Dankbarkeit für Gottes Gnade und Heilung
Wir wollen noch danken. Herr, wir möchten dir wirklich sagen, dass wir sehr, sehr dankbar sind, dass wir erfahren dürfen, wie deine Gnade unser Leben erfüllt. Jeden Tag aufs Neue legst du sie frisch und taufrisch in unser Leben. Diese Gnade hat eine heilende Wirkung, auch auf die Dinge in unserem Leben, die wir insgeheim fürchten.
Es sind die Dinge, an denen wir heimlich hängen, die uns immer wieder umklammern und umschlingen wie Tintenfischarme. Du kennst das, Herr. Du weißt, welche Nöte manche Geschwister hier haben. Wir wissen, dass du da bist und dass deine Gnade uns immer wieder freimacht oder zumindest ein Stück weit befreit.
Ich bitte dich ganz inniglich, dass du uns auch heute Morgen diese Gnade schenkst. Gerade dort, wo heimliches Murren da ist, wo eine stille Not verborgen liegt und ein ständiges Fragen uns beschäftigt. Wir legen dir immer wieder unsere Sorgen in die Ohren und bitten darum, dass hier ein Stück Heilung, ein Stück Gelassenheit und ein neues Vertrauen entstehen kann.
Das ist unser Wunsch heute Morgen. Wir laden dich herzlich ein, in dieser Weise unter uns zu sein – ganz individuell, so wie jeder Einzelne es braucht.
Nun wollen wir unseren Bruder ansprechen und ihm Segen zusprechen. Wir freuen uns auf ihn. Amen.
Erste Eindrücke und persönliche Begegnungen
Ich bin zum ersten Mal in diesen herrlichen Räumen und bin erstaunt, wie schön alles geworden ist. Am schönsten ist es jedoch, Ihnen zu begegnen. Schon heute Morgen beim Frühstück habe ich mich gefreut, Sie zu sehen und zu wissen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, über die Bibel und unser Leben nachzudenken.
Ich freue mich auch auf manche Begegnungen und Gespräche mit Ihnen. Das ist ganz wunderbar und schön.
Meine Frau wäre gerne mitgekommen, doch leider ist sie erkrankt. Sie hatte eine Operation an der Hand und zudem eine Entzündung im Knie. So ist es eben, wenn man älter wird. Sie bedauert sehr, dass sie zu Hause bleiben muss.
Interesse an Christen weltweit und Missionsarbeit
Es hat mich mein Leben lang sehr interessiert, andere Christen kennenzulernen. Schon in meiner Kindheit hat mich meine Mutter zur Allianz-Gebetswoche mitgenommen. Das war immer eine tolle Erfahrung, besonders wenn man bei der Heilsarmee war und die Busbank beobachtet hat.
Dann sind wir zur Methodistenkirche gegangen, und meine Mutter fragte: „Was ist der Unterschied?“ Dabei wurde mir bewusst, welch großer Reichtum in den verschiedenen Traditionen steckt, in denen sich Jesus den Menschen offenbart hat.
So ging es mir im Leben immer wieder: Ich hatte ein großes Interesse an anderen Christen. Als junger Pfarrer entwickelte ich besonders Interesse an den Christen, die in der Bedrängnis in Osteuropa lebten. So kam ich durch Hans Brandenburg zum Missionsbund Licht im Osten – zunächst immer nur neben meiner Gemeindearbeit.
Dann stellten wir plötzlich fest, dass der Mangel an Bibeln in der Dritten Welt eine viel größere Not ist als in Russland. Russland war damals durch viele Transporte besser versorgt. Der Missionsbund Licht im Osten schmuggelte damals am meisten Bibeln in den schweren Jahren der Verfolgung.
Wir erkannten, dass in vielen Ländern der Dritten Welt Jesus mächtig wirkt, aber wir keine Verbindung zu diesen Christen hatten. Was wissen wir zum Beispiel von den Christen in Surinam, Angola oder Mosambik? Dort gibt es kein deutsches Missionswerk, das eine Verbindung pflegt.
Wir merkten, dass diese Christen uns viele Impulse geben können. Es ist merkwürdig, dass heute der dunkelste Kontinent der Welt Europa ist. Wir haben zumindest Jesus erlebt.
Begegnungen mit Christen aus Afrika und Asien
Damals haben wir führende Persönlichkeiten aus Afrika und Asien eingeladen, darunter Biancato und weitere, deren Namen ich nicht mehr genau erinnere. Sie hielten Vorträge und machten uns die Dringlichkeit der Weltmission deutlich. Sie zeigten uns, wie Gemeinden heute aufbrechen. Das war der Anfang für die evangelikalen Missionen.
Diese Missionen bestehen aus etwa 90 Gesellschaften, die sich unter dem Namen Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen zusammengeschlossen haben. Diese Gemeinschaft leistete Hilfe für Brüder. Ernst Vater war der Gründer und Vorsitzende. Ich war lange Zeit stellvertretender Vorsitzender und übernahm später die Geschäftsführung – allerdings nur ehrenamtlich.
Gott hat uns in dieser Arbeit eine große Fülle eröffnet, die man sich kaum vorstellen kann. Wir sind in 140 Ländern der Erde tätig. Dabei wollen wir nichts von uns aus planen. Das haben wir uns sogar verboten. Wir möchten keine Ideen exportieren und nicht ein einziges Waisenhaus gründen.
Stattdessen hören wir genau hin. Die Geschwister vor Ort sagen uns, wo es am meisten drückt. Bis heute ist es merkwürdig, dass sie berichten, die materiellen Nöte seien, so schlimm sie auch sind, nicht die schlimmsten Probleme. Vielmehr fehlt es an Bibeln, an Raum für die vielen Schüler in den Bibelschulen, an Lehrern und Bibellehrern. Auch die Studentenmission kann nicht richtig durchgeführt werden, weil es an Unterstützung fehlt.
Darüber hinaus fehlen oft Kirchen und Schriften für die Evangelisation. Natürlich leisten wir auch viel Sozialhilfe. Aber für die Christen ist es ganz wichtig, dass über dieser Hilfe in den Slums und Elendsgebieten Jesus verkündigt wird.
Aktuelle Herausforderungen in der Mission
Das sind ganz große Aufbrüche, besonders in den schweren Verfolgungswellen in Indonesien. Dort gibt es enorme Herausforderungen auf den Molukkeninseln, in Sulawesi und auch in Nordnigeria.
Im Jahr 1985 begann das Werk „Zukunft Christliche Fachkräfte International“. Wir schicken Fachleute wie Ärzte, Hebammen und andere in die einheimischen Kirchen. Dort helfen sie unter der Leitung der Einheimischen. Es geht also wieder nicht darum, etwas Eigenes aufzubauen.
Die Einheimischen sagen, sie brauchen jemanden, der ihre eigenen Leute ausbildet. Handwerker sollen die jungen, arbeitslosen Menschen schulen. Es macht große Freude, wenn das Interesse da ist.
Vielleicht liegen heute Abend noch ein paar Zettel aus, auf denen man sich näher informieren kann.
Gedanken zur Wahrnehmung und Wertschätzung des Alltäglichen
Nun, heute Morgen, als ich mit dem Auto gefahren bin, hörte ich im Radio die Verkehrsnachrichten. Bei der Wetteransage machte der Nachrichtensprecher, der das immer originell und lustig gestaltet, eine Bemerkung. Er sagte zum Wetterexperten: „Ich habe gehört, du hast einen neuen Planeten am Firmament entdeckt.“
Vor 145 Jahren wurde Uranus als neuer Planet entdeckt, und heute sei wieder ein neuer Planet entdeckt worden. Darauf fragte der Wetterexperte: „Welcher denn?“ Der Sprecher antwortete: „Die Sonne.“ Weil es so lange keine Sonne gegeben habe.
Es ist interessant, wie die Leute klagen, obwohl die Sonne uns jeden Tag Licht schenkt. Ich habe mich gefreut, dass das Lied vorher von Andreas Schäfer ausgewählt wurde – „Von der güldenen Sonne“. Es ist wunderbar, wie sie strahlt.
Ich habe heute Morgen darüber nachgedacht, wie wunderbar unser Herr ist, dass er diesen harten Frost geschickt hat. Das war die einzige Rettung für alle vom Hochwasser bedrohten Orte. Wäre der Frost nicht gekommen und das Tauwetter weitergegangen, wären viele Häuser überflutet worden.
Unser Gott lenkt manches anders, als wir es verstehen, meinen und denken. Und wie gut ist es, dass wir nicht das Regiment führen! In den letzten Jahren haben wir so viel über abschmelzende Gletscher gehört. Nun sollen wir uns freuen, denn dieses Jahr werden wieder ein paar Zentimeter an den Polkappen zugefügt, wenn es so schön kalt ist.
Alles steht unter Gottes Herrschaft. Es wird regiert, ohne dass wir eingreifen müssen. Der Herr baut sein Königreich und wirkt mächtig.
Persönliche Nöte und die Bedeutung von Besuchen
Aber heute Morgen wollen wir uns zunächst mit einigen persönlichen Nöten beschäftigen.
In meiner Tätigkeit als Pfarrer war es für mich immer interessant zu beobachten, dass in jedem Haus, das ich besuchte, Menschen verzweifelt oder bedrückt waren. Oft hatte ich den Eindruck, dass wir die Chancen, die solche Besuche bieten, gar nicht richtig wertschätzen.
In den letzten 30 Jahren war ich in der Stuttgarter Innenstadt tätig, einem Gebiet mit vielen Hochhäusern. Dabei fiel mir auf, dass keine Tür verschlossen war. Die Landeskirche hat besonders offene Türen. Selbst Menschen, die seit Jahren aus der Kirche ausgetreten sind, öffneten mir die Tür, wenn ich mich als Pfarrer vorstellte.
Die Menschen haben den Mut, in kürzester Zeit zu erzählen. Fast jeder berichtet erschütternde Dinge aus seinem Leben: Enttäuschungen in der Ehe, bevorstehende Scheidungen, Schwierigkeiten mit den Kindern, Probleme im Haushalt, Konflikte am Arbeitsplatz oder Mobbing. Die Menschen sind oft verzweifelt und haben schreckliche Erlebnisse hinter sich.
In meiner Jugend habe ich oft ältere Menschen vom Krieg und den schrecklichen Erlebnissen der Gefahren erzählt hören. Doch die Erfahrungen, die heute berichtet werden, stehen dem in nichts nach. Es ist sehr schwer, was Menschen heute erleben, obwohl wir als Volk von Gott mit so viel Gutem überschüttet sind wie kaum ein anderes Volk auf der Welt.
Kein anderes Volk besitzt eine solche soziale Absicherung. Selbst Menschen, die schwere Schicksalsschläge erleiden, wie Arbeitslosigkeit, erhalten eine Versorgung, die es sonst nirgendwo gibt – weder in den USA noch in Kanada. Kein junger Mensch wird jemals eine Rente erhalten wie die heutige Generation.
Trotzdem sind die Sorgen groß. Es handelt sich häufig nicht um materielle Nöte, sondern darum, dass Menschen ihren Weg nicht mehr erkennen.
Heute Morgen habe ich deshalb für uns die Verse 4 bis 9 aus dem 4. Mose 21 ausgewählt.
Die Geschichte der feurigen Schlangen als Bild für Anfechtung
Da brachen die Israeliten vom Berg auf und zogen in Richtung Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen.
Auf dem Weg wurde das Volk unzufrieden. Sie klagten erneut Gott und Mose an: „Warum hast du uns aus Ägypten geführt? Wir sollen in der Wüste sterben, denn hier gibt es weder Brot noch Wasser. Und wir ekeln uns vor dieser mageren Speise.“
Daraufhin sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk. Diese bissen viele Israeliten, und viele starben.
Da kamen die Menschen zu Mose und sagten: „Wir haben gesündigt, weil wir den Herrn und dich beschuldigt haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nimmt.“
Mose bat für das Volk. Darauf sprach der Herr zu Mose: „Mache dir eine Ehrenschlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen wird und die Ehrenschlange ansieht, bleibt am Leben.“
Mose machte eine Ehrenschlange und richtete sie auf. Wenn jemand von einer Schlange gebissen wurde, sah er die Ehrenschlange an und blieb am Leben.
Die Lebensumstände in der Wüste und die Herausforderungen des Glaubens
Jetzt müssen Sie zunächst noch einmal wissen, wo das Ganze sich abspielt. Neununddreißig Jahre waren die Israeliten durch die Wüste marschiert. Oft haben sie gelagert, und das Tag für Tag.
Wissen Sie, wenn die Sonne morgens aufging, war das nicht wie bei uns. Schon wieder in den Hitzeländern ist die Sonne der Feind. Alle Afrikaner sagen: Wie kann man bloß so blöd sein wie die Weißen, die sich in die Sonne legen? Die Sonne ist ein Feind. Sie haben ja Recht, weil das ja viel Krebs verursacht, die Sonnenbestrahlung krank macht – vor lauter Schönheitsideal, das wir haben, dass wir braun werden wollen.
Aber da waren sie in dieser Sonne ausgesetzt. Schon am Morgen, wenn die Sonne aufging und die Hitze anfing, begann die Luft zu flimmern. Man hatte keinen Platz, und alles schien irgendwie kein Ziel zu haben. Dieser neue Tag war eine Last, die bewältigt werden musste. Man wusste nicht, wo es weitergehen sollte in der glutheißen Wüste. Da war kein Weg, wo man gehen konnte, kein Ziel, keine Hoffnung.
Und jeden Tag hat Mose neu davon gesprochen: Es ist der Herr, der euch ausführt. Aber Sie kennen das: Wenn man in der Bibel liest oder auf das Wort der Verkündigung hört, sagt man irgendwann: Aber ist das wirklich wahr? Hat Gott noch die Führung in meinem Leben in der Hand? Ist es wirklich wahr, dass er uns ans Ziel bringt? Die Anfechtung kommt.
Und dann wird man missmutig, man wird verdrossen.
Schwierige Erfahrungen in der Missionsarbeit
Wir hatten es gerade in unserer Missionsarbeit in einem sehr schwierigen Gebiet zu tun, wo unsere Mitarbeiter tätig sind. Schon lange wussten wir, dass die Zusammenarbeit mit der einheimischen Kirche dort etwas schwierig ist. In der letzten Woche kam dann ein sehr böser Brief bei uns an. Heute wird so etwas ja meist per E-Mail verschickt, aber dieser Brief war eine Botschaft, die an einen jungen Mann gerichtet war, der mal mitgeholfen hatte. Einer unserer Mitarbeiter hatte ihn geschrieben, doch der Brief enthielt eine ganz furchtbare Lästerung.
Wir haben sofort gemerkt, dass hier ein Fehler passiert sein musste. Deshalb haben wir umgehend zurückgeschrieben und gefragt, ob der Brief überhaupt für uns bestimmt sei und was genau los sei. Die Antwort kam schnell: Nein, nein, ich wollte den Brief nur an ein paar andere Leute schicken, aber ich habe die falsche Taste gedrückt.
Da habe ich gedacht: Gott sitzt doch manchmal noch im Regiment, das müssen wir doch wissen. Wenn Leute in einer solchen Krise sind, ist es wichtig, dass wir das erkennen. Ich bin sehr froh, dass unser Vorsitzender, Doktor Eberhard Hahn, gesagt hat, dass er noch in diesem Monat herunterfliegen wird, um vor Ort zu helfen. Er möchte dafür sorgen, dass die Menschen wieder in die richtige geistliche Beziehung zueinander finden. Denn es bringt mehr Schaden als Nutzen, wenn Missionsmitarbeiter im Frust verharren.
Ich verstehe das ja auch. Die Situation ist vergleichbar mit einer Weltraumkapsel, in der ein paar Astronauten zusammen sitzen. Man geht sich gegenseitig auf die Nerven, man nervt sich, reibt sich aneinander und ärgert sich. Dann sagt man vielleicht: „Die Afrikaner packen auch nie etwas an“, oder „Ihr macht sowieso alles falsch“, oder „Unsere ganze Organisation ist falsch“. Im Brief standen einige Lästerungen, die auch die Führung dieser Organisation betrafen. Ich war ebenfalls darin erwähnt.
Es war gut, dass man den Brief lesen konnte und nicht wehleidig darauf reagiert hat. Es war wichtig, dass diese Dinge ans Licht kommen. Denn es gärte vieles im Verborgenen, und die Situation war unheimlich angespannt.
Die Bedeutung von Offenheit und Seelsorge
Und jetzt nicht, dass Sie meinen, Sie müssten das verstecken. Es ist doch so wunderbar, wenn man in der Seelsorge eine Schwester oder einen Bruder suchen darf und sagen kann: „Bei mir ist heute alles ganz schlimm, in mir kocht alles.“
Es ist wichtig, dass Sie jemanden suchen und nicht denken, Sie könnten das alles herunterdrücken oder runterschlucken. Das wird nur noch schlimmer. So schaffen Sie nur noch mehr Unheil. Man muss das einmal aussprechen.
Bitte nicht so, wie es manche gemacht haben, indem sie das in einen großen Verteiler geworfen haben. Das ist in der Gemeinde ganz schädlich, wenn man alle anlabert. Sie wissen, was damit gemeint ist, wenn überall geklagt wird und allen erzählt wird, dass man jemanden braucht, den man morgens anrufen kann und sagen: „Ich bin heute im Keller, ich kann gar nicht mehr. Ich bin verzweifelt, ich weiß nicht mehr weiter.“
Das ist doch herrlich, wenn man sogar mit jemandem am Telefon beten kann, der einem ein Wort Gottes zuspricht. Denn keiner von uns ist von dieser Krise des Murrens ausgenommen. Man wird verdrossen auf dem Weg, weil man Gott nicht versteht. Weil man Gott nicht versteht.
Zweifel und Anfechtung im Glauben
In den letzten 50 Jahren begann jede dritte christliche Predigt mit dem aktuellen Erzählen von Borcherts "Draußen vor der Tür". Dort kommt der Unteroffizier Beckmann aus dem Gefangenenlager nach Hause und schreit: „Lieber Gott, wo bist du, lieb?“ Das wurde, ich weiß nicht, wie oft, in christlichen Ansprachen als die große Anfechtung zitiert.
Ich habe es eigentlich immer bedauert, dass man bei einem Literaten Zuflucht nimmt, vielleicht schon als Aufhänger. Man braucht nur ein wenig den seelsorgerlichen Blick für Menschen. Nach wenigen Minuten erzählen die Leute viel aktueller, wo ihre Nöte liegen, wo sie Gott nicht verstehen, wo sie an Gott verzweifeln und verzagt sind.
Sie erzählen auch, wo sie an Gott zerbrochen sind und wo sie an seinem Wort leiden. Es ist gut, wenn wir sensibel werden und nicht die anderen mit einer Keule des Wortes Gottes erschlagen. Man hat ja irgendwann auch schon so Leute erlebt, die an einem Bett von einem Schwerkranken stehen und mit heiterster Miene sagen: „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er.“ Das stimmt ja! Aber das kann so rüberkommen, als ob der Kranke gesagt hätte: „Ich wünsche dir, er hätte dich auch mal lieb.“
Sie verstehen, da ist die Brücke nicht gebaut. Das ist nicht richtig zum Verstehen, wie jemand verdrossen werden kann über dieses Schwere. Ich bin so froh, dass das in der Bibel drinsteht. Die lange Geschichte der Wüstenwanderung der Kinder Israel ist ja nur der Anfang. Das hat schon mit den Erzvätern angefangen, bei Abraham, dem vieles rätselhaft ist.
Wir sollten es uns angewöhnen, nicht so schnell zu sagen, als ob wir Gott verstehen könnten. Wir können ihn gar nicht verstehen und brauchen ihn auch gar nicht zu verstehen. Es ist genug, dass das, was er uns zum Heil gibt, vor uns verstanden wird. „Meine Gedanken sind nicht eure Wege, und meine Wege sind nicht eure Wege.“
Umgang mit Leid und das Geheimnis Gottes Wege
Was ich an Schwerem erlebt habe, konnte ich nie ganz verstehen, besonders wenn eine Mutter ihr Kind verliert. Wie oft geschieht es, dass eine Mutter von kleinen Kindern wegstirbt – welche Lücke das hinterlässt!
Man kann nur sagen: Herr, in dieser Welt, in der so viel Schweres geschieht, sehnen wir uns nach der Erlösung unseres Leibes. Und wir wissen, dass Gott uns seine Liebe offenbart. Das ist wichtig. Er offenbart sie uns, und daran dürfen wir uns festhalten und uns daran freuen.
Es gibt Ärgernisse, viele Ärgernisse, die ganz verschieden auf die Schultern gelegt werden. Der eine muss viel mehr tragen als der andere. Ich finde es auch sehr schön, dass es eine Gemeinschaft gibt. Deshalb brauchen wir eine christliche Gemeinschaft, in der wir miteinander diese Lasten tragen können.
Das ist so wichtig, weil es heute auch in den Gemeinden oft vernachlässigt wird. Es muss in den Gemeinden nicht nur die Einladung nach außen geben, wie wir sie jetzt bei Pro Christ oder ähnlichen Veranstaltungen wahrnehmen. Vielmehr ist heute fast schon vernachlässigt, dass man sich umeinander kümmert, dass man füreinander da ist, dass man die Lasten derer mitträgt, die gerade im Ofen des Elends geläutert werden.
Es ist ganz wichtig, dass wir uns das als Aufgabe vornehmen. Wenn Sie fragen, was Ihre Aufgabe ist, dann kümmern Sie sich darum, sich als Seelsorger in der Gemeinde um diejenigen anzunehmen, die gerade durch ganz schwere, große Nöte gehen.
Die Bedrängnis der Israeliten und das Murren
Damals kam zu Israel noch hinzu, dass der König von Arad die Israeliten angegriffen hatte. Außerdem waren die Edomiter, die Israel den Durchzug verwehrten, ein Problem. Jetzt war der Weg wirklich versperrt.
Sie waren in der Wüste gefangen, und es gab kein Entkommen. In der Wüste ist es sehr lebensfeindlich, dort kann man es kaum aushalten. Die Lage, in der Wüste zu leben und sich in einer schweren Situation zu befinden, ist am ersten Tag vielleicht noch erträglich. Am zweiten Tag wird es schon schwieriger.
Auf dem Wüstenzug haben wir das ganz oft erlebt. Sie wissen, wo das anfing mit dem Murren. Kaum waren sie durch das Schilfmeer gegangen, kamen sie nach Mara, wo das Wasser bitter war. Dann folgte das Problem mit dem fehlenden Brot, woraufhin das Manna vom Himmel fiel. Die Wachteln kamen, und das Murren begann wieder.
Das Murren war ein ständiger Begleiter während des gesamten Wüstenzugs. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung der Wüstenwanderung.
Lobpreis und Klage im Glaubensleben
In unseren Tagen gibt es manche Gemeindegruppen, die den Lobpreis besonders stark betonen. Sie verfügen über eine Fülle neuer Lieder und sagen: Du musst eben immer Halleluja singen. Als Bibelkenner wissen Sie, dass im Neuen Testament das Wort Halleluja nur einmal vorkommt – und zwar in Offenbarung 19, wenn beschrieben wird, wie die große Hure Babylon gefallen ist. Dort werden wir einmal singen.
Diese Stelle beschreibt die Christenheit, die sich mit den weltlichen Größen und der weltlichen Macht vermengt hat. Doch vorher: Was hat Petrus gesagt? Er hat nicht immer nur Halleluja gerufen, sondern auch geschrien: „Herr, hilf mir, ich versinke!“ Und das darf man auch tun.
Ich finde es eine Verkümmerung, wenn man nur das eine oder das andere kennt. Israeliten haben auch Lobgesänge, und das ist wichtig. Bei uns besteht sogar die Gefahr, dass wir vor lauter Klagen nicht mehr zum Loben kommen. Deshalb ist es gut, immer wieder Loblieder zu singen. Man lernt es vor allem gerade dort, wo der Kummer uns belastet und die schweren Sorgen auf uns liegen.
Das ist es, was Philipp Friedrich Hiller sagt: Man kann den Kummer sich vom Herzen singen. Man kann in der Freude singen, aber gerade dort, wo man die Not überwindet. Sie kennen das aus den Liedern von Paul Gerhardt, wie zum Beispiel in „Güldene Sonne“ oder in anderen Liedern wie „Befiehl du deine Wege“, „Gib dich zufrieden und sei stille“ oder dem schönen Schwermutslied von Paul Gerhardt: „Schwing dich auf zu deinem Gott, du betrübte Seele, warum liebst du Gott zum Spott in der Schwermutshöhle? Und weißt du es nimmer, dass er der Heiland und der Ritter ist?“
Es ist wunderbar, wenn man sich so ins Herz sinken lässt. Aber ich möchte doch immer wieder betonen: Israeliten haben das Loblied gesungen, aber oft hält das nicht durch die Anfechtungen. Wir müssen wissen, dass wir uns für die Anfechtungen rüsten müssen, durch die wir hindurchgehen. Wir müssen unseren Glauben stärken und ermutigen.
So wie Israel, das kaum das Wunder erlebt hatte, plötzlich vor Mara stand – vor bitterem Wasser, das sie nicht trinken konnten. Dann meinten sie, das sei alles nur Trug oder die Hand Gottes sei zu kurz, um in ihre gegenwärtige Situation hineinzureichen.
Das Schlimme ist, dass unsere Seele solche Schwankungen hat. Das ist ganz natürlich. Die Fachleute, die hier auch anwesend sind, können Ihnen noch viel besser helfen. Unsere Seele ist so geheimnisvoll mit ihren tiefen Schwingungen. Oft hängt es auch von äußeren Faktoren ab, wie unsere Seele sich fühlt.
Und dann sinkt man plötzlich ganz tief hinunter und sieht nicht mehr, wie das alles gehen soll und wie es weitergehen kann. Die Launen der Seele sind sehr schwer zu verstehen.
Der tiefe Frust und das falsche Bild von Gott
Der Frust sitzt ganz tief. Frust bedeutet, dass alles umsonst ist, mein Leben verkehrt läuft, ich keine Zukunft mehr habe und keinen Ausweg sehe.
Was ist das Kennzeichen dieses Frustes, den man im Glauben erlebt? Das Kennzeichen ist, dass man ein ganz falsches Bild von Gott hat. In diesen seelischen Anfechtungen und Tiefpunkten hat man ein falsches Bild von Gott. Deshalb ist es wichtig, noch einmal über Gott zu sprechen. Für uns ist es sehr schwer, Gott mit unserem menschlichen Verstand zu begreifen. Ich kann nur vor ihm stehen und wissen, dass er größer ist als ich, dass er der Herr, der souveräne Herr ist. Verstehen kann ich ihn jedoch nicht.
Jetzt entsteht dieses falsche Bild, als wollte Gott uns täuschen oder an der Nase herumführen. Wie oft haben die Israeliten gesagt: „Er hat mich ja nur hierhergebracht“, obwohl das nicht das Ziel war. Gott konnte sie nicht auf dem direkten Weg am Meer entlangführen, die Via Maris nach Israel hinauf, weil die Ägypter sie dort gefangen genommen hätten. Das bleibt für uns oft unverständlich.
Wir sind teilweise älter, so wie ich, und blicken oft im Leben zurück. Ich muss sagen, ich habe in meinem Leben viele Dinge völlig falsch beurteilt. Es gab eine große Krise in meinem Leben, als mein Weg mich nach Stuttgart an die Hofhacker-Kirche führte. Damals war ich ziemlich verzweifelt und habe sogar anderen gegenüber gesagt, dass dieser Weg nicht von Gott sei. Ich habe genau ausgemacht, dass dort böse Menschen waren und dass alles so und so gelaufen sei.
Doch dann war ich 30 Jahre dort, weil es so herrlich war. Wenn man wirklich erkennen will, was von Gott ist, können wir das oft in solchen Situationen nicht. Es kann eine große Hilfe sein, wenn unsere Seelsorger um uns herum das besser beurteilen können. Sie können oft sagen: „Bleib mal still da drin, ich glaube nicht, dass du den richtigen Blick auf Gott hast.“
Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir im Wort Gottes bleiben, im Bibellesen und in der Stille. Für mich war es seit meiner frühen Jugend eine große Hilfe, dass ich ein Sammler von Schriftauslegern bin. Vom siebzehnten Jahrhundert an habe ich alles gesammelt, was man sammeln kann: Werke von Skriver und den alten Vätern des Glaubens. Ich habe mir englische Puritaner-Bücher gekauft und die Bibel mit den Puritanern studiert.
John Bunyan und Richard Baxter habe ich erst letzte Woche gelesen, zum Beispiel „Von der himmlischen Heimat“. Das sind so kostbare Schriften. Eine Frau aus Wuppertal, Krummacher, hat „Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan“ geschrieben – lesen Sie das mal! Wenn man heute überlegt, was für Predigten Menschen gehalten haben, die selbst angefochten waren, wie Ludwig Hofacker, der keine hundert Predigten gehalten hat, aber was diese Predigten bewirkt haben.
Jetzt erlebt man es neu: Der Friedrich Hensler Verlag gibt gerade ein Andachtsbuch heraus, das ein Fikar aus den Predigten von Hofacker zusammengestellt hat. Es wird für 3,95 Euro verkauft, obwohl es eigentlich vom Markt genommen wurde. Doktor Egelkraut sagte mir vor ein paar Tagen, das sei das vollkommenste, was er je an Theologie gelesen habe. Da war ein Mann, der am Rande des Todes stand, ein junger Mann, den Gott hineingeführt hat, und der die großen Wahrheiten des Glaubens aus dem Leiden heraus predigte, weil er sie selbst durchlitten hatte.
Albert Knapp war ein großer Literat und Liederdichter. Er hat auch schöne Lieder im Gesangbuch geschrieben. Damals war er noch sehr von der Literatur geprägt. Ludwig Hofacker kam zu ihm ins Krankenlager und brachte ihm ein Gedicht von Jean Paul mit. Hofacker sagte: „Du, das rettet mich nicht. Ich brauche etwas, das mich in meiner Anfechtung und Not rettet.“
Solche Schriften kann man immer wieder zur Hand nehmen, sie anstreichen und für andere bereit halten – so wie man Liedverse sammelt. Meine Frau schreibt solche Trostworte immer in ein Buch hinein. Sie hat einen großen Schatz an Worten, die ihr wichtig geworden sind, gesammelt von anderen. Das sind richtige gesammelte Werke, aus denen man schöpfen kann, wenn die Krisenzeiten kommen.
Man markiert in der Bibel, was man braucht, weil man in der Anfechtung oft falsch sieht, als ob Gott sein Gesicht verstellen würde. Der Frust sitzt tief, man sieht die Realitäten dieser Welt nicht mehr. Das ist schlimm. Dann kommen diese Gedanken: „Es ist alles sinnlos“ und „Die Menschen sind alle so böse.“ Wir haben einen falschen Blick.
Die Israeliten haben das auch erlebt. Sie sagten: „Wie schön war das einst in Ägypten, als wir dort waren in der Zwangsherrschaft des Straflagers.“ Das war für sie die Realität, obwohl es nicht wahr ist. Wie grausam war es dort! Doch sie sagten: „Aber wir konnten dort wenigstens Lauch, Zwiebeln und Knoblauch essen. Das war das Leben.“
Statt der Erwählung wird es plötzlich um ein paar Knoblauchzwiebeln. Verstehen Sie? Wenn es so wird, dass wir sagen: „Die anderen haben es so gut, und ich muss so schwer durch“, dann haben wir den klaren Blick verloren. Passen wir gut auf, wie sich die Israeliten ihren Blick vernebeln ließen! Sie hatten ein falsches Bild von Ägypten, ein falsches Bild von Gott und auch von ihrer Führung. Sie verstanden nichts mehr, und das Ganze waren die Launen ihres Herzens.
Wenn Sie in Ihrer Bibel nachschlagen, finden Sie im 5. Buch Mose, Kapitel 8, Vers 2: „Gedenke des ganzen Weges, den dich der Herr, dein Gott, geleitet hat, und dieser vierzig Jahre in der Wüste, auf dass er dich demütigte und prüfte, damit er kundtäte, was in deinem Herzen wäre, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. Er demütigte dich und ließ dich hungern, speiste dich aber mit Manna, das du und deine Väter nie gekannt hatten, damit er dir kundtäte, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von allem, was aus dem Mund Gottes geht.“ (5. Mose 8,2)
Gottes harte Führung und die Liebe im Kreuz
Da sind wir beim zweiten Punkt: Gott kann sehr hart mit uns sein. Gott kann sehr hart sein – das ist falsch, wenn man an den „Feld-, Wald- und Wiesen-Gott“ denkt, den man so erzählt. Wir wollen den biblischen Gott kennen, der seine Kinder ganz hart führen kann. Er kann uns demütigen und uns in die Seelsorge nehmen, gerade über schwere Lebenserfahrungen.
Gott kann sehr hart mit uns sein, aber das ist nicht das letzte Ziel Gottes. Er will uns nicht zerschlagen, auch wenn er manches von unserem Stolz zerbricht und auch manches von unserer Eigenheit. Ich bin immer wieder dankbar, wenn man bei den Vätern der Schriftauslegung liest, dass dieses Thema immer wieder auftaucht. Sie schreiben, dass auch Jesus Menschen zerbrechen kann – wie zum Beispiel der reiche Jüngling, der zu Jesus kam und an ihm scheiterte, genauso wie die Schriftgelehrten an Jesus gescheitert sind.
Wir sollten uns davor hüten, Gott als einen Automaten zu sehen, der immer nur Trostworte ausspuckt. Lassen wir das einmal beiseite und überlegen, was in unserem Herzen wirklich drin ist. Ich möchte das ganz neu lernen und prüfen.
Da sandte der Herr feurige Schlangen. Ist Gott eigentlich ein Kaputtmacher? Will er mein Leben plagen oder mir Leid geben? Nein, aber Gott kann uns in einer kranken, gefallenen Welt an den Schmerzen dieser Welt teilhaben lassen. Deshalb stimmt es nicht, dass Glaubende immer Wunder erleben. Das stimmt einfach nicht.
In der Bibel lesen wir zum Beispiel, dass Paulus seinen treuen Begleiter Trophimus krank in Milet zurücklässt, obwohl Paulus beten und Hände auflegen konnte. Das erleben wir auch heute noch. Aber wir wissen: Gott hat auch diese schwere Situation in seiner Hand.
Manchmal muss Gott hart ansetzen bei uns, bis wir aufwachen und zur Besinnung kommen. Ich habe von vielen reifen Christen gehört, die auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs gesagt haben: „Herr, es kann nur durch den Zerbruch des deutschen Volkes gehen. Anders kannst du nicht wirken, bis die Gansche ausgekosst ist.“ Sonst gibt es nachhaltig wieder die Reden vom Dolchstoß.
Auch im Glaubensleben gibt es manches, wo unser eigenes Wesen noch nicht zerbrochen ist. Die feurigen Schlangen – es ist furchtbar, wie Menschen hier plötzlich gekämpft haben. Dieses Bild wird ja von Jesus in Johannes 3 wieder aufgegriffen. Sie kennen das: die feurigen Schlangen kommen.
Dora Rapp hat ein schönes Lied gedichtet: „Wie lange habe ich mühevoll gerungen, gesäuft von der Sünde und Schmerz.“ Ich habe das immer wieder als Bild genommen für den Kampf eines Christen mit der Sündenmacht. Wie man mit ganzer Energie kämpft gegen schmutzige Gedanken, gegen den Egoismus in sich, gegen Hochmut und Ehrsucht und alles, was unser Leben bedroht.
Man merkt: Je mehr man dagegen kämpft, desto wilder kommen die Schlangen. Von allen Seiten bedrängen sie uns. Warum lässt Gott uns da so tief durchgehen? Ich meine, der Teufel sei besiegt, und jetzt müssen wir als Christen kämpfen.
Wir hatten eine große Jugendkonferenz von Weltmissionen auf dem Killesberg, da waren sechstausend junge Leute. Ein Pfälzer Weinbauer, Hermann Hofschessen, ein ganz schlichter Jesuszeuge, hat vor diesen jungen Leuten gesagt: „Ihr jungen Leute, wir Alten müssen genauso mit der Sexualität kämpfen wie ihr, bis ihr es wirklich wisst. Und ihr dürft nicht nachlassen im Kampf, damit er nicht erliegt, damit der Teufel nicht euer Leben zerstört.“
Ich finde es toll, wenn Alte das sagen: Wir sind im Kampf. Weil wir die Versuchungen kennen, wo sie jetzt in unserem Leben kommen. Ob es Anfechtung ist oder ob wir in persönlichen Dingen erliegen – es ist nicht so, dass wir plötzlich die Gebote Gottes einfach verachten könnten.
Und ich kann nicht siegen, denn die Schlangen kommen. Die erste schlingt sich von hinten her, ich will sie niederreißen, da kommt die andere von vorne. Wie oft ist dieses Bild gemalt worden! Wie oft saßen wir als Kinder schon davor beim Bilderbuch von Schnoff und Karlsfelder, das so anschaulich gemalt hat, wie eine Gruppe von Lakonern im Griechentum gegen Schlangen kämpft, die von allen Seiten kommen.
Das ist wirklich so: Wir sind im Kampf, Tag und Nacht als Christen. Wir merken, das ist kein Spaziergang mit dem Glauben. Es geht manchmal ganz hart her. Und wir können uns kaum wehren gegen das, was da gegen uns kämpft und gegen unseren Glauben. Wir sind angefochten und fühlen uns verloren. Wir kommen gar nicht mehr weiter.
Die Ehrenschlange als Symbol der Rettung
Und darum zum Letzten: Das wunderbare Erbarmen, bei dem Mose eine Ehrenschlange mitten in der Wüste aufrichtet, wird nur mit wenigen Worten erzählt. Er ruft dem Volk zu: Wer die Ehrenschlange ansieht, wird gerettet.
Die Israeliten antworten: „Mose, warte noch ein paar Minuten! Ich muss zuerst die Schlangen loswerden. Da sitzt mir eine an der Hauptschlagader im Hals. Ich kann nicht einfach zur Ehrenschlange aufblicken, bevor ich die anderen nicht wegkriege.“ Doch Mose sagt: „Nein, schau jetzt auf diese Ehrenschlange!“
Jesus hat gegenüber Nikodemus gesagt: So wie damals die Israeliten auf die Ehrenschlange schauten, so ist der einzige Ort der Ruhe in den Anfechtungen deines Lebens der gekreuzigte Jesus, der für dich gestorben ist.
Ich sagte vorhin, dass wir Gott nicht verstehen können – nur an einer Stelle: Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle dahingegeben.
Ich habe das oft erlebt bei schwer leidenden Menschen, die die ganze Tiefe einer unheilbaren Krankheit durchleben mussten. Ich erinnere mich an eine sehr liebe, hochgestellte Frau, die zu mir sagte: „Haben Sie nicht ein Kreuz? Ich möchte es in meinem Schlafzimmer aufstellen, dort, wo ich immer auf den Schrank blicken kann.“
Ich bin eigentlich kein großer Freund von christlichen Symbolen; mir geht es mehr um den Inhalt. Deshalb habe ich lange in unserer Kirche nach einem Kreuz von Golgatha gesucht. Früher gab es viele, die man aufstellte, aber irgendwo wurden sie dann wieder abgehängt.
Ich habe ihr das Kreuz gebracht. Sie sagte: „Wenn ich morgens als Erste aufwache, erinnert mich das daran, dass Jesus mich nicht loslässt, dass er mich an seiner Hand hält. Ich darf im Murren und Zweifeln Frieden finden und getröstet werden durch den gekreuzigten Jesus, der mich hält und trägt.“
Diese Geschichte im Alten Testament weist schon so weit voraus, dass ich getrost und gewiss sein darf: Er lässt mich nicht fallen, er führt alles herrlich zum Guten.
Das Beispiel Friedrich von Bodelschwingh
Jetzt darf ich noch einmal erzählen, wenn wir das Sprichwort immer besser verstehen, dass genau das auch beim alten Friedrich von Bodelschwing das Erleben war.
Friedrich von Bodelschwing stammte aus einer hochgestellten Familie. Er war Spielkamerad des Kronprinzen, des späteren Kaisers Friedrich von Preußen. Er hatte also eine sehr hochgestellte Herkunft, sein Vater war Minister und so weiter.
Er hat dann in Paris Straßenkehrerarbeit gemacht, wo ihm einmal eine Tür offenstand, an die er klopfen konnte, ohne vorher anzuklopfen. Danach zog er nach Westfalen und übernahm ein Pfarramt. Innerhalb von vier Wochen starben dort alle seine vier Kinder.
Bodelschwing sagte, dass Gott unheimlich hart sein kann. Aber er habe gelernt, dass seine Liebe im Kreuz von Jesus das große Wunder ist, das einen ergreift. Und er wolle nur noch Menschen das Wunder der Liebe Jesu spüren lassen.
Er hat dann acht Kranke in Bethel versammelt. Wissen Sie, aus ihm hat Gott diese Liebe gemacht, den Ärmsten zu helfen.
Und jetzt sehen Sie, dass auch Sie eine Aufgabe haben, gerade wenn Sie vieles nicht verstehen. Ich will das, was ich entdeckt habe – das starke Handeln Jesu – weitergeben. Er wird mich ewig festhalten. Er hat zu viel an mich gewandt, um mich wieder loszulassen.
Ich will das weitersagen an die, die auf dem Sterbebett liegen, im Pflegeheim, solange sie es überhaupt noch fassen können. Ich will Besuche machen bei den Verzweifelten, ich will sie trösten und aufrichten.
Ich habe auch in meiner Gemeindearbeit viele kranke, psychisch kranke Menschen gehabt. Einen davon kannte ich sogar aus einer pietistischen Stunde. Er war ein Bruder, der alle Gotteslästerungen herausbrüllte. Da habe ich gesagt: „Jesus hat dich dennoch lieb.“
Dieser Mann war im psychischen Krankheitszustand. Ich habe ihm gesagt, wir dürfen es wissen: Du darfst lästern, und er hat dich trotzdem lieb. Darüber können wir gar nicht urteilen, wenn die psychischen Zustände so schwer sind.
Das ist oft sehr schwer, angesichts der Dunkelheit, die es in dieser Welt gibt. Das Einzige, worin ich mich bergen kann, ist die Gewissheit: Er trägt mich in seiner Liebe.
Begegnungen auf Reisen und die Kraft der Gemeinschaft
Jetzt, wenn man von den Aufgaben der Gemeindearbeit entbunden ist, habe ich gern die Gelegenheit genutzt, so wie ich hierherkomme, auch bei den Kreuzfahrten unterwegs. Auf einer Fahrt nach Island ist uns etwas Schreckliches passiert.
Schon im Zug haben wir bemerkt, dass es ein überfüllter Ferienzug war. Dabei war ein Reiseteilnehmer, eine Frau, die so stark behindert war, dass man es kaum in Worte fassen kann. Sie war Contergan-geschädigt, hatte nur zwei Finger an der Schulter und keine Beine. Wir waren nicht darauf vorbereitet, denn das Schiff war nicht behindertengerecht. Sie konnte keinen Wasserhahn erreichen, keinen Lichtschalter, und es war kein Betreuer dabei. Sie hatte sich einfach angemeldet, und niemand wusste davon.
Der Kapitän ließ sich sofort unterschreiben, dass er sie nicht mitnimmt, sondern dass sie auf eigene Gefahr mitfährt, falls etwas passiert. So saßen wir nun da. Einige Leute sagten, sie hätten ihre Reise teuer bezahlt, aber es gab auch einige, die meinten, die Situation habe Jesus vorbereitet. Auch wenn man teuer bezahlt hatte, halfen wir der Frau: Wir wuschen sie, führten sie und trugen sie hoch.
Dann erzählte sie, wie ihre Eltern sie verlassen hatten. Sie schämten sich für ihre Tochter und wollten keine Beziehung mehr zu ihr haben. Man hatte sie in ein Heim für Behinderte gebracht, obwohl ihr Geist überhaupt nicht behindert war. Sie war so klug wie wir alle.
Sie sagte: „Ich habe mich gehasst und nur nach einer Gelegenheit gesucht, mir das Leben zu nehmen.“ Bis eine Frau kam, die sie mitnahm in den christlichen Bibelkreis. Wenn ich Bibelstunde hielt, saß sie vorne auf dem Boden mit ihren Stümpfen und hungerte nach der Liebe von Jesus.
Wissen Sie, das ist das, was im Reich Gottes wirklich groß ist. Nicht die Strahlemänner, nicht die großen Sportler. Es interessiert uns nicht mehr, ob Deutschland Fußballweltmeister wird oder ob Cleancy versagt oder gut spielt. Es geht darum, ob Jesus siegt. Und das kann man nur dort lernen, wo man plötzlich beschämt wird.
Die Gefahr des Murrens und die Kraft der Gemeinschaft
Und deshalb muss es uns zum Schluss ganz konkret werden beim Thema Murren. Wir sagen, dass Murren eine sehr gefährliche Sache ist, weil wir uns dadurch abschneiden. Das ist, als würde man einen zugeworfenen Rettungsring zerstören und liegenlassen. Doch dieser Rettungsring ist die einzige Möglichkeit für uns, wie Gott uns heute in seiner Liebe begegnet.
Das war die Person von Doktor Paul Müller, den ich als junger Mann kennenlernen durfte. Er hat in Stuttgart an der Häslacher Wand gewohnt. Vielleicht kennen Sie ihn, den Doktor Paul Müller. Er war, soweit ich weiß, viel in Langenstein, Wacherhöhe aktiv, ein Chemiker, der das bekannteste Schulchemiebuch geschrieben hat. Mit 28 Jahren bekam er plötzlich die Diagnose einer unheilbaren Krankheit. Trotzdem ist er 87 Jahre alt geworden. Er litt an Multipler Sklerose und hat bis zu seinem 47. Lebensjahr trotz großer Behinderung noch im Lehrerseminar und anderen Einrichtungen seinen Dienst getan.
Paul Müller war ein Naturwissenschaftler, der sich immer dafür interessiert hat, gegen das, was Darwin gepredigt hat, die biblische Sichtweise zu entdecken. Für ihn zeigte die Naturwissenschaft erst die Wunder Gottes, und das war ihm sehr wichtig. Er war Paläontologe und hat die Urmuscheln und Urmeere auf der Schwäbischen Alb studiert.
Paul Müller sprach immer begeistert über die Geheimnisse der Natur. Das konnte man auch in seinen Büchern lesen. Es war ganz wunderbar, wenn er über Zugvögel sprach, die bis zu 18.000 Kilometer weit fliegen. Niemand weiß, wie sie ihren Platz wiederfinden. Ebenso faszinierend waren für ihn die Lachse, die zu ihren Laichplätzen zurückkehren. Er verstand sehr viel von diesen Phänomenen.
Doch dann sagte er: „Ich habe einen Einblick bekommen in diese Welt, die tief gefallen ist.“ Wenn er darüber sprach, konnte er es sehr verständlich machen. Wenn Sie noch seine Schriften haben, heben Sie sie auf, denn sie sind sehr wertvoll. Er redete von Viren und Bakterien, von den Krankheitskeimen in dieser Welt und davon, wie die Welt, die aus der göttlichen Ordnung herausgefallen ist, voller Zerstörung und Leid ist.
Das konnte dieser Naturwissenschaftler so klar sagen und beschreiben. Er hatte auch eine wichtige Botschaft für die Menschen: Es reicht nicht, in einer christlichen Tradition aufzuwachsen. Man muss den Ruf von Jesus annehmen. Man muss sich festmachen an Jesus und sein Kind werden.
Er sagte, man soll zu Jesus sprechen: „Ja, du bist für mich gestorben, ich gehöre dir im Leben und im Sterben. Herr Jesus, dir lebe ich, dir leide ich, dir sterbe ich. Ich bin tot und lebendig in dir. Mach mich, o Jesu, ewig selig.“
Das Zweite, was ihm wichtig war: Das menschliche Wissen und unsere Vernunft dürfen niemals das Wissen von Gott verdunkeln. Wir Menschen können Gott niemals vollständig erfassen. Dieser kluge Mann sagte: Jeder Mensch meint, er könne Gott kritisieren. Aber er warnte: „Nie, lass die Finger davon!“
Paul Müller, der schwer krank war und sich nur mit dem Rollstuhl bewegen konnte, der sich tragen lassen musste und keinen Lift in seiner Wohnung hatte, sagte: Unheilbare Krankheiten sind kein Zufall. Sie sind von göttlicher Weisheit und Liebe geschickt, weil Gott dich segnen will und große Absichten mit dir hat.
Das fällt uns schwer zu verstehen, dass Gott auch durch das Fremde an uns wirken kann. Jetzt könnte man sagen: „Du hast ja gut reden, dir geht es ja gut.“ Aber wir können mitfühlen und uns bewusst machen, auch wenn wir die Lasten anderer mittragen. Und wir wollen Gott loben und ihm danken, auch über allem Schmerz.
In dem schönen Lied von Philipp Friedrich Hiller heißt es: Man kann sich den Kummer vom Herzen singen. Dort steht: „So weine ich, wenn ich weine, doch noch mit Loben. Das Loben schickt sich sehr zu solchen Proben.“
Davon können wir nur lernen – von Müttern und Vätern im Glauben, die uns diesen Weg vorangegangen sind und uns diesen Weg gewiesen haben. Sie haben uns durch ihre Erfahrungen reich gemacht.
Ermutigung zum Vertrauen und zum Festhalten an Gottes Liebe
Das Murren darf nie mehr sein. Ich habe einen Brief an unsere Mitarbeiter geschrieben. Ich weiß, durch welche riesigen Nöte ihr geht. Ihr steht oft am Abgrund, habt den Mut verloren und zweifelt an euch und euren Fehlern. Ihr leidet an der Bitterkeit eurer Seele. Aber eins dürft ihr nie tun: Ihr dürft nie wieder Gott murren, denn das zieht furchtbares Unglück über euer Leben herein.
Bleibt dran und gebt euch unter die Liebe Jesu, auch unter allen schweren Dingen. Das will ich Ihnen zurufen: Bergen Sie sich und ergreifen Sie seine Hand. Er hält Sie ganz, ganz fest. Amen.
Lieber Heiland, wir wollen dir danken, dass wir wissen dürfen, dass gar nichts geschieht, was sich deiner Kontrolle entzieht. Aber Herr, du weißt auch, wie sehr wir uns nach Befreiung sehnen und wie oft die Schmerzen unsere Kraft übersteigen, sodass wir so viel gar nicht mehr tragen können.
Doch du hast versprochen, dass du uns keine Last auflegst, die schwerer ist, als wir tragen können. Du stellst dich unter diese Last. Herr, wir wollen das jetzt ganz konkret über die Anfechtungen und Nöte unseres Lebens ganz neu entdecken und erfahren.
Wir danken dir für deine wunderbare Liebe, dass du uns nicht verstoßest, dass wir auch unser Murren bei dir bekennen dürfen als Sünde und deine Vergebung ergreifen können. So legen wir es jetzt weg und gehen ganz neu in diesen Tag, erfrischt und erquickt von deiner Nähe. Amen.