Die Herausforderung der Begegnung mit dem Christentum
Sie wissen, dass wir die Besonderheiten hervorheben wollen: die großen Gaben Jesu, die Einzigartigkeit Jesu – niemand ist wie er. Das ist unser Thema, ebenso wie die Vergebung der Sünden.
Ein Bezug wurde nochmals zum Sonntag hergestellt, wo wir darüber sprachen, dass wir jeden Menschen warnen müssen. Er soll von seiner Gottlosigkeit umkehren und die Vergebung Jesu ergreifen.
Jetzt muss ich zum ersten Wort sagen, dass es eigentlich tragisch ist, dass für viele Menschen die Begegnung mit einer christlichen Versammlung das Langweiligste ist, was sie sich vorstellen können. Sicherlich sind viele tief geschädigt durch Eindrücke aus ihrer Kindheit. Wir selbst sind mitschuldig daran, dass Menschen sagen: „Das Christliche, was die dort reden und was in ihren Versammlungen passiert, ist etwas, das mich nicht besonders bewegt und nicht aufregend ist.“
An dieser Haltung sind wir alle mitschuldig. Denn in den Versammlungen der Christen und in der Bibel wird eine Sache behandelt, die ehrfurchtgebietend ist und überhaupt nicht ermessen werden kann. Sie ist für unser menschliches Denken kaum verständlich.
Diese Sache kann ich von vielen Seiten betrachten. Heute geht es also um die Tatsache, dass Geschehenes – Schuld oder Übertretung, was die Bibel Missetat oder Übeltat nennt – ausgelöscht und weggenommen wird.
Die menschliche Erfahrung von Schuld und Vergebung
Zuerst müssen wir uns vorstellen, was Schuld eigentlich ist. Man hat im Leben Unrecht getan, und plötzlich wird einem das schlagartig bewusst. Zum Beispiel: "Ich habe mich an meinen Eltern versündigt." Doch die Eltern sind längst tot. Man kann nur mit der Schuld leben, sie aber nicht auslöschen.
Schuld könnte eigentlich nur noch vom Betroffenen vergeben werden, also von dem, dem Unrecht getan wurde. Selbst wenn man jetzt zu jemandem geht und sagt: "Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich Ihnen vor ein paar Jahren ein großes Unrecht getan habe. Ich habe Sie angelogen oder ich habe Sie fälschlicherweise verdächtigt. Das war falsch." Es kann alles Mögliche sein.
Selbst wenn der andere sagt: "Ich möchte dir verzeihen", stellt sich die Frage, was menschliches Verzeihen wirklich bedeutet. Ich glaube, es war ein französischer Außenminister, der einmal sagte: "Immer daran denken, nie davon reden!" Das beschreibt menschliches Verzeihen gut. Die Wunde bleibt tief in uns, und manchmal bricht sie als Bitterkeit heraus.
Diese tiefen psychologischen Störungen sind heute weit verbreitet. Menschen erzählen: "In meiner Jugend haben mich meine Eltern völlig falsch erzogen. Sie haben mir nie etwas gegönnt. Mein Bruder wurde immer bevorzugt." Manchmal bleiben die Wunden alter Schuld bestehen, weil man nie darüber hinwegkommt. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass einem diese Verletzungen zugefügt wurden.
Wie tief solche Wunden sitzen, sieht man, wenn jemand verspottet wurde – etwa wegen der Haarfarbe. Das kann das ganze Leben verunsichern. Die Verletzung bleibt oft ein Leben lang bestehen. Eigentlich könnte nur der Betroffene Schuld vergeben.
Die biblische Perspektive auf Schuld
Was ist überhaupt Schuld, und wie wird sie in der Bibel behandelt?
In der Bibel wird deutlich, dass Schuld viel tiefer reicht, als wir oft meinen. Sie geht weit über das Zwischenmenschliche hinaus. Schuld ist ein Zustand, der mich vor Gott belastet. Ich habe mein Wesen und mein Lebensziel vor Gott versäumt.
Ein gutes Beispiel dafür ist Kain, der seinen Bruder Abel tötet. Kain selbst sagt über seine Schuld, die wir als sehr schwerwiegend empfinden: „Meine Schuld ist zu groß, als dass sie mir vergeben werden könnte.“ Er muss mit dem Mal des Kains über die Welt gehen und trägt seine Schuld.
Dann geht die Geschichte weiter mit Lamech. Die Schuld der Menschen nimmt immer weiter zu. Menschen gehen durch die Welt und sagen: „Ich muss meine Schuld tragen.“ Doch diese Schuld ist kaum zu tragen.
Am Sonntag im zweiten Gottesdienst haben wir noch darüber gesprochen, dass das Thema Schuld immer auch ein bisschen anders ist. Mir fällt es immer wieder auf, wenn mich jemand anspricht und sagt: „Der guckt einen gar nicht an“ oder „Der grüßt einen nicht auf der Straße“, weil er ganz in Gedanken versunken ist. Dann entschuldige ich mich und sage: „Ja, ich hatte gerade etwas anderes im Kopf.“
Wir sind oft Menschen, die ihre Schuld bagatellisieren oder versuchen, sich herauszureden, wenn sie schuldig bleiben. Ganz klar: Wenn jemand sagt, er habe vor Gott etwas falsch gemacht, wird oft gesagt, das sei eigentlich gar nicht so schlimm gewesen oder es läge an den Umständen. Wir wollen immer versuchen, uns herauszureden, anstatt unsere Schuld einzugestehen.
In der Bibel wird uns Schuld sehr tief und schwer vor Augen geführt. Trotzdem möchte ich sagen: Sie können Menschen Schuld nicht einfach demonstrieren. Jesus selbst hat ja nur wenig über Sünde gesprochen.
Die Notwendigkeit des Geistes Gottes zur Erkenntnis der Schuld
Versuchen Sie einmal, Menschen, die im Streit miteinander leben, zu sagen, dass das, was sie tun, falsch ist. Dann bekommen Sie von beiden Seiten Feuer. Sie können niemandem sagen: „Hast du so mit deinem Mann gesprochen?“ oder „Hast du so mit deiner Frau gesprochen?“ oder „Kinder, so kannst du doch nicht mit deinem Vater reden, das ist doch mein Recht.“
In dem Moment der Erregung sieht man seine Schuld nicht. Um Schuld zu erkennen, braucht man den Geist Gottes. Das Gewissen muss wach werden, damit man Schuld überhaupt sehen kann. Wenn man sie sieht, erschrickt man so sehr, dass man in bodenlose Tiefen fällt. Unter der Schuld zerbricht man und verzweifelt.
Im Neuen Testament gibt es die Gestalt des Judas. Sagen Sie bitte nicht so schnell, Judas sei dazu vorherbestimmt gewesen. Dazu gibt es in der Schrift keinen Anlass. Er ist ein Mensch, der plötzlich seine Schuld erkennt. Er sagt: „Ich habe Jesus weggestoßen.“ Das ist die schlimmste Schuld. Natürlich hätte Judas Buße tun und Vergebung empfangen können. Wenn er sich an die richtige Seelsorge gewandt hätte, wäre das möglich gewesen. Stattdessen wandte er sich an die Hohepriester, und das waren die Falschen. Sie konnten ihm nicht helfen. Sie sagten nur: „Sieh du zu.“ Sie ließen ihn mit seiner Schuld allein.
Oder wir haben eine andere verzweifelte Figur mit ihrer Schuld: Saul, König im Alten Testament. Auch bei Saul möchte ich sagen, dass ihm bis zum Schluss Vergebung offenstand. Er suchte sie jedoch nicht. Stattdessen sagte er zu David: „Ehre mich vor dem Volk.“ Er suchte nicht die wirkliche Reue und das Eingeständnis seiner Schuld. Er wollte in seiner Königswürde bestätigt sein.
Das Ende ist schrecklich: Er läuft nachts zu der Wahrsagerin von Endor. Schließlich lässt er sich ermorden und stürzt sich selbst ins Schwert. Eine tragische Figur eines Menschen, der seine Schuld erkennt.
Die Bedeutung persönlicher Gespräche für die Vergebung
Und Sie müssen nur wissen: An und für sich braucht es heute nur ein waches Auge, um Menschen zu helfen und im Gespräch aufmerksam zu sein.
Ich habe festgestellt, dass Menschen, wenn man sie anspricht, nie das Gefühl haben, ihr Leben sei vergeblich oder falsch gelebt worden. Wenn die richtige Atmosphäre herrscht, ist man oft ganz nah dran.
Ich habe Ihnen gesagt, dass im Krankenhaus der beste Einstieg ist, wenn man merkt, dass man sich im tiefsten Punkt befindet. Das dauert nicht lange. Menschen entdecken dann oft, dass dies eine Vergeltung einer höheren Macht für ihr Fehlverhalten ist.
90 Prozent der Menschen empfinden schwere Schicksalsschläge als Strafe. Sie glauben, dass sie keine Vergebung haben. Sie denken, sie könnten das nicht durch Krankheit abbüßen, aber das ist nicht richtig.
Sie müssen Vergebung suchen. Das ist ein ganz aktuelles Thema und ein sehr wichtiger Einstieg.
Sie wissen, dass ich der Meinung bin, dass die meisten Menschen, die in diesem Jahrhundert zum Glauben geführt wurden, durch persönliche Gespräche von Christen zum Glauben gekommen sind.
Die persönlichen Gespräche, die Christen in ihrer Nachbarschaft führen, sind die wunderbarsten Hinweise darauf, dass Menschen später im Gottesdienst etwas Vernünftiges hören.
All das sind Folgen des ersten Anstoßes, wenn man einem Menschen sagt: „Das wird hier verhandelt, das ist die große Sache, dass man seine alten Dinge gelöst bekommt.“
Die Last der Schuld im Leben und die Hoffnung auf Vergebung
Sie haben Begriffe verwendet, aber ich wollte nicht sagen, dass Krankheit schuld ist. Das denken die Menschen im Heidentum, die Ungläubigen. Wir Christen wissen, dass es anders ist.
Oft kommt im Alter große Verzweiflung, wenn man sein Leben überschaut. Viele Menschen denken dann zurück und sagen: „Jetzt fällt mir so viel aus meiner Kindheit ein.“ Mir fällt immer wieder ein, wie wir in unserer Kindheit und Schulzeit viele Menschen tief verletzt haben. Kinder können wirklich teuflisch sein. Das wird einem erst mit zunehmendem Alter bewusst. Man erinnert sich daran, was man anderen nachgerufen hat und wie man manchen das Leben schwer gemacht hat – nur weil sie sitzen geblieben sind. Kinder können ja grausam sein.
All das, was in unserem Leben an Versäumnissen und Schuld liegt – oh ja, das kann einen furchtbar reuen. Auch Fehler im Umgang mit Geld, Unreinheit, sexuelle Verfehlungen und vieles mehr. Das lässt sich nicht einfach auslöschen. Gerade wird das oft ins Licht Gottes gebracht, sodass einem die Schuld erst recht bewusst wird. Dann kommt alles heraus.
Wie soll das denn vergeben werden können? Im Alten Testament gibt es den Hinweis, dass bei Gott Barmherzigkeit ist und beim Herrn viel Vergebung. Dennoch bleibt das Wissen, dass die Schuld eigentlich viel größer ist, als dass sie ausgelöscht werden kann.
Wenn Sie bei einer Beerdigungsfeier eines Rabbiners dabei waren, wissen Sie, dass es keine Gewissheit gibt – nicht nur, weil er kein religiöser Mensch war. Im jüdischen Glauben ist es merkwürdig offen. Die Seele wird Gott anvertraut, aber es gibt keine klare Gewissheit darüber, was mit dem Leben nach dem Tod geschieht und wie eine Sühne möglich ist.
Das merken Sie bei jedem Israeli, mit dem Sie sich unterhalten. Sie spotten oft und sagen: „Ihr habt es ja leicht, ihr Christen, ihr könnt vergeben.“ Aber wie soll man mit seiner Schuld umgehen? Seit es keine Opfer mehr gibt – kein Paschalamm, kein Brandopfer, kein Sühnopfer – bleibt das Problem bestehen: Wie soll eine Sühne wirklich geschehen können? Wie kann Vergebung geschehen?
Die Bedeutung von Stellvertretung und Opfer im Alten Testament
Ein interessanter Hinweis findet sich bei David im Alten Testament. Die Geschichte ist faszinierend: David geht in der Abendkühle auf seinem Palast umher, sieht die nackte Batseba, wie sie sich wäscht, lässt sie zu sich kommen, und sie wird schwanger.
Dann versucht David, die Spuren zu verwischen. Uria, der Ehemann Batsebas, kommt zurück, und die Geschichte wird immer dramatischer. Diese Erzählung spiegelt vieles von unserem Fehlverhalten und unserer Sünde wider. Schließlich wird Uria getötet. Alles scheint gut zu sein, das Kind wird geboren, doch es wird todkrank.
In der Bibel wird kein Name für dieses Kind genannt, erst im 2. Samuel Kapitel zwölf. David isst und trinkt nicht und ringt um das Leben dieses Kindes. Dann stirbt das Kind plötzlich. David wäscht sich daraufhin, und seine Freunde sagen: Jetzt verstehen wir, wie krank das Kind war. Und jetzt bist du wieder, als wäre nichts geschehen.
Für mich ist dies das erste Ahnen von Stellvertretung. Das kleine, unschuldige Kind ist für die Missetat Davids gestorben. Anders lässt sich das kaum erklären. Es ist noch keine rationale Begründung, aber für mich ein erster Hinweis darauf, dass Gott nur dann eine Lösung finden kann, wenn ein unschuldiges Opfer gesucht wird. Es stirbt stellvertretend für meine Schuld.
Man merkt dies auch bei der Opferung Isaaks. Was für ein merkwürdiges Geschehen! Gott wünscht sich ein Opfer, doch Abraham weiß eigentlich, dass wir vor Gott alle diejenigen sind, die das Leben verwirkt haben.
Ganz groß wird dieses Thema im Psalm 51, dem Bußpsalm Davids, der beim Abendmahl teilweise verwendet wird. Dort heißt es: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, gewissen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir. Nimm doch diese Schuld von mir weg und von meinem Leben, und mach mich rein."
Dann wird beschrieben, wie man Menschen reinigt – etwa durch Isop, durch Kräuter, die man zu einem Büschel bindet.
Ein weiterer Psalm zum Thema ist Psalm 32. Wenn man ihn zu Hause noch einmal liest, erkennt man, wie wunderbar das Sündenvergeben ist. Wenn die Schuld vergeben ist, ist das eine große Erleichterung. Wenn ich sie verschweigen will, zerbricht mein Körper daran. Die Schuld meines Lebens zerreißt mich von innen heraus.
Psalm 32 zeigt, wie wunderbar Vergebung ist, wenn sie da ist.
Die Unklarheit der Vergebung im Alten Testament und Gottes Barmherzigkeit
Wie Vergebung geschehen kann, ist im Alten Testament nicht eindeutig dargestellt. Gott ist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte, wie es beispielsweise in Psalm 103 und an manchen anderen Stellen heißt. Dennoch bleiben wir vor Gott eigentlich Schuldner und wissen nicht genau, wie die Schuld abgetragen wird.
Gott ist ein Gott der Barmherzigkeit. Doch wie soll dieses Wunder vollbracht werden? Im Alten Testament finden sich erschütternde Geschichten, wie die von Achan, der starb, weil er von der Beute Jerichos etwas versteckt hatte. Er hatte die Beute unter dem Sand in seinem Zelt vergraben.
Auch die vielen Beispiele bei den Königen im Nordreich sind erschütternd. Weil sie Götzenbilder anbeteten, verfielen sie und das Königreich zerfiel. Gott heimsuchte die Sünde, und es gibt Stellen, die sagen, dass Gott die Sünde der Väter heimsucht. Das bereitet manchen großes Kopfzerbrechen. Besonders Menschen, die psychisch angeschlagen sind, leiden darunter. Sie fragen sich: Muss ich jetzt all das auslöffeln, was meine Vorfahren getan haben?
Hierauf gebe ich jetzt eine Antwort. Bei Jesus ist das Entscheidende, dass er dieses scheinbar Unlösbare löst.
Die Einzigartigkeit der Gnade Gottes in Jesus Christus
Ich habe Ihnen neulich nochmals aus Bonhoeffers Werk „Nachfolge“ zitiert. Dieses Buch gehört zu seinen wichtigsten Schriften.
Allerdings habe ich gehört, dass es derzeit nicht verfügbar ist. Sie haben Frau Schüller nachgefragt, und es gibt momentan jemanden, der sich darum kümmert.
Es ist wirklich erstaunlich, wie wir die Gnade manchmal zu leichtfertig behandeln. Dabei ist sie ein wahres Wunder: Gott vergibt uns. Diese Gnade ist das Kostbarste und Wertvollste, was es gibt.
Sie kann niemals langweilig werden. Vielmehr muss sie immer wieder als etwas Großes empfunden werden. Etwas, das uns nicht einfach so über die Lippen geht, als bloßer Spruch. Sondern als etwas, das den Tod Jesu fordert.
Deshalb erinnert uns das Neue Testament noch einmal daran, dass Jesus selbst wenig über die Sünde spricht. Doch wenn Menschen mit Jesus zusammentreffen, geschieht etwas Merkwürdiges.
Die Begegnung mit Jesus und die Erkenntnis der eigenen Schuld
Ein Beispiel ist Petrus am See Genezareth mit seinem Kahn. Jesus sagt zu ihm: Fahr hinaus und wirf deine Netze aus – was eigentlich Unsinn war, denn es war heller Tag. Dennoch tut Petrus es, und die Netze sind voller Fische.
Daraufhin steigt Petrus aus dem Kahn, wirft sich der Länge nach auf den Boden und sagt: „Herr, geh vor mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.“ In der Begegnung mit Jesus wird ihm klar, dass zwischen ihnen Welten liegen. Diese Erkenntnis übertrifft jede Wohltat, jedes Geschenk, jede gute Erfahrung.
Es spielt keine Rolle, wie Gott in unserem Leben handelt. Irgendwo geschieht ein Gotteswunder, wenn man plötzlich merkt, was Petrus vorher nicht erkannt hat. Früher war ihm das fremd; er konnte sich im Freundeskreis damit brüsten. Doch jetzt bricht etwas auf: „Ich bin ein Mensch der Schuld.“
Ich möchte betonen, dass man Menschen mit einem sanften „Holzhammer“ die Güte Gottes demonstrieren sollte. Unter der Verkündigung dieser Güte erkennen Menschen ihre Sünde. Das kann man nicht steuern, aber es geschieht.
Menschen erschrecken im Gewissen nicht erst, wenn man sie anschimpft oder ihnen sagt, sie seien böse Menschen. Sie brauchen das gar nicht. Man darf einem Menschen sagen: „Gott hat dich lieb.“ Und gerade unter dieser Verkündigung erkennt plötzlich jemand seine Schuld vor Jesus. Das ist ein merkwürdiges Phänomen.
Manche Menschen empfinden es, wenn sie Gottes Hilfe erfahren, als wunderbar. Viele merken es vielleicht gar nicht, aber das ist das Geheimnis, wie Gott uns unsere Schuld zeigt.
Ein weiteres Beispiel ist die große Sünderin in Lukas 7. Wir wissen nicht genau, was sie bewogen hat. Sie sitzt Jesus zu Füßen, weint und zeigt ihre Dankbarkeit. Sie nennt sich eine große Sünderin und fühlt sich bei Jesus angenommen.
In allen Worten Jesu steckt praktisch die Botschaft, dass Menschen, die mit ihm in Verbindung stehen, die an ihn glauben und ihm vertrauen, die unheimliche Wirklichkeit ihrer alten, dunklen Vergangenheit ausgelöscht bekommen haben.
Die Verheißung des neuen Lebens durch Glauben an Jesus
Eines der schönsten Worte Jesu im Johannesevangelium ist das über das neue Leben, das er schenkt. Das Evangelium zeigt uns viele Worte Jesu über die menschliche Sünde. Besonders wunderbar ist, dass Johannes in einer speziellen Weise festgehalten hat, was Jesus gesagt hat.
Im Johannesevangelium finden wir das schöne Wort, das wir auch in einem anderen Zusammenhang kennen: „Wer an mich glaubt“, wie es in Johannes 7,37 heißt, „von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Wenn jemand zu Jesus kommt, wie die Schrift sagt, und von ihm trinkt, wird der Geist Gottes in sein Leben kommen. Er wird die alte Not seines Lebens erneuern. Das, was ihn belastet hat, das Dunkle, wird weggenommen sein.
Alte Schuld kann nur bewältigt werden, indem man zur Quelle des Lebens kommt. So erfahren Menschen Erneuerung und Befreiung durch den Geist Gottes.
Das Lamm Gottes als Träger der Sünde der Welt
Aber wie, wie geschieht das denn? Da war schon Johannes der Täufer, der einst, als er Jesus gesehen hatte, ausrief: „Siehe, das ist Gottes Lamm“ (Johannes 1).
Bei dem Wort „Lamm“ richtete sich natürlich der Blick auf das Pascha, diese Feier, die allen Juden unvergessen in Erinnerung war. Dabei saß die Familie zusammen und aß das Lamm, das geschlachtet worden war.
„Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt wegträgt.“ Ist es möglich, dass ein Tier oder jetzt ein Mensch ein vollkommenes Opfer bringt, das meine Schuld wegträgt? In meinem Denken ist das auch nicht einzusehen. Kann ich überhaupt Stellvertretung leisten?
Es ist ein großes Wunder, und das verkündet die Bibel – etwas, das unsere Vernunft nicht verstehen kann. Trotzdem wird uns verkündet, was in Johannes 8,34 und 36 gesagt wird: Unser Leben ist ein Leben in der Sünde.
Wissen Sie, dass wir bei dem Wort „Sünde“ oft komische Assoziationen haben? Der eine denkt an den Filmtitel „Kann die Liebe Sünde sein?“ oder an irgendetwas anderes. Das liegt an unserem Denken.
Was die Bibel mit „Sünde“ meint, ist jedoch ganz eindrücklich und für jeden klar.
Die Notwendigkeit der Befreiung durch Jesus Christus
Ich war im März wieder sehr dankbar, als wir die Evangelisation mit Billy Graham aus Jamaika oder Puerto Rico miterlebt haben. Mir ist aufgefallen, wie Billy Graham an jedem Abend sehr deutlich gesagt hat, dass zwischen dir und Gott die Sünde steht. Der Mann, der so die Sprache der Menschen spricht, redet nicht um das Wort herum. Er sagt klar: Da ist etwas Massives, ein Ungehorsam in deinem Leben.
Das kennen wir. Oft ist es so, dass, wenn Menschen sich hinsetzen wollen, um die Bibel zu lesen, sich alles sperrt und ein Riegel davor liegt. Und jetzt heißt es: So ist es in unserem Leben. Ich bleibe ein Knecht, versklavt in die Sünde. Wenn euch nun der Sohn Gottes frei macht, dann seid ihr wirklich frei (Johannes 8,36). Die Sünde kann nur durch einen Mächtigen gebrochen werden, der diesen schrecklichen Zusammenhang durchbricht.
Deshalb hat Paulus viel darüber geschrieben, am meisten im Galaterbrief, dass ich mich nicht aus eigener Anstrengung aus diesem schrecklichen Zusammenhang befreien kann. Immer wieder versuche ich es mit Gewalt und sage: Ich will es probieren, ein anderer Mensch zu sein. Ich habe am Sonntag von einem Arzt erzählt, der es selbst vor der Gruppe berichtet hat. Er hat mich sehr beeindruckt. Wenn jemand gerade zum Glauben kommt, ist das Erste, was er denkt: Jetzt möchte ich probieren, ein anderer Mensch zu werden. Nein, Sie können sich nur beschenken lassen. Sie schaffen das gar nicht selbst.
Das ist bei uns immer wieder der Fehler, dass man es verkrampft versucht. Doch wenn euch der Sohn freimacht, dann kommt man nur heraus aus meiner Bindung, aus meinem Wesen, das mir selber zu schaffen macht und in dem ich leide, indem ich auf Jesus blicke. Korrie Ten Boom sagte in ihrem unvergesslichen Vortrag in der Leonhardtskirche: „Ich schaute auf die Taube des Friedens, da flog sie davon. Ich wollte den Frieden haben und habe sie begreifen wollen, da flog sie davon. Ich blickte auf Jesus, da war sie wieder da.“
Ich bekomme den Frieden nur, indem ich vor ihm stehe, weil er der Einzige ist, der mich frei macht und mir den Frieden schenkt, der mir gut tut. Deshalb müssen wir hier in der Mitte sehen: Jesus hat Menschen Sündenvergebung zugesprochen. Wir denken an den Gichtbrüchigen, der durch das Dach heruntergelassen wurde. Damals hat uns das sehr bewegt, weil die Pharisäer ganz richtig sagten, dass kein Mensch Sünden vergeben kann, sondern nur Gott, der das letzte Wort hat.
Hier sehen wir, dass Jesus mit seinem ungeheuren Messiasanspruch genau vor uns steht. Das kann nur der endgültige Messias sein, der so etwas Ungeheures sagt. Dem gegenüber ist das Wort „Steh auf und wandle“ eine Kleinigkeit. Viel größer ist die Vergebung.
Wo steht das in der Bibel überhaupt, von der Vergebung und der Macht? Am schönsten hat es Jesus selbst in den Einsetzungsworten zum Abendmahl gesagt. Er sagte, dass er sein Leib und sein Blut gibt zur Erlösung für viele. In dem Zuspruch, natürlich im jüdischen Zusammenhang des Passamals, in dem sie Jesus feiern, ist das die Erfüllung für dich. Christus ist für mich in den Tod gegeben. Er trägt meine Schuld, und sie ist auf ihn geladen.
Dahinter klingt die wunderbare Erfüllung von Jesaja 53 an: „Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ Der leidende Gottesknecht trägt das alles. Selbst in der Hinrichtung Jesu hören wir noch das Gebet Jesu: „Vater, vergib ihnen.“ Er will im Sterben noch Menschen von der schrecklichen Schuld freimachen. Im Gespräch mit dem einen Mitgekreuzigten sagt Jesus: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Die Tür ist geöffnet, und die alte Trennung aufgehoben.
In all diesen Worten klingt das wunderbar durch. Man könnte noch vieles vom Johannesevangelium anführen, das eine wunderbare Vergebung sichtbar macht. Am schönsten hat es dann der Apostel Paulus noch einmal für uns entfaltet. Wir wollen das jetzt nicht alles aufschlagen, sondern erst einmal wieder sehen: Vergebung ist so ungeheuer, so unfassbar.
Die meisten Menschen spüren, dass das Verharmlosen der Schuld, wie es heute oft unter Christen geschieht, nicht echt sein kann. Das merken wir vielleicht, wenn ich neulich von Nazigrößen erzählte, die plötzlich Vergebung empfangen, wie Ribbentrop, der niederkniet und sagt: „Gott, sei mir sündergnädig.“ Kann man das einfach wegwischen? Ja, wenn es echt ist. Und dann trägt Jesus alle, alle meine Sünden, hat sein Blut hinweggetan.
Es ist tatsächlich so. Ich meine auch, wir müssen hier vom Blut Jesu reden. Ich habe lange gedacht, das sei eine Schlachthaustheologie und das Blut sei unanständig. Ich hatte eine Patentante, die mir das penetrant immer wieder gesagt hat. Sie war bei meiner Amtseinführung vor 25 Jahren noch dabei und sagte: „Huch, da hat man wieder dieses Lied gesungen. Wenn ich da schon höre, man muss sein Leben Jesus übergeben, wird mir übel. Da fühle ich mich immer an der Reling und muss spucken.“
Es gibt Leute, die alles im Glauben verdrehen wollen. Aber das Blut Jesu ist in der Tat das, was nötig ist. Das macht den Ernst klar: Ohne dieses Opfer gibt es keine endgültige Befreiung. Interessant ist, dass die Kraft der Vergebung im Blut liegt. Viele Ausleger sagen, es liegt daran, ob wir meinen, wir könnten es mit neuen Begriffen charmanter überspielen. Dann ist das Blut ja nicht das Abstossen, sondern es zeigt das Kostbare, wie viel es ihn gekostet hat, dass wir erlöst sind.
Paulus sagt im Römerbrief zuerst, dass wir alle Übertreter sind. Und zwar so furchtbar, es ist nicht nur, dass wir in ein paar Dingen abgeirrt sind, sondern wir sind in die Pervertierung unseres Menschseins hineingekommen. In Römer 1 beschreibt er das so eindrucksvoll: Wir haben unser ganzes Wesen verloren. Wir können Gott nicht mehr verstehen, weil wir so in der Sünde leben. Es ist die gleiche Lebenshaltung: Ich bin fern von Gott, und damit ist mein Denken verfinstert und ich kann Gott nicht finden. Aber auch die Juden sind dort hingekommen.
Dann spricht Paulus in Römer 3 davon, dass Versöhnung geschaffen wurde. Er redet im alttestamentlichen Bild vom Brandopferaltar und vom Deckel der Versöhnung. Dort hat Christus durch sein Opfer diese Versöhnung geschaffen.
Dann kommt noch einmal die Sündewut in unserem Leben, dass ich mit meinem Willen die Sünde nicht ausrotten kann. Das Wunderbare ist, wie der Geist Gottes mich freimacht. Dann sollten Sie die Motette von Johann Sebastian Bach über Römer 8 hören: „Jesu, meine Freude“. Dort heißt es: So ist nun nichts Verdammliches mehr an denen, die in Christus Jesus sind. Bach fasst etwas zusammen, was man sonst kaum anders sagen kann: In Christus sind wir frei geworden und haben Vergebung. Das ist der Höhepunkt. Wir haben Frieden und Erquickung.
Ich habe ein Büchlein, das ich antiquarisch besorgt habe, von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf: „Gedanken über verschiedene evangelische Wahrheiten“. Es ist eines meiner liebsten Bücher, auch wenn es heute schwer zu lesen ist. Ich habe neulich schon einmal daraus erzählt. Er schreibt dort über das Wort vom Kreuz. Ich sage es jetzt mit meinen Worten, sonst geht es über unsere Köpfe hinweg.
Er sagt, daran erkennt man den richtigen Christen, den echten, von einem, der nur nominell Christ ist. Das ist die Losung, das Schibboleth, das alttestamentliche Unterscheidungsmerkmal. Daran erkennt man jemanden, der sagt: „Der vom Kreuz ist mein Gott.“ Man könnte an dessen Stelle vielleicht manche philosophischen Sachen setzen, und man kann aus der Bibel mancherlei herausstreichen.
Er sagt, es war zu seiner Zeit, 1747, schon so weit, dass man sehr viel aus der Bibel herausstreichen wollte. Es würde so weit kommen, dass man unter den Protestanten einen Menschen, der vom Kreuz Christi, vom Blut der Versöhnung redet, gleich an der Sprache erkennen würde. So wie man früher sagte, er ist ein Galiläer, sagt man heute: Er ist ein Herrnhuter.
Das war damals 1747 schon ein ganz extremer Standpunkt. Er sagt: Der vom Kreuz ist meine Liebe, der ist mein Leben, und dem verdanke ich alles. Das ist mein Trost im Leben und im Sterben.
Merkwürdig ist, dass es nachts in Zinzendorf auch plötzlich wieder so eine Blüte gab und Menschen das Kreuz Jesu erkannt haben. Das darf Sie nicht irritieren, wie die Zeitströmungen gerade laufen. Für Sie muss es einfach wichtig sein, die Einzigartigkeit Jesu wiederzusehen, die Herrlichkeit der Vergebung. Dann dürfen Sie das sagen: Das ist etwas ganz, ganz Großes. Ich hoffe, dass Sie es praktizieren.
Die Herrlichkeit ist beichtgeheimnislich. Wenn man dann Menschen etwas aus ihrem Leben erzählt, darf man ihnen die Vergebung Jesu zusprechen. Ich habe schon alle Formen gewählt. Ich will keinen Ritus haben, aber manche haben verlangt, dass wir vielleicht gemeinsam niederknien und die Hände auflegen zum Zeichen, damit man es auch spürt, dass Jesus es einem zuspricht.
Das setzt alles weg, und das darf niemand mehr hervorholen. Das ist vergeben und vergessen, weil es durch Jesus ausgelöst und weggenommen ist. Am Jüngsten Tag wird es nicht mehr hervorgeholt.
Am Sonntag hatten wir eigentlich einen sehr ernsten Abschnitt, wie Jesus sagt, dass wir Menschen warnen müssen und haftbar gemacht werden. Ich habe heute Morgen bei meiner Bibellese ans Jüngste Gericht gedacht: Dort wird zwischen Böcken und Schafen geschieden. Es gibt einen Unterschied, und das ist furchtbar.
Immer wieder, wenn wir von der Verdammnis reden, ist es das Herrliche, dass uns heute die Schlüsselgewalt übergeben ist. Wissen Sie das? Jeder evangelische Christ hat Schlüsselgewalt. In der katholischen Kirche hat Petrus die Schlüssel. Wir haben alle die Schlüssel zum Himmel, indem wir binden und lösen dürfen.
Wenn ein Mensch sagt, und wir sagen es jetzt so, wie man es Jesus sagt, dann sage ich es mir: Wenn man mir im Leben so viel falsch macht, soll man das nicht Jesus sagen? Dann sagen Sie es doch jetzt mit Ihren Worten: Jesus. Und dann darf ich Ihnen die Vergebung Jesu zusprechen, im Namen Jesu. Jesus hat es so geordnet, dass wir einander Sünden vergeben.
Ich lege Wert darauf, gerade in der Abendmahlssache, und weiche da von unserer Kirchenordnung ab, weil ich meine, Jesus hat allen Christen die Vollmacht gegeben, allen seinen Jüngern Sünden zu vergeben, nicht nur Beamten und bezahlten Dienern.
Darum soll man sich daran erinnern: Ich habe diese große Vollmacht. In dem Augenblick, in dem ich einen Menschen freispreche, wird im Himmel das gelöscht. Das ist so ungeheuer, dass es das gibt.
Ich habe am Sonntag gesagt, für unsere Rechtsordnung ist das völlig undenkbar. Ein Richter muss einen Menschen auch bestrafen, auch wenn es ihm leidtut. Er kann sagen: Das sind mildernde Umstände, und ich will das berücksichtigen. Aber er muss Recht sprechen, und Recht verlangt Sühne.
Bei Gott sagen wir: Nein, es braucht keine Sühne mehr, weil die Sühne in Jesus geleistet ist. Es braucht bloß, dass ein Mensch sagt: Ich habe es getan. Das genügt schon zur Vergebung im Namen Jesu. Das ist so wunderbar.
Ich brauche nicht mehr als das Eingeständnis, und das fällt uns oft so schwer. Am schönsten hat Jesus das in der Geschichte vom verlorenen Sohn dargestellt. Auch in diesem wunderbaren Bild, weil man es wirklich immer wieder von Jesus in Geschichten reinbringen soll.
Ich möchte Sie bitten, wenn Sie jemandem vom Glauben erzählen wollen, reden Sie nicht theoretisch, sondern erzählen Sie Geschichten! Das ist so wunderbar.
Der Sohn, der von zu Hause wegläuft, begeht Sünde: Er läuft vom Vater weg, sucht sein Lebensglück und vergeudet die Schätze, die ihm der Vater gegeben hat. Plötzlich merkt er: Ich bin am Ende. Das ist eine Situation, die heute unzählige Menschen haben: Mein Leben bringt nichts mehr, ich darbe, ich werde nicht satt, was soll ich tun?
Dann besinnt er sich. Ich sage immer wieder diesen Moment: Er sagt nicht „Mein Vater müsste jetzt eigentlich“, er sagt nicht „Die Gewerkschaft versagt“ oder „Die Regierung versagt“ und „Die Zustände sind so schlecht“. Das schlägt er in sich. Er sagt: Ich will zu meinem Vater gehen.
In der wunderbaren Auslegung von Paul Humburg, vielleicht die schönste zum verlorenen Sohn, heißt es, dass der entscheidende Punkt die Rückkehr war. Wie er zum Vater kommt und dieses eine Sätzlein ausspricht: „Vater, ich habe gesündigt.“ Ohne dieses Sätzlein hätte er das Herz des Vaters nicht gefunden und keine Vergebung erhalten.
An dieser Stelle beginnt der Glaube. Das ist so wichtig, wenn Sie heute mit Menschen Gespräche führen, dass Sie ihnen helfen, diesen Schritt zu tun und zum Bekenntnis zu kommen.
Ich bin überzeugt, dass die wunderbarsten Dinge im Gespräch passieren, wenn Menschen sagen: „In meinem Leben habe ich falsch gelebt.“ Dann dürfen Sie ihnen die Vergebung zusprechen. Das ist das Allergrößte. Wenn man dann plötzlich Vergebung ergreift, ist das unaussprechlich schön und bringt solchen Frieden.
Das ist der Grund, ob ich im Sterben noch den Frieden habe, von dem wir vorher bei Brigitte Roos gehört haben, oder ob ich letztlich doch mit Gott noch nicht im Frieden bin. Wenn in Ihrem Leben vor Gott ein heimlicher Schrecken oder eine Angst liegt, dann liegt es daran, dass Sie noch nicht die Vergebung haben.
Die Freude der Vergebung legen Sie immer wieder hin und freuen Sie sich. Wir dürfen jeden Abend bei Gott die Vergebung suchen, auch für die Versäumnisse des Tages, und wissen, dass Jesus kräftig ist.
Ich könnte noch viele Stellen anführen, wie im Hebräerbrief, wo es am herrlichsten dargestellt ist. Es war so wichtig, dass Jesus das Lamm Gottes ist, das meine Sünde wegträgt. Ohne ihn gibt es keinen Trost, weder im Leben noch im Sterben.
Wir wollen den Heiland wiedererkennen, der uns so wunderbar erquickt.
Die Verheißung der Vergebung im Abendmahl und am Kreuz
Und jetzt, wo steht das in der Bibel überhaupt, von der Vergebung und von der Macht? Am schönsten hat es Jesus selbst gesagt – in den Einsetzungsworten zum Abendmahl. Er sagt, dass er sein Leib und sein Blut gibt zur Erlösung für viele.
Dieser Zuspruch steht natürlich im jüdischen Zusammenhang des Passamals, in dem sie Jesus gefangen nehmen. Das ist die Erfüllung für dich: Christus ist für mich in den Tod gegeben. Er trägt meine Schuld, und sie ist auf ihn geladen.
Dahinter klingt die wunderbare Erfüllung von Jesaja 53 an: „Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ Der leidende Gottesknecht trägt all das.
Auch in der Hinrichtung Jesu hört man noch einmal sein Gebet. Jesus betet im Sterben: „Vater, vergib ihnen.“ Er will im Sterben noch Menschen freimachen von der schrecklichen Schuld. Oder im Gespräch mit dem einen Mitgekreuzigten sagt er: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Dir ist die Tür geöffnet, und die alte Trennung ist aufgehoben.
In all diesen Worten klingt das ganz wunderbar durch. Man könnte noch manches aus dem Johannesevangelium hinzufügen, das eine wunderbare Vergebung sichtbar macht.
Die Bedeutung der Vergebung nach Paulus und die Ernsthaftigkeit der Schuld
Am schönsten hat es der Apostel Paulus für uns entfaltet. Wir wollen jetzt nicht alles im Detail betrachten, sondern zunächst einmal erkennen, wie ungeheuer und unfassbar Vergebung ist.
Die meisten Menschen spüren, dass das Verharmlosen der Schuld, wie es heute oft unter Christen geschieht, nicht echt sein kann. Das wird besonders deutlich, wenn man an Beispiele denkt, wie ich neulich erzählt habe: etwa von Nazigrößen, die plötzlich Vergebung empfangen, wie Ribbentrop, der niederkniet und sagt: „Gott, sei mir sündergnädig.“ Kann man das einfach so wegwischen? Ja, wenn es echt ist.
Jesus trägt alle, alle meine Sünden; sein Blut hat sie hinweggetan. Es ist tatsächlich so. Das meine ich auch: Wir müssen hier vom Blut Jesu sprechen. Lange Zeit dachte ich, das sei eine Schlachthaustheologie und das Blut sei unanständig. Ich hatte eine Patentante, die das immer wieder penetrant betonte. Bei meiner Amtseinführung vor 25 Jahren, als sie noch dabei war, sagte sie: „Huch, da hat man wieder dieses Lied gesungen!“ Und wenn ich dann höre, dass man sein Leben Jesus übergeben muss, wird mir übel. Ich fühle mich immer an der Reling und muss spucken.
Es gibt Leute, die alles im Glauben verdrehen wollen. Doch das Blut Jesu ist in der Tat das, was nötig ist, und das macht die Sache ernst. Ohne dieses Opfer gibt es keine endgültige Befreiung. Interessant ist, dass die Kraft der Vergebung im Blut liegt. Viele Ausleger sagen immer wieder, es komme darauf an, ob wir es mit neuen Begriffen charmanter überspielen wollen.
Das Blut ist aber nicht abstoßend. Es zeigt das Kostbare, wie viel es Jesus gekostet hat, dass wir erlöst sind.
Die theologische Auslegung der Schuld und Versöhnung im Römerbrief
Paulus sagt im Römerbrief zuerst, dass wir alle Übertreter sind. Und zwar nicht nur in einigen wenigen Dingen, sondern so schwerwiegend, dass wir in eine Verirrung unseres Menschseins geraten sind. In Römer 1 wird das eindrucksvoll beschrieben: Wir haben unser ganzes Wesen verloren. Wir können Gott nicht mehr verstehen, weil wir so tief in der Sünde verstrickt sind. Das bedeutet eine grundsätzliche Lebenshaltung: „Ich bin fern von Gott.“ Dadurch ist auch unser Denken verfinstert, und wir können Gott nicht finden.
Aber auch die Juden sind in diesen Zustand geraten. Paulus spricht dann in Römer 3 davon, dass Versöhnung geschaffen wurde. Er benutzt dabei das alttestamentliche Bild des Brandopferaltars und des Deckels der Versöhnung. Durch sein Opfer hat Christus diese Versöhnung möglich gemacht.
Dann beschreibt Paulus noch einmal, wie in unserem Leben die Sünde wütet. Mit unserem eigenen Willen können wir die Sünde nicht ausrotten. Das Wunderbare ist jedoch, wie der Geist Gottes uns freimacht.
In diesem Zusammenhang sollte man die Motette von Johann Sebastian Bach über Römer 8 hören: „Jesu, meine Freude.“ Dort heißt es: „So ist nun nichts Verdammliches mehr an denen, die in Christus Jesus sind.“ Bach fasst damit zusammen, was man sonst kaum anders ausdrücken kann. In Christus sind wir frei geworden und haben Vergebung. Das ist der Höhepunkt: Wir haben Frieden und Erquickung.
Die Bedeutung des Kreuzes für den echten Glauben
Ich habe ein Büchlein, das ich mir irgendwann einmal antiquarisch besorgt habe. Es stammt von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und enthält Gedanken über verschiedene evangelische Wahrheiten. Dieses Büchlein ist mir besonders lieb, obwohl es heute kaum noch erhältlich ist und etwas schwer zu lesen ist.
Neulich habe ich bereits daraus erzählt. Er schreibt dort über das Wort vom Kreuz. Ich möchte es jetzt mit meinen eigenen Worten wiedergeben, damit es nicht über unsere Köpfe hinweggeht. Er sagt, daran erkennt man den richtigen Christen, den echten, im Gegensatz zu dem, der nur nominell Christ ist.
Das ist die Losung, das Schibboleth – ein alttestamentlicher Begriff für ein Unterscheidungsmerkmal. Man erkennt daran, ob jemand sagt: „Der vom Kreuz, das ist mein Gott.“ Er meint, man könnte anstelle dessen vielleicht manche philosophische Dinge setzen oder vieles aus der Bibel herausstreichen.
Er sagt, zu seiner Zeit, das war 1747, war es schon so weit, dass viele versuchten, sehr viel aus der Bibel herauszustreichen. So könnte es vielleicht dazu kommen, dass man unter den Protestanten einen Menschen, der vom Kreuz Christi und vom Blut der Versöhnung spricht, gleich an seiner Sprache erkennen würde. So wie man früher sagte: „Er ist ein Galiläer“, würde man heute sagen: „Er ist ein Herrnhuter.“
Das war damals, 1747, schon ein ganz extremer Standpunkt. Er sagt: Der vom Kreuz ist meine Liebe, er ist mein Leben, ihm verdanke ich alles. Er ist mein Trost im Leben und im Sterben.
Es ist merkwürdig, dass es nachts in Zinzendorf auch plötzlich wieder eine solche Blüte gab und Menschen das Kreuz Jesu erkannt haben. Das darf Sie nicht irritieren, egal wie die Zeitströmungen gerade verlaufen. Für Sie muss es einfach wichtig sein, die Einzigartigkeit Jesu wiederzusehen, die Herrlichkeit der Vergebung.
Dann dürfen Sie das sagen. Das ist etwas ganz, ganz Großes, und ich hoffe, dass Sie es praktizieren.
Die Praxis der Vergebung und die Vollmacht der Christen
Die Herrlichkeit ist beichtgeheimnisisch. Wenn man dann Menschen einfach zuspricht, nachdem sie etwas aus ihrem Leben erzählt haben, sagt man: „Jetzt darf ich dir die Vergebung Jesu zusagen.“
Ich habe schon viele Formen gewählt. Ich will keinen Ritus haben, aber manche haben es verlangt, dass wir vielleicht gemeinsam niederknien, die Hände auflegen zum Zeichen und sagen, dass du es auch spüren sollst, wie dir Jesus die Vergebung zuspricht.
Und das setzt alles außer Kraft. Das darf niemand mehr vorholen. Das ist vergeben und vergessen, weil es durch Jesus ausgelöst und weggenommen ist. Am Jüngsten Tag wird es nicht mehr hervorgeholt.
Wir hatten am Sonntag eigentlich den sehr ernsten Abschnitt, wie Jesus sagt, dass wir Menschen warnen müssen und dass wir haftbar gemacht werden.
Ich habe heute Morgen bei meiner Bibellese an das Jüngste Gericht gedacht. Da wird zwischen Böcken und Schafen geschieden, es gibt einen Unterschied. Das ist furchtbar. Immer wieder, wenn wir von der Verdammnis reden, ist es das Herrliche, dass uns heute die Schlüsselgewalt übergeben ist – die Schlüsselgewalt.
Wissen Sie das? Jeder evangelische Christ hat Schlüsselgewalt. In der katholischen Kirche hat Petrus die Schlüssel. Wir aber haben jeder die Schlüssel zum Himmel, indem wir binden und lösen dürfen.
Und wenn ein Mensch sagt – und dann sagen wir so, wie man es Jesus noch sagt, so sage ich es mir: Wenn man mir in meinem Leben so viel falsch gemacht hat, soll man das nicht Jesus sagen? Dann sagen Sie es doch jetzt mit Ihren Worten: Jesus!
Und dann darf ich Ihnen die Vergebung Jesu zusprechen, im Namen Jesu. Weil Jesus es so geordnet hat, dass wir einander Sünden vergeben dürfen.
Ich lege viel Wert auf die Abendmahlssache und weiche da von unserer Kirchenordnung ab. Denn ich meine, Jesus hat allen Christen die Vollmacht gegeben, allen seinen Jüngern Sünden zu vergeben – und nicht nur Beamten und bezahlten Dienern.
Darum ist das eine Sache, an die man sich erinnern soll: Ich habe diese große Vollmacht. In dem Augenblick, in dem ich einen Menschen freispreche, wird im Himmel das gelöscht.
Das ist so ungeheuerlich, dass es das gibt. Ich habe am Sonntag gesagt: Für unsere Rechtsordnung ist das völlig undenkbar. Ein Richter muss einen Menschen auch bestrafen, auch wenn es ihm leidtut.
Der Richter kann sagen, das sind mildernde Umstände und ich will das berücksichtigen. Aber er muss Recht sprechen, und Recht verlangt immer Sühne.
Wir sagen: Nein, bei Gott braucht es keine Sühne mehr, weil die Sühne in Jesus geleistet ist. Es braucht nur, dass ein Mensch sagt: Ich habe es getan. Das genügt schon zur Vergebung im Namen Jesu.
Und das ist so wunderbar. Ich brauche nicht mehr als das Eingeständnis – und dieses fällt uns oft so schwer.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn als Bild der Vergebung
Am schönsten hat Jesus dies in der Geschichte vom verlorenen Sohn dargestellt. Dieses wunderbare Bild sollte man wirklich immer wieder von Jesus in den Geschichten hören.
Ich möchte Sie immer wieder darum bitten: Wenn Sie irgendwo mit anderen über den Glauben sprechen wollen, reden Sie nicht theoretisch. Erzählen Sie Geschichten! Das ist so wunderbar.
Der Sohn läuft von zu Hause weg. Es ist Sünde, vom Vater wegzulaufen, sein Lebensglück zu suchen und die Schätze, die einem der Vater gegeben hat, zu vergeuden und zu verprassen. Plötzlich merkt man: Ich bin am Ende.
Das ist eine Situation, die heute unzählige Menschen erleben. Irgendwie bringt mein Leben nichts mehr, ich darbe, ich werde nicht satt – und was soll ich überhaupt noch? Dann besinnt sich der Sohn. Ich nenne diesen Moment immer wieder besonders. Er sagt nicht: „Mein Vater müsste jetzt eigentlich…“, und er sagt auch nicht: „Die Gewerkschaft versagt, die Regierung versagt und die Zustände sind so schlecht.“ Stattdessen schlägt er sich in sich selbst: „Ich will zu meinem Vater gehen.“
In der wunderbaren Auslegung von Paul Humburg, vielleicht die schönste Auslegung zum verlorenen Sohn, heißt es, dass dies der entscheidende Punkt der Rückkehr war: Wie er zum Vater kommt und dieses eine Sätzchen ausspricht: „Vater, ich habe gesündigt.“
Ohne dieses Sätzchen hätte er das Herz des Vaters nicht gefunden und auch keine Vergebung erhalten. An dieser Stelle beginnt für mich der Glaube.
Sehen Sie, das ist so wichtig, wenn Sie heute mit Menschen Gespräche führen. Helfen Sie ihnen, diesen Schritt zu tun und zu dem Bekenntnis zu kommen: „Ich habe falsch gelebt.“
Ich bin überzeugt, dass die wunderbarsten Dinge genau dort im Gespräch geschehen. Dort, wo Menschen sagen: „In meinem Leben habe ich falsch gehandelt.“ Und Sie dürfen ihnen dann die Vergebung zusprechen.
Das ist das Allergrößte: Wenn man dann plötzlich Vergebung empfängt – so unaussprechlich schön und mit einem solchen Frieden.
Die Bedeutung der Vergebung für den Frieden im Leben und Sterben
Und das ist der Grund, ob ich im Sterben noch den Frieden habe, von dem wir zuvor bei Brigitte Roos gehört haben, oder ob ich letztlich doch mit Gott noch nicht im Frieden bin.
Wenn in Ihrem Leben vor Gott ein heimlicher Schrecken oder eine Angst liegt, dann liegt es daran, dass Sie noch nicht die Vergebung haben. Die Freude der Vergebung – legen Sie sie immer wieder hin und freuen Sie sich daran.
Wir dürfen jeden Abend bei Gott die Vergebung suchen, auch für die Versäumnisse des Tages. Dabei können wir wissen, dass Jesus kräftig ist.
In allen Stellen, wie zum Beispiel im Hebräerbrief, ist es so wichtig, dass Jesus das Lamm Gottes ist, das meine Sünde wegträgt. Ohne diesen Trost hat man weder im Leben noch im Sterben Halt.
Wir wollen den Heiland wiedererkennen, der uns so wunderbar erquickt.
