Lieber Herr, über dein Kommen freuen wir uns, und wir brauchen deine Königsherrschaft in unserem Leben. Kehre in diesen Tagen bei uns ein!
Wir wünschen uns das auch für viele Menschen in unserer Nähe, die keinen Frieden, keine Geborgenheit und keine Hoffnung haben. Wir wollen diese Hoffnung gerne weitergeben – auch an die Traurigen, Verzagten und Müden. Herr, gebrauche uns dazu und segne uns in unserem Dienst. Amen!
Aus dem Hebräerbrief habe ich heute die Verse 12 bis 17 aus Kapitel 12 ausgewählt.
Hebräer 12,12-17: Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchelt wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund wird.
Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird. Achtet darauf, dass niemand Gottes Gnade versäumt, dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwächst und Unfrieden anrichtet. Viele werden durch sie unrein.
Lasst nicht zu, dass jemand ein Abtrünniger oder Gottloser wird wie Esau, der unter dem Drang nach einer Speise seinen Erstgeburtssegen verkaufte. Er wusste, dass er später, als er den Segen ererben wollte, verworfen wurde, denn er fand keinen Raum zur Buße, obwohl er sie mit Tränen suchte.
Die Herausforderung, Jesusfreude weiterzugeben
Wir haben immer den Wunsch, vielen Menschen um uns herum etwas von der Jesusfreude zu vermitteln. Und das ist gut, dass wir das tun.
Überlegen wir uns, wie wir das am besten machen können. Sollen wir eine Kassette oder ein Büchlein verschenken? Oder wie sonst? Ich bin überzeugt, dass am besten Ihre eigenen Worte sind, die ehrlich sind. Oft denken Sie vielleicht, dass das jemand anderes besser machen könnte. Nein, Sie können es am besten. Es ist ein ganz schlichtes Wort: Was Sie an Jesus haben, geben Sie weiter.
Interessant ist, dass wir oft meinen, wir müssten die Menschen zum Glauben an Gott überreden. Ich bin überzeugt, dass sogar Atheisten in gewisser Weise an Gott glauben. Jeder ahnt etwas von einer göttlichen Macht. Aber es ist viel schwieriger, Jesus wirklich kennenzulernen.
Viele Menschen kennen Jesus, viele haben in ihrem Leben Jesus erlebt. Doch auf dem Weg der Nachfolge mit Jesus kommen plötzlich Probleme. Das ist interessant. Ich war einmal in Nürnberg. Am Abend kam ein Mann zu mir und brachte viele Bedenken und Argumente aus der kritischen Theologie vor, warum er an diesem Abend nicht mitkommen konnte.
Später sprach ich mit anderen in der Gemeinde. Sie sagten, dass dieser Mann früher ein ganz toller Mitarbeiter war. Doch irgendwann bekam er Einfluss von liberalen Bibelkritikern, und das hat ihn aus dem Glaubensweg geworfen. Es gibt also viel mehr Hindernisse, und zwar nicht nur am Anfang des Glaubens. Viele haben von Jesus viel entdeckt, aber dann wurde ihnen das durch kritische Stimmen zerredet, und sie sind müde geworden.
Wenn ich das so betrachte, sehe ich, dass wir zwar viele Bekehrungen zu Jesus haben, aber viele den Weg mit Jesus nicht weitergehen. Sie bleiben plötzlich stecken. Wenn Sie in Ihrem eigenen Kreis oder Ihrer Gemeinschaft schauen, aus der Sie kommen, dann sehen Sie viele, die jahrelang dabei waren und plötzlich weggeblieben sind.
Das ist eine große Not: Wir haben eine hohe Verlustrate. Woran liegt das? Oft an schlechter Betreuung. Wir kümmern uns zu wenig um diejenigen, die im Glauben gescheitert sind. Sie haben gut angefangen, aber was war der Grund? Oft sind es sündige Dinge im Leben. Das kann ein Ehebruch sein oder eine andere böse Sache. Dann schaffen sie es nicht mehr, zur Umkehr zu kommen. Das ist sehr tragisch, und hier wären wir als Gemeinde gefordert.
Andere sind durch das Lesen kritischer Bücher von Jesus entfremdet worden.
Die Bedeutung des Bleibens bei Jesus
Es ist mir erst neulich bei dem Lied von Spita aufgefallen: „Bei dir, Jesus will ich bleiben.“ Das Bleiben bei Jesus ist ganz wichtig, damit ich bis ins hohe Alter bei Jesus bleibe.
Darum ist es besonders wichtig, dass wir auch die Alten unter uns gut betreuen. Denn gerade in der Krankenzeit ist das eine große Anfechtung. Viele unserer Alten können oft nicht mehr zur Versammlung gehen. Wenn sie sich dann nur noch am Fernseher mit seichten Botschaften bedienen, sind sie natürlich schlecht versorgt. Wer bringt ihnen das Evangelium?
Walter Glach, der große Bibellehrer, hat uns das schon in unserer Jugend als sehr wichtig vermittelt: Das Singen bei den Kranken ist ganz entscheidend. So werden die Alten wieder in die Gemeinde hineingenommen und haben Anteil an der Freude. Es gibt viele Möglichkeiten für sie, und ich möchte darauf achten, dass die anderen nicht zurückbleiben.
Unser Abschnitt heute Morgen handelt von genau diesem Problem. Es geht nicht darum, wie ich andere davon überzeugen kann, dass es einen Gott gibt. Nein, es geht darum, wie Christen, die einmal aufgebrochen sind, davor bewahrt werden können, abzufallen. Dabei verwendet der Hebräerbrief das Bild von „müden Händen“ und „wankenden Knien“.
Sehen Sie, je länger wir im Glauben stehen, desto müder werden wir. Ich wollte erst noch einmal wissen, wie das bei Ihnen war, als Sie sich für Jesus entschieden haben. Manche von Ihnen sind losgerannt und haben junge Leute angesprochen. Da war ein Feuer der Begeisterung.
Doch irgendwann erlahmen die müden Hände und die wankenden Knie. Natürlich lässt die Kraft nach, die Begeisterung nimmt ab. Das ist ein großes Problem im Christsein.
Ich habe einmal einen großen Kenner der Gemeinde Jesu weltweit gefragt: Wie lange hält eigentlich das Feuer der Begeisterung, wenn eine neue Gemeinde gegründet wird? Er antwortete: höchstens 25 Jahre. Danach muss eine neue Erweckung stattfinden, denn dann ist alles eingeschlafen.
Das gilt auch für unseren Glaubensstand. Man kann sich nicht auf alten Erfahrungen ausruhen. Die lahmen Hände, die müden Hände und die wankenden Knie sind ein ganz, ganz großes Problem.
Den Blick auf Jesus richten für neue Kraft
Es ist wichtig, gerade in diesen Tagen der Stille unseren Blick auf Jesus zu richten. Er möchte uns, die wir schon lange im Dienst des Herrn stehen und ihm nachfolgen, sichere Schritte geben. Schritte, mit denen wir entschlossen loslaufen können – wie die jungen Leute – und mit neuer Freude sowie Begeisterung zurückkehren. Und vor allem möchte er, dass wir mit ihm gehen.
Müdigkeit kommt sehr schnell. Sie entsteht oft durch Glaubenszweifel, fehlendes Gebet oder wenn wir das Wort Gottes nicht mehr so frisch erleben wie früher. Dann tragen wir Lasten, die uns immer schwerer werden. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, diesen Blick auf Jesus zu haben.
Lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens – so steht es am Anfang dieses Kapitels. Lasst uns mit Geduld in dem Kampf laufen, der uns verordnet ist. Es ist ein Kampf. Wenn wir nicht stark dabeibleiben, werden wir müde und erschlaffen. Das passiert besonders dann, wenn alles zur Tradition und Gewohnheit wird. Deshalb braucht es immer wieder einen neuen Aufbruch: „Ich will es ganz neu mit Jesus packen und mit ihm leben.“
Walter Trobisch, der lange verstorbene Missionar in Afrika, erzählte einmal von seinen Bibelschülern. Eines Morgens betritt er den Klassenraum – und es ist kein Bibelschüler da. Er fragt sich: „Wo sind die?“ Dann geht er hinaus, holt sein Fernglas und sieht seine Bibelschüler ganz oben in den Bergen auf einem Pfad laufen. Er setzt sich auf sein Motorrad und fährt ihnen nach. Schließlich holt er sie ein und fragt: „Was ist denn los?“
Die Schüler antworten: „Ach, wir können gar nicht darüber sprechen.“ Sie sitzen da, wie die Afrikaner so gern Palaver halten, und schließlich sagt einer: „Das ist alles viel zu schwer für uns – die Gebote Gottes, was in der Bibel steht und die Nachfolge Jesu, das können wir gar nicht.“
Was hat Walter Trobisch darauf geantwortet? Er sagte: „Habt ihr etwas missverstanden? Ihr müsst das doch nicht aus eigener Kraft schaffen. Ihr dürft es empfangen. Jesus will euch das alles schenken. Er ist der Heiland, der eure Schuld trägt. Er heiligt euer Leben, macht es neu und schenkt euch den Geist.“
Dann erzählt er, wie wunderbar es war: Nach einer Zeit des Nachdenkens kehrten die Schüler zurück. Die Freude war plötzlich wieder in der Bibelschule da. Wir sind doch begrenzt. Wir können uns nicht durch Verkrampfungen verändern, sondern Jesus macht unser Leben neu, wenn wir ihn aufnehmen.
Das ist in der Adventszeit für uns ganz wichtig. Jesus will bei uns einkehren. Er will unser Herz aufräumen und das Böse aus unserem Leben entfernen. Er tut das als der große Hohepriester, der für uns Sühnung schafft.
Wir dürfen versöhnt mit Gott ganz fröhlich heimkehren. Dann können wir sichere Schritte tun, auch wenn wir vorher wankende Knie und müde Hände hatten. Plötzlich gehen wir mit neuer Freude weiter.
Das Ziel vor Augen behalten: Die ewige Heimat
Warum? Wir haben ein großes Ziel, auf das wir zuwandern. Dieses dürfen wir niemals aus den Augen verlieren: die große ewige Heimat. Das ist das verborgene Thema im Hebräerbrief – das wandernde Gottesvolk, wie einst in der Wüste. Wir sind unterwegs zur großen himmlischen Heimat. Deshalb habe ich Ihnen das auch beim ersten Mal so stark betont.
Das Allergrößte, was wir haben, ist die Gewissheit, dass wir heimgehen dürfen zu unserem Herrn, wenn wir heimgerufen werden. Dazwischen liegen zwar noch einige müde Stunden und mancherlei Anfechtungen, aber das Ziel muss uns immer größer werden.
„Ewigkeit in die Zeit leuchte hell hinein, da sonst wird klein das Kleine und das Große groß erscheinen, selige Ewigkeit.“
Oder ich denke an den Vers, den Philipp Spitta gedichtet hat, gerade in dem Lied „Bei dir, Jesu will ich bleiben“. Am Ende von unserer Sterbestunde heißt es dort: „Kraut uns vor dem kalten Tod“ und so weiter. Da möchte ich mehr auf Jesus blicken. Das bedeutet, dass ich fröhlich hinüberziehe, wie man nach der Heimat reist.
Das ist das Ziel, und das gibt jedem Tag unseres Lebens Zukunft und Hoffnung. Über die Vorfreude auf die Ewigkeit wird viel zu wenig gesprochen. Wissen Sie, warum das so ist? Weil die Kommunisten... Es war Ludwig Feuerbach, der Lehrvater der Marxisten, der gesagt hat, wir sollten nicht dauernd auf die Ewigkeit spekulieren. Deshalb haben viele Prediger heute Angst. „Wir wollen nicht auf ein Jenseits vertrösten“, hat es immer geheißen.
Doch das Allergrößte ist: Wenn wir eine Jenseitshoffnung haben, dann ist das die größte Hoffnung und Zuversicht. Deshalb sind wir trotzdem treue Bürger in dieser Welt. Ich glaube, jeder von Ihnen kümmert sich genug um die irdischen Dinge. Aber wir müssen wissen, dass die eigentliche Zielsetzung unseres Lebens nicht im Alter liegt, sondern in der Ewigkeit, auf die wir zuwandern.
Ich will mich jeden Tag rüsten und vorbereiten auf dieses große Ziel, auf das Heimkommen. Darum haben wir keine müden Knie mehr und keine lässigen Hände. So ziehen wir fröhlich unsere Straße auf dieses große Ziel hin. Er führt uns, und wir dürfen aus seiner Kraft leben.
Zeugnis aus der Geschichte: Glaube in Armut und Verfolgung
Vor vielen Jahren, als im Osten noch der Kommunismus herrschte – also vor der großen Wende – waren meine Frau und ich in Bulgarien. Dort gab es nur sehr wenige Christen, insbesondere evangelische Christen.
Wir hatten damals von Licht im Osten viele Bibeln und biblische Schriften mitgebracht. Es war mir wichtig, verschiedene christliche Kreise zu besuchen. So kamen wir einmal in der Stadt Schumen zu Pfarrer Popoff. Er war ein methodistischer Pfarrer, und es berührte uns sehr, diese kümmerliche Gemeinde zu sehen.
Wir fragten ihn, wie viele Leute denn zur Gemeinde gehörten. Er antwortete, es seien elf oder zwölf, hauptsächlich Frauen. Ich habe nichts gegen Frauen, aber man sagt es eben so in der Kirche. Das war alles. Er lebte sehr einfach, ohne Schrank, seine Kleider hingen an einem Haken in der Wand. Man kann sich kaum vorstellen, wie armselig diese Leute lebten.
Pfarrer Popoff hatte eine Schweizerin zur Frau. Das war schon vor dem Krieg. Sie waren alte Menschen. Ich fragte sie, ob sie sich etwas wünschen würden. Die Frau antwortete ganz genüsslich: „Ich wünsche mir so maggige Würzwürfel, kennen Sie die?“ Das war die Armut des Ostens.
Trotz großer Armut wirkte er dort und versuchte immer, junge Leute zuzurüsten. Eines Tages kam der Staatspräsident von Liberia, Tolbert, der ebenfalls Baptist war. Er war mutig und sagte zu den Bulgaren, er wolle einen evangelischen Gottesdienst besuchen. Das brachte die Regierung in Verzweiflung. Man sagte ihm, das sei ja 90 Kilometer weit, dort gebe es nur eine kleine Gemeinde.
Doch der Staatspräsident Tolbert kam mit einer Eskorte – den sogenannten „weißen Mäusen“ der Motorräder – zu der Gemeinde der zwölf Leute. Das war eine große Glaubensstärkung. Auch der Religionsminister war dabei. Tolbert fragte, ob er Kopien von seiner Schreibmaschine, auf der er sein Bibelschulwissen getippt hatte, den jungen Leuten geben dürfe. Man sagte ihm, er könne nur in Bukarest, der Hauptstadt, sprechen.
Doch der Staatspräsident bestand: „Heute machen Sie für mich eine Ausnahme.“ Das hat mich sehr gefreut.
Dieser Ivan Popoff sagte, wenn man mit ihm sprach und sah, wie armselig alles war, dann würde man staunen: „Hier wird einmal der ganze Kirchenraum voll sein mit Menschen.“ Auf die Frage, woher er das wisse, antwortete er: „Das Wort Gottes wird nicht leer zurückkommen.“
Wenn man heute nach Schumen kommt, hat sich alles erfüllt. In Belgrad gibt es eine große evangelikale Glaubensbewegung. Viele gottlose Menschen sind zum Glauben an Jesus gekommen. Ivan Popoff hat sein Leben auf diese große Zukunft ausgerichtet.
Ermutigung trotz kleiner Anfänge und großer Herausforderungen
Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen, nur weil wir im Gebetskreis manchmal nur wenige sind. Wir bleiben in dieser Staffel, weil wir auf das große Ziel der Gottesherrschaft hinarbeiten.
Unser Herr hat auch in unserer Geschichte noch viel vor. Keiner von uns hätte erwartet, dass es in China oder in Russland noch einmal große Jesusgemeinden geben würde. Auch die orthodoxen Kirchen sind überfüllt. Wer hätte gedacht, dass diese irdischen Ideologien, obwohl sie so mächtig erscheinen, eine so kurze Lebensdauer haben?
Darum ist es wichtig, dass wir uns nicht immer wieder den Blick vernebeln oder entmutigen lassen durch die Schwierigkeiten, die wir erleben. Wir sollten sagen: Gott hat ein großes Ziel, und Jesus hat die Herrschaft in seiner Hand. Wir dürfen Großes von ihm erwarten, dass er uns wunderbar weiterführt. Deshalb wollen wir uns ihm anvertrauen.
Wir brauchen wieder ein mutiges Christenleben. Ich wünsche mir, dass Sie Ihre Jesusnachfolge so leben, dass die jungen Leute in Ihrer Gemeinde sagen: „So einen Schwung wollte ich auch einmal haben!“ Denken Sie daran, die Alten zeigen den jungen Leuten, wo wirklich eine Dynamik in die Ewigkeit zu finden ist. Das hängt nicht von unserem Alter oder unseren Kräften ab, sondern von der Freude an Jesus.
Ich habe viele ältere Menschen erlebt, bei denen man diese Freude spüren konnte, die eine große Hoffnung für sich haben. In unserer Welt, auch in der christlichen Welt, die oft sehr diesseitig lebt, sollten wir diese Ewigkeitshoffnung wieder groß und fröhlich machen. Sagen wir: Ja, ich gehe meinen Weg auf die große Gottesherrschaft zu. Ich habe mein Ziel.
Und ich wünsche mir, dass wir sagen: Macht aus meiner Trauerfeier eine große Lob- und Dankfeier, dass die großen Osterlieder erklingen und der Dank zu Gott aufsteigt für das, was er in mein Leben hineingelegt hat. Ich gehe meinen Weg, der zur Heimat führt.
Das ist doch wichtig – ein Satz von Paul Gerhardt: „Ich gehe meinen Weg, der zur Heimat führt.“ Unsere Heimat ist in der Herrlichkeit, in der Welt Gottes, nicht in dieser vergehenden Welt.
Ermutigung für den Glaubensweg: Sichere Schritte trotz Schwäche
Das stärkt müde Hände und wankende Knie und gibt sichere Schritte, damit wir nicht erlahmen und niemand strauchelt wie ein Lahmer. Was bedeutet das? Im Griechischen steht hier das Wort „ausgerenkt werden“. Das ist das, was ich vorhin meinte: Viele Menschen hängen plötzlich in ihrem Glaubensweg fest. Das wäre ganz furchtbar, wenn in unserer Nähe Leute so hängen bleiben. Sie können noch erzählen, wie schön es früher war, aber jetzt sind sie nicht mehr bei der Gemeinde.
Damit niemand strauchelt oder müde wird, steht in Ihrer Bibel beim Vers 12 schon Jesaja 35,3. Was ist das? Das ist das große Kapitel von der Ewigkeitshoffnung, in dem die Wüste plötzlich blüht. Darauf bezieht sich Johannes der Täufer. Die Lahmen gehen, die Blinden sehen – das ist die Erfüllung der Heilszeit. Jesus spricht davon bei der Anfrage von Johannes dem Täufer. Wir sind näher dran an der großen Zielsetzung, die Jesus gibt, wenn er sein neues Reich bringt.
Das ist die Hoffnung, auf die wir zugehen. Das stärkt die müden Knie, der Blick auf die Ewigkeit gibt Ermutigung und sichere Schritte mit unseren Füßen, damit niemand strauchelt wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund wird.
Das war so schön, wie der Evangelist Moody gesagt hat: Einmal wird in der Zeitung stehen, Moody ist tot. Dann sagt er: „Stimmt nicht, ich lebe mehr als vorher. Ich bin beim Herrn.“ Und das ist doch unsere Zielsetzung. Wir haben eine Gewissheit, auf die wir zugehen: das neue Leben, das vor uns liegt. Damit niemand strauchelt wie ein Lahmer, niemand schläft oder müde wird. Im Glauben dürfen wir nicht müde werden.
Ich habe in der Liebenzeller Freizeit die Adventsverheißungen durchgenommen. Besonders schön war das beim Jakob in 1. Mose 49. Der alte, sterbende Jakob sagt: „Herr, ich warte auf dein Heil.“ Er sieht das Kommen von Jesus durch die Jahrhunderte hindurch. „Es soll das Zepter aus dem Stamm Juda aufgehen.“ Die Herrschaft kommt von Juda. Wir sollten solche Menschen sein, die bis zu ihrer Sterbestunde die Spannung und Freude auf das Kommen von Jesus bewahren.
Auch die herrlichen Ewigkeitslieder wie „Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wäre in dir“ – das ist doch schön. Das muss doch bei uns gesungen werden. Und wenn jemand nicht mehr singen kann, weil die Stimme mitmacht, kann man heute so geschickt auf dem CD-Player oder auf dem Band diese herrlichen Ewigkeitslieder hören. Was hat uns Johann Sebastian Bach in seinen Vertonungen und Kantaten geschenkt!
Wir sollen entschlossen und zielsicher loslaufen, mit klaren Schritten. Und wir sollten die Gnade Gottes fest ergreifen. Ja, halt mal: Die Gnade Gottes habe ich doch schon ergriffen, liebe Schwestern und Brüder. Das darf nie eine alte Sache sein. Es war auch schön, dass mich in diesen Tagen jemand angesprochen hat und sagte, er habe kein Bekehrungserlebnis gehabt. Das braucht man ja nicht unbedingt. Wichtig ist, dass ich weiß, ich habe die Gnade für mich einmal angenommen. Ich habe meine Nachfolge nicht aus eigenem Können gewagt, sondern Jesus hat mir seine Barmherzigkeit gezeigt.
Aber jeden Morgen ist seine Gnade neu, taufrisch. Die Zeitung bringt immer alte Geschichten, die sich ein bisschen weiterentwickeln, wenn man sie durchblättert. Aber die Gnade Gottes ist jeden Morgen neu, wenn wir von ihr leben. „Allmorgen ist ganz frisch und neu des Herrn Gnad und große Treue“, wenn wir wieder schöpfen: „Herr, ich darf mit deiner Gnade beginnen.“ Uns ist oft bange im Herzen, aber ich will mit dieser Gnade leben.
Frieden und Heiligung als Grundlage des Glaubenslebens
Der Hebräerbrief sagt, dass wir den Frieden ergreifen sollen – das ist ganz wichtig. Viele von uns haben Streit mit ihren Kindern oder Familien. Auch mit Geschwistern oder wegen Erbsachen gibt es oft Streit in der Gemeinde. Dem Frieden muss man nachjagen.
Wissen Sie, was ein Jäger macht? Er sitzt bei kalter Witterung oft vier Stunden auf seinem Jagdstand, bis ein Hase vorbeikommt. Er wartet geduldig und harrt aus, bis er sein Ziel erreicht. So ist es auch mit dem Frieden: Man muss kämpfen und warten, bis man ihn richtig bekommt. Die Bibel sagt oft, man soll harren, bis man den Frieden erlangt.
Den Frieden Gottes bekommen wir geschenkt, aber wir dürfen ihn auch weitergeben – gerade in der Gemeinde. Das ist ganz wichtig, denn der Herr kann uns nicht segnen, wenn wir im Streit mit allen leben. Deshalb müssen wir darauf achten, dass sich alles einrenkt. Wir sollten keinen Streit mit in die Ewigkeit nehmen, sondern alles regeln, bevor wir sterben.
Oft sind es schwere Spannungen, besonders innerhalb der Verwandtschaft und Familie. Auch Ärger mit Nachbarn kommt vor. Es ist wichtig, dass wir dem Frieden nachjagen, damit die Gnade in unserem Leben richtig wirken kann. So wird der Hebräerbrief ganz praktisch.
Woran kann es noch scheitern? Wir sollen auch Dinge loslassen, um Heiligung zu erlangen. Vorhin habe ich draußen in einer Zeitschrift geblättert und war entsetzt. Da stand wieder etwas von „heiligen Räumen“. Ich verstehe nicht, was heilige Räume sein sollen – darf ich das ganz offen sagen? Mir gefällt ein so schöner Saal wie hier, aber er wird heilig durch die Gegenwart von Jesus. Der Raum an sich ist nie heilig.
Ich komme aus der Landeskirche, und ich habe immer bestritten, dass es heilige Räume gibt. Das sind nur Bauten. Aber wo Jesus und sein Wort verkündigt werden, heiligt er uns durch sein Blut. Dagegen müssen wir uns wieder gegen die religiöse Vorstellung von heiligen Räumen stellen. Das kommt ja alles wieder hoch bei uns, dass man feierlich Räume nimmt. Jesus heiligt uns, er soll unsere Gedanken heiligen, unsere Sprache und unser Leben. Er soll durch uns wirken, damit wir Menschen werden, die von Jesus her reden können.
Wir sollen der Heiligung nachjagen, damit Jesus unser Herz besitzt. Das hat man nicht nur am Tag der Entscheidung. Jeden Tag müssen wir neu ringen, damit Jesus uns durchdringt. Im Alter ist das besonders schwierig. Da kommen die negativen Eigenschaften unseres Charakters noch einmal böse zum Vorschein.
Wer von Ihnen schon einmal alte Menschen gepflegt hat, weiß, wie das ist. Wie oft werden alte Menschen schwierig mit ihrem Misstrauen und ihrer Nörgelei. Ich habe meiner Frau verboten, wenn alte Leute sagen, sie geben ihr einen Hausschlüssel, das nie anzunehmen. Da steckt oft zu viel Altes und Misstrauen dahinter. Sie werden beklaut. Und so war es dann: Sie hat den Schlüssel doch angenommen, und dann rief sie an: „Mein Geldbeutel ist weg, Sie haben den Schlüssel.“ Meine Frau kam hin. Da lag der Geldbeutel natürlich unter einem Kissen auf dem Sofa.
Aber im Alter kommt oft so viel negatives Misstrauen, Nörgelei und Böses zum Vorschein. Deshalb beten wir: „Herr, heilige du mein Leben.“ Wir brauchen keine heiligen Räume, sondern Jesus, der Heilige, muss unser Herz besitzen. Er muss uns durch und durch heiligen. Das ist ein Gnadenwerk.
Ich kann das nur annehmen, indem ich meine alte böse Art immer wieder vorbringe. Wir leiden doch selbst daran. Wir sagen: „Herr Jesus, heilige du mich durch und durch, dass mein Geist samt Seele und Leib bewahrt wird, unsträflich für die Zukunft unseres Herrn Jesus Christus.“ Das ist wichtig.
Heiligung ist kein Werk, das wir selbst vollbringen können. Wir können nur unsere Unarten dem Herrn Jesus ausliefern in der Buße und so der Heiligung unseres Lebens Raum geben. Jage dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird. Sonst kann Jesus sich uns nicht geben.
Ergreife die Gnade Gottes. Wir sind alle Menschen voller Fehler und brauchen das ganz dringend. Übrigens ist das auch für Nichtchristen und für unsere Kinder, die vielleicht noch nicht zum Glauben durchgebrochen sind, ganz wunderbar. Wenn wir ihnen immer wieder sagen: „Du, ich bin kein Heiliger. Ich leide täglich an meiner Sünde, aber ich habe einen Heiland, der mir meine Schuld vergibt und mein Leben durchdringen will.“ Das ist die Botschaft.
Wir haben einen starken Jesus. Die Botschaft der Heiligung ist, dass wir auf allen Gebieten unseres Lebens ihn erleben als den König und Herrn, der uns neu macht. Ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen.
Warnung vor der bitteren Wurzel und Gemeindespaltung
Und dann spricht er im Vers 15 des Hebräerbriefs davon, dass eine bittere Wurzel aufwachsen kann. Ich bin ja so froh, dass ich keinen Garten habe. Sonst könnte ich nicht immer zu Diensten unterwegs sein. Auch meine Frau kann dann mitgehen. Wenn man einen Garten hat, ist man ja gebunden. Man muss immer wieder nachsehen, ob man seine Arbeit erledigt.
Ich habe schon Pfarrgärten in meinem Leben betreut und dabei viel bemerkt. Das Unkraut hat die Tücke, dass es ganz fest im Boden verankert ist. Die gelben Rüden und die Radieschen kann man leicht herausziehen, aber das Unkraut ist schrecklich tief verwurzelt. Es hängt so tief unter der Erde. Ganz schlimm ist es, wenn es eine bittere Wurzel hat. Das ist ein tolles Bild für die Verästelungen der Sünde in unserem Leben, auch im frommen Leben.
Man muss aufpassen, dass es nicht eine bittere Wurzel wird, die unterirdisch wächst, Unfrieden anrichtet und viele durch sie unrein werden lässt. Wie viele Gemeinden leiden an Gemeindeleitern, die in bösen Dingen verhaftet sind. Das kann man oft erleben. Da hat man nicht den Mut, vor der Gemeinde Gräben zuzuschütten, wenn Streit war.
Auch durch unsere eigenen Unarten entsteht oft Streit. Das ist eine Not, wenn eine bittere Wurzel aufwächst. Sie zerstört so viel bei uns. In der Mission ist die größte Not die Spannungen untereinander. Ich vergleiche das gern mit einer Sojus-Raumkapsel im Weltraum. Dort sind drei oder vier Männer vier Monate lang eingesperrt. Ich weiß gar nicht, wie das gut gehen kann – auf engstem Raum und immer mit den gleichen Leuten. Das muss schrecklich sein, weil die Spannungen so groß sind. Je näher man zusammenkommt, desto mehr geht man sich auf die Nerven.
Das ist in der Mission auch ganz schwierig. Man lebt auf engstem Raum, hat unterschiedliche Sichtweisen und verschiedene Temperamente. Dann entzündet sich Streit. Deshalb ist es so wichtig, dass im Hebräerbrief für unsere Gemeinden und die Missionare draußen keine bittere Wurzel aufwächst. Es darf nicht so werden, dass über all den verschiedenen Fragen, die wir ganz unterschiedlich sehen, eine bittere Wurzel wächst, die Schaden in der Gemeinde anrichtet.
Heute sind es ganz praktische Dinge. Auf Jesus zu blicken heißt, die Dinge zu beseitigen, die das Wirken von Jesus verhindern.
Die ernste Warnung vor dem Verwerfen der Gnade
Und das Letzte noch: Es gibt ein „zu spät“. Das ist also hier doch immer ernst. Das steht ja noch an einer anderen Stelle des Hebräerbriefs, und das bewegt uns sehr. Gibt es das wirklich, dass es keine Vergebung mehr gibt?
Fritz Laubach, der den großen Hebräerbrief-Kommentar in der Prokhaus-Reihe geschrieben hat, erklärt das sehr gut an der anderen Stelle, wo es heißt, dass man sich nicht ein zweites Mal bekehren könne, wenn jemand vom Herrn abgefallen ist. Ich habe aber immer darunter gelitten, wenn ich Menschen getroffen habe, besonders im Theologenstand, die dann erzählt haben: „Ich habe mich auch mal für Jesus entschieden. Ich war im Bibelkreis und habe kniend gebetet, aber heute…“
Was mich immer erschüttert hat, war, dass sie taub waren für jedes Wort des Evangeliums. Es ist jedenfalls etwas ganz Furchtbares, wenn man sich bewusst von der empfangenen Gnade abwendet. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht sagen. Wir wollen jeden bewahren, dass er nicht dorthin kommt, an diese Stelle, wo er wissentlich die Gnade von Jesus verwirft. Denn es gibt keine zweite Gnade, sagt der Hebräerbrief.
Auch hier an dieser Stelle beim Esau steht ja in 1. Mose 25, dass Esau nach Hause kam. Es steht dort zweimal, dass er müde war. Er war müde, und in diesem Augenblick sah er nur noch: „Ich habe einen Bärenhunger.“ Was ich nie verstanden habe, war, dass es ein Linsengericht war. Andere sagen, es sei eine rote Krütze gewesen. Beides kann mich nicht locken, ich bin kein Süßer. Ich sage immer, Nudelsuppe hätte mich vielleicht in Versuchung gebracht, aber das steht nicht da beim Esau.
Doch er war so hungrig auf diese Speise, die Jakob gerade hatte, dass er nicht mehr an den Segen denken konnte, an die Verheißungen, an die Ewigkeit. Das war ihm alles egal. Er sah nur noch: Jetzt essen, und alles andere ist Wurst.
Dann steht im Hebräerbrief, dass er die Gnade versäumt hat. Er hat sie noch mit Tränen gesucht. Ja, Tränen helfen auch nicht weiter. Was hilft denn weiter? Buße. Beim Esau steht nichts von Buße, keine Sinnesänderung. Die gab es beim Esau nie.
Was wollte der Esau machen? Seinen Bruder wollte er umbringen. Deshalb musste Jakob fliehen. Eine Buße war nie da.
Deshalb möchte ich sagen: Es gibt immer wieder bekümmerte Leute, die auch seelisch richtig darunter leiden, wenn man so etwas sagt – dass man die Gnade versäumen kann. Doch solange ihr seine Stimme hört, verstockt euer Herz nicht! Der Herr bietet euch Buße an.
Es gibt immer Leute, die herumgrübeln. Solange wir Buße tun können, können wir auch die Sünde begraben lassen. Jesus hat gesagt, dass er die Sünde vergeben und auslöschen will, und dafür wirkt sein Blut.
Aber der Esau hat Buße nicht im umfassenden Sinn begriffen. Darum ist es für uns so wichtig, dass wir nicht an irdischen Dingen hängen. Beim Esau war es das Essen. Es können andere Dinge sein, die uns im Leben zerstören und von Jesus wegtreiben.
Das warnt uns der Hebräerbrief: Passt auf, dass ihr es nicht macht wie Esau und über allem den Segen verliert. Das ist ein wichtiger Weg für uns zur Erneuerung unseres Glaubenslebens und unserer Hingabe.
Ich darf ganz neu in dieser Adventszeit das wieder entdecken und mich daran freuen, wie der Herr uns begegnen will, wie er uns segnen will und wie wir alles bei ihm ablegen können. Dann können wir sichere Schritte tun – fröhlich und sicher.
Persönliche Erfahrungen und Ermutigung für den Weg
Ich weiß nicht, welche Wege vor Ihnen liegen. Es ist immer ein schwerer Schnitt für die Eltern, wenn sie sagen: „Ich muss ins Heim.“ Gehen Sie sichere Schritte an der Hand von Jesus.
Vor drei Jahren ergab sich für uns plötzlich die Möglichkeit, uns kräftig zu verkleinern. Aber wissen Sie, ich fühle mich immer noch fit. Ich brauche keinen Aufzug, wir treiben noch Sport und vieles mehr.
Als wir uns entschieden hatten, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, konnten wir nachts nicht mehr schlafen. Wir lagen wach und dachten daran, was wir alles hergeben müssen: die Möbel, die niemand haben will, die schönen Bilder.
Im Leben lässt man sich oft von solchen Dingen aufhalten. Doch wir sind den Weg gegangen, und heute sind wir glücklich. Meine Frau hätte durch ihren Unfall gar nicht leben können, wenn wir nicht den Aufzug im Haus gehabt hätten. Zuvor wohnten wir im dritten Stock ohne Aufzug.
Es sind viele Dinge, aber es ist wichtig, dass wir uns im Leben vom Herrn führen lassen. So gehen wir wirklich den Weg und sagen: Es geht vorwärts, immer näher zu seinem Licht. Nicht immer wehmütig zurückblicken, sondern in der Freude und der großen Zuversicht des Glaubens unseren Weg gehen. Amen.