Gemeinschaft als Grundbedürfnis und Herausforderung
Wir beginnen heute Abend mit dem Thema „anziehende Gemeinschaft“. Dabei stellt sich sofort die Frage: Ist die Gemeinschaft der Gemeinde wirklich etwas Besonderes?
Ich habe schon öfter mit nichtchristlichen Freunden über die Gemeinde gesprochen. Wenn ich dann betont habe, wie sehr ich die Gemeinschaft in der Gemeinde schätze, haben sie oft gesagt: „Ja, das ist schön für dich.“ Gleichzeitig waren sie sich einig, dass Gemeinschaft wirklich wichtig ist. Gemeinschaft ist im Grunde ein Grundbedürfnis, das wir alle haben.
Meine Freunde freuen sich, dass ich die Gemeinde als einen Ort guter Gemeinschaft erlebe. Gleichzeitig sagen sie mir meistens, dass sie das nicht so erlebt haben. Ihre Erfahrungen mit Kirche hatten oft wenig mit Gemeinschaft zu tun. Aber das sei auch nicht schlimm, weil sie Gemeinschaft an anderen Orten finden – zum Beispiel im Tennisverein, bei der Studentenverbindung, im Kegel- oder Wanderklub oder anderswo.
Ist die Gemeinschaft in der Gemeinde also letztlich ähnlich zu bewerten wie die Gemeinschaft in diesen anderen Gruppen? Man könnte sogar meinen, dass Gemeinschaft in manchen dieser Kreise leichter oder besser ist. Schließlich entstehen diese Gemeinschaften oft um bestimmte gemeinsame Interessen. Das bedeutet, man hat sofort einen ganz natürlichen Anknüpfungspunkt.
In der Gemeinde hingegen kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammen. Manchmal heißt es sogar spöttisch: „Seine Freunde kann man sich aussuchen, seine Geschwister nicht.“ Wie ist das also wirklich? Kann man die Gemeinde als eine ganz besondere, einzigartige Gemeinschaft erleben?
Die Praxis der Gemeindegliederung und ihre Grenzen
Nur manche sagen: Wenn wir die Gemeinschaft der Gemeinde stärken wollen, dann müssen wir das tun, was auch die Welt tut. Wir sollten die Gemeinde um bestimmte Gruppierungen herum aufbauen, um homogene Einheiten. Das heißt, wir sollten Zielgruppengemeinden haben.
Dann sammeln sich Leute, die viele gemeinsame Interessen haben. Das macht es auch viel leichter, die Leitung auszuwählen und andere organisatorische Dinge zu regeln. Oder man verlagert in einer großen Gemeinde die Gemeinschaft einfach in Kleingruppen. Diese gruppieren sich dann wieder um ähnliche Interessen und ähnliche Lebenssituationen.
So gibt es beispielsweise eine Gruppe für junge Mütter, eine für ältere Singles, einen Seniorenkreis für die Älteren, einen Kreis für junge Erwachsene und vielleicht eine Gruppe für junge kinderlose Paare. Die Geschäftsleute treffen sich miteinander, ebenso die spanischsprachigen und die phasisprachigen Flüchtlinge.
In unserer Gemeinde gibt es tatsächlich fast alle diese Gruppen. Und oft erleben wir in diesen Gruppen sehr gute Gemeinschaft. So mancher Christ würde sagen: Damit ist mein Bedürfnis nach Gemeinschaft eigentlich erfüllt, mehr brauche ich nicht.
Ich möchte deutlich sagen: Ich bin überhaupt nicht gegen diese Gruppen, sie haben ihren Wert. Doch ich bin davon überzeugt, dass Gott noch viel mehr vorhat mit der Gemeinschaft in der Gemeinde – viel mehr, als nur soziale Bedürfnisse zu befriedigen.
Gottes Plan für die Gemeinde und die Rolle des Heiligen Geistes
Um dem weiter auf den Grund zu gehen, wollen wir in den nächsten Wochen etwas mehr über Gottes Idee von Gemeinschaft nachdenken. Dabei geht es darum, wie Gott sich Gemeinde vorstellt und wie er diesen Plan verwirklichen will.
Deshalb möchte ich gleich zu Beginn sagen: Diese Serie soll nicht dazu führen, dass wir nun einen Plan haben, wie wir besondere Gemeinschaft erzeugen können. Geistliche Gemeinschaft, diese anziehende Gemeinde und Gemeinschaft, um die es hier geht, ist etwas, das Gott selbst tun muss. Wir können das nicht machen – das kann nur Gott tun. Ich bin davon überzeugt, dass Gott das auch tun will.
Meine Hoffnung für diese Serie ist schlicht und ergreifend, dass wir immer mehr über Gottes guten Plan für Gemeinde erfahren. So können wir uns von ihm gebrauchen lassen, damit seine Vision von Gemeinschaft in der Gemeinde immer mehr Raum einnehmen kann.
Das wollen wir heute zuerst in einer kurzen Andacht bedenken. Jonathan hat in einer kurzen Predigt gesagt, dass wir uns fragen sollten, was eigentlich Gottes Vision von Gemeinde ist. Dazu schauen wir uns Johannes 13, die ganz bekannten Verse 34 und 35, an.
Ich lese uns diese beiden Verse vor, die wir dann einfach nur miteinander betrachten wollen. Dabei machen wir keine thematischen Einheiten. Wir werden zwar letztlich thematisch orientiert sein, aber jeweils einen Bibeltext betrachten.
Das neue Gebot Jesu als Grundlage der Gemeinde
Johannes 13, Verse 34 und 35: Dort spricht Jesus Christus: Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Nur ganz kurz zur Einordnung: Der Kontext dieser Worte Jesu ist folgender. Er ist mit seinen Jüngern in einem Obergemach versammelt, wo sie das Abendmahl feiern. Gerade hat sich Judas auf den Weg gemacht, um Jesus zu verraten. Das ist also ganz am Ende von Jesu Leben. Am nächsten Tag würde er gekreuzigt werden.
In dieser Situation deutet Jesus an, dass es nun an der Zeit sei, dass er verherrlicht werde, dass er gekreuzigt werde und sie dann verlassen würde. Bevor er nun ans Kreuz geht, gibt er seinen Jüngern noch ein neues Gebot.
Warum gibt es hier ein neues Gebot? Es ist etwas, was seine Jünger, was die Gemeinde, nachdem er gegangen ist, leben und tun sollen. Wir wollen dieses neue Gebot nun in drei Abschnitten betrachten.
Zuerst schauen wir uns das Gebot selbst an. Dann denken wir über die Grundlage des Gebots nach, also was grundlegend für dieses Gebot ist. Schließlich bedenken wir, was eigentlich das Ziel dieses Gebots ist.
Das sind die drei Punkte: das Gebot selbst, die Grundlage des Gebots und das Ziel des Gebots.
Das Gebot der Liebe als verbindliche Aufforderung
Das Gebot selbst ist ein Gebot. Manchmal lesen wir es so, als wäre es nur eine nette Idee oder ein Vorschlag. Aber nein, Jesus sagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“
Hier geht es also nicht um irgendeine Gemeinschaft, sondern um eine Gemeinschaft, die von Liebe erfüllt ist. Ich kenne genug Gemeinschaften, in denen man zwar nett zusammenkommt, bei denen aber nicht wirklich Liebe im Zentrum steht. Vielleicht kennt ihr das auch: Gruppen, in denen man sich nett trifft und eine gute Zeit miteinander verbringt. Doch wenn jemand nicht da ist, wird oft über die abwesende Person gelästert oder schlecht gesprochen.
Dann merken wir, dass diese Gemeinschaft nicht wirklich von tiefer Liebe füreinander geprägt ist. Solche Gemeinschaften sind wahrscheinlich eher Zweckgemeinschaften. Sie erfüllen das soziale Bedürfnis nach Gemeinschaft, aber wahre Liebe ist hier nicht vorhanden.
Die Gemeinschaft der Gläubigen sollte sich von diesen weltlichen Gemeinschaften unterscheiden. Ich möchte wirklich sagen, dass ich sehr froh und dankbar bin, in dieser Gemeinde immer wieder Gemeinschaft zu erleben, die von Liebe geprägt ist.
Die neue Dimension der Liebe im Gebot Jesu
Das Gebot, einander zu lieben, ist eigentlich kein neues Gebot. Schon im Alten Testament, im dritten Buch Mose, Kapitel 19, Vers 18, finden wir das Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Jesus wurde einige Zeit vor dieser Situation im Obergemach gefragt: „Was ist das größte Gebot?“ Er antwortete mit einer zweiteiligen Antwort. Zum einen sagte er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ Dann fügte er das zweite Gebot hinzu: „Und liebe deinen Nächsten, du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Was ist also eigentlich neu an diesem Gebot? Der Maßstab der Liebe ist entscheidend. Im dritten Buch Mose 19,18 ist der Maßstab für die Liebe, die wir zu unserem Nächsten haben sollen, die Selbstliebe: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Jesus legt die Latte jetzt deutlich höher. Er sagt: „Ihr solltet euch untereinander lieben, wie ich euch geliebt habe.“
Das ist neu und wirklich groß. Es ist ein neues Gebot, dass wir untereinander eine Liebe haben sollen, so wie Gott in Jesus Christus sie für uns hat. Und wie groß diese Liebe ist, das zeigt uns die ganze Bibel. Das ruft sie uns zu.
Paulus schreibt in der Gemeinde in Ephesus zum Beispiel von dieser Liebe als Vorbild für uns. Er sagt der Gemeinde: „So folgt nun Gottes Beispiel, ihr geliebten Kinder, und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und sich selbst für uns gegeben hat als Gabe und Opfer Gott zu einem lieblichen Geruch.“
So hat er uns geliebt – selbstlos, aufopferungsvoll, aus tiefstem Herzen. Das ist die Liebe Jesu für uns. Und so sollen wir nun einander lieben. Und zwar nicht nur einige Geschwister, sondern alle untereinander. Nicht nur im Hauskreis, sondern überhaupt einander, in der ganzen Gemeinde.
Die Herausforderung und Ermutigung zur Liebe in der Gemeinde
Nun ist klar, dass wir das nicht überall und nicht mit allen gleich intensiv tun können. Das ist normal.
Wir werden mit manchen Geschwistern mehr Kontakt haben, und dort wird eine intensive Liebesgemeinschaft entstehen. Unser grundsätzliches Anliegen sollte jedoch sein, dass die Liebe Jesu – diese Liebe, mit der Gott uns zuerst geliebt hat – das Miteinander der ganzen Gemeinde prägt.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, wenn du diese Worte hörst, aber ich empfinde das als eine riesengroße Herausforderung. Dennoch möchte ich uns ermutigen: Lasst uns diese Herausforderung annehmen.
Denn es ist nicht nur ein netter Vorschlag, wie es vielleicht ein bisschen kuscheliger in der Gemeinde sein kann. Es ist ein Gebot. Je mehr wir diesem Gebot folgen, desto mehr wird sich die Gemeinschaft dieser Gemeinde wirklich von allen anderen Gemeinschaften unterscheiden, die du in dieser Welt finden kannst.
Die Welt kennt diese einzigartige Liebe nicht. Gemeinschaften der Welt werden niemals von der Liebe geprägt sein, mit der Jesus uns zuerst geliebt hat.
Die göttliche Liebe als Maßstab und Grundlage
Die Liebe Jesu ist der Maßstab für den Auftrag, das Gebot, dass wir einander lieben. Aber sie ist nicht nur der Maßstab, sondern auch die notwendige Grundlage für die Liebe in der Gemeinde. Das ist der zweite Punkt.
Das verdeutlicht Jesus, wenn er fortfährt. Er sagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt.“ Hier sagt er: „Ich habe euch zuerst geliebt, damit ihr euch nun mit dieser Liebe, die ich euch gegeben habe, lieben könnt.“
In gewisser Weise ist hier die Liebe die Grundlage, die Basis, das, was uns überhaupt erst fähig macht, das neue Gebot erfüllen zu können. Denn die Liebe, zu der Gott uns aufruft, finden wir nicht in uns selbst. Sonst könnte die Welt auch so lieben. Nein, diese Liebe ist übernatürlich, es ist göttliche Liebe, die von Gott kommt und die wir zuerst von Gott empfangen müssen.
Letztendlich ist diese Welt nicht von Liebe geprägt. Unser Leben war nicht von Liebe geprägt, bis Gott mit seiner Liebe in unser Leben gekommen ist. Deshalb kam Jesus in diese Welt. Gott wurde Mensch in Jesus Christus und lebte unter uns, mitten in dieser lieblosen Welt, um die perfekte Liebe Gottes hineinzubringen.
Dort, wo wir Menschen uns von dem Gott der Liebe abgewandt hatten und unsere eigenen Wege gegangen sind, wo wir uns untereinander immer wieder verstritten haben, sieht Gott uns in seinem herzlichen Erbarmen und sagt: „Ich will meine einzigartige Liebe ausschütten über dieses lieblose Volk, damit sie Liebe empfangen können.“
So kam Gott in Jesus Christus und lebte voller Liebe. Jesus liebte seinen Vater und die Menschen mit einer perfekten göttlichen Liebe. Diese Liebe brachte ihn dazu, nicht nur liebevoll unter uns zu leben, sondern auch in seiner großen Liebe für uns zu sterben.
Deswegen ist Jesus ans Kreuz gegangen und hat gesagt: „Ich nehme eure Schuld auf mich, eure Lieblosigkeit auf mich. Ja, ich erdulde eure Lieblosigkeit, selbst da, wo ihr mich kreuzigt.“ Er tut das, damit eure Schuld und all das Böse in euch die gerechte Strafe bezahlt werden kann. Er zahlt sie und nimmt das gerechte Gericht auf sich. So sehr liebt er uns, dass er unsere Schuld auf sich nimmt, damit wir Vergebung empfangen können.
Das ist die Liebe Gottes, mit der er uns zuerst geliebt hat. Danach ist Jesus am dritten Tag von den Toten auferstanden und in den Himmel zu seinem Vater aufgefahren. Von dort hat er uns seinen Geist gesandt.
Dieser Geist, der Geist unseres Herrn Jesus Christus, erfüllt uns nun mit der Liebe Gottes. Mit dieser übernatürlichen Liebe, die wir nicht aus uns selbst tragen, sondern die uns von außen gegeben wird. Wir Christen empfangen sie mit dem Geist Gottes, den jeder erhält, der zum Glauben kommt.
Die Liebe Gottes als Kraftquelle für das Gemeindeleben
Der Apostel Paulus beschreibt das mit wunderbaren Worten. Er sagt den Christen, dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde.
Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines gerechten Willens willen. Um des Guten willen wagt es vielleicht jemand, sein Leben zu geben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Das ist die Liebe Gottes.
Ich hoffe, du kennst diese Liebe Gottes. Wenn nicht, dann komm gerne mit uns ins Gespräch. Wir wollen dir mehr über diese Liebe erzählen.
Aber, lieber Christ, diese Worte sind vor allem für dich. Vielleicht geht es dir ein bisschen so wie mir, und es fällt dir manchmal noch recht schwer, wirklich alle deine Glaubensgeschwister zu lieben. Das soll vorkommen.
Okay, vielleicht wisst ihr nicht, wovon ich rede. Aber lass dir niemals einreden, dass es unmöglich ist, dem neuen Gebot zu folgen. Lass dir das nicht einreden.
Wenn wir uns immer wieder auf Gottes Liebe zu uns besinnen, wird uns das auch immer mehr dazu befähigen, einander so zu lieben, wie Jesus uns geliebt hat.
Die Ressource der Liebe in der christlichen Ehe und Gemeinde
Vielleicht ein kurzes Wort an die Ehepaare, denn die Ehe ist die Keimzelle von Gemeinschaft – auch in der Gemeinde. Wenn ihr eine christliche Ehe führt, bedeutet das nicht, dass in eurer Ehe immer alles einfach und problemlos verläuft. Das wisst ihr sicherlich schon. Keiner von euch ist doch erst seit einem Tag verheiratet, oder? Gut, dann wisst ihr das.
In der Ehe gibt es Konflikte. Aber in einer christlichen Ehe gibt es eine besondere Ressource, die die Welt nicht kennt. Wenn meine Frau und ich einen Konflikt haben, dann weiß ich letztlich, dass ich meine Frau zuerst wieder lieben muss. Das ist eine gute Ambition für jede Ehe: Bei jedem Streit, wenn ihr merkt, „Wir haben gerade Streit“, solltet ihr es zu eurer Ambition machen, der Erste zu sein, der wieder liebt – der Erste, der Vergebung sucht.
Ich sage euch: In einer Ehe ist das extrem schwierig. Man würde sagen: Wenn mein Liebestank leer ist, weil ich nicht geliebt werde, fällt es mir sehr schwer zu lieben. Aber als Christ kann ich sagen: Mein Liebestank ist immer voll, weil ich geliebt werde – mit einer Liebe, die selbst die beste Ehefrau beim besten Bemühen niemals vollständig geben könnte.
Deshalb kann ich auch als Single leben und weiß mich geliebt. Ich brauche keinen Ehepartner, um wahre Liebe zu erleben. Die Liebe, die wir wirklich brauchen, bekommen wir von Jesus Christus. Und das befähigt uns, zu lieben – einfach zu leben –, selbst wenn uns keine Liebe entgegenkommt.
Das ist eine Ressource für jede christliche Ehe und für jede christliche Gemeinschaft. Wir sind befähigt, zu lieben, auch dort, wo wir keine Liebe empfangen, weil wir sie bereits in überreichem Maß von Jesus Christus empfangen haben.
Also, lieber Christ: Gott gibt dir alles, was du brauchst, damit du tun kannst, wozu er dich aufruft. Das ist immer wahr. Wenn er dich dazu aufruft, andere zu lieben, so wie er dich geliebt hat, dann darfst du wissen, dass er dir auch die Ressourcen dazu gibt. Und zwar durch seinen Geist, durch seine Liebe in deinem Herzen, damit du lieben kannst.
Das ist die Grundlage für die liebevolle Gemeinschaft, die wir in der Gemeinde haben können.
Das Ziel der Liebe: Zeugnis für die Welt
Und in Vers 35 schließlich erklärt Jesus das Ziel, zu dem er das neue Gebot gibt. Er sagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt.“
Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Hier wird deutlich, dass die Gemeinschaft der Gemeinde kein Selbstzweck ist. Jesus hat uns nicht nur mit seiner Liebe beschenkt, damit wir ein besonders nettes und liebevolles Miteinander haben, sondern damit wir durch diese Liebe, die wir untereinander zeigen, ihn vor den Menschen bezeugen können.
Mit anderen Worten: Jesus sendet seine Liebe in seinen Leib, den Leib Christi, damit Menschen, wenn sie das Miteinander der Gemeinde sehen, die Liebe Jesu vor Augen gemalt bekommen. Das ist klar. Das ist der Auftrag der Gemeinde.
Wir werden geliebt und mit der Liebe Gottes erfüllt, sodass wir in unserem Miteinander diese Liebe widerspiegeln können. Jesus hat uns als seinen Leib hier auf Erden zurückgelassen, damit wir das widerspiegeln, was er ist. Seine Liebe soll durch unser Miteinander sichtbar werden.
Wir sollen einander lieben, mit der Liebe, mit der er uns geliebt hat, damit die Welt erkennen kann, dass wir seine Jünger sind.
Praktische Umsetzung einer vielfältigen Liebe in der Gemeinde
Und das werden wir hier auf Erden auf zwei Weisen tun können. Zum einen, indem Menschen erleben, dass die Qualität der Liebe in der Gemeinde anders ist als das, was man in der Welt findet. Zum anderen soll nicht nur die Qualität der Liebe, oder man könnte sagen, in dem Buch, das wir da miteinander studieren, die Tiefe der Liebe, sondern auch in der Breite eine Liebe vorhanden sein, die zeichenhaft ist.
Denn, wie gesagt, Liebe innerhalb von relativ homogenen Gruppen kennt die Welt zu einem gewissen Maße noch. Teens, die Gemeinschaft mit anderen Teens haben – das findest du in der Welt. Studenten, die sich mit Studenten treffen – ja, das ist normal. Menschen aus einer anderen Kultur, die hier vielleicht alle Ausländer in einem Land sind, treffen sich miteinander – ja, das kommt vor. Junge Familien, die Gemeinschaft mit jungen Familien haben – ja klar. Senioren, die sich mit Senioren treffen – ja klar.
Aber dort, wo Menschen unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichsten Hintergründen, Lebenssituationen und Gesellschaftsschichten zusammenkommen und in ihrer Gemeinschaft eine große Liebe untereinander haben, da werden Menschen staunen. Sie werden sagen: Was ist denn das? Was habt ihr miteinander zu tun? Nichts, außer Jesus. Dann wird erkennbar, dass sich diese Menschen einfach lieben, weil Jesus sie geliebt hat, weil sie Jesus nachfolgen und nicht einfach, weil Gleich und Gleich sich gern gesellt.
Also ganz praktisch: Wie können wir das leben? Familien können regelmäßig Singles aus anderen Ländern einladen, um andere Kulturen kennenzulernen. Singles, die vielleicht hier in Deutschland relativ alleine sind, können so ein bisschen Heimat und einen Familienanschluss bekommen. Oder Familien können vielleicht Witwen aus der Gemeinde einladen und so eine Oma in ihre Familie aufnehmen.
Senioren können Studenten oder junge Ehepaare einladen, mit ihnen Leben teilen, aus ihrem Leben erzählen, Gemeinschaft haben, den jungen Leuten etwas von ihrer Lebenserfahrung weitergeben und sich von der Energie der jungen Leute inspirieren lassen. Reiche Geschäftsleute können ganz bewusst sagen: „Hey, ich habe hier in der Gemeinde ein paar Leute, die nicht besonders viel Geld haben. Wie wäre es, wenn wir uns in der Mittagspause irgendwo treffen und ich lade dich, lieber Flüchtling, zum Essen ein?“
Die Kollegen fragen dann: „In was für einer Firma arbeitet der denn?“ – „Oh, der ist mit mir in einer Gemeinde, das ist mein Bruder im Glauben.“
Seht ihr, wenn jemand im Krankenhaus liegt und du hörst, hier ist ein älteres Gemeindemitglied krank, dann ruf doch mal am Sekretariat an. Frag, in welchem Krankenhaus die Person ist, und ob du sie besuchen kannst. Ich kann sagen: In der Gemeinde, in der ich früher war, wurde irgendwann gesagt, Helen Young liegt im Krankenhaus. Helen Young war so eine Oma der Gemeinde. Ich kannte sie nicht sonderlich gut, aber wir haben dann mit unserem Hauskreis gesagt: „Hey, lass uns mal zu Helen Young gehen und ihr ein paar Lieder singen.“ Die meisten konnten ganz gut singen, also wollten sie nicht nur durch meine Stimme, sondern gemeinsam singen.
Dann sind wir zu Helen Young ins Krankenhaus gegangen und haben sie besucht. Helen sagte: „Ja, es ist schön, dass ihr auch kommt. Vorhin waren schon andere da, und gestern waren auch ganz viele da.“ Die Bettnachbarin von Helen fragte: „Helen, was sind das für Leute? Wo kommen die alle her?“ Helen antwortete: „Das sind alles meine Geschwister aus der Gemeinde, die mich mit einer übernatürlichen Liebe lieb haben.“
So können wir miteinander leben. Das beginnt damit, dass wir einander kennenlernen. Es beginnt damit, dass wir uns gleich nach dem Gottesdienst nicht wieder nur mit Gleichgesinnten zusammentun – die grauen Häupter finden die grauen Häupter, die Studenten die Studenten, die Familien die Familien.
Es beginnt damit, dass wir uns aufeinander einlassen und immer wieder schauen: Klar, ich treffe auch meine Freunde in der Gemeinde, das ist gut und schön. Aber ich mache es mir zur Aufgabe, gerade wenn wir jetzt mit einer Hauskreis-Serie beginnen, nicht nur in unseren Gruppen zusammenzubleiben. Vielmehr überlegen wir ganz bewusst in den Gruppen, wie wir als vielleicht relativ homogene Gruppe andere erreichen können, die anders sind als wir. Wie können wir dieser Welt helfen, etwas von der Liebe Gottes zu erfahren?
Darum soll es gehen in dieser Serie.
Also abschließend die Frage: Kann das eigentlich gelingen in einer so großen Gemeinde? Sind wir nicht zu viele, um das wirklich leben zu können? Nun, die Antwort ist ganz simpel: Ja, das kann gelingen.
Denn nicht lange nachdem Jesus seinen Jüngern diesen Auftrag gegeben hat, entstand die erste Gemeinde in Jerusalem. Am Pfingsttag wuchs diese Gemeinde schlagartig von 120 auf 3.000 Menschen an. Über diese Gemeinde lesen wir in der Apostelgeschichte Kapitel 2:
„Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie kauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem, wer es nötig hatte. Sie waren täglich beieinander im Tempel, brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeit mit Freude und lauterem Herzen, lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Wie gebraucht der Herr das? Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurde.“ (Apostelgeschichte 2,44-47)
In Apostelgeschichte 4,32 heißt es dann, dass die weiter gewachsene Gemeinde „ein Herz und eine Seele“ war. Und in Apostelgeschichte 5 lesen wir in Vers 12:
„Sie waren alle in der Halle Salomos einmütig beieinander, alle, wohlgemerkt alle. Von den anderen aber wagte keiner, ihnen zu nahe zu kommen, doch das Volk hielt viel von ihnen. Desto mehr aber wuchs die Zahl derer, die an den Herrn glaubten, eine Menge Männer und Frauen.“
Das ist die Vision auch für unsere Gemeinde. Lasst uns untereinander lieben, so wie Christus uns zuerst geliebt hat, damit die Welt erkennt, dass wir seine Jünger sind und sagt: Das will ich auch.
Ich bete mit uns: Himmlischer Vater, danke für diesen wunderbaren Blick darauf, wie wir miteinander leben dürfen. Wir wollen dich bitten, dass du uns als Gemeinde weiter zusammenwachsen lässt, dass die Liebe immer mehr Raum einnimmt. Danke, dass sie da ist, weil du sie uns geschenkt hast, und danke, dass wir erleben dürfen, wie sie schon an vielen Orten sichtbar wird. Schenke, dass das weiter wächst – zu deiner Ehre und zum Zeugnis für Menschen, damit noch viele gerettet werden. Amen.
Gebet um Wachstum in der Liebe und Gemeinschaft
Ich bete mit uns: Himmlischer Vater, danke für diesen wunderbaren Blick darauf, wie wir miteinander leben dürfen. Wir wollen dich bitten, dass du uns als Gemeinde weiterhin zusammenwachsen lässt, damit die Liebe immer mehr Raum einnimmt.
Danke, dass die Liebe da ist, weil du sie uns geschenkt hast. Danke, dass wir erleben dürfen, wie sie an vielen Orten schon sichtbar wird.
Schenke, dass sie weiter wächst – zu deiner Ehre und zum Zeugnis für die Menschen, damit noch viele gerettet werden. Amen.