Wir hatten uns vor ein paar Wochen mit dem Thema „Die Lehre der Apostel“ beschäftigt. Einige fanden, dass es sehr viel auf einmal war. Deshalb denke ich, es ist gut, wenn wir uns das Thema Stück für Stück ansehen.
Vor einigen Wochen habe ich zum Beispiel darüber gesprochen, was die Bibel in Bezug auf Gott lehrt. Dabei haben wir uns mit der Frage beschäftigt: Gibt es überhaupt Gott? Wer ist Gott laut der Bibel? Und wie können wir Gott erleben?
Einführung in das Wesen Gottes
Heute möchte ich mit der Fortsetzung beginnen, und zwar mit der Frage: Wie ist Gott?
Jeder von uns hat auf irgendeine Weise ein bestimmtes Bild von Gott. Aber was sagt die Bibel über das Wesen Gottes?
Bevor wir uns damit beschäftigen, möchte ich kurz versuchen, etwas zur sogenannten Dreieinheit Gottes zu erklären. Ich sage „sogenannte“, weil dieser Begriff so nicht in der Bibel steht. Der Tatbestand jedoch ist vorhanden. Man kann dies am besten erklären, wenn man ein Dreieck zeichnet und deutlich macht: Gott besteht, so wie die Bibel es beschreibt, aus drei Personen – aus Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist.
Das ist für uns schwer zu verstehen, weil wir meinen, so etwas gibt es für uns Menschen nicht. Hier steht einer und nicht drei. Aber Gott zeigt sich in der Bibel durchaus als drei Personen. Ich sage nicht „sind“, sondern „ist“: Gott ist drei in einem.
Die Bibel macht sehr deutlich, dass der Vater, wenn er beschrieben wird, nicht der Sohn ist, der Sohn nicht der Heilige Geist und der Heilige Geist nicht der Vater. Alle drei Personen der Gottheit werden unterschiedlich dargestellt. Und doch muss man sagen: Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott und der Heilige Geist ist Gott.
Für unseren Verstand ist das nicht logisch zu verstehen. Aber unser Verstand kann Gott sowieso nicht erfassen. Wenn unser Verstand Gott verstehen würde, dann wäre Gott kleiner als wir. Alles, was in unseren Verstand passt, ist kleiner als wir. Gott aber ist weit, weit größer und hat völlig andere Dimensionen als wir.
Man kann vielleicht sagen, das wäre so, als wenn sich eine Ameise Gedanken über die Macht der Menschen macht oder eine Eintagesfliege über die Macht der Menschen. Das sind völlig andere Dimensionen.
Die Dreieinheit Gottes, wie sie in der Bibel beschrieben wird, unterscheidet Gott von uns Menschen. Und doch müssen wir sagen: Auch wir Menschen haben so etwas wie eine Dreieinheit. Auch wir bestehen aus drei Bereichen. Die Bibel nennt diese Geist, Seele und Leib.
Die Dreieinheit des Menschen als Spiegelbild Gottes
Ich weiß nicht, wer von euch die Scofield-Bibel hat. Das ist eine Bibel mit Erklärungen, und Scofield beschreibt bei der Erschaffung des Menschen in 1. Mose 1 und 2 das Wesen des Menschen.
Er sagt, und dieser Formulierung kann ich mich gut anschließen: Der Geist des Menschen ist der Sitz des Bewusstseins von Gott. Das heißt, mit meinem Geist, den Gott mir gegeben hat, kann ich mir Gedanken über Gott machen. Das kann kein Tier. Das unterscheidet uns Menschen von Tieren.
Mit meiner Seele – so schreibt Scofield – ist der Sitz des Bewusstseins meiner selbst. Mit meiner Seele kann ich mir Gedanken über mich selber machen. Auch das kann kein Tier. Oder hast du schon mal eine Katze gesehen, die sich morgens vor den Spiegel stellt und sich überlegt: Wie geht es mir heute? Das machen nur wir Menschen. Wir gucken in den Spiegel, fragen uns, wie es uns geht, und wenn du lange genug reinguckst, geht es dir vielleicht schlecht.
Mit unserer Seele können wir also über uns selber nachdenken. Der Leib ist der Sitz des Bewusstseins meiner Umgebung. Mit meinem Leib trete ich in Kommunikation und in Beziehung zu anderen Menschen und Wesen.
Also haben auch wir Menschen so etwas wie eine Dreieinheit? Wenn eines von den Dreien fehlt, bist du tot. Das macht deutlich, dass auch diese Dreieinheit, wie ich das mal nennen möchte, des Menschen uns von Tieren unterscheidet.
Ein Vergleich zur Dreieinheit Gottes
Zurück zu Gott – vielleicht
Die Dreieinheit Gottes lässt sich mit einem anderen Bild vergleichen, auch wenn dieser Vergleich nur schwach ist. Jeder von euch weiß, was H2O ist. H2O gibt es in drei verschiedenen Formen: als Eis, also in fester Konsistenz, als Wasser in flüssiger Form und als Wasserdampf in gasförmiger Form.
Alle drei Arten, in denen Wasser, also H2O, in Erscheinung tritt, sind völlig unterschiedlich voneinander. Sie sehen ganz anders aus, zeigen unterschiedliche Eigenschaften und verhalten sich verschieden. Dennoch ist es immer dasselbe: H2O.
Vielleicht hilft uns dieser kleine Vergleich, um gedanklich besser mit der Dreieinheit Gottes klarzukommen. Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist sind voneinander verschieden und doch sind sie alle Gott.
Sie unterscheiden sich nicht in einer Rangfolge. Vielmehr hat Gott die Möglichkeit, sich uns auf unterschiedliche Weise zu offenbaren – entweder als Vater, als Sohn oder als Heiliger Geist.
Gottes Wesen als Vater
Wir wollen uns heute mit Gott als Vater beschäftigen und uns die Frage stellen: Wie ist Gott als Vater? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen.
Manche Christen meinen, Gott, der Vater, sei streng, heilig, gerecht und autoritär – sozusagen wie ein Polizist, der darauf achtet, ob du alles richtig machst. Und wenn etwas nicht richtig gemacht wird, gibt es eine Strafe. Andere hingegen stellen sich Gott als lieb, geduldig, barmherzig und nachsichtig vor. Diese Vorstellung gefällt uns besser. Aber wie ist Gott wirklich? Was davon ist richtig?
Wir könnten jetzt verschiedene Bibelstellen nebeneinanderstellen und vergleichen. Dabei werden wir feststellen: Die Bibel sagt beides. Aber wie ist das möglich?
Auf der einen Seite sagt die Bibel: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis (1. Johannes 1,5). Oder in 1. Samuel 2,2 heißt es: Keiner ist so heilig wie der Herr. Das bedeutet, Gott kann keine Sünde dulden. Er ist völlig ohne Sünde und muss Sünde bestrafen.
Auf der anderen Seite sagt die Bibel sehr deutlich: Gott ist die Liebe in Person. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Wir haben uns gerade in den letzten Hauskreisstunden mit Johannes 3 beschäftigt, dem Gespräch des Herrn Jesus mit Nikodemus. Jesus stellt Nikodemus ein alttestamentliches Beispiel vor und erinnert ihn an das Geschehen in 4. Mose 21. Dort war das Volk aufsässig gewesen, und Gott schickte zur Strafe feurige Schlangen unter das Volk. Jeder, der gebissen wurde, musste sterben.
Dann kamen die Menschen zur Erkenntnis ihrer Schuld und baten Gott oder Mose um Hilfe. Mose tat das, und Gott ordnete an, dass Mose eine eherne Schlange machen und aufstellen sollte – also eine bronzene Schlange an einer Stange.
Wir haben uns im Hauskreis und auch in der Bibelstunde darüber Gedanken gemacht. Das ist schon eine eigenartige Sache, dass Gott Mose sagt: „Tu eine Schlange auf die Stange.“ Uns wäre es verständlicher gewesen, wenn Gott gesagt hätte: „Gut, ihr habt gesündigt, ihr habt eingesehen, dass ihr gesündigt habt – wie bringen wir das aus der Welt?“ Bis dahin hatte Gott dem Volk Israel deutlich gemacht: Dafür muss jemand anderes sterben, so wie beim Passah damals.
Wahrscheinlich wäre es für uns verständlicher gewesen, wenn Gott gesagt hätte: „Mose, schlachte ein Lamm, und ich will die Sünde des Volkes vergeben.“ Doch Gott sagt: „Tu das Symbol an die Stange, das die Strafe für eure Sünde darstellt.“ Das war ein einmaliges Geschehen damals.
Ich denke, Gott hat das getan, um auf den Herrn Jesus hinzuweisen. Jesus zitiert das ja in Johannes 3 so: Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Das war schon eine eigenartige Sache, denn damals in der Wüste mussten die Kinder Israels nichts weiter tun. Sie mussten nicht, wie später bei den Opfergeboten, für jede Sünde ein Lamm schlachten. Aber Gott sagt: „Tu die Schlange an die Stange, und jeder, der gebissen ist, soll darauf schauen und glauben.“
Was musste er glauben? Er musste glauben, dass Gott ihn heilt. Das ist menschlich nicht logisch und schwer verständlich: Das Symbol der Strafe, das Symbol des Verführers, der Schlange, soll angeschaut werden, und es soll geglaubt werden, dass Gott vergibt.
Im Grunde ist das Werk auf Golgatha ganz genauso. Der Herr Jesus sagt: „So wie Mose die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden.“ Und ihr habt euch sicherlich in den Hauskreisen auch darüber Gedanken gemacht.
Die Bibel sagt, dass der Herr Jesus nicht nur unsere Sünden vergeben hat und stellvertretend für uns gestorben ist, so wie ein Lamm, sondern dass der Herr Jesus zur Sünde gemacht worden ist. Das ist eigentlich unbegreiflich.
Wenn das nicht in der Bibel stehen würde, würden wir uns nicht trauen, so etwas zu sagen. Es wird also gesagt, dass der Herr Jesus, als er am Kreuz hing, nicht nur deine und meine Sünden auf sich genommen hat, sondern dass er zur Sünde gemacht wurde.
Wahrscheinlich können wir uns gar nicht genug vorstellen, was das für ein Herr Jesus gewesen sein muss – der heilig und ohne Sünde war –, der unsere Sünden alle getragen hat. Das muss schrecklich gewesen sein.
Wir haben uns daran erinnert: Stell dir vor, jeder von uns würde am Tag vielleicht drei Sünden tun – das ist noch niedrig gegriffen. Das wären im Jahr ungefähr tausend Sünden. In meinem Fall also jetzt 68. Jetzt könnten wir zusammenzählen, wie alt wir alle sind und wie viele Sünden wir gemacht haben. Und wir müssen sagen: Brutal, oder?
Alle diese Sünden kommen auf den Herrn Jesus. Und wir können durchaus verstehen, dass der Herr Jesus da am Kreuz schreit: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Aber es ist noch viel schlimmer gewesen. Nicht nur alle unsere Sünden hat er auf sich genommen, sondern er ist zur Sünde gemacht worden – das heißt, er wurde sozusagen zur personifizierten Sünde.
Was bedeutet das auf der anderen Seite? Die Sündlosigkeit des Herrn Jesus muss noch viel größer gewesen sein als die Sünde, sonst hätte er nicht den Tod und den Teufel besiegen können.
Dass Jesus dann auferstand, ist der Beweis dafür, dass seine Heiligkeit und seine Sündlosigkeit größer waren als alle Sünden aller Welt und aller Zeiten.
Du magst sagen, das ist etwas Theoretisches und passt schwer in den Alltag. Aber es macht für mich noch etwas deutlich.
Wir haben eben gefragt: Wie ist Gott? Und was wird am Kreuz deutlich?
Auf der einen Seite wird die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes deutlich an seinem Sohn. So etwas ist brutal, oder? Dass Gott seinen Sohn, den er lieb hat, in den Tod gehen lässt und zuschaut, wie dein und mein Herr stirbt.
Was ist das? Das ist Heiligkeit und Gerechtigkeit. Gott muss Sünde strafen, aber er will sie nicht an dir oder an mir strafen. Weil er heilig ist, muss er sie strafen – und er straft sie an seinem Sohn.
Das ist die Seite der Heiligkeit und Gerechtigkeit, die keine Gnade kennt.
Auf der anderen Seite ist Gott gnädig, barmherzig und die Liebe in Person. Das zeigt er uns. Wir dürfen frei ausgehen, wenn wir, so wie die Messias-Israeliten, glauben.
Und wir merken: Bei Gott gehören diese beiden Seiten zusammen. Für uns Menschen sind das Gegensätze. Entweder ist er gerecht oder lieb. Und wir sagen, das passt nicht zusammen.
Aber bei Gott sind beide Seiten da. Und Gott kann sich uns als der liebende Vater zeigen, weil er seinem Sohn gegenüber heilig und gerecht gewesen ist.
Ein Gleichnis zur Gerechtigkeit und Liebe Gottes
Ihr kennt wahrscheinlich die Geschichte, die schon öfter erzählt wurde, von dem Fürsten Shamil, der im neunzehnten Jahrhundert gelebt haben soll. Es ist eine Anekdote, oder ich weiß nicht, ob sie tatsächlich wahr ist. Er war ein Führer der tscherkessischen Stämme beim Aufstand gegen Russland.
Er muss ein brutaler Herrscher gewesen sein. Er hatte eine Eroberung gemacht und verboten, dass seine Untertanen bei diesem Raubzug irgendetwas von der Beute nehmen. Wer dieses Gebot übertrat, sollte vierzig Peitschenhiebe auf dem bloßen Rücken bekommen.
Dann wurde ihm berichtet, dass seine alte Mutter sich an der Beute vergriffen hatte. Die Bevölkerung überlegte nun, wie der Fürst reagieren würde, wenn er seine Mutter bestrafen würde. Seine Untergebenen sagten: „Der ist weich, der ist nicht gerecht, der zieht die eine Person vor.“ Wenn er aber das Urteil vollstrecken würde, würde das Volk sagen: „Der ist brutal und hartherzig.“ Wie sollte er sich verhalten?
Der Fürst soll damals das Gericht über seine Mutter abgehalten haben. Sie wurde zu vierzig Peitschenhieben verurteilt. Er sagte dem Henker: „Vollstrecke das Urteil.“ Der Henker holte mit seiner Peitsche aus und wollte also auf die Mutter einprügeln. In dem Moment sprang der Fürst dazwischen, beugte sich über seine Mutter und sagte zum Henker: „Schlag zu, schlag zu!“
Der Henker vollzog die Strafe an dem Fürsten selbst.
Das ist im Grunde das, was Gott getan hat. Gott hätte uns strafen müssen, weil wir seine Gebote übertreten haben, weil wir Sünder sind. Aber sein Sohn Jesus Christus tritt in die Bresche, beugt sich sozusagen über uns und sagt zu Gott: „Schlag zu!“ So können wir frei ausgehen.
An diesem Beispiel erkennen wir, dass Gott beides ist: Er ist heilig und gerecht, und er ist Liebe in Person.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn als Bild für Gottes Liebe
Etwas Ähnliches wird deutlich bei der Geschichte, die wir in Lukas 15 finden – das ist die Geschichte vom verlorenen Sohn. Ich gehe davon aus, dass die meisten von uns diese Geschichte kennen.
Der eine Sohn dieses reichen Vaters lässt sich sein Erbe auszahlen, zieht ins Ausland, verprasst das Geld und landet schließlich bei den Schweinen. Dann kommt er zur Besinnung, tut Buße und kehrt um. Er bittet seinen Vater: „Vater, ich habe gesündigt.“ Der Vater nimmt ihn in den Arm und setzt ihn wieder als Sohn ein.
Ganz offensichtlich erzählt Jesus diese Begebenheit, um uns Menschen deutlich zu machen, wie Gott ist. Einer, der das besonders begriffen hat, war der Maler Rembrandt van Rijn, ein Holländer (1606–1669). Ich muss sagen, seine Bilder beeindrucken mich sehr, vor allem die Gemälde, die er ohne Auftrag gemalt hat. Es gibt wohl kaum eine Geschichte in der Bibel, die er nicht illustriert hat. Man merkt, dass er seine Bibel sehr aufmerksam gelesen hat.
Rembrandt hat eine interessante Lebensgeschichte. Er war eigentlich der Sohn eines einfachen Müllers, hatte aber ein fantastisches Talent zum Malen. Als er jung war, zog er nach Amsterdam, heiratete die Adelige Saskia van Uylenburgh und lebte in Saus und Braus. Er war anerkannt unter den reichen Leuten, musste alle vornehmen Personen in Amsterdam porträtieren, wurde sehr reich und kaufte ein großes Haus in Amsterdam.
Doch dann sterben zwei seiner Kinder, und als das dritte Kind geboren wird, stirbt seine Frau bei der Geburt. Zu diesem Zeitpunkt ist Rembrandt 36 Jahre alt. Das bringt sein Leben durcheinander. Von da an bekommt er keine Aufträge mehr, weil er sich nicht mehr darauf konzentrieren kann, und er verarmt.
Es ist überliefert, dass man bei seinem Tod im Jahr 1669 nur noch seine Bibel, die Kleidung, die er trug, ein paar Taschentücher und einige Pinsel bei ihm fand. Das ist das, was vom berühmten Rembrandt geblieben ist.
Ich sagte, er hat viele Begebenheiten aus der Bibel gemalt. Es ist hochinteressant, dass die meisten Szenen, die er gemalt hat, Illustrationen und Gemälde zur Geschichte des verlorenen Sohnes sind. Es ist spannend nachzuvollziehen, in welchem Jahr und in welcher Lebenssituation er welches Bild gemalt hat.
Im Jahr 1632, also mit 26 Jahren, malt er diese Federzeichnung „Der Sohn“. So unterschreibt er das Bild: „Der Sohn verlässt das Haus des Vaters.“ Das ist der Moment, in dem er selbst von zu Hause wegzieht. Wer die Bilder von Rembrandt kennt, wird feststellen: Der Sohn ist ein Selbstbildnis von ihm. Er identifiziert sich mit dem verlorenen Sohn und macht deutlich: Er zieht genauso wie dieser aus dem Elternhaus weg, weil er Karriere machen will.
Das nächste Bild malt er vier Jahre später, mit 30 Jahren. Es ist ein Ölgemälde mit dem Titel „Der Sohn verprasst das Erbe“. Auch dieses Bild ist ein Selbstbildnis von ihm. Die junge Dame, die er auf dem Schoß hat, ist seine Frau. Er prostet ausgelassen dem Betrachter zu. Das ist die Zeit seiner größten Karriere. Er verdient ein Vermögen und identifiziert sich erneut mit dem verlorenen Sohn, der das Erbe verprasst.
Im gleichen Jahr malt er eine Federzeichnung beziehungsweise einen Kupferstich. Darin wird deutlich: In seinem Herzen ist die Sehnsucht nach zu Hause.
Sechs Jahre später, als seine Frau stirbt, zeichnet er eine weitere Federzeichnung. Man kann sehr gut den Schmerz und die Sehnsucht nach zu Hause erkennen – das verzweifelte Herz von Rembrandt. Auch hier handelt es sich wieder um ein Selbstbildnis. Man merkt, dass der Tod seiner Frau sein Leben ruiniert hat.
Danach geht es finanziell bergab. Er muss für seinen Sohn aufkommen und versuchen, ihn großzuziehen. Eine Haushälterin kümmert sich um den Jungen. Rembrandt lässt sich auf ein Verhältnis mit dieser Haushälterin ein. Dafür wird er aus der Kirche ausgeschlossen, und sein Ruf ist völlig ruiniert.
Nur wenige Jahre später, mit 41 Jahren, im Jahr 1647, ist er bankrott. Er malt sich selbst als den verlorenen Sohn bei den Schweinen.
Mich bewegt es sehr zu sehen, wie ein Mann sich mit dieser Figur aus der Bibel identifiziert und sehr genau weiß, wo er steht. Aber wir wissen ja: Die Geschichte hört da nicht auf – die Geschichte, die der Herr Jesus erzählt.
Rembrandts letztes Bild als Ausdruck der göttlichen Vergebung
Das schönste Bild, das ich von Rembrandt kenne, ist nicht das Bild mit dem Goldhelm oder die Nachtwache, sondern das Bild, das er im letzten Jahr, in seinem Todesjahr, gemalt hat.
Das ist also das letzte Bild, das er überhaupt gemalt hat. Er ist bankrott, doch er malt sich als den verlorenen Sohn in den Armen des Vaters. Dieses Bild macht mir deutlich, dass ich Rembrandt einmal im Himmel sehen werde. Er ist bei seinem Vater angekommen. Wie der verlorene Sohn ist er zu seinem himmlischen Vater zurückgekehrt.
Rembrandt hat erlebt, was die Bibel sagt. Hier ein Ausschnitt dazu: Der verlorene Sohn ist nicht mehr prunkvoll gekleidet, sondern trägt ärmliche Kleidung, kaputte Schuhe, wirkt heruntergekommen – aber er ist beim Vater.
Rembrandt hat erfahren, was wir in Psalm 103, Vers 13 lesen: „Wie ein Vater sich über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.“
Wie ist Gott? Jesus hat damals diese Begebenheit erzählt, um uns Mut zu machen. Egal, wo du stehst, egal, an welchem Punkt du angekommen bist, du darfst zurückkommen zum Vater.
Der Vater steht nicht da und sagt: „Ich habe es dir ja gesagt.“ Stattdessen wartet der Vater im Gleichnis auf den Sohn. Er sagt: „Er war tot und ist lebendig geworden.“ Er setzt ihn wieder ein, gibt ihm den Ring an die Hand und damit die Vollmacht, sein Sohn zu sein.
Die Liebe Gottes und der Weg zum Vater
Was ist die Liebe Gottes? Wir wissen, dass Gott uns seine Liebe nur auf diese Weise zeigen kann, weil er alles, was wir verbockt haben, an seinen Sohn gerichtet hat. Nicht weil du so gut bist, nicht weil ich so gut bin, sondern weil Jesus alles getragen hat.
Aber wie werde ich ein Kind dieses Vaters? Auch das haben wir im Johannes-Evangelium Kapitel 1 gelesen: „So viele ihn aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt und nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“
Ich weiß nicht, was für einen Vater du hattest. Ich kann mich noch gut daran erinnern, vor vielen Jahren, als ich Jugendstunde machte und versuchte, dieses Thema den Jugendlichen beizubringen: Wie ist Gott als Vater? Da muss ich sagen, bin ich eigentlich ins Stocken gekommen, als ich mir die jungen Leute ansah. Der eine hatte einen Vater, der autoritär war – da musste alles genau laufen, und wehe, wenn nicht. Ein anderer hatte einen Vater, der, wie man so sagt, ein Waschlappen war und sich um gar nichts kümmerte.
Ich habe mich damals gefragt: Wie kann man Menschen erklären, wie Gott ist? Diese Frage hatten die Jünger auch in der letzten Nacht, als sie mit dem Herrn Jesus zusammen im Obergemach waren. Und als sie dann zum Ölberg hinausgingen – in Johannes 14 bis Johannes 16 – hat man den Eindruck, dass Jesus Heimweh zum Himmel hatte.
Ihr könnt in eurer Bibel mal nachsehen, wie oft der Name „Vater“ darin vorkommt. Er spricht von seinem Vater im Himmel, der jetzt zurückkehren wird. Die Jünger hören zu, und Philippus sagt zu ihm: „Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns.“ Jesus scheint ihnen Appetit auf diesen liebenden Vater im Himmel gemacht zu haben.
Und was sagt der Herr Jesus in Johannes 14? Er sagt zu Philippus: „So lange bist du bei mir, und du hast mich nicht erkannt. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Das heißt, wir Menschen haben die Chance, Gott als Vater kennenzulernen, so wie er wirklich ist, wenn wir Jesus anschauen. Jesus hat uns seinen Vater vorgelebt.
Wenn ich also wissen will, wie Gott als Vater ist, dann muss ich in den Evangelien nachschauen, wie Jesus ist und wie er mit Menschen umgegangen ist. Dann werden wir feststellen, wie Gott ist. Vielleicht revidiert das deine Sicht auf Gott.
Ich wünsche mir, dass wir begreifen, dass Gott wirklich ein liebender Vater ist – einer, der, wie wir heute Morgen in der ersten Stunde schon gesehen haben, zu uns steht, der um unsere Schwächen weiß und weiß, dass wir es nicht schaffen. Und ich darf zu ihm kommen und in seine Arme laufen.
Die andere Seite ist die Chance für diejenigen, die vielleicht keinen guten Vater hatten, vielleicht gar keinen oder ihren Vater nie gekannt haben. Wie sollen aus solchen Menschen gute Väter werden? Nur dadurch, dass wir Jesus anschauen und von ihm lernen. Egal also, wie dein Vater gewesen ist: Du hast die Chance, am Herrn Jesus zu sehen, wie Gott ist.
Wenn ich Gott als liebenden Vater kennenlernen möchte, muss ich Jesus beobachten. In Jesus wird Gott, der Vater, erkennbar. Ich möchte euch dazu einfach Appetit machen: Studiert den Herrn Jesus, lest sein Wort, schaut ihn an. Dann wirst du erkennen, wie Gott ist.
Vielleicht nimmst du einfach diese Frage mit: Was bedeutet es für dich, ein Kind Gottes zu sein und Gott zum Vater zu haben?
