Vorbereitende Hinweise und Gebet zum Wort Gottes
Bevor wir den Herrn weiterhin durch das Hören auf sein Wort anbeten, noch eine kurze Information zur Beerdigung von Gisela Schürmann. Diese wird am Freitag um 11:15 Uhr auf dem Waldfriedhof im neuen Teil stattfinden. Also: Neuer Teil Waldfriedhof, Freitag, 11:15 Uhr.
Es wird außerdem Anfang der Woche noch eine E-Mail mit genaueren Informationen an alle Mitglieder verschickt.
Nun zum Hören und zur Verkündigung von Gottes Wort.
Himmlischer Vater, danke, dass wir eine Gemeinde sein dürfen, die du gerufen hast und die du durch Jesu teures Blut erkauft hast. Wir wissen, dass wir aus eigener Kraft nicht hier wären, wir könnten deine Heiligkeit nicht erkennen und auch nicht in ihr bestehen.
Jesus, wir danken dir für deine Gnade. Wir danken dir, dass du, der heilige Gott, bereit bist, mit Menschen wie uns zu sprechen. Du tust es, weil du uns liebst und uns den Weg zum ewigen Leben zeigen willst.
So bitten wir dich jetzt, zu uns zu sprechen. Schenke mir Kraft, dein Wort zu verkündigen. Hilf, dass meine Stimme hält und dein Wort klar erschallt. Lass es nicht nur unsere Ohren erreichen, sondern auch unsere Herzen.
Darum bitten wir in Jesu Namen. Amen.
Erwartungen und Zweifel an Jesus
Letzten Sonntag haben wir bei der Gemeindefreizeit einen Gottesdienst gefeiert – nicht wie hier unter einem Kreuz, sondern unter einem Kruzifix. Wer schon einmal in Theissendorf war, weiß, dass dort ein Jesus an der Wand hängt. Das gehört zum Ambiente im katholischen Kolpinghaus, egal, ob man das mag oder nicht.
Als ich dort letzten Sonntag so saß, habe ich mich gefragt, ob Jesus wirklich so ausgesehen hat – relativ blass – oder ob er vielleicht eher dunkelhäutig war. Hatte er langes Haar oder doch eher kurzes, vielleicht lockiges? War er groß und stark oder tatsächlich eher schmächtig und klein?
Ich weiß nicht, wie du dir Jesus vorstellst. Irgendeine Vorstellung haben wir doch alle im Kopf. Manchmal sieht man ein Bild in einer Kinderbibel, und wir wissen ganz genau: Das ist Jesus.
Das trifft aber nicht nur auf Jesu Aussehen zu. Ich denke, wir haben auch alle ein Bild davon, wie Jesus so ist und wie er zu sein hat. Wir haben konkrete Erwartungen an Jesus, Dinge, die wir von ihm erhoffen.
Wenn du heute als Gast hier bist und der christliche Glaube dir eher neu ist, dann mag dich das überraschen: Ja, wir Christen haben konkrete Erwartungen an Jesus. Ja, wir glauben wirklich, dass er lebt. Wir glauben, dass er aktiv ist und in unserem Leben erlebbar ist.
Lieber Christ, ich hoffe, du kannst das bestätigen, dass du sagst: Ja, genau, ich glaube an einen Jesus, der nicht nur eine abstrakte historische Figur ist, sondern mein lebendiger Herr, dem ich vertraue und mit dem ich lebe.
Immer wieder höre ich Zeugnisse von Geschwistern, die berichten, wie sie ganz konkret Jesus erlebt haben – sein Eingreifen, seine gute Versorgung in ihrem Leben. Sie haben erlebt, wie er Freude schenkt und wie er übernatürlich Trost und Frieden gibt.
Aber manchmal, manchmal ist es auch ganz anders. Da scheint uns der Herr ganz weit weg zu sein. Wir erleben Enttäuschungen und fragen uns: Wo ist Jesus? Warum zerplatzen meine Träume alle? Warum werden meine Erwartungen und Hoffnungen so oft enttäuscht?
In einer solchen Situation befindet sich Johannes der Täufer. Davon lesen wir in unserem heutigen Predigttext. Er findet sich in Lukas 7,18.
Zweifel des Johannes und die Frage nach Jesu Identität
Lukas Evangelium, Kapitel 7, Vers 18
Dort sehen wir, dass kein Geringerer als Johannes der Täufer selbst Glaubenszweifel durchlitt. Johannes hatte einst Jesus den Weg bereitet. Wir haben gerade gehört, wie er mutig gepredigt hatte, wie er den Menschen ihre Sünden aufgezeigt und sie zur Buße gerufen hatte. Er sagte ihnen, dass sie durch die Wassertaufe sichtbar zum Ausdruck bringen sollten, dass sie anerkennen, die Reinigung von ihrer Schuld zu brauchen.
Dann kam Jesus zu ihm. Johannes erkannte, dass Jesus wirklich der Messias ist. Er hatte Zeugnis von Gott gehört, als er Jesus taufte und Jesus aus dem Wasser hervorkam. Johannes hatte große Erwartungen. Doch dann kam alles ganz anders: Er wurde verhaftet und saß im Kerker im Palast des Herodes. Scheinbar ließ Jesus das alles einfach geschehen, ohne einzugreifen, obwohl Johannes doch erwarten konnte, dass der Messias allem Bösen ein Ende machen würde.
Das ist der Hintergrund für unseren Predigttext, den ich uns nun lesen möchte: Lukas 7, die Verse 18-35.
Und die Jünger des Johannes verkündeten ihm das alles. Johannes rief zwei seiner Jünger zu sich und sandte sie zum Herrn. Er ließ ihn fragen: Bist du der, der da kommen soll? Oder sollen wir auf einen anderen warten?
Als aber die Männer zu Jesus kamen, sprachen sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dich fragen: Bist du der, der da kommen soll? Oder sollen wir auf einen anderen warten?
Zu der Stunde machte Jesus viele gesund von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern. Vielen Blinden schenkte er das Augenlicht.
Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, und das Evangelium wird gepredigt. Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Als die Boten des Johannes fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk über Johannes zu reden: Was seid ihr hinausgegangen, die Wüste zu sehen? Wollt ihr ein Rohr sehen, das vom Wind bewegt wird?
Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen sehen, der in weichen Kleidern lebt? Seht, die herrliche Kleider tragen und üppig leben, die sind an den königlichen Höfen.
Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet. Er ist der, von dem geschrieben steht: "Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll."
Ich sage euch, dass unter denen, die von einer Frau geboren sind, keiner größer ist als Johannes. Der aber der Kleinste ist im Reich Gottes, der ist größer als er.
Und alles Volk, das ihn hörte, und auch die Zöllner gaben Gott Recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten verachteten, was Gott ihnen zugedacht hatte, und ließen sich nicht von ihm taufen.
Mit wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen? Wem sind sie gleich? Sind sie den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und einander zurufen: "Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt. Wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint"?
Denn Johannes der Täufer ist gekommen und aß kein Brot und trank keinen Wein. So sagt ihr, er sei besessen.
Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt. So sagt ihr: Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder.
Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.
Gliederung der Betrachtung und erste Frage: Wer ist Jesus?
Nun wollen wir diesen Text in drei Abschnitten betrachten und jeweils drei einfache Fragen stellen.
Ziemlich offensichtlich sind die Verse 18 bis 23. Dort geht es um die Frage nach der Identität von Jesus. Diese Frage lässt Johannes der Täufer stellen. In den Versen 24 bis 30 lernen wir dann, was Jesus über die Identität von Johannes den Täufer sagt.
Basierend auf den Lehren aus diesen beiden Abschnitten über die Identität Jesu und die Identität Johannes des Täufers möchte ich uns schließlich herausfordern, darüber nachzudenken, wie wir zu Johannes und Jesus stehen und was wir von ihnen erwarten. Dazu wollen wir uns durch die Verse 31 bis 35 herausfordern lassen.
Zuerst also die Frage danach, wer Jesus ist. Diese Frage stellen die Jünger des Johannes. Johannes hatte gehört, heißt es hier gleich zu Beginn, er hatte gehört, was Jesus getan hatte. Konkret vielleicht die Dinge, die uns gerade davor berichtet worden waren.
Wir erinnern uns: Vor zwei Wochen hat Robin Dammer über den Abschnitt davor gepredigt. Wir hatten dort gesehen, wie Jesus den Knecht eines Hauptmanns in Kapernaum geheilt hatte. Außerdem hatten wir den erstaunlichen Bericht über die Auferweckung eines Jünglings in der Stadt Nain gehört, dem Sohn einer Witwe. Johannes wusste also, Jesus tat große Wunder.
Aber das passte eben nicht zu dem, was er ganz persönlich erleben und erleiden musste. Er hatte durchaus biblisch begründet die Erwartung, dass, wenn Jesus der Messias ist, er nicht nur diese großen Wunder tun wird, von denen bei den Propheten berichtet wurde, sondern dass er auch allem Bösen ein Ende machen würde. Er würde alles Böse richten, und die Gefangenen sollten frei werden.
Doch genau das war nicht geschehen. Wenn Jesus wirklich der Messias ist, dann sollte er doch Johannes nicht im Gefängnis verrotten lassen. Ich denke, wir können ein bisschen nachvollziehen, was in Johannes vorgegangen sein muss, in seinem Herzen und in seinem Kopf.
Ist Jesus jetzt wirklich der, für den er ihn gehalten hat? Oder hat er sich vielleicht kolossal getäuscht? Ich denke, manche von uns kennen solche existenziellen Fragen. Vielleicht hast du einst Jesus mit großer Begeisterung als deinen Retter und Herrn angenommen. Du hast erlebt: Jesus lebt, er ist für mich gestorben, er hat mich befreit. Du warst voller Begeisterung und hast jedem davon erzählt, der es hören wollte – oder auch nicht.
Doch dann hast du mehr und mehr erleben müssen, dass dieser Jesus plötzlich doch ziemlich weit weg zu sein scheint. Du erlebst Dinge, die dir Not machen. Ich bin mir sicher, einige unter uns sind heute an einem solchen Punkt. Vielleicht betest du immer und immer wieder, aber es tut sich einfach nichts.
Vielleicht bist du jemand, der bewusst auf eine Beziehung zu einem Nichtchristen verzichtet hat. Du lebst im Gehorsam Gott gegenüber sexuell enthaltsam. Du wartest auf Gottes Versorgung mit einem Ehepartner. Du hoffst, dass er deine Treue und deinen Gehorsam belohnt. Aber tief im Inneren verzerrst du dich vor Einsamkeit. Du siehst, wie um dich herum alle irgendwie fröhlich heiraten und Kinder bekommen – nur du bist für dich.
Oder vielleicht ist deine Situation anders. Vielleicht bist du jemand, der einfach treu tut, was dran ist. Du sorgst für deine Familie, gehst deiner Arbeit nach, engagierst dich in der Gemeinde. Du gibst immer 120 Prozent und merkst, dass du eigentlich völlig am Limit bist. Du betest, dass der Herr dir doch mal eine Pause schenkt, mal ein bisschen Ruhe, dass er einfach mal schenkt, dass alles gelingt, dass es mal flutscht und du wieder ein bisschen durchatmen kannst.
Doch genau das Gegenteil passiert. Immer wieder gehen Dinge schief. Du findest einfach keine Atempause, nach der du dich so sehr sehnst, die du so dringend brauchst und um die du Gott immer und immer wieder bittest.
Aber ich glaube, wir kennen alle Situationen, in denen die Frage aufkommt: Wo ist denn jetzt mein Herr? Und dann kann es passieren, dass Zweifel aufkommen. Ist Gott wirklich da? Ist Gott wirklich ein liebender Vater? Und bin ich wirklich sein geliebtes Kind?
Auch der überzeugteste Christ, auch der stärkste, kann in solchen Phasen mal Glaubenszweifel erleiden und davon geplagt werden. Aber eine ganz wichtige Frage ist dann: Wohin gehst du mit deinen Zweifeln? Was machst du mit ihnen?
Manchmal habe ich in diesen Tagen den Eindruck, dass Zweifel zu haben irgendwie schon fast cool ist. Oder? Oder vielleicht auch nicht. Also, ich weiß jetzt auch nicht so genau. Vielleicht. Oder? Was denkst du?
Ihr kennt das: Das ist schon fast irgendwie cool, dieses „Ich bin ja gar nicht so selbstsicher. Wir haben doch alle Zweifel.“ Aber das ist nicht biblisch, das ist nicht cool, das ist blöd.
Zweifel können kommen, das ist normal, das erleben wir. Die Frage ist dann aber: Gehen wir ihnen auf den Grund? Gehen wir ihnen nach? Das ist das, was wir hier erleben.
Johannes der Täufer zelebriert nicht seine Zweifel. Nein, er sendet zwei Boten, um der Sache auf den Grund zu gehen: Bist du der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?
Anfänglich scheint es einfach so, als ob Jesus die Frage ignoriert. Wenn wir hier im Bericht lesen, tut er einfach weiter ein paar Wunder. Hallo, da war eine Frage, Jesus! Und das, was er tut, ist Teil der Antwort.
Und das macht er dann deutlich. Er wendet sich den Jüngern des Johannes zu und sagt: Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, das Evangelium wird gepredigt. Und selig ist, wer sich nicht ärgert an mir.
Was Jesus hier tut, ergreift die prophetischen Messianischen Ankündigungen auf und zeigt, dass er diese erfüllt. Er erklärt dabei nicht, warum es mit dem Gericht über alles Böse noch nicht so weit ist. Denn was er letztendlich tut, ist zu sagen: Schaut, was ich tue. Das gibt ein klares Zeugnis darüber, wer ich bin.
Wenn Zweifel kommen, besinn dich auf das, was du sicher weißt. Dazu möchte ich uns Mut machen: Wenn Zweifel kommen, besinn dich auf das, was du sicher weißt, anstatt dich immer nur um das zu drehen, was du gerade nicht verstehst.
Eine der wirklich traurigsten Dinge im Leben eines Pastors ist es, immer mal wieder zu erleben, dass sich Menschen von Gott und von der Gemeinde abwenden, weil sie ihre Zweifel in sich hineingefressen haben. Diese Zweifel höhlen sie innerlich so aus, dass sie irgendwann sagen: Ich glaube nicht mehr.
Auch wenn du mit Zweifeln ringst, bitte, bitte geh den Zweifeln nach. Bitte komm und sprich mit jemandem und lass andere dich wieder hinweisen auf die Dinge, die du sicher wissen kannst, damit du deinen Glauben wieder greifen kannst.
Und wenn jemand zu dir kommt mit Glaubenszweifeln, dann nimm dich dieser Person an. Schau nicht verächtlich auf jemanden, der Zweifel hat. Ich habe einmal erlebt, dass ich selbst Zweifel kundgetan habe und jemand zu mir sagte: Ja, dann kannst du kein Pastor sein. Das war nicht sonderlich hilfreich.
Nein, habt die Zweifel lieb und versucht nicht, ihnen einfache Antworten zu geben. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen in aller Demut eingestehen, dass wir oft die Antwort auch nicht wissen.
Lasst uns aber auf das besinnen und untereinander hinweisen, was wir sicher wissen. Jesus sendet die Jünger des Johannes zurück und sagt: Ihr bekommt jetzt keine direkte Antwort auf die Frage, die sicherlich hinter dem Zweifel des Johannes steckt. Aber eines will ich euch sagen: Ich bin der da kommen soll. Denn ich erfülle die Prophetien.
Das hat Johannes gereicht. Johannes der Täufer war jetzt im Glauben gestärkt. Wir lesen nicht mehr viel über ihn, aber es wird deutlich, dass er später auch gegenüber Herodes Zeugnis von seinem Glauben ablegt und bereit ist, auch zu sterben – im festen Vertrauen auf Jesus.
Aber Jesus sagt hier deutlich: Anderen wird das nicht genügen. Andere werden sich an mir ärgern, weil ich nicht nach ihrer Pfeife tanze, weil ich nicht tue, was sie von mir wollen.
Das ist das, was Jesus hier am Ende sagt: Selig ist, wer sich nicht ärgert an mir.
Identität und Bedeutung von Johannes dem Täufer
Nachdem seine Boten sich wieder auf den Weg zurück zu Johannes machen, um ihm diese Botschaft zu überbringen, wendet sich Jesus den Menschen zu, die zugehört haben und die es mitbekommen haben. Er beginnt, über Johannes zu sprechen.
Das bringt uns zum zweiten Punkt, den Versen 24 bis 30. Hier geht es um die Identität von Johannes dem Täufer. Die Menschen hatten mitbekommen, dass Johannes der Täufer Jünger zu Jesus geschickt hatte, um eine Frage zu stellen und seinen Zweifel auf den Grund zu gehen. Das kam vielleicht dem einen oder anderen ganz gelegen. „Ach, guck mal einer da, Johannes der Täufer, mit seiner kraftvollen Botschaft, der uns Schlangenbrut genannt hat, dieser Bußprediger, sitzt jetzt im Gefängnis und zweifelt.“ Vielleicht dachte der eine oder andere: Hat da nicht jemand den Mund ein bisschen zu voll genommen?
Man kann sich vorstellen, wie manche sich vielleicht ein wenig daran ergötzt haben: „Johannes hat Zweifel, guck mal einer da.“ Bei anderen war es vielleicht anders. Sie sahen Johannes durchaus positiv, aber auch sie waren verunsichert. Was ist jetzt, wenn selbst Johannes Zweifel hat? Was sollen wir jetzt von Johannes denken? Wie ist das einzuordnen? Ist er wirklich ein großer Prophet oder vielleicht doch nur allzu menschlich?
Jesus beginnt seine Lehre über Johannes mit drei rhetorischen Fragen. Damit ruft er die Menschen dazu auf, sich an das zu erinnern, was sie von Johannes wissen.
Die erste Frage lautet: „Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das vom Wind bewegt wird?“ Die Antwort darauf sollte lauten: Nein, wir sind hinausgegangen, weil wir erwarteten, dass er ein mutiger Prediger ist, einer, der wirklich sagt, was Sache ist.
Die zweite Frage lautet: „Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen sehen, der in weichen Kleidern gekleidet ist?“ Jesus sagt hier selbst: „Seht her, herrliche Kleider tragen und übergeben die, die an den königlichen Höfen sind.“ Nein, wir sind hinausgegangen, weil wir wussten, dass da einer ist, der Schwarzbrot predigt, der Klartext spricht. Einer, der ein echter Asket ist. Das ist keiner, der sich bereichert durch das, was er tut, sondern einer, der aus tiefer Überzeugung sich voll in diesen Dienst gibt.
Dann die dritte Frage: „Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen?“ Auf diese Frage ist die Antwort offensichtlich: Ja. Die Menschen gingen hinaus in der Erwartung, dass Johannes ein Prophet sein könnte. Und genau das bestätigt Jesus. In gewisser Weise setzt er noch einen drauf: „Ja, ein Prophet. Ich sage euch, er ist mehr als ein Prophet. Es steht geschrieben: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll. Ich sage euch, dass unter denen, die von einer Frau geboren sind, keiner größer ist als Johannes.“
Jesus sagt hier, Johannes ist der Bedeutendste, der Größte, der Wichtigste aller Propheten. Er ist mehr als alle anderen. Und zwar, weil er nicht nur wie alle anderen Propheten auf Jesus hingewiesen hat, sondern weil er derjenige war, der am nächsten an Jesus dran war. Er war unmittelbar da, bevor Jesus kam. Mehr noch: Er war nicht nur Prophet, er war auch Erfüllung von Prophetie. Das macht Jesus hier deutlich durch das Zitat aus Maleachi 3.
Johannes selbst war Gegenstand prophetischer Ankündigungen. Jesus macht klar, dass Johannes derjenige war, der ihm selbst den Weg bereiten sollte.
Dann fährt Jesus fort und sagt etwas, das im ersten Moment sicher überraschend ist: „Der aber, der kleinste ist im Reich Gottes, der ist größer als er.“ Was will Jesus damit sagen? Er will sicher nicht sagen, dass Johannes und die anderen Propheten nicht auch eines Tages im Reich Gottes sein werden. Nein, wir wissen mit Sicherheit, dass sie auch im Reich Gottes sein werden.
Was Jesus hier beschreibt, ist eher das Privileg, das wir alle haben, die das Reich Gottes kommen sehen und so in das Reich Gottes hineinkommen. Dieses Privileg hatte Johannes noch nicht. Über die Propheten heißt es zum Beispiel im ersten Petrusbrief, dass sie quasi in die Zukunft schauten, wie über eine Wand hinweg, um zu sehen, wie es sein wird, wann Jesus kommen wird. Das war dieser vorausschauende Glaube.
Aber alle, die jetzt nach Jesus ins Reich Gottes hineinkommen, sehen klar. Das ist, als ob bei einem Spiel der eine auf die verdeckten Karten schaut und ein bisschen etwas schemenhaft erklären kann, während die anderen auf der anderen Seite stehen und direkt hineinschauen. Das ist das Privileg, das wir haben.
Verstehst du das? Verstehst du das Privileg, dass wir nicht nur schemenhaft ahnen, dass es einen Retter, einen Erlöser geben wird, sondern dass wir ihn kennen können, dass wir auf ihn schauen können? Uns ist er in der Schrift offenbar. Wir kommen ins Reich Gottes hinein mit klarer Sicht auf Jesus. In diesem Sinne sind wir privilegierter und „größer“ als all die Propheten.
Jesus verkündet hier ein großes Privileg, und das darf heute dein Privileg sein.
Dann spricht er in den Versen 29 und 30, quasi in Form eines Einschubs – ich glaube ganz klar, dass es Jesu Worte sind oder wahrscheinlich eher Worte, die Lukas hier einfügt – darüber, wie unterschiedliche Menschen auf die Botschaft von Johannes dem Täufer reagieren.
„Alles Volk, das ihn hörte, und die Zöllner – und ihr wisst, die Zöllner waren die ganz großen Sünder, die völlig Verachteten, die Kollaborateure, die mit dem Feind, den Römern, gemeinsame Sache machten – das Volk und die Zöllner gaben Gott Recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten verachteten, was Gott ihnen zugedacht hatte, und ließen sich nicht von ihm taufen.“
Johannes der Täufer hat den Menschen klar und deutlich gesagt, dass sie erst dann bereit sind für das Kommen dessen, der ihm nachfolgen sollte und auf den er hinweist, wenn sie anerkennen, dass sie Sünder sind. Wenn sie anerkennen, dass sie vor Gott niemals bestehen könnten, dass sie vor dem heiligen Gott vergehen müssten und zu Recht für alle Ewigkeit bestraft würden, wenn sie nicht Buße tun und ihre Sünden irgendwie loswerden.
Das war die Botschaft Johannes des Täufers. Er sagt: „Ich bereite euch vor auf sein Kommen, indem ich euch zeige, wer ihr wirklich seid, und euch dazu aufrufe, umzukehren.“ Als Zeichen dieser Umkehr, als Eingeständnis, dass ihr besudelt seid, schmutzig durch all die Sünde und Schuld, die ihr auf euch selbst gebracht habt, lasst euch taufen.
Die Taufe ist ein Bild des Eingeständnisses: Ich habe es nötig, vom Scheitel bis zur Sohle gewaschen zu werden.
Das gemeine Volk, die Zöllner, waren bereit, das einzugestehen. Sie ließen sich taufen. Sie gaben Gott Recht: Ja, er hat Recht.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren nicht bereit dazu. Sie lehnten die Botschaft des Johannes ab. Sie lehnten das Evangelium ab. Indem sie ihre Schuld nicht anerkennen, sagen sie letztlich auch, dass sie den, der nach Johannes kommen sollte, nicht brauchen.
Wie ist es bei dir? Wo stehst du? Darf der große Prophet Johannes dich zur Buße rufen?
Wir werden Jesus nie wirklich anbeten, wenn wir nicht zuerst eingestehen, wie dringend nötig wir das hatten, was er für uns getan hat. Du wirst Jesus nie wirklich anbeten, wenn du nicht anerkennst, dass Johannes Recht hat, wenn er über dich sagt, dass du voller Sünde und Schuld bist und Vergebung brauchst.
Herausforderungen durch Jesu Worte und die Reaktionen der Menschen
In den abschließenden Versen hören wir harte Worte von Jesus. Es ist wichtig, dass wir jetzt unsere Herzen nicht verschließen, sondern aufmerksam sind auf das, was Jesus uns hier sagen will.
Ich möchte uns diese Verse noch einmal vorlesen:
„Mit wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen, und wem sind sie gleich? Sie sind den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und einander zurufen: ‚Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt. Wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint.‘ Denn Johannes der Täufer ist gekommen, aß kein Brot und trank keinen Wein, und ihr sagt: ‚Er ist besessen.‘ Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt, und ihr sagt: ‚Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder.‘ Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.“
Jesus sagt hier ganz direkt: Viele Menschen werden sich an Johannes dem Täufer, an seiner Botschaft und an ihm selbst, an Jesus stören. Viele störten sich an Johannes mit seinen Bußpredigten, weil es ihnen zu ernst war. Das war ihnen zu negativ. Wo bleibt denn da die Freude? Das sind die Klagelieder, und sie wollten nicht weinen. Dieses Bild benutzt Jesus hier bewusst.
Natürlich ist es gut, dass jemand auch mal Bußpredigten hält, denn manche brauchen es, dass man ihnen die Leviten liest – also den anderen. Aber man selbst? Man kann sich ja umschauen: Bei dem und bei der ist es klar, aber ich? Ich bin doch anständig. Ich gehe zur Arbeit, bin sogar Pastor – besser geht es kaum. Für eine gute Ehe, oder? Da gibt es nichts zu lachen. Ich bin doch ein anständiger Mensch, heute früh bin ich kaum zu schnell gefahren.
Mal ganz ehrlich: Kennen wir nicht solche Leute, die das mit dem Ruf zur Buße, „wir Sünder“, nicht so ernst nehmen? Die sagen: „Mach mal halblang, der hat doch einen Schatten.“ Genau das haben wir über Johannes gesagt. „Der ist nicht ganz richtig im Kopf mit seinem Busspredigen, Schlangenbrut, Junge, mach mal halblang.“ Solche Leute kennen wir doch, oder? Sobald du mit Sünde anfängst, ist für sie Ende im Gelände. Und dieselben Menschen tun sich oft auch schwer mit Jesus.
Was soll das große Gerede vom Heiland und Halleluja, Jesus, Jesus? Leute, bleibt mal sachlich! Euch Christen geht es doch gar nicht besser als dem Rest. Das ganze Jesus-Ding ist doch eine Krücke für Schwache. Wenn ich sonst nichts von Karl Marx halte, aber da hat er wohl Recht gehabt: Opium fürs Volk.
Solche Menschen lehnen Jesus ab, weil er nicht das bringt, was sie sich von ihm erhoffen. Manche lehnen Jesus nicht direkt ab, sondern machen sich einfach einen anderen Jesus. Leider wird dieser Jesus von manchen Kanzeln gepredigt: Der Jesus, der sagt: „Boah, ihr seid so super, ich bin für euch gestorben, weil ihr meine Superstars seid. Entfaltet euer ganzes Potenzial!“ Das ist die Botschaft, in der Jesus plötzlich unser Cheerleader oder Weihnachtsmann wird.
Und wenn das dann nicht funktioniert, na gut, dann ist eben Schluss mit dem Jesus-Ding.
Was ist das Problem bei Leuten, die Johannes und Jesus so ablehnen? Das sind nicht immer nur die anderen, oder? Sind wir das nicht auch manchmal? Tun wir uns nicht auch schwer damit, wenn Gott uns unsere Sünden aufzeigt? Sind wir nicht schneller dabei, bei anderen das Problem zu sehen, aber bei uns selbst nicht?
Sind Bußpredigten nicht manchmal auch etwas, was wir lieber nicht hören wollen, weil sie uns zu extrem erscheinen? Und diese überschwängliche Freude an Jesus, dem Retter – beim frisch bekehrten Team lässt man das ja noch durchgehen. Aber wenn wir dann einen gesetzten Glauben haben und wissen, dass es nicht immer alles so leicht ist, kennen wir nicht dieses wohltemperierte Christentum?
Ich möchte uns als FWG München-Mitte ganz bewusst herausfordern. Mich fordert dieser Text persönlich heraus. Er zeigt mir neu, ob ich meine Sünde wirklich ernst nehme. Ob ich mir von Johannes, von Gottes Wort ganz allgemein, den Spiegel vorhalten lasse. Ob ich es wirklich zulasse, dass mir gezeigt wird, dass ich, obwohl ich heilig, heilig, heilig singe, von diesem Gott eigentlich nicht bestehen könnte.
Wenn ich dann sehe, wie ich allein in der letzten Woche in Gedanken und Worten immer wieder gegen diesen heiligen Gott gesündigt habe, der mich so sehr liebt, bin ich dann noch traurig darüber? Oder sage ich: „Ja, war halt so“?
Ich wünsche uns neu, dass wir eine Gemeinde sind, die danach lechzt, am Sonntag ein Sündenbekenntnisgebet zu sprechen, weil wir sagen: „Ich will meinen Schmutz vor Gott bringen, ich will ihm sagen, dass ich immer wieder Vergebung brauche.“
Ich wünsche uns, dass wir eine Gemeinde sind, die wieder lernt, über Sünde zu weinen.
Und ich bin überzeugt: Wenn wir das neu lernen, wird unsere Freude über Jesus viel größer werden. Denn dann geht es nicht mehr darum, ob Jesus mir dies oder das gibt und meine Erwartungen erfüllt, sondern darum, dass ich anerkenne, was Jesus für mich getan hat.
Er ist Mensch geworden und hat trotz seines wunderbaren Lebens bereitwillig Leid auf sich genommen: sich von Menschen verachten, bespucken, auspeitschen lassen und ans Kreuz nageln lassen. Das hat er alles getan, damit wir vor ihm stehen können.
Und er wird eines Tages wiederkommen. Dann wird alles Leid ein Ende haben. Dann werden wir vor ihm stehen, und es wird nur noch Freude geben.
Wenn wir das, was Jesus uns hier sagt, neu verstehen, wird die emotionale Bandbreite unserer Gemeinde deutlich größer werden. Dafür möchte ich beten.
Schlussgebet um Erkenntnis und Freude am Evangelium
Himmlischer Vater, ich weiß, ich bin so oft selbst ein Pharisäer. Ich kann diese Worte predigen, und doch gehe ich viel zu lapidar mit meiner Sünde um. Mein Herz ist oft viel zu kalt dir gegenüber.
O Herr, öffne mein Herz immer mehr, damit dein Wort tief eindringt. Gib uns allen ein Verlangen danach, dass dein Geist in uns so viel Raum einnimmt, dass er uns wirklich überführen kann. Lass uns in die Klagelieder aus der Schrift kommen, so dass wir weinen können. Wenn wir Jesus sehen als den, der sich für uns am Kreuz dahingegeben hat, möge unser Herz jubeln.
Herr, das erbitte ich für uns, damit wir eine Gemeinde sein mögen, die nicht an dir zweifelt, sondern die über dich jubelt. Du hast viel mehr für uns getan und kannst viel mehr für uns tun, als wir oft in unserem kleinen Denken und unserem tagtäglichen Minifokus überhaupt wahrnehmen.
Herr, schenk uns diese Freude und Begeisterung über das Evangelium. Selig ist, wer sich nicht darüber ärgert, denn deine Weisheit ist viel größer als die Weisheit dieser Welt. Wir preisen dich dafür. Amen.