmal ein bisschen eingehen.
Lessing war derjenige, der in der Neuzeit das synoptische Problem erfunden hat. Der Erste, der eine Hypothese der literarischen Abhängigkeit ausgetüftelt hat, war Celsus, einer der ältesten Gegner des christlichen Glaubens. Diese Hypothese von Celsus wurde seinerzeit von Origenes widerlegt.
Lessing hatte fast die gleiche Hypothese, einige Bezeichnungen sind anders. Er selbst hat das zu seinen Lebzeiten noch gar nicht gewagt zu veröffentlichen. Es kam erst 1784 aus seinem Nachlass heraus.
Dann kamen die Theologen und übernahmen die Idee der literarischen Abhängigkeit von Lessing – einige mit Nennung seines Namens, einige auch ohne. Doch die Theologen hatten alle ihren eigenen schlauen Kopf. Deshalb übernahmen sie nicht einfach Lessings Hypothese, sondern entwickelten ihre eigenen Hypothesen. Aber von dieser Zeit an wurde in irgendeiner Form literarische Abhängigkeit zwischen den Evangelien behauptet.
Unsere heute übliche Hypothese, die Zwei-Quellen-Hypothese, wurde erstmals von Weisse 1838 formuliert. Weisse machte Gebrauch von einer Idee Schleiermachers.
Schleiermacher hatte eine Aussage von Papias gelesen, in der es heißt, dass Matthäus die Worte des Herrn in einem hebräischen Dialekt niederschrieb. Nun ging Schleiermacher nicht auf den Zusammenhang ein. Er nahm das Wort „Florian“ (vermutlich ein Hörfehler oder Missverständnis, gemeint ist wahrscheinlich „Dialekt“ oder „Sprache“), sah die Bedeutung im Lexikon nach und kam auf die Idee, Matthäus habe die Worte des Herrn aufgeschrieben.
Hätte er, wie es sein sollte, den Kontext berücksichtigt, hätte er gesehen, was Papias zuvor über Markus geschrieben hat. Über das Markus-Evangelium macht Papias zwei Aussagen, und in diesen verwendet er für dieselbe Sache, nämlich für das, was Markus geschrieben hat, zwei verschiedene Begriffe. Einmal redet er von den Worten und Taten Jesu, dann von den „Logia“. Die „Logia“ bedeuten im Zusammenhang mit dem Markus-Evangelium nichts anderes als die Worte und Taten Jesu.
Wörtlich wären die „Logia“ ja die Worte Jesu, aber hier wird der Begriff von Papias für die Worte und Taten Jesu verwendet. Das ist eine pars pro toto-Aussage, also eine Teil-Ganzes-Übertragung.
Daher hätte Schleiermacher, wenn er den Kontext berücksichtigt hätte, wissen müssen, dass in Bezug auf Matthäus damit nicht nur die Worte Jesu gemeint sind, sondern – genau wie bei Markus – das ganze Evangelium.
Doch in seinem großen schlauen Kopf, den er wirklich hatte, machte Schleiermacher einen Fehler, und es kam zu einem hermeneutischen Irrtum. Heute würde man Studenten im ersten oder zweiten Semester sagen: So geht das nicht. Man kann nicht einfach gleich zum Lexikon gehen, man muss auch den Kontext berücksichtigen. Aber diesen Fehler machte Schleiermacher.
Die 1800 Jahre zuvor war niemand auf die Idee gekommen, das war allen Leuten, angefangen bei den Kirchenvätern, völlig klar: Papias meinte das ganze Matthäusevangelium und nicht nur die Worte Jesu darin.
Schleiermacher machte dann gleich eine Hypothese daraus und sagte, Matthäus habe eine Sammlung von Herrenworten zusammengestellt. Später habe man diese Sammlung von Herrenworten im Matthäusevangelium verwendet, das dann nach dieser Sammlung seinen Namen bekam. Also eine Erfindung des 19. Jahrhunderts.
Dieser hermeneutische Irrtum wurde von Weisse übernommen, aber zugleich mit einiger Anmaßung verschärft. Schleiermacher hatte gesagt, das sei alleine die Quelle für das Matthäusevangelium gewesen. Weisse sagte 1838: Wenn Schleiermacher heute noch leben würde – er war ja 1832 gestorben –, dann würde er ganz gewiss zugeben, dass diese Redenquelle auch die Quelle für das Lukasevangelium gewesen sei.
So beruht also ein wesentlicher Bestandteil der Zwei-Quellen-Hypothese auf einem hermeneutischen Irrtum von Schleiermacher.
Aber es kommt noch schlimmer. Weisse sagte dann, Lachmann habe den Beweis dafür erbracht, dass Markus die Quelle für Matthäus und Lukas ist. Heutzutage kann man das bis in die neuesten Einleitungsbücher hinein lesen.
Schnelle will in der neuesten Ausgabe dann auch noch einen Beweis bei Weisse und Wirke sehen. Nur einen Beweis, der den Namen verdient, gibt es dort nicht.
Mittlerweile hat sich herumgesprochen, wie das mit diesem Hinweis auf Lachmann ist. Lachmann hat nämlich gesagt: Obwohl es die und die Phänomene gibt, ist es sicher, dass Matthäus und Lukas kein Exemplar des Markus-Evangeliums hatten, um es zu benutzen – kein Exemplar.
Weisse macht daraus, Lachmann habe den Beweis dafür geliefert, dass Markus die Quelle von Matthäus und Lukas war. Das ist eine ganz glasklare Lüge. Diese „Lachmann-Lüge“ hat sich also bis in die neuesten Einleitungsbücher verbreitet.
Bis 1977 konnte man das bis zu einem gewissen Umfang noch verstehen, denn Lachmann war ein Philologe und schrieb seine Bücher auf Latein. Ich habe mir selbst einmal den Lachmann aus der Bibliothek geholt. Als ich dann sah, dass er auf Latein geschrieben war, fand ich es nicht mehr ganz so nötig, ihn zu lesen. So ging es vielen anderen auch.
Aber 1977 hat Stoltz in seinem Buch „Geschichte und Kritik der Markus-Hypothese“ dieses Lachmann-Zitat herausgesucht, auf Latein aufgeschrieben und ins Deutsche übersetzt. Das Buch von Stoltz wurde auch ins Englische übersetzt.
Jetzt kann man wissen, was Lachmann wirklich gesagt hat und was nicht. Zum Beispiel wird bei Schnelle vorne unter den Büchern, die zur Frage der Markusevangeliums-Priorität angegeben sind, Stoltz genannt. Trotzdem wird noch immer das Gleiche verbreitet.
Also basiert die Zwei-Quellen-Theorie auf einer Lüge und auf einem Irrtum.
Nun muss man aber wissen, welche Position diese Zwei-Quellen-Theorie in der historisch-kritischen Theologie hat. Die historisch-kritische Theologie sagt, dass sie Wissenschaft ist. Worauf beruht das? Ja, sagen sie, wir verwenden Methoden.
Guckt man sich die Methoden an, dann ist eine der Methoden, auf die man stolz ist, die Literarkritik. Wenn man in einer solchen Einleitung nachschaut, dann steht unter Literarkritik in der Regel nichts anderes als allein das synoptische Problem mit der Zwei-Quellen-Theorie.
Nun schauen wir uns das mal an. Wie stimmt das? Das ist ja nun die Theorie, aber wie sieht es wirklich aus? Gibt es irgendwelche Indizien für literarische Abhängigkeit zwischen den Evangelien?
Ich habe mehrere Forschungsgänge gemacht, die sind hier in dem Buch drin. Ich kann hier jetzt nur einen vorführen.
Indizien für literarische Abhängigkeit sind nicht gegeben, denn die Zahl der identischen Worte ist etwas mehr als 22 bei 35 ausgewählten Hypothesen-Perikopen, Entschuldigung.
Ich habe mittlerweile auch die restlichen Perikopen untersucht, und da rutscht das noch ein Stück tiefer. Da bleiben nicht 22, sondern sind es 20 oder so.
Auf hundert Markus-Worte kommen bei Matthäus 95,68 Unterschiede und bei Lukas 143 Unterschiede. Das heißt plus minus auf hundert Markus-Worte hundert Unterschiede.
Das spricht nicht für literarische Abhängigkeit. Kein Lehrer dürfte in der Schule jemandem den Vorwurf machen, er hätte abgeschrieben, wenn die Verhältnisse bei gleichem Inhalt so wären.
Ich könnte noch bis morgen früh allein über die Frage der literarischen Abhängigkeit reden, aber das können Sie ja nachlesen.
Es gibt keine Indizien für literarische Abhängigkeit der Evangelien. Und wenn es keine literarische Abhängigkeit zwischen den Evangelien gibt, dann ist die Literarkritik erledigt, weil sie sich ja praktisch auf die synoptische Frage beschränkt.
Dann ist aber auch die Formgeschichte erledigt, denn die Geschichte der synoptischen Traditionen arbeitet folgendermaßen:
Sie sagt, Markus ist das älteste Evangelium. Also müssen wir damit rechnen, dass die älteste Fassung eines Traditionsstückes im Regelfall bei Markus zu finden ist. Dann kann man die nächstältere entweder bei Matthäus oder bei Lukas suchen.
Aber die ganze Datierung der Evangelien hängt an dieser Quellenhypothese. Ist Markus nicht die Quelle für Matthäus und Lukas, dann gibt es nicht den geringsten Grund, Markus für das älteste Evangelium zu halten.
Dann kann einem kein Mensch mehr sagen: „Ja, wieso, die Jungfrauengeburt ist spät, Markus kennt sie noch nicht, sie kommt erst bei Matthäus und Lukas vor“, weil dieser ganze Datierungsansatz verkehrt ist.
Es ist aber nicht nur die Formgeschichte erledigt, sondern auch die Redaktionsgeschichte.
Was bedeutet die Redaktionsgeschichte? Man weiß, man kann die Unterschiede der Evangelien nicht hinreichend erklären als sprachliche Verbesserungen. Dann sortiert man gleichzeitig die größeren Unterschiede zwischen den Evangelien auf der Platte und sagt: „Oh ja, dahinter steckt ja eine theologische Konzeption.“
Und ordnet das dann so zusammen, bis man irgendeine Idee über die theologische Konzeption des Matthäus beziehungsweise Lukas hat.
Aber gibt es keine literarische Abhängigkeit zwischen den Evangelien, dann bedeuten die Unterschiede zwischen Markus auf der einen Seite und Matthäus beziehungsweise Lukas auf der anderen Seite keine bewussten Änderungen.
Dann kann man also auch aus den Unterschieden keine theologische Konzeption erheben.
Damit fehlt auch die Literarkritik.
Was nun Kuhn anbelangt, sieht es da auch nicht anders aus. Diese sind hier die prozentualen Verhältnisse.
Probleme der Echtheitsdebatte bei Paulusbriefen und anderen Schriften
Nun möchte ich zu einem weiteren Problem übergehen. Nach dem Interview mit Lüdemann erschien im Spiegel ein Diagramm, das nichts anderes tut, als die neueste historisch-kritische Einleitung von Schnelle grafisch auszuwerten. Daraus ergibt sich, dass lediglich diese sieben sogenannten „echten“ Paulusbriefe wirklich von dem Verfasser stammen, der sie geschrieben haben soll. Alle anderen Schriften sind entweder – nach den historisch-kritischen Theorien – ursprünglich anonym und haben später ihren Verfassernamen erhalten, oder aber zehn von ihnen sind sogenannte pseudepigraphische Schriften. Das heißt, es ist eine Lüge, wenn sie behaupten, von dem angegebenen Verfasser zu stammen. Das Wort „Pseudos“ bedeutet ja Lüge.
Das bedeutet, der Verfasser des Kolosserbriefes lügt, wenn er behauptet, Paulus zu sein. Ebenso lügt der Verfasser des Petrusbriefes, wenn er sagt, der Brief stamme von Petrus. Eines der Argumente, die in diesem Zusammenhang für die Unechtheit herangezogen werden, sind die sogenannten Hapax-Legomena. Zum Beispiel beim Kolosserbrief, bei den Pastoralbriefen und auch beim Zweiten Petrusbrief heißt es: Diese Schrift kann nicht echt sein, da sie eine bestimmte Anzahl von Hapax-Legomena enthält.
Hapax-Legomena sind Worte, die nur einmal im Neuen Testament vorkommen. Allerdings werden diese Hapax-Legomena nur bei bestimmten Schriften gezählt, die als unecht gelten. Bei diesen Schriften dient das als Argument gegen ihre Echtheit, etwa beim Kolosserbrief: Der Kolosserbrief könne nicht echt sein, weil er so viele Hapax-Legomena enthält.
Man sollte jedoch erwarten, dass diese Hapax-Legomena zumindest für alle sogenannten Pseudepigraphen gezählt werden. Das geschieht aber nicht. Bei einigen Schriften würden die historisch-kritischen Theologen nämlich auf die Nase fallen, denn es gibt unechte Schriften, die nur sehr wenige Hapax-Legomena enthalten. Bei anderen Schriften wiederum, die man aus anderen Gründen für unecht hält, wird auf das Argument der Hapax-Legomena verzichtet.
Erstaunlicherweise wurden allein aufgrund der Hapax-Legomena drei dieser zehn Schriften für unecht erklärt, ohne überhaupt zu fragen, wie viele Hapax-Legomena die sogenannten echten Schriften enthalten. Wenn man wissenschaftlich arbeiten würde, sähe das ganz anders aus. Man würde die Zahl der Hapax-Legomena für sämtliche der siebenundzwanzig neutestamentlichen Schriften feststellen, dann die prozentuale Relation zum Vokabular herstellen und diese in der Reihenfolge der Häufigkeit der Hapax-Legomena aufführen.
Ich habe die Schularbeiten gemacht, die die historisch-kritischen Theologen eigentlich hätten erledigen müssen, und dabei kam ein erstaunliches Ergebnis heraus. Der Römerbrief liegt auf Platz siebzehn. Wenn eine geringe Zahl von Hapax-Legomena für die größte Echtheit sprechen würde, dann wären die Johannesbriefe am echtesten. Diese kann ich hier nicht einzeln statistisch aussortieren, da Morgenthaler das noch nicht hat. Deshalb habe ich hier nur fünfundzwanzig Briefe berücksichtigt.
Dann wären also die Johannesbriefe am echtesten. Diese werden aber ebenfalls nicht für echt gehalten, also nicht für von Johannes verfasst. Der zweite Thessalonicherbrief, der als pseudepigraphisch gilt, wäre viel echter, ebenso der Judasbrief, der ebenfalls nicht als echt gilt, sowie der Epheserbrief, der Kolosserbrief und der erste Petrusbrief. Selbst der Jakobusbrief wäre noch echter als der erste Korintherbrief, und der Titusbrief wäre noch echter als der Römer- und der zweite Korintherbrief.
Man sieht also, im Brustton der Überzeugung wird als Tatsache behauptet, dass Hapax-Legomena über Echtheit oder Unechtheit entscheiden. Doch das geschieht nur dort, wo es ins Konzept passt. Es wird nicht objektiv geprüft.
Das Gleiche gilt auch für andere Wortlisten, beispielsweise zu den Pastoralbriefen. Udo Schnelle führt hier eine Liste von Worten an, die charakteristisch für die Theologie der Pastoralbriefe sein sollen. Daraus wird geschlossen, dass diese eine ganz andere Theologie als die übrigen Paulusbriefe haben.
Wenn man sich aber die Daten anschaut, die Schnelle liefert, und diese statistisch untersucht, stellt man fest: Die Begriffe kommen zwar bei den Pastoralbriefen vor, aber durchaus auch in echten Paulusbriefen. Es gibt nur wenige unterstrichene Worte, die allein oder überwiegend in den Pastoralbriefen vorkommen.
Diese Liste von vierundzwanzig Worten wird mit großem Nachdruck vorgetragen. Am Ende bleiben davon aber nur sechs oder sieben übrig. Doch es wird noch schlimmer: Es wird behauptet, es gäbe theologische Ausdrücke, paulinische Ausdrücke, die in den Pastoralbriefen fehlen.
Man hört dann Begriffe wie „Gerechtigkeit Gottes“, „Freiheit“, „Fleisch im Gegensatz zum Geist“, „Kreuz“, „Leib Christi“ und sogar „Sohn Gottes“. Wenn diese Begriffe fehlen, müsse etwas nicht stimmen. Doch auch das hält einer statistischen Überprüfung nicht stand.
Der Begriff „Gerechtigkeit Gottes“ etwa kommt zwar achtmal im Römerbrief und einmal im zweiten Korintherbrief vor. In den anderen echten Paulusbriefen fehlt er jedoch. „Freiheit“ gibt es insgesamt nur sieben Mal im Neuen Testament. Im großen Römerbrief mit siebentausend Worten erscheint dieser Begriff nur einmal. Wie kann man den Pastoralbriefen dann vorwerfen, dass sie ihn nicht verwenden?
„Fleisch im Gegensatz zum Geist“ kommt zwar 13-mal im Römerbrief vor, aber im gesamten Korintherbrief, der doppelt so lang ist wie alle Pastoralbriefe zusammen, nur einmal. Im zweiten Korintherbrief gibt es das ebenfalls nur einmal. Der Galaterbrief verwendet den Begriff häufiger, der Philipperbrief und der erste Thessalonicherbrief hingegen nicht.
Keiner dieser Begriffe kommt im ersten Thessalonicherbrief vor. Trotzdem sagt niemand, der erste Thessalonicherbrief könne nicht echt sein, weil diese paulinischen Begriffe fehlen. Dennoch hat man sich entschieden, die Pastoralbriefe für unecht zu halten und dafür dieses Argument vorgebracht. So objektiv und wissenschaftlich ist die historisch-kritische Theologie.
Das Problem geht aber noch weiter. Es wird behauptet, dass alle diese Briefe nur Bruchstücke seien. Ich könnte das noch ausführlich darlegen, aber ich möchte lieber zum Ende kommen.
Noch etwas anderes zum zweiten Petrusbrief: Der könne nicht echt sein, weil er Begriffe und Wendungen enthalte, die aus der hellenistischen Philosophie des zweiten Jahrhunderts stammen. Daraus folgert man, dass der zweite Petrusbrief von einem hellenistischen Judenchristen des zweiten Jahrhunderts geschrieben sein müsse.
Der normale Leser einer solchen Einleitung hält das für gegeben und sagt: „Ah, so ist es.“ Wenn man sich jedoch diese Begriffe anschaut, die angeblich nur aus der hellenistischen Philosophie des zweiten Jahrhunderts stammen, stellt man fest, dass sie sämtlich in der Septuaginta vorkommen.
Bei der Wendung habe ich kein Material, um das nachzuvollziehen, ob sie in der Septuaginta gemeinsam vorkommt oder nicht. Die Einzelbegriffe aber sind dort vorhanden, und zwar zwischen vier- und vierhundertfach.
Nicht nur das: Abgesehen von einem Hapax-Legomenon kommen diese Begriffe mehrfach im Neuen Testament vor. Ja, es gibt viele Worte, die nur in einer einzigen Schrift im Neuen Testament vorkommen. Die Hälfte des Vokabulars des Römerbriefs etwa kommt nur einmal vor.
Hier jedoch sieht man, dass diese Begriffe bei Lukas, Hebräer, Jakobus, Petrus und auch in der Offenbarung vorkommen. Es stimmt also nicht, dass man erst bis ins zweite Jahrhundert warten musste, um diese Begriffe aus der hellenistischen Philosophie zu übernehmen. Diese Begriffe waren bereits im ersten Jahrhundert gebräuchlich.
Dennoch wird eine Hypothese aufgestellt, die einfach als gegeben hingenommen wird. Der normale Leser überprüft nicht, ob das auch wirklich stimmt. Welcher Student käme auf die Idee, eine Einleitung daraufhin zu prüfen? Und wenn er später Professor wird, hat er das ja schon als Student gelernt und muss es nicht mehr nachprüfen. So werden solche Theorien immer weitergetragen.
Noch etwas anderes: Es wird gesagt, dass 112 Partikel in den Pastoralbriefen fehlen. Wenn man genau hinschaut, sind es gar nicht 112, denn 36 dieser Partikel kommen nur einmal vor. Das ist hier nur kurz angedeutet, da wir nicht mehr viel Zeit haben. Ich möchte lieber zum Schluss kommen.
Doch nicht nur beim linguistischen Material wird kräftig behauptet, ohne es beweisen zu können. Auch bei der geschichtlichen Zuordnung heißt es, in den Pastoralbriefen spiegelten sich die Probleme der dritten urchristlichen Generation wider.
Die kirchliche Verfassung sei weiter fortgeschritten als bei Paulus: Es gebe keine Hausgemeinde mehr, sondern eine nach dem Modell des antiken Hauses gegliederte Ortsgemeinde als Organisationsstruktur. Das wird apodiktisch behauptet: So sei es.
Schaut man sich die Sache jedoch genauer an, sieht man: Hausgemeinde kann im doppelten Sinne verstanden werden. Entweder bildet ein Haushalt eine Gemeinde, oder die Gemeinde eines Ortes versammelt sich im Privathaus. Wenn Letzteres der Fall ist, besteht kein Gegensatz zwischen Hausgemeinde und Ortsgemeinde.
Wie war es aber zur Zeit des Paulus? Gab es damals wirklich nur Hausgemeinden im ersten Sinn? Nein. In 1. Korinther 11,20-22 wird deutlich, dass man offensichtlich nicht im eigenen Haus zusammenkommt. Denn es wird darauf hingewiesen, dass man Häuser hat, um vorher zu essen und zu trinken.
Es gab auch damals schon die Möglichkeit, sich in einem gemieteten Gebäude zu versammeln, wie in Apostelgeschichte 19,9 belegt ist. Somit lässt sich die Unterscheidung von Hausgemeinde und Ortsgemeinde nicht als Indiz dafür verwenden, die Entstehung der Pastoralbriefe zeitlich zu bestimmen.
Schlussfolgerungen zur Bibelkritik und der wahre Jesus
Nun kommen wir zum Abschluss. Welche Konsequenzen hat das Ganze, oder drittens: Worum geht es?
Sogar das weltliche Magazin Der Spiegel hat dies auf den Punkt gebracht, nämlich mit der Aussage: „Es gibt einen anderen Jesus.“ Es gibt, wie wir Gottes Wort glauben, einen anderen Jesus als den der Bibelkritiker.
Unser Jesus ist Gottes Sohn. Der Jesus der Bibelkritik ist es nicht; dort wird der Begriff nur metaphorisch gebraucht – ein Titel, den die Jünger Jesus angehängt haben.
Unser Jesus wurde von der Jungfrau Maria geboren. Der historisch-kritische Jesus ist es nicht.
Unser Jesus war ohne Sünde. Der historisch-kritische Jesus ist es nicht.
Unser Jesus ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben. Der historisch-kritische Jesus ist es nicht. Er starb nur, wie er lebte; sein Tod war die Konsequenz seines Lebens.
Ich habe vorher noch vergessen zu erwähnen: Unser Herr Jesus hat Wunder getan und Dämonen ausgetrieben. Der historisch-kritische Jesus hat das nicht.
Unser Herr Jesus ist am dritten Tag ganz real auferstanden, und das Grab war leer. Der historisch-kritische Jesus ist nur im Wort der Kirche auferstanden.
Unser Herr Jesus ist zum Himmel aufgefahren und sitzt zur Rechten Gottes. Von dort wird er kommen, um die Lebendigen und die Toten zu richten. Der historisch-kritische Jesus tut das nicht.
Selbst dieses seriöse Magazin Der Spiegel hat festgestellt, dass dies sich ausschließende Gegensätze sind. Wer meint, das sei alles gleichgültig, dem ist es gleichgültig, und der hat sich von Jesus verabschiedet.
Wir sehen also hier ganz klar eine Entscheidungssituation: Wir können nicht beides haben – weder die Bibelkritik noch den Glauben an Gottes inspiriertes Wort.
Wir sehen auch, dass es keinen geringsten Grund gibt, die Bibelkritik zu wählen. Ihr Anspruch, wissenschaftlich zu sein, ist absolut unhaltbar.
Ich habe Ihnen nur einige ausgewählte Beispiele gebracht, aber ich habe jetzt von Schnelle jedes Einzelargument über die sogenannten Zollepigraphen überprüft. Das sind mindestens hundert – ich habe sie nicht gezählt, aber es können vorsichtig über hundert sein – und keines dieser Argumente hat einer Nachprüfung standgehalten.
Wir sollten uns schon um Jesu Willen und um unseres Glaubens willen nicht von Gottes inspiriertem Wort wegtreiben lassen.
Aber wem das noch nicht reicht, dem möchte ich auch sagen: Es besteht kein Grund, sich dem Anspruch der Bibelkritik auf Wissenschaft zu beugen. Der Anspruch ist da, aber die Fakten fehlen.
Ich denke, dass dies doch einiges zurechtgerückt hat. Wir sehen dieses Gebäude wirklich stürzen, wenn ein Pfeiler nach dem anderen zusammenbricht.
Diskussion und praktische Hinweise zum Umgang mit bibelkritischem Religionsunterricht
Wir wollen die letzten Minuten nutzen, um Fragen an die Referentin zu stellen. Die Frage soll noch einmal kurz wiederholt werden: Wenn der Religionsunterricht bibelkritisch ist – und das ist er in 90 Prozent der Fälle in Westdeutschland – was mache ich dann?
Antwort: Der Schulleiter wird sagen, dass wer nicht am Religionsunterricht teilnimmt, am Ethikunterricht teilnehmen muss. Damit überschreitet der Schulleiter seine Kompetenz. Da die Eltern jedoch meistens nicht Bescheid wissen, lassen sie sich das sagen.
Fakt ist: Wir haben Anspruch auf einen grundsatztreuen Religionsunterricht, also einen bibel- und bekenntnistreuen Religionsunterricht. Wenn dieses Fach nicht angeboten wird, wenn also unter dem Etikett „Religionsunterricht“ Etikettenschwindel betrieben wird, dann können wir unsere Kinder abmelden. Niemand kann uns zwingen, sie am noch atheistischeren – kann man das so sagen – Ethikunterricht teilnehmen zu lassen.
Das gilt auch für Brandenburg.
Persönliche Erfahrungen und Bekehrung der Referentin
Wie lange haben Sie diese Theologie gelehrt?
Ich habe am 5. November 1977 mein Leben Jesus übergeben. Im Wintersemester 1978/79 habe ich zum ersten Mal auf der Grundlage der Inspiration der Heiligen Schrift gelehrt. Davor hatte ich von dieser Inspiration keine Ahnung.
Ein Bibellehrer hat mir dann das Buch von René Pasch in die Hand gedrückt. Daraufhin habe ich Buße getan, weil Gottes Wort auf nahezu jeder Seite deutlich macht, dass es Gottes inspiriertes Wort ist.
Schwester Linnemann hat sich als blinde Blindenleiterin den Studenten gegenüber gezeigt. Ich darf das so deutlich sagen: Sie hat dieser Theologie abgesagt, und das ist auch notwendig – es ist wichtig, dieser Theologie abzusagen.
Praktische Hilfe und Umgang mit Bibelkritik
Weitere Meldungen
Eine Dame als Laie bedankt sich für die praktische Hilfe durch Schwester Linnemann.
Für die historisch-kritische Theologie ist das, was in der Bibel steht, kein Argument. Wenn man also einem solchen Theologen mit Bibelversen antwortet, sagt er: „Sie haben ja keine Argumente.“
Was muss sich also im Gottesvolk ändern, damit dieser Angriff der Scheinwissenschaft gestoppt und umgekehrt wird? Wir müssen zunächst begreifen, dass der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht zutrifft. Heutzutage wird Wissenschaft oft zum Götzen gemacht. Deshalb werden viele mit dem Hinweis „Das ist nicht wissenschaftlich“ mundtot gemacht.
Um das nun im Einzelnen zu zeigen, muss man arbeiten. Im Schnitt steht hinter einer Seite Schreiben bei mir mindestens ein Tag Forschung. Dabei hilft die Arbeit mit Morgenthalers Statistik, dem neudeutschen Wortschatz sowie einer Konkordanz. Damit kann man viele der Thesen aufdecken.
Die Voraussetzung, mit der man jetzt herangehen kann – das wusste ich am Anfang auch nicht –, ist, dass man nichts für gegeben hinnehmen darf. Alles wird im Brustton der Überzeugung mitgeteilt, als wären es die sichersten Tatsachen, die sogenannten Forschungsergebnisse. In Wirklichkeit ist das nichts anderes als ein Traditionsphänomen.
Nichts darf stehen gelassen werden, alles muss überprüft werden. Meine Erfahrung ist, dass sich, sobald man anfängt zu überprüfen, nichts, aber auch gar nichts halten lässt.
Es wurde die Frage gestellt, ob Eltern Referenten anfordern können. Ich bin bereit.
Aufruf zur Unterstützung bibeltreuer Ausbildungsstätten
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Lehrer oder Irrlehrer sollten wir vielleicht ruhig sagen, nicht bezahlt werden. Es gibt im Grunde genommen technisch nur einen Weg: Gottes Volk muss sich entschieden hinter die bisher einzige theologische Akademie oder theologische Seminarstellen stellen, die wir haben – und zwar in jeder Hinsicht, Finanzen eingeschlossen.
Zweitens muss Gottes Volk seine Kinder endlich vom Moloch befreien und sie nicht mehr zum Studium dieser Theologie an die Universität schicken. Wenn nämlich schließlich die große Zahl aller, die von neuem geboren sind, dort studieren, wo sie Brot statt Gift bekommen, dann wird endlich auch mal ein Mann bei der Kirche aufwachen.
Hier hinten war eine Meldung, bitte!
Ich bin Psychiater. Für mich ist es außerordentlich begrenzt, dass sich Theologen über Jahrzehnte hinweg mit Phänomenen abmühen, die letztlich in Unwissenschaftlichkeit resultieren. Ich muss sagen, das ist einfach lächerlich. Kann man nicht einfach jemanden, der nicht unbedingt christlich eingestellt ist, aber logisch denken kann, einsetzen?
Zweitens vertrete ich hier den Standpunkt der Linken für die Abschaffung der Staatskirchen. Denn diese Leute, die sich einen sachlichen Quasi-Standpunkt bewahren, haben durch die Niederstoßung beispielsweise Frau Rousseau dazu bewegt, als Verteidigerin, wie sagt man, als Apologetin auftreten zu müssen. Auch sie verschwenden ihre Zeit, weil sie nun diese unsinnigen Fehler korrigieren müssen.
Wir könnten ja auch etwas anderes tun.
Ich würde jetzt mal so sagen: Es ist nicht schön, aber ich selbst finde, dass die Beklagung über den Zusammenbruch der Kirche eigentlich irgendwo nur wünschenswert ist. Ich bin überzeugt von einer grassroots movement, bei der jeder die Grundausbildung hat, nämlich Hebräisch und Griechisch zu studieren anhand der alten Texte. Damit kann man der Infantilisierung entgegenwirken, die ja auch bei Studenten stattfindet.
Ich bin also für einen Zusammenbruch, damit etwas Neues entsteht. Und ich bin damit für Hormone, die wissen, wenig meine. Es ist ein bisschen schwierig, auf eine so komplexe Frage hier jetzt zu antworten.
Ich denke, wenn Sie verfolgen, was in Neuwied beginnt, dann ist ein Teil der Antwort gegeben. Es wurde heute Morgen ja im dritten Teil von Bruder Thomas Sören Hoffmanns Vortrag erwähnt. Verfolgen Sie das! Dort sind Ihre Gedanken sicherlich gut aufgehoben.
Ich möchte noch einen Hinweis geben: Eigentlich ist die Situation so wie in Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Der Kaiser wird gesagt, dass er ganz besondere Gewänder bekommt, die den Vorteil haben, dass derjenige, der nicht klug ist, sie nicht sehen kann.
Natürlich waren es Betrüger, die ihm vorgespiegelt haben, er wäre in Samt und Seide mit Goldstickerei und Gewändern gekleidet. Aber er traut sich nicht zuzugeben, dass er die Kleider nicht sieht – das wäre ja blamabel für einen Kaiser. Auch der Premierminister und sämtliche Minister befinden sich in der gleichen Situation. Keiner von ihnen kann zugeben, dass er die Kleider nicht sieht, denn dann müsste er zugeben, dass er nicht klug ist.
Der Bürgermeister und die Honoratioren der Stadt sind ebenso in der gleichen Lage. Auch die normalen, ordentlichen Bürger trauen sich nicht, das auszusprechen. Und dann kommt so ein kleiner Junge und sagt: "Mutti, der Kaiser hat ja gar keine Kleider an."
Das ist sozusagen meine Situation. Ich bin derjenige, der zeigt: Der Kaiser hat ja gar keine Kleider an.
Ein Bruder aus Hannover ermuntert uns, bibeltreue Bekenntnisschulen zu gründen. Ich darf gleich ein Stück weit darauf antworten: Das Problem ist auch hier, dass die Schulen auf staatlich ausgebildete Lehrer und auch Religionslehrer zurückgreifen müssen. Viele dieser Lehrer denken: Ich bin ein wiedergeborener Christ, aber ihr Denken ist nicht bekehrt.
So sehen wir auch in mancher dieser neugegründeten Schulen schon den Geist der Welt eindringen. Wir brauchen ganz dringend bibeltreue Lehrerhochschulen. Das ist vielleicht noch dringender als weitere bibeltreue theologische Seminare.
An der Freien Theologischen Akademie Gießen wird für Religionspädagogen eine Studienbegleitung angeboten. Das ist ein erster Schritt. Die Studierenden studieren dort Religionspädagogik an der normalen Universität Gießen, haben aber zusätzlich eine Wohngemeinschaft, seelsorgerliche Angebote, Seminare und Vorlesungen an der Freien Theologischen Akademie.
Ein vergleichbares Angebot gibt es für Religionspädagogen am Geistlichen Rüstzentrum in Krelingen.
Sprechen Sie uns gezielt darauf an, dann können wir Ihnen Genaueres sagen.
Weitere persönliche Angaben der Referentin und theologische Einschätzungen
Frage an Frau Professor Linnemann: Wie lange haben Sie an der theologischen Fakultät unterrichtet und was ist daraus nach Ihrer Bekehrung geworden?
Ich war fünf Jahre am Seminar für kirchlichen Dienst in Berlin tätig. Ab 1966 arbeitete ich in Braunschweig zunächst an der Pädagogischen Hochschule, die später in die Technische Universität integriert wurde. Ich habe mich dann, soweit ich mich genau erinnere, 1970 in Marburg habilitiert. Dort erhielt ich die Venia Legendi sowie den Titel einer Honorarprofessorin. Nebenbei habe ich sozusagen als Hobby in Marburg gelehrt.
Man hat mich nicht entlassen, nachdem ich mich bekehrt hatte. Vielmehr hat der Herr mich herausgeführt. Er sorgte dafür, dass ich eine Zeitlang meinen Dienst nicht wahrnehmen konnte. Gleichzeitig hat er mich vorbereitet, indem er mir biblische Grundlagen gegeben hat. Nach fünf Jahren wurde ich aufs Missionsfeld geschickt, und zwar nach Indonesien.
Es geht also um die Zerrissenheit und die Frage, wie diese theologisch überwunden werden kann. Darf ich das ein wenig zusammenfassen?
Zunächst einmal spricht Gottes Wort nicht von der Notwendigkeit der Auslegung. Diese Notwendigkeit wurde von der historisch-kritischen Theologie versucht, uns aufzuzwingen. Denn im Auslegen sind sie sehr aktiv. Legen sie nichts aus, dann fügen sie etwas hinzu – ganz kurz gesagt. Auf diese Weise können Thesen in die Bibel eingetragen werden. Das ist eine Verkürzung, ich weiß, aber ich habe nicht viel Zeit.
Bei evangelikalen Theologen besteht vielfach das Problem, dass sie ihre Ausbildung in der Bibelkritik erhalten haben. Manche meinen, die sogenannten Methoden respektieren zu müssen und möchten als wissenschaftlich anerkannt werden. Wer diese Anerkennung vergibt, ist dann die historisch-kritische Theologie.
Wenn wir uns endlich von der Vorstellung freimachen würden, es gäbe nur eine Theologie, und begreifen würden, dass es zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge sind – nämlich gelehrte Arbeit im Bereich einer bibeltreuen Beschäftigung mit Gottes Wort und die historisch-kritische Theologie –, dann würde vieles gesunden.
Denn wenn man genau hinschaut, entstehen die meisten Gegensätze durch ein mehr oder weniger hohes Maß an Anpassung an historisch-kritische Lehren. Die andere Gefahr ist, dass man spezielle Vorstellungen besonders hervorhebt und daraus eine Nebensatz-Theologie baut. Das heißt, auf einem Nebensatz in der Schrift wird eine ganze Theologie aufgebaut. Das ist manchmal die Gefahr, gerade auch bei Leuten ohne Studium.
Wir müssen sorgfältig an Gottes Wort arbeiten – auf der Grundlage des Urtexts, auf der Grundlage historischer Kenntnisse und auf der Grundlage der Archäologie. Das ist wichtig. Für jemanden, der bibeltreu ist, gibt es keinen Platz für „die Theologie von dem“, „die Theologie von dem“ und „die Theologie von jenem“.
Abschluss und Gebetsanliegen
Liebe Geschwister, ich glaube, ich muss jetzt hier einfach mal einen Einschnitt machen. Wir laufen Ihnen nicht weg. Wir stehen gleich noch vorne zur Verfügung und sind auch später am Stand für Sie da.
Nutzen Sie diese Gelegenheit. Ich bitte um Verzeihung, es gab hier noch ein paar Meldungen. Sie kommen dann im kleineren Kreis zum Zuge.
Gott befohlen. Nehmen Sie bitte das Gebet für bibeltreue Schulen, den bibeltreuen Konfirmandenunterricht und den Religionsunterricht in Ihre Fürbitte auf. Beten Sie auch für die freie theologische Akademie in Gießen und die staatsunabhängige theologische Hochschule in Basel.
Ich möchte zudem das geistliche Rüstzentrum Krelingen mit in Ihre Gebete einschließen. Nehmen Sie ins Gebet, dass Gottes Wort den ganzen Menschen zur Umkehr auffordert – und das schließt unser Denken mit ein.
Bitten Sie den Herrn, denn er will uns in seiner Güte zur Buße leiten, auch zur Buße im Denken. Amen.