Dankbarkeit für das vollbrachte Opfer
Wir wollen dir danken, lieber Herr, für dieses Wunder deiner Liebe. Du hast für uns alles bezahlt, und dein Blut macht uns vollkommen rein. Es nimmt alle Sünde weg und beseitigt alles, was uns anklagen könnte. Der Himmel steht offen, und wir sind mit dir versöhnt.
Wir danken dir für dieses große Opfer deiner Liebe. Immer wieder sind wir betroffen und erschüttert darüber, wie in unserer Zeit der Kreuzestod entweder verschwiegen oder umgedeutet wird.
Herr, mach uns heute Abend wieder bewusst, dass dies der größte Trost unseres Lebens ist und die herrlichste Hoffnung, die wir haben. Amen!
Die Bedeutung der Passion im Glauben
Das ist für mich das Schlüsselwort: die Passion für irgendjemand. Es nützt mir nichts, wenn gesagt wird, für mich sei es geschehen, wenn ich persönlich nicht daran teilhabe.
Wir haben so viele herrliche Passionslieder. Manche Lieder sind nicht direkt unter „Passion“ eingeordnet, aber die Passion ist der Schlüssel unseres Glaubens. Für mich bedeutet das: Es ist bezahlt, für mich ist alles erledigt.
Ich möchte mit einem wunderbaren Lied von Albert Knapp beginnen. Nachdem Albert Knapp zu diesem lebendigen Glauben gefunden hatte, hat er dieses Lied gedichtet:
„Eines wünsche ich mir vor allem andern:
Eine Speise früh und spät.
Selig lässt im Tränental sich wandern,
wenn dies eine mit uns geht.
Unverrückt auf einen Mann zu schauen,
der mit blutgem Schweiß und Todesgrauen
auf sein Antlitz niedersank
und den Kelch des Vaters trank.
Ewig soll er mir vor Augen stehen,
wie er als ein stilles Lamm
dort so blutig und so bleich zu sehen,
hängend an des Kreuzes Stamm,
wie er dürstend rang um meine Seele,
dass sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,
und dann auch an mich gedacht,
als er rief: es ist vollbracht.
Ja, mein Jesu, lass mich nie vergessen
meine Schuld und deine Huld.
Als ich in der Finsternis gesessen,
trugest du mit mir Geduld,
hattest längst nach deinem Schaf getrachtet,
eh es auf des Hirtenrufs geachtet,
und mit teurem Lösegeld mich erkauft
von dieser Welt.
Ich bin dein, sprich du darauf deinen Armen,
treuster Jesu, du bist mein,
drücke deinen süßen Jesusnamen
brennend in mein Herz hinein,
mit dir alles tun und alles lassen,
in dir leben und in dir erblassen.
Das sei bis zur letzten Stunde unser Wandel,
unser Bund.“
Das ist der ganze Inhalt meines Glaubens zusammengefasst: Ich bin dein, und er ist mein.
Weitere bedeutende Passionslieder und ihre Botschaft
Gregor hat auch ein wunderbares Passionslied gedichtet:
Ach, mein Herr Jesu, wenn ich dich nicht hätte!
Und wenn dein Blut nicht für die Sünder räte,
wo sollt ich Ärmster unter den Elenden mich sonst hinwenden?
Ich wüsste nicht, wo ich verjammer bliebe.
Denn wo ist solch ein Herz wie deins voll Liebe?
Du, du bist meine Zuversicht alleine, sonst weiß ich keine.
Hättest du dich nicht zuerst an mich gehangen,
ich wär von selbst dich wohl nicht suchengangen.
Du suchtest mich und nahmst mich voll Erbarmen in deine Arme.
Nun dank ich dir vom Grunde meiner Seele,
dass du nach deinem ewigen Erwählen auch mich zu deiner Kreuzgemeinde brachtest und selig machtest.
Ein wunderbares Lied von Rothe ist nicht unter die Passionslichter wieder eingeordnet, aber ich finde, es drückt genauso diese Zuversicht und diesen festen Grund aus:
Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält,
woanders als in Jesu Wunden.
Da lag er vor der Zeit der Welt, der Grund, der unbeweglich steht,
wenn Erd und Himmel untergeht.
Es ist das ewige Erbarmen, das alles Denken übersteigt.
Es sind die offenen Liebesarme des, der sich zu dem Sünder neigt,
dem allemal das Herz bricht, wir kommen oder kommen nicht.
Wir sollen nicht verloren werden, das ist sein Wunsch und sein Wille,
Gott will und soll geholfen werden.
Deswegen kam der Sohn auf Erden und nahm hernach den Himmel ein.
Deswegen klopft er für und für so stark an unseres Herzens Tür.
O Abgrund, welcher alle Sünden durch Christi Blut, Christi Tod verschlungen hat,
das heißt die Wunden recht verbinden, da findet kein Verdammen statt,
weil Christi Blut beständig schreit: Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!
Und noch ein Lied von Dora Rappert, auch ein wunderbares Lied:
Ich blicke voll Beugung und staune hinein
in das Meer seiner Gnad’
und lausche der Botschaft des Friedens,
die er mir verkündigt hat.
Sein Kreuz bedeckt meine Schuld,
sein Blut macht hell mich und rein,
mein Wille gehört meinem Gott,
ich traue auf Jesus allein.
Wie lang habe ich mühvoll gerungen,
gesäufzt unter Sünde und Schmerz.
Doch als ich mich ihm überlassen,
da strömte sein Frieden in mein Herz.
Sein Kreuz bedeckt meine Schuld,
sein Blut macht hell mich und rein,
mein Wille gehört meinem Gott,
ich traue auf Jesus allein.
Dabei soll es bleiben,
mein Wille ist unter seinem Willen,
und auf ihn allein möchte ich trauen.
Und noch ein letztes wunderbares Lied von Gellert, der ja in der Zeit der Aufklärung gewirkt hat, gelebt hat,
wo die menschliche Vernunft so über alles ging:
Wir haben alles im Griff,
was wir nicht verstehen, das gibt es nicht,
die schlichte Bibel, die kann man vergessen.
Und Gellert hat dagegengehalten.
Um diesen schlichten Bibelglauben geht es,
um diese Bewahrung dieses Blutes von Jesus, das für mich vergossen wurde:
Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,
mich in das Meer der Liebe zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.
Vereint mit Gott ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehörsam werden,
an unserer Stadt gemartert und zerschlagen,
die Sünde tragen, welch wundervoll hochheiliges Geschäfte.
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte, mein Herz erbebt.
Ich sehe und ich empfinde den Fluch der Sünde.
Gott ist gerecht, ein Rächer allen Bösen,
er ist nicht der Gott, der alles so unter den Teppich kehrt.
Gott ist die Liebe und lässt die Welt erlösen,
dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken am Kreuz erblicken.
O Herr, mein Heil, an dessen Blut ich glaube,
ich liege hier vor dir, gebückt im Staube,
verliere mich mit dankendem Gemüte in deine Güte,
da du dich selbst für mich dahingegeben.
Wie könnte ich noch nach meinem Willen leben
und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre, zu deiner Ehre?
Sehe ich dein Kreuz den Klugen dieser Erde
ein Ärgernis und eine Torheit werden,
so sei’s doch mir trotz allen frechen Spottes
die Weisheit Gottes.
Die zentrale Botschaft des Kreuzes
Dabei wollen wir bleiben: das Zentrum unseres Glaubens ist der Blick auf den kommenden Heiland und Erlöser. Immer wieder fällt der Blick auf ihn. Vielen wird verheißen, dass es nicht dunkel bleiben wird über denen, die in Angst sind – über den Stern aus Jakob, der aufgeht. Jakob im Sterben ruft: „Herr, ich warte auf dein Heil.“
Am allerschönsten ist jedoch Jesaja 53. Wir lesen von Kapitel 52, Vers 13 an, also Jesaja 52,13 bis 53,12, vom leidenden Gottesknecht. In der Synagoge werden alle wichtigen Stellen des Alten Testaments regelmäßig gelesen. Doch seit Hunderten von Jahren wird Jesaja 53 dort nicht mehr verlesen. Dabei ist es die Schlüsselstelle, auch für das Volk Israel.
Jesaja 53 beginnt mit den Worten: „Siehe, mein Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.“ Dieser Gottesknecht ist der kommende Heiland, der Christus. Viele entsetzen sich über ihn, denn seine Gestalt war hässlicher als die anderer Leute, und sein Aussehen galt als das eines Menschenkindes. Besonders gilt dies für die Kreuzesgestalt Jesu. Der sterbende Leichnam ist entsetzlich für unser ästhetisches Empfinden.
Doch genau so wird er viele Heiden besprengen und im griechischen Reich in Staunen versetzen. Auch Könige werden ihren Mund vor ihm verschließen, denn denen, denen nichts davon verkündet wurde, werden es nun sehen. Und die, die nichts davon gehört haben, werden es merken. Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?
Jesaja beschreibt ihn weiter: „Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich.“ Er hatte keine Gestalt und Hoheit, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. So verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg. Darum haben wir ihn für nichts geachtet.
„Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“ Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Doch er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten. Durch seine Wunden sind wir geheilt.
„Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg.“ Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert wurde, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf – wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
Er wurde aus Angst und Gericht hinweggenommen. Doch wer kann sein Geschick ermessen? Er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen, weil er für die Missetat meines Volkes geplagt war. Man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war.
Wiewohl er niemandem Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Mund gewesen ist, wollte man ihn mit Krankheiten schlagen. Doch durch dieses still erduldete Opfer erlöst er erst recht die Völker und macht sie zu Licht der Welt.
Die heutige Verkennung des Kreuzes
Es fällt sicher auf, dass in unseren kirchlichen, auch freikirchlichen Predigten bis hin zu den Gemeinschaften oft der Sinn des Leidens von Jesus entleert wird.
Es wird zwar noch vom Kreuz gesprochen, aber meist nur als Mahnung. Dann passiert etwas ganz Verrücktes: Das Kreuz wird zu einem Symbol für die unschuldig Gestorbenen. So wie das Kreuz am Straßenrand für die Verkehrsopfer steht – daran haben wir uns ja gewöhnt – oder für Amnesty International, wo man gedenkt, dass in der Welt heute viele Menschen unschuldig leiden wegen ihres politischen Widerstands.
Aber das war bei Jesus ganz anders. Jesus ist bewusst den Weg gegangen, freiwillig. Er hat Ja gesagt: „Ja, Vater, ich will das! Wenn es nötig ist, dann will ich den Kelch trinken.“
In unseren Tagen ist es sogar so, dass manche Leute höhnen und spotten, wenn sie an den Talkmeister Fliege denken, der gespottet hat: „Wir brauchen das Blut nicht, wer von Blut redet, der kommt durch Blut um.“ Welch eine Verhöhnung des Opfers von Jesus in unserer Mitte!
Doch diese Haltung hat inzwischen längst auch bei manchen Verkündigern durchgeschlagen, die das ganz offen sagen. Bis hin zu einigen Sprechern der Kirche, die behaupten: „Für mich hätte Jesus nicht sterben müssen.“
Das ist der Wahn von Menschen, die ihre eigene Schuld und ihre Sünde nicht mehr kennen. Und genau darin liegt das Problem.
Diese Menschen wissen nicht mehr, dass sie vor Gott verloren sind. Sie gehen mit all den dunklen Dingen, die unser Leben füllen, in diesem kurzen Leben der Welt ins Gericht Gottes.
So wie das Gericht Gottes in vielen Gemeinden totgeschwiegen wird, ist es wieder ganz wichtig, dass wir den Zusammenhang erkennen.
Die Rolle des Heiligen Geistes in der Sündenerkenntnis
Es war aber zu allen Zeiten so. Heinrich Heine, der übrigens nicht zum Glauben kam – es gibt auch fromme Legenden über ihn – war ein Freund von Philipp Spitta, einem Studienfreund. Bei Philipp Spitta jedoch ist die Botschaft von August Hulluck durchgeschlagen: der Höllenvater selbst erkennt seine Sünde.
Philipp Spitta hat seine Sünde gesehen und ist darüber zum Glauben gekommen, erschrocken. Dieses Werk kann nur der Heilige Geist tun. Man kann keinem Menschen Schuld einreden. Das wissen Sie ja auch bei Kindern und Jugendlichen. Wenn man ihnen sagt: „Nimm keine Drogen“, lachen sie einen aus.
Und wenn Ehen auseinandergehen und man versucht, die Paare zusammenzureden, sagen Sie: „Du darfst doch nicht so mit deiner Frau reden“, oder „Frau, du darfst doch nicht so über deinen Mann reden.“ Doch sie lachen Sie aus: „Mein Mann ist so scheußlich“, „Meine Frau ist so blöd.“ Man kann niemandem Schuld einreden, das sieht niemand ein. Die Schulderkenntnis ist ein Werk des Heiligen Geistes.
Wo steht das? In Johannes 16. Jesus sagt: „Wenn der Heilige Geist kommen wird, wird er die Welt überführen von der Sünde und vom Gericht.“ Die erste Wirkung des Heiligen Geistes ist die Sündenerkenntnis. Das kann man durch Menschenwort gar nicht erreichen. Sie können schimpfen, wie sie wollen.
Darum ist es so schwer, wenn in unseren Familien oder in unseren Gemeinden, auch wenn Gemeindeleiter falsch gehandelt haben, Kritik anzunehmen. „Was, ich soll mich kritisieren lassen?“ Das kann nur der Geist Gottes tun – ein Werk, das die Augen öffnet.
Aber der Heilige Geist macht noch mehr: Er öffnet uns die Augen, um Jesus zu erkennen. Er wird Jesus verherrlichen und verklären. Er wird Jesus groß machen, wenn wir die Schuld sehen und den Heiland erkennen, der für meine Schuld gestorben ist.
Die Herausforderung des Kreuzes in der Verkündigung
Es ist interessant, dass Paulus auf seinen Missionsreisen immer wieder betonte, dass der Mittelpunkt seiner Verkündigung der gekreuzigte Jesus ist. Doch dieser gekreuzigte Jesus ist für die Griechen eine Torheit – sie waren damals die Denker, die klugen Leute. Für die Juden hingegen ist er ein Ärgernis. Sie ärgern sich darüber, was sie mit diesem Jesus anfangen sollen, obwohl sie bereits Jesaja 53 mit der Ankündigung hatten.
Deshalb ist es für uns so wichtig, dass wir neu entdecken, was das für uns bedeutet und warum es für uns Glaubende so bedeutsam ist. Auch warum uns Lieder dabei so sehr helfen können. Meine Frau hat vorhin das schöne Lied von Albert Knapp erwähnt. Dabei muss man noch hinzufügen, dass Albert Knapp als Student ein großer Literaturfreund war.
Er war eng befreundet mit dem ungarischen Dichter Nikolaus Lenau, der eine schöne Lyrik schuf, aber sehr schwermütig war. Als Albert Knapp seinen Studienkameraden Ludwig Hofacker besuchte, der im Krankenbett lag und starke Schmerzen hatte, brachte er ihm ein Gedicht von Jean Paul mit, einem ebenfalls großen Dichter. Doch Ludwig Hofacker sagte: „Albert, das hilft mir nichts.“
In seiner Krankheit litt Ludwig Hofacker an seiner Verlorenheit und Schuld. Diese Erfahrung ist die Voraussetzung, um das Kreuz zu verstehen. Wenige Wochen später hielt Ludwig Hofacker mit sehr schwacher Kraft eine Karfreitagspredigt, die in seinem Predigtband enthalten ist.
Der Theologiestudent Albert Knapp, der damals bereits Vikar in Geisburg bei Stuttgart war – dort, wo der Gaskessel steht – kam daraufhin zum Glauben. Danach dichtete er dieses Lied.
Dieses herrliche Lied beginnt mit dem Wunsch: „Eines wünsche ich mir vor allem anderen, dass der Gekreuzigte mir gefällt.“ Das ist ganz wichtig, wenn dieser Gekreuzigte uns wirklich gefällt. Dafür wollen wir wieder beten – in unseren Gemeinden.
Die Krise der Christenheit und die Bedeutung des Evangeliums
Die Krise unserer Christenheit heute ist keine oberflächliche Krise, wie wir schon immer festgestellt haben. Es ist das Evangelium, das verhüllt und verschlossen ist. Dann, auf einmal, wenn der Geist Gottes uns das zeigt, wird es klar: Für mich ist Jesus ans Kreuz gegangen, und ich habe das bitter nötig. Ich kann vor Gott nicht bestehen.
Als Kinder haben wir den Vers von Zinzendorf gehört: "Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid. Damit will ich vor Gott bestehen, wenn ich zum Himmelwert eingehe." Ich kann anders nicht in den Himmel kommen als durch das Blut von Jesus, der meine Schuld getragen hat.
Ich hatte eine Patentante aus einer sehr bekannten evangelischen Familie, einer Missionsfamilie mit einem bekannten Namen. Aber die Patentante ging den Weg, den so manche aus frommen christlichen Häusern gehen. Sie hat mir als Patentante immer wieder eingeschärft, es sei so unästhetisch, wenn man vom Blut redete. Das sei eine Schlachthaus-Theologie.
So ist sie auch gestorben, diese arme Tante. Sie war immer sehr kompliziert und sehr kränklich. Man hat nie die Kraft des Lebens bei ihr erlebt, aber sie war furchtbar. Das war mir schon als Kind sehr schwer, wenn einem dieses herrlichste Geheimnis verschlossen ist.
Die Realität von Menschenopfern und die Kraft des Blutes Christi
Ich war vorhin in der Bibliothek. Ich nutze diese Gelegenheit immer wieder, wenn ich dort bin, um einige Lebensbilder zu suchen, die ich noch nicht kenne. Dabei habe ich die Lebensbiographie von James Radleff, dem Evangelisten und Gründer der Deutschen Indianer-Pionier-Mission, herausgeholt. Wahnsinn, ich wusste gar nicht, was James Radleff alles geleistet hat.
Wie er zuerst zu den Indianerstämmen kam, war erschütternd: Damals wurde ein Drittel aller neugeborenen Kinder getötet. Da floss viel Blut. Auch heute gibt es in Afrika kein Land, in dem nicht noch Menschenopfer dargebracht werden. Neulich hat mir ein Asienkenner erzählt, dass in Indonesien kein Hochhaus gebaut wird, ohne dass Menschenopfer unter die Fundamente eingegraben werden. Dieses Denken ist bei vielen Menschen noch weit verbreitet.
Ich war einmal auf Madagaskar, hinter dem Bibellesebund. Dort gab es einen Stein, auf dem Blut zu sehen war. Nachts bringen die Menschen dort ihre Opfer. Im Spiegel stand neulich, dass es auf jedem Markt in Afrika Menschenfleisch zu kaufen gibt – als Nahrung zur Stärkung der Kraft.
Die unästhetische Weise liegt nicht im Evangelium, sondern in einer Welt, die keine Erlösung und keine Versöhnung kennt. Diese findet sich nur im Blut von Jesus. Schon im Opfer Isaaks, das vorgebildet ist, sagt Gott: „Nein, ein anderer wird das vollbringen.“ Und dann lässt Gott seinen Sohn sterben.
Das wurde für mich angekündigt in der Tatsache, dass Jesus auf alle Macht, auf allen Prunk und auf allen Einfluss verzichtete. War er wirklich so? Ja, am Kreuz.
Das Leiden und der Tod Jesu am Kreuz
Neulich hat mir sein Arzt wieder erklärt, dass das Schlimmste bei Jesus das Hängen am Kreuz war. Es war ein Erstickungstod, weil der Körper das nicht lange aushält.
Dieser schreckliche Erstickungstod war schon schlimm genug, aber noch viel schrecklicher waren die Leute, die um das Kreuz herumstanden und höhnten: „Anderen hat er geholfen, und kann sich selber nicht helfen.“
Die Soldaten, die unten am Kreuz saßen, würfelten um Jesu Rock und sagten, das Einzige, was wenigstens noch etwas wert ist, ist dieser Rock. Sie würfelten, wer ihn haben sollte.
Das Volk stand dabei und sah zu – dieses unbeteiligte Zuschauen, als ob nichts geschehe. So läuft es in der Christenheit oft, ohne dass die Herzen bewegt werden, bis hin zur Lästerung.
Einer der mitverurteilten Kriminellen, der neben Jesus am Kreuz hing, sagte: „Anderen hat er geholfen. Wenn du Christus bist, dann steig vom Kreuz herunter!“
Aber das Herrliche ist, dass der andere Verurteilte sagt: „Herr, denk an mich!“ Das ist das kürzeste Glaubensbekenntnis.
Und Jesus antwortet ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Das Kreuz ist der herrlichste Sieg, und das hat Paulus gemeint, als er sagte: „Ich verkündige dieses Kreuz.“ Unabhängig davon, dass sich viele daran stoßen, weil eine Gotteskraft darin ist.
Es macht selige Menschen, nicht bloß glückliche. Es bringt vollkommene Seligkeit.
Und das ist der größte Trost, den man haben kann.
Persönliche Erfahrungen mit dem Trost des Kreuzes
In meiner Gemeinde gab es eine Frau, die im Sterben lag und an einer schweren Krankheit litt. Ihr Mann hatte ein hohes staatliches Amt inne; er war Präsident des Oberschulamtes. Sie selbst war eine treue Kirchengemeinderätin. Zwischen uns bestand eine wunderbare geistliche Gemeinschaft.
Sie bat mich, ein Kruzifix zu besorgen. Früher hatte ich mit Kruzifixen nicht viel anfangen können. Das ist typisch für unsere Generation. Christus am Kreuz bedeutet mir sehr viel, doch diese Symbole hatte ich nie besonders geschätzt.
Ich suchte in unserer Kirche und fand schließlich im Kohlenkeller ein altes Kruzifix. Ich brachte es zu ihr, und sie wollte, dass es auf den Weißzeugschrank in ihrem Schlafzimmer gestellt wird. Sie sagte: „Das Letzte, was ich abends sehen will, wenn es dunkel wird, ist Jesus in seinem Leiden. Und morgens, wenn ich erwache, soll mein erster Blick auf Jesus fallen.“
Tatsächlich macht der gekreuzigte Jesus selig. Er besitzt eine ungeheure Kraft, die allen Trost und alle Freude schenkt. In diesem sterbenden Jesus ruht diese Kraft. Nirgendwo sonst kann so gesagt werden: Du bist ihm das wert, und das kann niemand mehr ungeschehen machen.
Das ist der Trost, in dem man sich bergen kann. Wahrlich, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten. (Jesaja 53)
Ludwig Hofacker und die Bedeutung des Kreuzes
Ludwig Hofacker hat vom Kreuz gesprochen. Das war übrigens das Geheimnis seiner Predigt. Er hat nie ein Beispiel gebraucht, wie wir es oft tun, um die Predigt anschaulicher zu machen. Auch hat er nie ein Zeugnis verwendet. Stattdessen hat er nur Bibelaussagen zusammengestellt und diese nüchtern und mit großem Ernst verkündet.
Ludwig Hofacker sagt, dass das Kreuz für die Welt die feindseligste Predigt ist. Es wirft die Ichsucht, die pharisäische Selbstgerechtigkeit und die Heuchelei über den Haufen. Diese Dinge machen den Menschen zu nichts und Christus zu allem. Deshalb muss es Streit geben, denn der Mensch sagt: „Ich kann mich doch selbst erlösen.“
Sehen Sie, Selbsterlösung ist die Religion unserer Zeit. Viele sagen: „Wir können das alles schaffen. Ich brauche keinen Jesus, ich brauche keine Bibel, ich kann das allein machen. Wenn es einen Gott gibt, dann kann ich mit ihm schon sprechen.“ So frivol reden heute manche Menschen, selbst in der Christenheit. Dabei haben sie vergessen, dass sie vor dem heiligen Gott keinen Laut mehr hervorbringen können.
Erweckungsgeschichte und die Kraft des Kreuzes
Sehr interessant ist auch die Erweckungsgeschichte von Martin Boos. Er war ein katholischer Priester in der Allgäuer Erweckung und wurde damals, obwohl er katholischer Bischof war, zum Glauben an Jesus bekehrt.
In der katholischen Kirche gab es damals eine ganz wunderbare Erweckung. Auch hier in Baden hatten wir den katholischen Priester Hennhöfer, der evangelisch wurde durch die Erkenntnis von Jesus und seines Kreuzes. Dann gab es den Bischof Seiler. Später wirkte ein Visionsmann in Moskau und Petersburg.
Ein weiterer großer Missionsmann war Johannes Gosner. Er war ebenfalls katholischer Priester und blieb lange Zeit in diesem Amt. Dennoch verkündete er das Evangelium.
Martin Boos aber erlebte 1811 eine besondere Begebenheit: Beim Besuch einer sterbenden Frau saß er an ihrem Bett. Sie sagte, dass sie große Bangigkeit über ihr Leben, ihre Versäumnisse und ihre Schuld empfinde.
Martin Boos, noch katholischer Priester, antwortete ihr, sie müsse sich doch nicht sorgen. Sie habe doch so viele gute Werke getan, keinen Gottesdienst ausgelassen, und ihr Glaube sei ihr sehr wichtig gewesen. Doch die Frau entgegnete dem Priester: Wenn ich durch mein Gutsein selig werden wollte, wäre ich verloren. Der einzige Trost für sie sei das Blut Jesu, das für sie vergossen wurde.
Diese Aussage traf Martin Boos tief. Er wirkte in Gallneukirchen, Österreich, wo er mit dem Diakoniewerk auf einem fruchtbaren Boden eine große Spur hinterließ. Er begriff, dass das fromme Ich, das sich selbst erlösen will, nicht gut gehen kann.
Deshalb wird hier gesagt: Dieser gekreuzigte Jesus wird die große Ernte einfahren.
Die Bedeutung des gekreuzigten Jesus in der Mission
Und jetzt darf ich Ihnen verraten, dass in der gesamten Missionsgeschichte immer der gekreuzigte Jesus der Durchbruch war. In der Mission hat man alles probiert. Die Gegner der Mission behaupten oft, Christen würden Zwangsmittel anwenden. Doch das ist nicht möglich. Die Christen können kein Zwangsmittel einsetzen, das wissen sie von ihren eigenen Kindern. Wenn diese nicht glauben wollten, was könnten sie tun? Sie können sie nicht mit der Rute züchtigen. Deshalb werden sie auch nicht gläubig.
In der Mission kann man nichts anderes tun, als zu verkündigen. Übrigens ist das tapfere, schlichte Zeugnis von Jesus das Einzige, was die Mission hat – so wie wir es auch nur haben. Aber die Kraft liegt in der Wahrheit, im gekreuzigten Jesus.
Ganz am Anfang der großen Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts – entschuldigen Sie, dass ich mich heute Morgen selbst fälschlicherweise als im 19. Jahrhundert geboren bezeichnet habe. Es ist gut, dass Sie aufgepasst haben. Natürlich bin ich im 20. Jahrhundert geboren, danke, dass Sie wach sind.
Im 19. Jahrhundert waren es die ersten Herrnhuter Missionare, die zu den Eskimos gingen. Tatsächlich begann das sogar schon im 18. Jahrhundert. Diese Missionare gingen zu den Eskimos, und das war äußerst schwierig. Denn die Eskimos können sich den ganzen Winter über nicht waschen, weil das Wasser gefroren ist. In ihren Iglus stinkt es grausam. Ich möchte Ihnen das kurz verdeutlichen: Die Felle, vor allem die Seehundfelle, werden in Urinbehältern gegerbt. Diese Behälter stehen in den Iglus. Sie können sich vorstellen, wie das ist.
Für einen normalen Europäer ist das kaum erträglich. Außerdem sind die Eskimos ungemein grob, denn um in dieser Wildnis zu überleben, braucht man Härte. Es sind ganz harte Leute. Die Missionare haben jahrelang gearbeitet und versucht, diesen Menschen die Liebe von Jesus zu bezeugen.
Zuerst war es ein lutherischer Pfarrer, der dort wirkte. Dann war es dem holländischen, der Herrnhuter Missionar Beck, geschenkt, einen Eskimo namens Karnayak zu gewinnen. Karnayak ist wichtig, damit man sich die Geschichte genau merkt, so wie sie war.
Beck las ihm die Geschichte vom Gebetskampf Jesu in Gethsemane vor: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Doch es war nicht möglich. Das Opfer musste für unsere Schuld bezahlt werden. Plötzlich bemerkte Beck, wie dem Eskimo die Tränen über die Wangen liefen. Der Eskimo bat: „Lies mir die Geschichte noch einmal vor.“ Karnayak war der Erste, der zum Glauben kam.
Sie können das bei vielen Missionaren hören, gerade auch bei Indianern in Afrika, dass die Erkenntnis, dass Jesus Christus für meine Sünden gestorben ist, die Quelle des Glaubens ist. Aus dieser Quelle entsteht die Haltung: Ich bin nichts, und er ist alles. Christus wird zur Mitte meines Lebens. Nur aus dieser Erkenntnis kann heute wieder Neues entstehen.
Die zentrale Rolle des Kreuzes im Evangelium
Es ist bemerkenswert, dass in der Passionsgeschichte und im gesamten Evangelium nichts über die äußere Schönheit oder Größe von Jesus berichtet wird. Es geht nicht um den äußeren Eindruck oder das, was Jesus verbreitet hat. Das Wichtigste ist: Er hat meine Schuld getragen.
Wir gingen alle in die Irre wie Schafe. Jeder sah nur auf seinen eigenen Weg, jeder lebte im Individualismus. Doch der Herr warf unsere aller Sünden auf sich. Kein Mensch kann ohne das Blut von Jesus gerettet werden. Es gibt keinen anderen Weg daran vorbei.
In der ganzen Bibel findet sich keine Hintertür, durch die man selig werden kann – es geht allein durch das Blut von Jesus. Und das gilt ganz bewusst auch für das Volk Israel, für das besonders Jesaja 53 geschrieben wurde.
Heute gibt es einige, die behaupten, Israel müsse das Evangelium nicht verkündet werden. Dazu gehören messianische Juden, Zehntausende in Israel, die uns dringend bitten, bei jeder Gelegenheit, die wir haben – auch wenn Begegnungen mit Juden selten sind – ihnen zu bezeugen, was Jesus für uns ist: der Heiland, der Erlöser, der für uns ans Kreuz gegangen ist.
Es war so schön in dem Lied von Margret Birkenfeld: „Für mich gingst du nach Golgatha.“ Meine Frau hat auch ein anderes Lied erwähnt, von Christian Gregor: „Ach, mein Herr Jesu, wenn ich dich nicht hätte.“ Christian Gregor war der Singemeister der Herrnhuter Brüdergemeinde. Man findet seinen Namen bei vielen Liedern.
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf war ein genialer Mensch. Er schrieb seine Lieder nie mit Papier und Bleistift, sondern stand in der Versammlung und sprach die Verse spontan aus dem Mund – so entstanden seine Gedichte. Natürlich war das bei aller Genialität manchmal etwas holprig und brauchte Nachbearbeitung.
Christian Gregor war der geniale Mann, der auch das Lied „Jesu geht voran“ in eine singbare Form gebracht hat und viele schöne Zinzendorflieder komponierte. Er selbst war sehr depressiv und schwermütig. Das lag daran, dass er eine schwere Jugend hatte und seine Tochter sehr früh starb. Dieser Verlust hat ihn tief getroffen.
Sie wissen ja, wie Depressionen und Schwermut Menschen zeichnen. Er konnte ein halbes Jahr fast nichts essen und war völlig wie weggetreten in der Herrnhuter Brüdergemeinde. Diese Not und Schwermut sind auch heute eine große Herausforderung, die wir wieder erkennen müssen.
Aus dieser tiefen Schwermut heraus schenkte er uns das Lied „Ach, mein Herr Jesus, wenn ich dich nicht hätte!“ Ich habe Ihnen, glaube ich, schon einmal erzählt, dass auch John Newton, der in England lebte, schwere Depressionen hatte und sogar Selbstmordversuche unternahm. In einer Klinik lag an einer Stelle des Neuen Testaments ein aufgeschlagenes Exemplar, und er dichtete das Lied: „Es ist ein Born, draus heilges Blut für arme Sünder gequillt.“
Das Kreuz ist eine Medizin auch für seelisch angeschlagene Menschen, für die man oft sagt, man wolle sie jetzt nicht noch zusätzlich belasten. Doch es ist Befreiung, oft durch die große Schulderkenntnis, die sie haben und die sie leiden.
Das ist so groß, dass es schon im Alten Bund angekündigt wurde. Der Mittelpunkt der Offenbarung ist der kommende Gottesknecht, den Jesus erfüllt hat.
Und wenn wir uns dann über Kritiker in unseren Gemeinden ärgern, sollten wir sagen: „In der Bibel steht es anders.“ Diesen Satz sollten Sie sich angewöhnen. Es ist das Beste, sich an die Bibel zu halten.
Die Bedeutung der Passionslieder
Zu den Liedern, die meine Frau bereits erwähnt hat, ist es schön, dass das Bild vom Lamm, das auch in den neuen Liedern oft vorkommt, die unsere jungen Leute singen, präsent ist. Das Lamm wird dort meist nicht erklärt, und das macht es für junge Menschen schwierig zu verstehen, was dieses Bild des Lamms bedeutet.
Deshalb möchte ich daran erinnern, wie Paul Gerhardt uns dieses Bild auf herrliche Weise nahegebracht hat:
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder.
Es geht und büßt in Geduld die Sünden aller Sünder.
Es geht dahin, wird matt und krank,
ergibt sich auf die Würgebank,
entsagt allen Freuden,
nimmt an Schmach, Hohn und Spott,
Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod
und spricht: „Ich will’s gern leiden.“
Dann sagt er:
Wie dieses Lämmlein diesen Dienst tut,
weil der Vater sagt:
„Geh hin, mein Kind, und trag du die Schuld der Welt, du kannst es tun.“
Und dann antwortet das Lämmlein:
„Ja, Vater, ja, von Herzensgrund,
leg auf, ich will dir es tragen.
Mein Wollen hängt an deinem Mund,
mein Wirken ist dein Sagen.“
Dann folgt der Lobgesang:
Oh Wunderlieb, oh Liebesmacht,
du kannst, was nie kein Mensch gedacht,
Gott seinen Sohn abzwingen.
Oh Liebe, Liebe, du bist stark,
du streckst den in Grab und Sarg,
vor dem die Felsen springen.
Und an meinen Lebetagen
will ich dich aus meinem Sinn nicht lassen,
dich will ich stets gleich wie du mich
mit Liebesarmen fassen.
Du sollst sein meines Herzens Licht,
und wenn mein Herz in Stücke bricht,
sollst du mein Herze bleiben.
Ich will mich dir, mein höchster Ruhm,
hiermit zu deinem Eigentum
beständig verschreiben.
In unseren Gemeinden wird immer wieder gesagt, die Lieder könne man nicht mehr singen, weil man sie nicht versteht. Das stimmt nur, wenn es einem verborgen ist, wenn der Geist Gottes es noch nicht aufgeschlossen hat. Das liegt nicht an der Sprache.
Und dann soll und will ich mir das zu Nutzen machen:
Zu allen Zeiten, im Streite soll es mein Schutz sein,
in Traurigkeit mein Lachen,
in Fröhlichkeit mein Seitenspiel.
Und wenn mir nichts mehr schmecken will,
soll mich dies Manna speisen.
Im Durst soll es mein Wasserquell sein,
in Einsamkeit mein Sprachgesell,
zu Hause und auch auf Reisen.
Abschließend schließt Paul Gerhardt in dem herrlichen Sterbevers:
Wenn ich endlich soll treten ein in deines Reiches,
so soll dies Blut mein Purpur sein.
Ich will mich daran gleiten,
es soll sein meines Hauptes Kron,
in welcher ich will vor den Thron des Höchsten Vaters gehen
und dir, dem er mich anvertraut,
als eine wohlgeschmückte Braut an deiner Seite stehen.
Missverständnisse und historische Passionslieder
Interessant ist auch bei den Passionsliedern, dass immer noch das ursprüngliche Missverständnis mitschwingt: Leute, die nichts vom Kreuz gehalten haben. So ist es in allen Generationen.
Da war ein Homburg, den ich jetzt gar nicht mehr namentlich erwähnen möchte. Er war ein Liederdichter der Leichtdichtkunst. Damals sprach man von der Schäferei. Das war die erotische Literatur jener Zeit – die Liebe der Schäferei war ein gängiges Bild. Von der verliebten Schäferin Kunigunde hat er sogar ein Theaterstück verfasst. Ernst Christoph Homburg hieß er.
Nachdem seine Frau gestorben war, dichtete er das Passionslied „Jesus meines Lebens Leben“. Darin heißt es: „Du hast ausgestanden meine Sünden, du hast meinen Spott und meine Lästerung gebüßt.“
Zu den schönen Liedern gehört auch das bereits erwähnte Passionslied, das sehr alt ist und auf das 17. Jahrhundert zurückgeht:
„Du großer Schmerzensmann, vom Vater so geschlagen,
Herr Jesus, Dir sei Dank für alle Deine Plagen,
für Deine Seelenangst, für Deine Band und Not,
für Deine Geißelung, für Deinen bitteren Tod.
Ach, das hat unsere Sünd' und Missetat verschuldet,
was Du an unserer Statt, was Du für uns erduldet.
Ach, unsere Sünde bringt Dich an das Kreuz hin,
ein unbefleckter Lamm.
Was hast Du sonst getan?
Dein Kampf ist unser Sieg,
Dein Tod ist unser Leben,
in Deinen Banden ist die Freiheit uns gegeben.
Dein Kreuz ist unser Trost,
die Wunden unser Heil,
Dein Blut das Lösegeld,
der armen Sünder Teil.
Darum ist das Kreuz das Siegeszeichen der Christen,
der Triumph!
Was wird das sein, wenn wir einmal einsehen in die Herrlichkeit?
Sein Blut bedeckt unsere Schuld,
er macht mich gerecht – Siegeszeichen.
Darum ist es richtig, dass wir uns auf die Gräber stellen.
Im Namen von Jesus haben wir den Sieg.
Und wir freuen uns der Auferstehung,
dass wir bei Jesus sind.“
Abschließende Gedanken und Gebet
Ach, und dann können Sie all die Verse noch einmal beten von „O Haupt voll Blut und Wunden“:
„Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und lass mich sehen dein Bild in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.“ Das ist herrlich!
Wie schön, dass wir die Passionslieder haben und verstehen, wie wichtig sie für unser Leben sind. Nicht nur in der Karwoche oder an den Passionstagen, sondern das ganze Jahr über. Leider sind die Passionszeiten auch bei uns etwas entvölkert.
In unserer Gemeinde haben wir uns immer an den Nachmittagen, in den späten Nachmittagsstunden, Zeit genommen, um anderthalbstündige Bibelvorträge zu halten. So konnten wir in der Passionswoche noch einmal das Leiden von Jesus in seiner ganzen Tiefe gedenken. Oft gibt es ja auch Passionsandachten. Es ist so wichtig, in dieser Woche daran zu denken.
Vom Karfreitag zur Freude des Ostersonntags brechen wir dann durch und wissen: Mit dem Karfreitag ist der Himmel offen. Für mich ist der Höhepunkt, dass die Rechnung bezahlt ist. Alles ist vergeben und vergessen. Das Blut von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, macht uns rein von aller Sünde. Größer kann es gar nicht sein.
Fritz von Bodelschwing, der Sohn des Gründers von Bethel, hat ein schönes Passionslied gedichtet: „Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann voll Glück getan.“
Interessanterweise gab es vor ein paar Jahren große Unruhe, als deutsche Synagogen protestierten, weil evangelische Christen ein Lied sangen, das aus dem Jahr der Reichskristallnacht stammt. Aber das hat mit der Reichskristallnacht wirklich nichts zu tun.
Bodelschwing hat das Lied gerade im Jahr 1938 gedichtet, im Jahr der Reichskristallnacht. Der Grund war, dass ihm das schreckliche Vorgehen des Nazi-Deutschlands sehr zu schaffen machte. Er war der bekennende Reichsbischof.
Als Hitler verlangte, dass ein Reichsbischof gewählt wird, schlugen die deutschen Kirchen zuerst Fritz von Bodelschwing vor. Er war nur 28 Jahre Reichsbischof, dann setzte Hitler ihn ab. Das hat nichts mit den Nazis zu tun. Danach setzte Hitler seinen Wehrmachtspfarrer Müller als Reichsbischof ein – das waren Nazi-Christen, deutsche Christen.
Bodelschwing aber hat in großer Not auch wegen der Euthanasie und all dem, was kam, dieses Lied gedichtet: „Nun gehören unsere Herzen.“ Damals durfte man es nicht einmal in Bethel oder in der Zionskirche singen. Erst als die britischen Panzer Bielefeld befreiten, wurde das Lied zum ersten Mal im Gottesdienst in Bethel gesungen: „Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann von Golgatha.“
Es ist so herrlich, dass wir diese große Freude haben. Das ist der Trost, der unser Leben hält und trägt: Dieser arme Jesus, der diesen Weg für mich geht, damit ich erlöst bin.
Und das wissen wir auch: Das ist das Herrlichste, auch in der ganzen Weltmission, in China, in Nordkorea, überall. Der gekreuzigte Jesus ist das Heil der Welt. An ihm vorbei gibt es kein Heil.
Wir wollen noch beten: Lieber Herr, dir sei Dank für deinen Kreuzestod, dass du für uns diesen hohen Preis bezahlt hast. Ganz herzlichen Dank!
Gib uns auch Geschick, dass wir immer wieder andere auf diesen großen Trost des Evangeliums hinweisen. Dass wir versöhnt sind mit dir und Zutritt zu dir haben durch das Blut deines Leidens und Sterbens.
Ach Herr, lass deine Todespein an uns nicht vergeben sein. Lass uns dir uns ganz hingeben und dir dienen mit unserem ganzen Leben. Amen.