Einführung in die Predigtreihe und das Buch von Tim Sledge
Gemeinsam Glauben Leben
Sie hören den Predigt-Podcast der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde The Rock Christus Kirche aus Berlin-Spandau. Ob es lustig ist, weiß ich nicht, aber ich habe etwas mit Ihnen vor. Ich möchte eine kleine Reihe starten. Vier Argumente gegen den Glauben klingt schräg, ist schräg, aber wichtig.
Ich habe ein Buch gelesen, das zu dieser Reihe passt: "Vier verstörende Fragen und eine simple Antwort" von Tim Sledge. Ich finde, es ist ein sehr trauriges Buch. Der Autor ist ein ehemaliger Pastor, der große Gemeinden geleitet hat, christliche Bestseller geschrieben hat und tausende Menschen wirklich zum Guten beeinflusst hat. Nach Jahrzehnten im Dienst hat er seinen Glauben bewusst abgelegt.
Heute bezeichnet er sich als glücklichen Humanisten. In seinem Buch versucht er zu beweisen, dass der Glaube an Gott völliger Blödsinn ist – so etwas wie ein Zauber, unter dem man steht, der aber nicht real ist. Deshalb sollte man sich möglichst schnell von ihm lösen.
Das Buch ist um vier verstörende Fragen herum geschrieben, die sich an den christlichen Glauben richten. Ich will es deutlich sagen: Das Buch ist dazu geschrieben, den Glauben von Menschen zu zerstören. Sie müssen es also nicht lesen, es ist keine Leseempfehlung.
Trotzdem finde ich es wichtig. Der Titel lautet, übersetzt: Vier verstörende Fragen – gemeint sind Fragen ans Christentum – und eine simple Antwort. Diese simple Antwort, die der Autor immer wieder im Buch gibt, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ich übersetze sie ebenfalls:
Das Christentum und alle anderen Religionen sind Erfindungen des menschlichen Geistes. Es gibt keinen allmächtigen, allwissenden, personalen und liebenden Gott.
Ziel der Predigtreihe und Umgang mit Glaubenszweifeln
Was machen wir in der Reihe? Zwei Dinge. Einerseits werden wir über diese vier verstörenden Fragen nachdenken. Heute behandeln wir eine davon, und in den drei folgenden Predigten dann die anderen drei Fragen.
Ich möchte aber noch etwas anderes ansprechen. Grundsätzlich möchte ich diese Reihe nutzen, um über das Thema Glaubenszweifel nachzudenken. Ich finde das nämlich sehr wichtig. Die Frage ist: Wie gehe ich damit um, wenn ich von Gott enttäuscht werde? Ich habe eine bestimmte Erwartungshaltung an das Thema Glauben. Diese Erwartungshaltung zeigt sich natürlich in Bereichen wie Ehe, Beruf und Gesundheit.
Was mache ich aber, wenn Gott sich nicht so verhält, wie ich es mir vorstelle? Wenn er nicht das tut, was ich denke, dass er tun sollte? Dann bin ich enttäuscht, richtig? Wie gehe ich damit um?
Jetzt kommt eine ganz wichtige Wahrheit, und die lautet so: Merkt euch das gut! Dein Zweifel an Gott, am Christentum oder an irgendeiner christlichen Lehre zerstört nicht deinen Glauben. Der Zweifel selbst ist überhaupt nicht das Problem.
Ich gehe noch weiter: Es ist der Zweifel, den ich nicht ausspreche oder von dem ich denke, dass man ihn nicht äußern darf, der den Glauben zerstört. Versteht ihr das? Ein Zweifel, der in einem nagt und gärt, bei dem ich denke: „Wenn ich das irgendwem sage, halten die mich nicht mehr für einen ordentlichen Christen“ oder „Dann werde ich in der Gemeinde schief angesehen.“ Diese Art von Zweifel macht den Glauben kaputt.
Deshalb sage ich ganz deutlich von hier vorne: In dieser Gemeinde ist jeder Zweifel erlaubt. Nehmt das bitte mit! Zweifel, Fragen, Skepsis, geistlicher Durst, Strecken – einfach immer her damit! Das müsst ihr nicht für euch behalten.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich glaube, dass ein Glaube an Gott ohne offene Fragen kein reflektierter Glaube ist. Ich sage das noch einmal: Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der sagt, „Ich glaube an Gott“, aber nicht irgendwo noch so ein paar Ecken hat, wo er sagt, „Da verstehe ich ihn überhaupt nicht“, keinen reflektierten Glauben hat.
Persönliche Haltung zu Fragen und Zweifeln im Glauben
Und jetzt könnte dir Jürgen fragen: Heißt das, du hast noch offene Fragen an die Bibel? Ja, genau das heißt es. Ich verstehe nicht alles, was in der Bibel steht.
Aber muss man nicht alles verstehen, um Christ zu sein? Da würde ich sagen: Na ja, anscheinend nicht. Denn ich bin ja Christ, und ich verstehe nicht alles. Es gibt einen, der alles versteht – das ist Gott. Und das bin ich halt nicht, ich bin nicht Gott.
Deshalb bitte versteht das gut: Im Christentum geht es um eine Beziehung zu dem Herrn Jesus. Der Heilige Geist nimmt sich locker ein Leben lang Zeit, um uns jedes Jahr neue Sachen beizubringen.
Weil es um eine Beziehung geht, geht es eben nicht um Ideologie. Es geht nicht um ein Glaubensbekenntnis. Und der Gag ist: Ich kann super intensiv eine Beziehung zu Jesus leben, ohne dass ich schon alle Fragen verstanden habe, die mir so zum Thema Glauben kommen.
Beispiel für Beziehung trotz Unverständnis
Ich mache mal ein Beispiel, damit das verständlich wird: Ich lebe eine sehr intensive Beziehung zu meiner Frau. Trotzdem bin ich weit davon entfernt, sie vollständig verstanden zu haben. Ähnlich ist es bei Gott.
Ich kann eine sehr intensive Beziehung zu Gott haben und dennoch ehrlich sagen: An der Stelle, Vater im Himmel, habe ich bei diesem Bibelvers keinen blassen Schimmer, was der eigentlich bedeutet. Ich verstehe ihn einfach nicht. Vielleicht ist das jetzt nicht superwichtig, aber es gibt Dinge, bei denen ich gerne mehr verstehen würde. Und das ist völlig in Ordnung.
Wir dürfen ein Leben lang in geistlichen Dingen dazulernen. Ja, wir sollen auch nicht immer Anfänger bleiben, das ist logisch. Wir dürfen geistlich reifen. Es wäre schön, wenn du im Alter eine geistliche Mutter oder ein geistlicher Vater sein könntest. Wir sollen an den Punkt kommen, den Paulus in 2. Timotheus 4,7 beschreibt.
Ich hoffe, dass wir das alle sagen können, aber eben am Ende unseres Weges, nicht am Anfang. Am Ende sollen wir formulieren: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ Genau dahin geht die Reise. Aber bis dahin ist es ein Weg, den wir gehen müssen.
Ermutigung zum offenen Umgang mit Zweifeln
Und auf diesem Weg, wenn wir wirklich ankommen wollen, gibt es eine Sache, die total wichtig ist. Deshalb möchte ich mit dieser Reihe Mut machen und spreche das ganz offen an.
Wenn du Glaubenszweifel hast, wenn dir irgendetwas mit Gott querliegt oder wenn du Dinge in der Bibel nicht verstehst, dann komm damit heraus. Fress das nicht in dich hinein. Ganz wichtig: Damit wir noch einmal auf das zurückkommen, was wir vorhin hatten – die Folie mit dem Zitat – Zweifel an Gott, am Christentum oder an irgendeiner christlichen Lehre zerstören den Glauben nicht.
Du musst davor überhaupt keine Angst haben. Es ist vielmehr der Zweifel, den ich nicht ausspreche und von dem ich vielleicht denke, dass ich ihn nicht äußern darf, der den Glauben zerstört. Das ist ganz, ganz wichtig, dass wir das begreifen. Die Idee, ich darf Dinge nicht äußern, ist falsch – wirklich, wirklich ganz falsch.
Wisst ihr, wenn uns Jesus die Wahrheit gebracht hat – und das behauptet er –, er sagt, er ist die Wahrheit und er bringt uns die Wahrheit, und die Wahrheit wird uns freimachen. Wenn Jesus uns die Wahrheit bringt, dann darf ich doch mit jeder kritischen Frage an diese Wahrheit herantreten. Es muss einfach so sein.
Erste verstörende Frage: Unterschiedliche Ergebnisse im Glauben
Kommen wir zur ersten verstörenden Frage, die Tim Sledge in seinem Buch aufwirft. Die erste Frage lautet: Warum führt der Glaube an den auferstandenen Jesus, der Christen bevollmächtigt, zu so unterschiedlichen Ergebnissen?
Ich möchte die Frage etwas allgemeiner formulieren. Der Autor war früher Pastor und hat viel Gemeindeerfahrung, er weiß also, wovon er spricht. Deshalb lautet die erste Frage etwa so: Wenn das mit dem Glauben wirklich stimmen würde, wenn Christen tatsächlich eine reale Begegnung mit Gott hätten, wenn in allen Christen der Heilige Geist wohnen würde – der Geist der Kraft, der Liebe und der Disziplin – und wenn Gott wirklich alles neu machen würde, warum ist dann der normale Blick in eine gewöhnliche Gemeinde so ernüchternd?
Die Frage ist großartig. Um das ganz deutlich zu sagen: Obwohl diese Frage hier als verstörend dargestellt wird, habe ich mir diese Frage in den letzten zwanzig Jahren schon sehr oft gestellt, ehrlich gesagt. Und ich habe sogar Lust, noch ein bisschen mehr darauf einzugehen. Aber zunächst möchte ich sicherstellen, dass er verstanden wird, was er meint.
Unterschiedliche Typen in Gemeinden und ihre Herausforderungen
Er sagt: Wie kann es sein, dass es in einer durchschnittlichen Gemeinde von Christen auf der einen Seite Menschen gibt, die engagiert sind? Diese bringen sich ein, geben viel, sind interessiert an der Bibel, am Gebet und an Evangelisation. Dann denkt man: Ja, so sollte es sein!
Auf der anderen Seite gibt es aber eine Gruppe, bei der man den Eindruck hat, sie wollen eigentlich nicht Bibel lesen. Sie tun gerade so viel, dass sie nicht anecken. Vielleicht erscheinen sie nicht einmal beim Putztag. Mitarbeit, Hauskreis, Eigeninitiative – alles ist eher mau.
Man sieht in der Gemeinde plötzlich diese Gruppen vor sich: den Typ Mitläufer, Schnorrer oder Problemkind – und dann den Typ Überwinder und Gasgeber. Es gibt immer beides.
Wie kann das sein? Wenn Gott wirklich alles neu macht, warum wird das nicht bei allen auf dieselbe Weise sichtbar? Würde man von einer Organisation, die von Gott durchdrungen ist, nicht einfach einen höheren Standard erwarten als von einer durchschnittlichen Gemeinde?
Kritik an Gemeindeproblemen und deren Auswirkungen
Und ich bin, wenn ich das so formuliere, noch nicht einmal dort angekommen, wo es wirklich wehtut. Ich lege noch ein bisschen nach.
Was ist mit geistlichem Missbrauch, der in Gemeinden erlebt wird? Menschen, die die Gemeinde als Bühne nutzen, um sich selbst zu inszenieren. Dabei ist es ihnen völlig egal, wen sie verletzen. Hauptsache, sie können sich in Szene setzen und ihr eigenes Ding durchziehen – mit einer ganz bösen Motivation.
Was ist mit Heuchelei, doppelten Standards, Sünde und Unmoral in der Gemeinde? Warum gibt es dort so wenig Früchte des Geistes? Diese Früchte wie Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit – da ist noch deutlich Luft nach oben, oder?
Was ist mit einem Mangel an Vergebungsbereitschaft? Ich will gar nicht so weit gehen. Vergebungsbereitschaft, bleiben wir ein bisschen darunter: einfache Dankbarkeit. Wenn du sagst, das habe ich noch nie erlebt, was ist dann mit innergemeindlichen Konflikten? Konflikte um Traditionen, um Glaubenssätze, um theologische Spitzfindigkeiten.
Plötzlich merkt man, dass es nicht mehr darum geht, in Einheit miteinander gemeinsam einen Weg als Gemeinschaft zu gehen. Stattdessen gibt es einzelne Leute, die jede Entwicklung blockieren. Für sie ist das ihre Gemeinde, und sie sollte bitte genauso bleiben, wie sie immer war. Und wehe, jemand stellt sich dagegen.
Es gibt keinen Wunsch, dass neue Leute in die Gemeinde hineinfinden. Kein Wunsch nach geistlichem Wachstum für die Gemeinde. Liebe zu neuen Leuten, Integration von Fremden – alles Fehlanzeige.
Weitere Herausforderungen in Gemeinden
Was ist mit denen, die getauft werden, für eine Weile brennen und dann ihrem Herrn Jesus doch den Rücken kehren?
Was ist mit den Kaputten, die in der Gemeinde kaputt bleiben? Was ist mit denen, die immer schwach sind, weil sie von ihrer Vergangenheit einfach nicht richtig loskommen? Die nie geheilt werden von ihrer psychischen Erkrankung und über denen immer so eine dunkle Wolke der Sucht weiter schwebt. Was ist mit denen?
Das, was ich jetzt aufgezählt habe, ist nicht die Beschreibung einer schwachen Gemeinde, die endlich mal Buße tun muss. Es ist die Beschreibung einer ganz normalen Gemeinde. Das ist die Realität von Gemeinde, wie du sie in jeder guten Gemeinde wiederfinden wirst.
Tim Sledges Schlussfolgerung und seine Kritik am Glauben
Und jetzt kommt Tim Sledge und sagt: Ich habe das hautnah erlebt, absolut schmerzhaft.
Und jetzt stelle ich mich hin als Ex-Pastor und sage: Wenn das die Realität von Gemeinde ist, wenn es in der Kirche so sehr menschelt wie in einem Kleintierzüchterverein, dann ist Gemeinde Gottes nichts Übernatürliches, keine Sache, wo Gott ist, nichts Heiliges.
Dann ist die Idee, dass hier der Schöpfer des Universums am Wirken ist, einfach nur eine Einbildung. Da ist nichts.
Und warum ist da nichts? Weil es diesen Gott einfach nicht gibt.
Argument eins gegen den Glauben: Der Glaube funktioniert nicht, schau dir einfach mal nur die Gemeinden an.
Tja, was sagt man dazu? Was sagt man dazu?
Vier Punkte zur Reflexion über Gemeindeerfahrungen – Teil 1
Ich habe euch vier Punkte mitgebracht, und den letzten Punkt werde ich etwas ausführlicher erläutern.
Punkt eins: Wenn du noch nie wirklich frustriert von deinen Geschwistern in der Gemeinde warst – sei es wegen mangelndem Einsatz, fehlendem Mitdenken, fehlender Selbstreflexion oder einfach fehlender Liebe und Mitgefühl – dann lass mich dir eines ganz deutlich sagen: Du bist nicht wirklich Teil der Gemeinde.
Ganz einfach: Wenn dich dieser Mangel bei deinen Geschwistern noch nie betroffen gemacht hat, dann gehörst du vielleicht zu einem Hauskreis oder du kommst in den Gottesdienst. Aber du bist nicht wirklich Teil der Gemeinde.
Das liegt daran, dass erst dann, wenn Menschen dir wehtun können, du wirklich dabei bist. Erst dann hast du so viel Herz investiert, dass du sagen kannst: Das ist meine Gemeinde.
Solange dir all das egal ist und du denkst: „Ich hole mir hier den Gottesdienst ab, vielleicht noch die Pasta und ein bisschen Bibel hinterher, und das war’s“, dann gehörst du nicht dazu. Klar, du kannst einmal die Woche ein Update bekommen, aber ansonsten ist dir die Sache eigentlich egal.
In dem Moment, in dem du wirklich dazugehörst, wird es weh tun. Es wird schmerzhaft sein, und es wird dich treffen.
Das ist Punkt eins.
Vier Punkte zur Reflexion über Gemeindeerfahrungen – Teil 2
Tim Sledge hat Recht, zumindest mit seiner Beschreibung von Gemeinde. Gemeinde ist genau so, wie er es beschrieben hat. Es gibt die Hingegebenen, und dann gibt es die Heuchler. Es gibt diejenigen, die aus Liebe dienen, und solche, die ihren Dienst für ihr Ego brauchen. Dann gibt es die Kaputten, und daneben die, die scheinbar keine Probleme haben.
Außerdem gibt es die, die geistlich von alleine wachsen, beten und ihre Bibel lesen. Und es gibt die, die auf der Stelle treten, die sich schwer tun mit dem Beten und bis heute nicht die Reihenfolge der biblischen Bücher kennen. So ist es einfach.
Tim Sledge hat Recht mit seiner Beschreibung, ich kann nichts dagegen sagen.
Ich möchte aber Folgendes anmerken, und das ist mein dritter Punkt: Ich glaube, dass er trotzdem einen Denkfehler in seinem ganzen Konstrukt hat. Dieser Denkfehler sieht ungefähr so aus: Ich habe den Eindruck, dass für ihn der Moment der Bekehrung nicht einfach nur ein Moment ist, in dem ich mein altes Leben hinter mir lasse, von Gott Vergebung meiner Schuld empfange, Teil von Gottes Familie werde und es wie ein Startschuss für ein neues Leben ist.
Vielmehr habe ich den Eindruck, dass Tim Sledge glaubt, Bekehrung sei ein Moment, in dem übernatürlich Kraft in mein Leben kommt. Plötzlich bin ich eine Art Überwinder. Alles, was vorher an Problemen, an Komplexen, an Blockaden da war, ist ganz schnell weg. Ich werde ganz fix so ein richtig guter und beeindruckender Mensch, der auf alle Fragen des Lebens die richtigen Antworten hat und auch alles richtig macht.
Und da muss man sich einfach sagen: Entschuldigung.
Falsche Vorstellungen von Bekehrung und Heiligung
Ich habe jetzt keine Zeit, tiefer darauf einzugehen. Wir werden das Thema Heiligung in diesem Jahr noch in zwei Predigten behandeln. Aber ganz ehrlich: Nein, das ist falsch, dieses Denken.
Bekehrung ist kein magischer Moment. Es ist nicht so, dass ich mich bekehre und dann plötzlich, wie bei einem Frosch, der sich in einen Prinzen verwandelt, alles anders wird. Versteht ihr? So ist es einfach nicht. Dieses Denken ist falsch.
Deshalb, weil dieses falsche Denken vorhanden ist, noch einmal Punkt eins: Er sagt, dass ich gesagt habe, du wirst Schmerz in der Gemeinde erleben – das gehört dazu. Punkt zwei: Er hat Recht. Punkt drei: Trotzdem macht er einen Fehler. Er legt zu viel Gewicht auf den Moment der Bekehrung.
Damit sage ich nicht, dass wir am Ende, wenn wir bei Gott ankommen, nicht alle geistlich gesund sind. Das wird Gott schon machen, keine Sorge.
Warum die Kritik an Gemeinde nicht zur Ablehnung Gottes führt
Punkt vier: Warum irrt er, wenn die Beschreibung richtig ist, die Fakten stimmen, aber die Schlussfolgerung, die er aus den Fakten zieht, einfach falsch ist? Es gibt sechs Gründe, warum die Beschreibung richtig, aber die Schlussfolgerung falsch ist.
Punkt Nummer eins: Ich schaue in die Bibel – das wisst ihr ja –, also wenn man eine Frage hat, muss man immer zuerst in die Bibel schauen, ins Zeugnis des Neuen Testaments. Wenn ich lese, was die Apostel den Gemeinden schreiben oder wenn ich mir die Sendschreiben anschaue, dann merke ich, dass schon die allerersten Gemeinden ein ziemlich wilder Haufen waren.
Ich nehme jetzt nur ein Beispiel: Paulus schreibt einen Brief an die Korinther, den zweiten Korintherbrief. Im selben Brief kann er in Kapitel 5, Vers 17 schreiben: „Ihr seid eine neue Schöpfung.“ Und in Kapitel 13, Vers 5 sagt er: „Prüft euch, ob ihr am Glauben seid. Ich bin ja nicht ganz sicher, ob das alles echt ist.“
Du denkst dir: Wie kann das sein? Sind die jetzt eine neue Schöpfung oder sind die irgendwie nicht ganz in Ordnung? Also versteht ihr, das ist die Realität.
Ich könnte viel über die Korinther und andere Gemeinden sagen, und ihr wisst das: Im Neuen Testament gibt es keine Überflieger-Christengemeinden. Das sind genauso wilde Haufen, wie wir es heute auch haben. Das scheint von Anfang an die Realität gewesen zu sein.
Deshalb ist die Erwartung, es müsse heute ganz anders sein, einfach nicht richtig.
Gemeinde als Sammelbecken zerbrochener Menschen
Zweiter Punkt
Das Evangelium wird in der Apostelgeschichte als ein Evangelium der Gnade bezeichnet. Es richtet sich an völlig zerbrochene Menschen.
Wisst ihr, dass es häufig nicht die Schlauen und oft nicht die Einflussreichen sind, die sich bekehren? Denn eine echte Bekehrung setzt voraus, dass ich mich als Sünder wahrnehme und mir eingestehe: Ich schaffe es selbst nicht. Ich brauche einen Retter.
Stellt euch nun vor, wenn das stimmt, was auch in der Bibel steht, nämlich dass du eine ganze Menge Kaputtheit brauchst, um an den Punkt zu kommen, an dem du dir selbst eingestehst, ich brauche einen Retter. Das ist ja extrem demütigend.
Wenn das stimmt, welche Art von Menschen hast du dann in der Gemeinde? Versteht ihr, eigentlich müsste die Gemeinde ein Sammelbecken von schrägen Typen sein. Es ist nicht ein Durchschnitt der Gesellschaft, sondern der kaputte Durchschnitt der Gesellschaft, der ehrlich genug ist, sich einzugestehen: Ich brauche jemanden, der mich rettet.
Veränderung und Heilung in Gemeinden
Dritter Punkt: Man kann natürlich die Gemeinde kritisieren und sagen, dass dort ja nichts Echtes passiert. Es gibt ja nichts, was sich verändert. Wenn ich aber genau hinschaue, stelle ich fest, dass das nicht stimmt. Es gibt erstaunliche Beispiele für Veränderung und Heilung in Gemeinden.
Das mag zwar nicht für alle in der Gemeinde gelten oder nicht im gleichen Maß zutreffen, aber ich bin zum Beispiel jemand, der das für sich sagen kann: Ich erlebe Veränderung. Gott ist mit mir in einem Prozess, und er nimmt sich die Zeit, die ich brauche, um diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen.
Es geht nämlich darum, dass ich diesen Weg mit ihm gehe. So blöd das klingt, der Weg ist ein Stück weit das Ziel. Denn ich verändere mich nicht dadurch, dass Gott mir auf wundersame Weise einfach etwas Neues ins Hirn pflanzt und ich ab morgen ganz anders funktioniere.
Gott will mich als Person niemals vergewaltigen. Er möchte Liebe leben. Und Liebe fängt jeden Morgen neu an, dort, wo ich das Ja finde und nach diesem Ja lebe.
Unterschiedliche Ausgangspunkte und Fortschritte im Glaubensweg
Und noch etwas ist wichtig zu diesem Thema Heilung, Heiligung und Veränderung: Wir starten an ganz unterschiedlichen Stellen.
Stell dir einmal vor, ich nehme zwei ganz unterschiedliche Menschen aus der Gemeinde. Zum einen hast du ein typisches behütetes Gemeindekind, das mit zwanzig Jahren noch nie einen Harry-Potter-Roman gelesen hat. Auf der anderen Seite steht jemand, der sich mit Mitte vierzig aus einem, sagen wir mal, rechtsradikalen Hintergrund und Alkoholismus herausbekehrt hat.
Die Frage ist: Wer von beiden hat wohl mehr Probleme damit, das Thema Zorn unter Kontrolle zu bekommen? Ist es die Person, bei der du denkst, sie war noch nie zornig? Doch, doch, oft kommt dann ein Beispiel, das zeigt, dass sie sehr wohl zornig war. Oder ist es die Person, die Zeit ihres Lebens quasi immer mit rotem Kopf und einem gezückten Messer durch die Gegend gelaufen ist?
Das ist genau das, was wir in der Gemeinde erleben. Heilung und Heiligung finden statt, aber wir haben ganz unterschiedliche Ausgangspunkte. Der eine entwickelt sich etwas weiter. Von außen betrachtet mag er vielleicht immer noch chaotisch wirken, aber er hat sich weiterentwickelt. Er gehört zur Gemeinde dazu, und das, was wir an ihm sehen, ist Ausdruck von Gottes Wirken. Das müssen wir einfach anerkennen.
Was ich mit diesem dritten Punkt sagen möchte: Es gibt Heiligung, und Gott verändert Menschen. Das ist real, das ist die Kraft Gottes. Aber Gott nimmt sich die Zeit, die wir brauchen. Er überfordert uns nicht. Er startet mit einer Gruppe von schrägen Leuten, und da sind einige dabei, die wirklich ziemlich schräg sind. Vielleicht werden sie am Ende ihres Lebens noch nicht so weit sein, wie sie es sich selbst wünschen würden.
Aber das ist die Realität. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns selbst in diesen Prozess mitbringen – mit unseren Baustellen, unserer Vergangenheit, unserer Autobiographie, unserer Intellektualität, unseren Blockaden, unserer Lerngeschwindigkeit und so weiter – dann müssen wir diese Realität akzeptieren.
Unterschiedliche Motive für die Zugehörigkeit zur Gemeinde
Vierter Punkt. Und das ist noch einmal schlimmer: Gemeinde ist eine Gruppe von Menschen, die sich aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus bekehren. Dabei bekehren sich nicht alle zu Jesus.
Was ich sagen möchte: Gemeinde ist eine Mischung aus Leuten. Es gibt echte Christen, aber auch Menschen, die eigentlich nicht Jesus suchen. Sie suchen etwas anderes, zum Beispiel einen Sinn im Leben. Das ist etwas anderes. Man kann sich zur Gemeinde bekehren, weil man eigentlich den Sinn im Leben sucht, ohne sich jemals zu Jesus bekehrt zu haben.
Andere suchen eine Bühne für ihr eigenes Ego. Wieder andere suchen vielleicht eine Herde dummer Kühe, die man melken kann. Versteht ihr? Es gibt ganz unterschiedliche Gründe.
Das Neue Testament spricht von Wölfen im Schafspelz. Wir lesen von Irrlehrern, die kommen werden, und von falschen Gemeindeleitern. Solche Menschen sind einfach mit in der Gemeinde. Wenn du dir eine Gemeinde anschaust, stellst du fest, dass solche Personen mittendrin sind.
Na ja, wenn man von außen darauf schaut, macht das die Gemeinde natürlich nicht netter.
Jesu Warnung vor Konflikten unter Christen
Der lustigste Punkt ist Lukas 16, Vers 8. Der Herr Jesus sagt dort wörtlich: „Und das habe ich mir ja nicht ausgesucht.“
Jesus meint, dass Christen im Umgang miteinander sich oft dümmer verhalten als Nichtchristen. Und dann wundern wir uns, wenn das, was Jesus vorhergesagt hat, sich tatsächlich erfüllt. Versteht ihr?
Es wäre anders, wenn die Gemeinde der heilige Hafen wäre, in dem sich niemand mit dem anderen streitet. Dann hätten wir ein Problem, denn das hat Jesus nicht vorhergesagt. So etwas steht nicht im Neuen Testament.
In diesem Fall müsste man sich fragen: Was verbindet uns? Welchen „Pilz“ haben wir alle gleichzeitig zu uns genommen? Das wäre dann die Frage.
Aber so ist es wörtlich das, was der Herr Jesus sagt: Die Söhne oder Kinder des Lichts sind im Umgang miteinander nicht so klug wie die Kinder der Finsternis. Ja, das stimmt.
Persönliche Verantwortung und Selbstreflexion in der Gemeinde
Und der letzte Punkt: Du bist hier. Ich auch. Und du kennst dich. Wenn du ehrlich bist, schaust du manchmal in den Spiegel und denkst: „Ich bin ein ordentlicher Chaosmitbringer.“
Stell dir vor, du bist hier, ich bin hier, und wir bringen das Chaos mit, das unserem Leben anhaftet. Die Halbheit, das Durcheinander, das Nichtverstehen – all das gehört einfach dazu.
Sechs Punkte sind mir wichtig. Du kannst von außen darauf schauen und sagen: „Gemeinde ist ein chaotischer Haufen.“ Und ich sage: Ja, Amen, super beschrieben. Jetzt schauen wir uns an, warum das so ist.
Erstens: Im Neuen Testament wird Gemeinde genau so beschrieben. Such nicht nach einer anderen Gemeinde, die gibt es nicht.
Zweitens: Das hat damit zu tun, dass die Kaputten sich bekehren und sich bei uns, wenn wir wirklich wie eine Seenotrettungsstation funktionieren, auch ein Stückchen sammeln.
Drittens: Es gibt Veränderung und Heilung. Schau dir das an, aber jeder geht seinen eigenen Weg. Du kannst nicht erwarten, dass jeder schon an einem Ziel angekommen ist, das du definierst.
Viertens: Es gibt ungläubige Leute in Gemeinden, die ziehen den Standard runter – logisch.
Fünftens: Lukas 16,8 – wir tun uns da grundsätzlich ein bisschen schwer.
Sechstens: Du bist hier, und ich bin es auch. Jetzt weißt du, warum sich Gemeinde nicht immer so nett anfühlt. Es kann einfach nicht anders sein, wenn diese Punkte wahr sind.
Das Wunder der Gemeinde trotz ihrer Schwächen
Das heißt, das Wunderbare an der Gemeinde liegt nicht in ihrer Unvollkommenheit, Dummheit oder Lieblosigkeit – all das ist übrigens nicht erstrebenswert. Wir dürfen alle besser werden, daran besteht kein Zweifel.
Das Wunder der Gemeinde besteht nicht darin, dass wir uns, verglichen mit einem Kleintierzüchterverein, seltener in die Haare kriegen. Das ist nicht das Wunder der Gemeinde.
Das Wunderbare – und hier kommt das Göttliche ins Spiel – besteht darin, dass die Gemeinde, obwohl sie so ist, wie ich sie eben beschrieben habe, seit zweitausend Jahren die Welt zum Guten verändert. Egal, wo ich hinschaue: Menschenrechte, die Abschaffung der Sklaverei in der westlichen Welt, Wissenschaft, Bildung, Barmherzigkeit sowie der Umgang mit Alten, Schwachen, Kranken und Behinderten – all das gab es in der Antike nicht, bis die Gemeinde kam.
Gottes Wirken durch schwache Menschen
Und jetzt wird es interessant. Da hast du diesen Haufen von kaputten Menschen, die sich jede Woche ehrlich eingestehen dürfen, dass wir aus Gnade leben. Dass wir mit Bruderliebe lange noch nicht fertig sind. Amen, dürfen wir gar nicht alle so sagen? Und trotzdem, obwohl wir sind, wer wir sind – das ist das Irre daran –, obwohl wir sind, obwohl du da bist, ich da bin und ein paar andere, die wir gerne los wären, also obwohl wir da sind, schreibt Gott mit seiner Gemeinde seit zweitausend Jahren Geschichte.
Und wisst ihr, warum er das tut? Er tut das, weil er sich selbst durch die Schwäche der Gemeinde offenbart. Es gibt ein Prinzip aus dem zweiten Korintherbrief, Kapitel 12, Vers 10. Da sagt Paulus: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Ich glaube, das ist ein Grundsatz.
Gott kann das Schwache benutzen. Er kann es sich erlauben, dir die Zeit zu geben, die du brauchst, um heil zu werden – und wenn es ein ganzes Leben lang dauert. Er kann es sich erlauben, dass Gemeinde nach außen hin ein bisschen dämlich aussieht und trotzdem damit Geschichte schreibt.
Das ist das Wundersame, das ist das Übernatürliche von Gemeinde. Es sind nicht die Menschen in der Gemeinde, obwohl es da auch das eine oder andere gibt, wo man sagen kann, das ist ein kleines Wunder, das im Leben von Menschen geschieht.
Aber wenn du das Wundersame, wenn du das Besondere von Gemeinde erkennen möchtest, dann erkenne es dort, wo Gott wirkt, obwohl die Typen, mit denen er arbeitet, schwach, begriffsstutzig, selbstverliebt oder einfach nur dumm sind.
Gott allein sei die Ehre. Amen.
Abschluss und Verabschiedung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Alle Informationen zu unserer Gemeinde finden Sie im Internet unter www.weil-gott-dich-liebt.de. Wir wünschen Ihnen Gottes reichen Segen. Bis zum nächsten Mal!
