Einleitung und Kontextualisierung des Predigttextes
Nun, ich möchte heute Morgen etwas weitergeben von einem Menschen, der den Herrn kennen durfte, der ihn lieben durfte und der ihm auch dienen durfte.
Heute ist traditionsgemäß der Sonntag Johannes des Täufers, wenn man sich an das Kirchenjahr hält. Das tun wir zwar nicht sklavisch, aber warum auch nicht? Wir feiern ja auch am 24. Dezember Weihnachten, denken an die Christgeburt und an Ostern. Jetzt ist eben Adventszeit, und da steht Johannes der Täufer im Mittelpunkt an diesem dritten Adventssonntag.
Warum also nicht einmal ausführlicher über ihn nachdenken?
Ich möchte aus dem Johannesevangelium lesen, Kapitel 1, die Verse 19 bis 34, also Johannes 1,19-34. Stört euch nicht daran, dass dazwischen noch eine Überschrift steht. Ihr wisst ja, dass diese Überschriften von Menschen hinzugefügt wurden, nur damit man die Abschnitte besser finden kann. Aber es handelt sich um einen Zusammenhang.
Das Zeugnis Johannes des Täufers
Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten sandten, um ihn zu fragen: Wer bist du?
Er bekannte es und leugnete nicht, sondern sagte offen: Ich bin nicht der Christus.
Sie fragten ihn weiter: Bist du Elija? Er antwortete: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er verneinte auch das.
Nun sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann? Damit wir denen, die uns gesandt haben, eine Antwort geben können. Was sagst du von dir selbst?
Er sprach: Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste: Macht gerade den Weg des Herrn, wie Jesaja, der Prophet, gesagt hat.
Diese Menschen waren von den Pharisäern abgesandt. Sie fragten ihn: Was taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist, noch Elija, noch der Prophet?
Johannes antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser. Doch mitten unter euch steht jemand, den ihr nicht kennt.
Der nach mir kommt, ist mir vorausgegangen, und ich bin nicht würdig, ihm die Riemen seiner Sandalen zu lösen.
Dies geschah zu Betanien jenseits des Jordan, wo Johannes taufte.
Am folgenden Tag sieht er Jesus zu sich kommen und spricht: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!
Dieser ist es, von dem ich sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht.
Aber damit er Israel offenbar werde, bin ich gekommen, mit Wasser zu taufen.
Johannes bezeugte und sprach: Ich sah den Geist wie eine Taube aus dem Himmel herabfahren, und er blieb auf ihm.
Ich kannte ihn nicht, doch der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, sagte zu mir: Auf den du sehen wirst, wie der Geist herabfährt und auf ihm bleibt, dieser ist es, der mit Heiligem Geist tauft.
Ich habe gesehen und bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist.
Die Bedeutung Johannes des Täufers im Heilsplan Gottes
Johannes der Täufer ist eine der großen Adventsgestalten. Die Bibel sagt, dass er ein Prophet war, der letzte in einer langen Reihe von Propheten des Alten Bundes. Heilsgeschichtlich gehört Johannes der Täufer noch zum Alten Testament, obwohl wir von ihm hier im Wesentlichen im Neuen Testament lesen. Mit ihm schließt praktisch das Alte Testament.
Die Bedeutung, die Johannes im Heilsplan Gottes hatte, lässt sich unter anderem daran ablesen, wie Lukas ihn in seinem Evangelium vorstellt. Lukas nennt einen römischen Kaiser, einen römischen Landpfleger, drei oder vier Fürsten sowie zwei hohe Priester. Alle werden aufgezählt, um den Zeitpunkt anzuzeigen, an dem das Wort Gottes zu Johannes kam. Das müssen wir uns einmal vorstellen: Kaiser, die die Weltgeschichte geprägt haben, Könige, Fürsten und hohe Priester werden genannt, nur um deutlich zu machen, dass Gott Johannes Worte schenkte und Prophetien gab, die er dann im jüdischen Land weitergab.
Übrigens hat Jesus über keine andere Gestalt so viel gesagt wie über Johannes den Täufer. Im Neuen Testament finden wir viele Informationen über ihn, die verstreut sind, und schon einige Ankündigungen im Alten Testament. In der ganzen strahlenden Versammlung jüdischer Propheten hatte keine Krone prachtvollere Edelsteine als die des Johannes.
Der Herr Jesus sagt einmal, keiner der Propheten war größer als Johannes. In einem Buch habe ich gelesen, dass jemand das sehr schön in einem Satz ausdrückt: Johannes war wie eine einsame Bergspitze, die der Schöpfer in die rote Glut der aufgehenden Sonne gehüllt hatte. Eine einsame Bergspitze, der letzte der Propheten, der herausragte und in die Glut der aufgehenden Sonne gehüllt war. Er war der Vorläufer, der Wegbereiter dessen, der bereits zu seinen Lebzeiten gekommen war: des Sohnes Gottes.
Herkunft und Vorbereitung Johannes des Täufers
Die Herkunft von Johannes dem Täufer war schlicht, doch sie wird in der Bibel erwähnt. Seine Mutter war Elisabeth, sein Vater Zacharias. Das bedeutet, dass er aus priesterlicher Abstammung kam. Sein Name Johannes bedeutet „Jahwe ist gnädig“ oder „Gott ist gnädig“.
Über sein Heranwachsen wird in der Bibel nicht viel gesagt. Lukas fasst es mit einem Satz zusammen. In Lukas 1,80 heißt es: „Und das Kindlein wuchs und wurde stark im Geist, und er war in der Wüste, bis dass er sollte hervortreten vor das Volk Israel.“
Dieser Vers sagt uns trotzdem viel. Johannes war in der Wüste und wurde dort vorbereitet auf den Tag, an dem er vor das Volk Israel treten sollte. In der Bibel wird wiederholt erwähnt, dass Männer Gottes in der Wüste zubereitet wurden. Denken wir an Mose oder andere Gestalten des Alten Testaments. Auch Paulus war eine Zeit lang in der Wüste, und auch bei Johannes lesen wir davon.
Was bedeutet es, in der Wüste vorbereitet zu werden? Vor einigen Monaten habe ich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig eine Wüste gesehen – eben die Wüste Juda. Dort ist es tagsüber knallheiß, 50 bis 60 Grad in der Sonne. Nachts wird es bitterkalt, manchmal sinken die Temperaturen bis auf 0 Grad oder sogar darunter.
In einer solchen Gegend zu leben, wo Gefahren lauern, wo es Schlangen und Raubtiere gibt und wo Entbehrung herrscht, lehrt, abhängig von Gott zu sein. Für Johannes bedeutete es, in der Wüste vorbereitet zu werden, abhängig von Gott zu werden. Ganz auf ihn zu vertrauen – im Blick auf Nahrung, Schutz und alle äußeren Lebensbedingungen. Das hat Johannes in der Wüste gelernt.
Der Dienst Johannes des Täufers: Wegbereiter und Zurücktreter
Eines Tages kam die Zeit, in der er den Auftrag erhielt, vor das Volk Israel zu treten und diesem Volk zu dienen.
Seinen Dienst kann man im Wesentlichen in zwei Phasen unterteilen. Die erste Phase könnte man „den Weg freimachen“ nennen. Dabei ging es darum, das Auftreten Jesu Christi anzukündigen, ihm Bahn zu machen und den Weg für ihn frei zu machen. Die zweite Phase seines Dienstes hieß „aus dem Weg gehen“, also selbst wieder zurückzutreten.
Darüber muss man nachdenken, denn das ist eigentlich auch für jeden von uns, der dem Herrn dienen will, die richtige Beschreibung: den Weg für den Herrn Jesus im Leben von Menschen freimachen und dann selbst wieder aus dem Weg gehen. So stehen die Menschen nur noch vor ihm, erkennen ihn, finden zu ihm, lernen ihn kennen, lieben ihn und dienen ihm.
Der öffentliche Dienst des Johannes dauerte wahrscheinlich weniger als ein Jahr. Vielleicht wirkte er etwa zehn Monate öffentlich. Das ist keine lange Zeit. Doch von diesem Dienst gingen so große Wirkungen aus, dass sie sogar den König seines Volkes erreichten: Herodes hörte davon, und auch sein Leben wurde von diesem Dienst beeinflusst.
Die Botschaft des Johannes: Buße und Ankündigung des Heiligen Geistes
Was predigte Johannes dem Volk Israel? Es war eine kompromisslose Botschaft, die ohne Ansehen der Person verkündet wurde. Zunächst prangerte er die Sünden des Volkes Gottes an, aber auch die einzelner Menschen.
Der Dienst der Propheten bestand beispielsweise darin, das gesamte Alte Testament hindurch betrachtet, als Begleiter der Könige zu fungieren. Die Könige hatten ja niemanden über sich, außer Gott, wenn sie ihn anerkannten. Doch sonst waren sie die Höchsten im Volk. Die Gefahr bei Königen ist immer ein Absolutismus, das heißt, sie tun, was sie wollen – wie Ludwig XIV. oder andere Herrscher – und niemand kann sie mehr korrigieren. Das wollte Gott nicht.
Darum stellte Gott den Königen im Volk Israel immer einen Begleiter an die Seite. Ahab bekam zum Beispiel Elija, David hatte den Propheten Nathan an seiner Seite. So hatten alle Könige Begleiter. Das war der Dienst der Propheten: Sie begleiteten die Könige, aber gleichzeitig auch das ganze Volk. Sie brachten immer wieder Botschaften von Gott an das Volk, auch solche, die von falschen Wegen zurückriefen und zum rechten Weg zu Gott führten.
Eines Tages aber erhielt Johannes eine Offenbarung, die seinem Dienst eine gewisse Wende gab. Er erfuhr, dass einer kommen werde, der nicht mit Wasser taufen werde, sondern mit dem Heiligen Geist und mit Feuer. Diese Ankündigung gab ihm Gott.
Vielleicht hat Johannes die Menschen, die zu ihm an den Jordan kamen, um sich taufen zu lassen, besonders genau betrachtet. Vielleicht schaute er ihnen in die Gesichter, um zu erkennen, wer derjenige sei, der angekündigt ist und dem er den Weg bereiten soll. Wann kommt der, der mit reinen Augen kommt? Wann kommt der, der selbst keine Schuld bekennen muss? Der nicht zur Vergebung seiner Sünden getauft werden muss, weil er rein und heilig ist und den Willen Gottes vollkommen tut? Wann kommt der, der keine Gewissensnot mit sich herumschleppt?
Und eines Tages sah er ihn: den Sohn Gottes. Er zeigte auf ihn und sagte: „Das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“
Johannes der Täufer als Wegweiser zu Jesus Christus
Matthias Grünewald hat am Isenheimer Altar Johannes den Täufer ebenfalls dargestellt. Dabei zeigt Johannes eine charakteristische Handbewegung, wie ich sie hier gerade vorführe. Grünewald malt Johannes den Täufer mit einem überlangen Zeigefinger. Damit macht er deutlich, dass dies der Dienst des Johannes war: Wegbereiter und Hinweiser auf Jesus Christus. Johannes selbst trat dann zurück, als der kam, den er angekündigt hatte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Johannes der Täufer Buße gepredigt – eine raue, herbe Botschaft. Er sagte den Juden: Die Axt liegt schon an der Wurzel der Bäume, die Tenne wird bald gefegt, und Spreu und Weizen werden getrennt. Das war eine ziemlich scharfe Verkündigung.
Johannes predigte Sünde und nannte sie beim Namen, auch bei Herodes: „Es ist nicht recht, dass du sie hast.“ Auf moralischem Gebiet kündigte er Gericht an und forderte Buße. Er war wie eine Pflugschar, die das Volk Israel durchzog.
Doch als Jesus Christus kam, wurde aus dem harten, rauen Propheten ein leidenschaftlicher Evangelist. So lässt sich die Wende in seinem Dienst beschreiben. Von da an war seine Botschaft: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“
Hier darf ich kurz einfügen: Unser Dienst, wenn wir andere Menschen auf Jesus Christus hinweisen wollen, muss beides umfassen. Zum einen die raue, unangenehme und hoffentlich kompromisslose Botschaft, in der wir Menschen sagen, was Sünde ist und was nicht. Wir müssen zeigen, dass sie nicht im Willen Gottes leben, dass sie seine Gebote übertreten. Wir decken Schuld auf, predigen Buße und kündigen Gericht an.
Zum anderen soll unser Scheinwerfer auf das Kreuz Jesu leuchten – auf den, der die Sünde der Welt hinweggetragen hat.
Die Botschaft Johannes des Täufers über Jesus Christus
Wenn wir die Botschaft des Johannes betrachten, die er hier in diesen wenigen Versen zusammenfassend darlegt, fällt zunächst seine Betonung der Präexistenz Jesu auf. Er sagt, der, der hier kommt, war bereits vor mir da. Er war vor Abraham und hat schon immer gelebt. Es handelt sich um den ewigen Sohn Gottes, der aus der Ewigkeit in die Zeit gekommen ist.
„Gott wurde arm für uns und sandte seinen Sohn auf diese Erde.“ Johannes spricht hier von der Gottheit Jesu. In Vers 34 sagt er: „Ich habe gesehen und habe bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist.“ Zudem spricht er vom stellvertretenden Sühnopfer Jesu, dem zentralen Grund, warum Jesus kam. Sein Ziel war es, die Schuld dieser Welt wegzunehmen und somit das zentrale Problem der Menschheit zu lösen.
Schon der deutsche Dichter Schiller erkannte: „Der Übelgrößte ist die Schuld.“ Deshalb ist Jesus gekommen, um die Sünden der Welt wegzunehmen.
Die Persönlichkeit Johannes des Täufers und seine Demut
Das Geheimnis der Wirksamkeit des Johannes liegt darin, dass seine ganze Persönlichkeit vom Heiligen Geist beherrscht und durchdrungen war. Ich kann das zwar leicht sagen, aber was bedeutet es wirklich, wenn ein Menschenleben vom Heiligen Geist beherrscht und durchdrungen ist? Diese heilige Flamme löschte sogar die falschen Feuer von Stolz und Ehrgeiz im Leben des Johannes.
Diese heilige Flamme hat auch in meinem Leben noch etwas zu tun – und vielleicht auch in deinem – nämlich diese falschen Flammen von Stolz und Ehrgeiz auszulöschen.
Wenn wir Johannes den Täufer betrachten, sein ganzes Leben als Ganzes, könnten wir mit einem Wort sagen: Johannes der Täufer war demütig. Demut ist die herausragende Charaktereigenschaft dieses Mannes.
Jemand sagte einmal, die Kraft des Heiligen Geistes fällt nur auf diejenigen, die bereit sind, durch die Begleitung mit dieser Kraft unsichtbar gemacht zu werden. Der Heilige Geist, wenn er uns bekleidet und durchdringt, macht uns unsichtbar. Er macht uns klein und frisst diese falschen Flammen von Stolz, Ehrgeiz und dem Wunsch, etwas sein zu wollen, in dieser Welt und auch unter den Geschwistern.
Johannes war bescheiden und hielt sich stets im Hintergrund. Als er von den Abgesandten der Pharisäer aus Jerusalem gefragt wurde: „Wer bist du?“, ist es interessant, wie er antwortet. Jeder von uns kann sich auch vorstellen, wie man sich manchmal vorstellt, wenn man irgendwo hinkommt und sich vorstellen muss.
Interessant ist, wie sich Johannes vorstellt. Er wird gefragt: „Wer bist du? Was sagst du von dir selbst? Wie denken wir von uns selbst und was sagen wir von uns selbst?“ Seine Antwort lautet in Vers 23: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste: Macht gerade den Weg des Herrn!“ – so wie Jesaja, der Prophet, gesagt hat.
Es fällt auf, dass er sich selbst durch das Wort Gottes definiert, durch den Propheten Jesaja. Er zitiert Jesaja und sagt: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste.“ Er hätte auch sagen können: „Was fragt ihr, wer ich bin? Habt ihr das noch nicht gehört? Ich bin der Vorläufer Jesu Christi, ich bin der größte der Propheten des Alten Testaments.“ Ja, er hätte sich ganz anders vorstellen und ins Licht setzen können.
Doch stattdessen sagt er: „Ich bin eine Stimme eines Rufenden in der Wüste.“ Das ist eine sehr tiefgehende Aussage. Wisst ihr, dass Gott vor Johannes, vor seinem Auftreten, 400 Jahre lang in diesem Volk geschwiegen hatte? 400 Jahre lang hatte Gott nicht mehr zu Israel gesprochen. Der letzte der Propheten war Maleachi. Danach kam eine Sendepause, ein Schweigen Gottes als Gericht über dieses Volk.
Jetzt aber kommt wieder eine Stimme Gottes. Jetzt kommt jemand, der Worte von Gott bringt, der noch einmal zur Umkehr ruft und den Weg ebnet für den Sohn Gottes, der dann auftreten sollte.
Das ist ein schönes Zeugnis von sich selbst – ein demütiges „Ich bin nur eine namenlose Stimme“. Doch darin liegt viel: Gott redet wieder. Das ist auch gewaltig in unserem Leben, wenn Gott zu uns redet.
Wenn wir Gottes Stimme hören, sei es durch einen Beitrag in seinem Heiligtum, wie heute Morgen, oder beim Lesen der Bibel – ich muss gestehen, das geschieht nicht jeden Morgen, dass ich so richtig deutlich Gottes Stimme höre. Aber wenn es geschieht, sei es durch eine Predigt, durch eine Kassette, die ich im Auto höre, durch ein Gespräch mit einem Bruder oder einer Schwester, manchmal höre ich sogar die Stimme Gottes durch ein Gespräch mit Nichtchristen.
Auch Nichtchristen haben mir manchmal etwas zu sagen. All das kann zur Stimme Gottes für unser Leben werden, sodass wir wieder merken: Mensch, Gott redet mit mir. Er will mich weiterbringen, er will mich zurückbringen, er will mich wieder auf den Weg bringen, in die Spur.
Johannes der Täufer als Vorbild im Zurücktreten
Das Zeugnis des Johannes war niemals ichbezogen, sondern es richtete sich immer auf Christus. Er predigte nicht sich selbst und stellte sich nicht in den Mittelpunkt. Vielmehr war er wie ein Scheinwerfer, der auf Christus leuchtete.
Wir sehen, dass dies nicht nur ein Lippenbekenntnis war – nicht einfach ein ständiges Wiederholen von „Jesus, Jesus, Jesus“, das am Ende doch auf ihn selbst zurückführt. Wenn wir ein paar Verse weiter in Johannes 1,37 schauen, lesen wir: „Und es hörten ihn die zwei Jünger reden und folgten Jesus nach.“ Johannes hat also selbst miterlebt, wie Jünger, die eine Zeit lang ihm nachgefolgt waren, nun Jesus nachfolgten.
Seit über zwanzig Jahren versuche ich zu verstehen, wie es ist, wenn Menschen nicht mehr einem selbst nachfolgen, sondern einem anderen. Man hat sie eine Zeit lang begleitet, vielleicht auch geprägt und ihnen geholfen, die ersten Schritte zu gehen. Dann sollte es für jeden von uns eine Freude sein, wenn sie nicht mehr uns nachfolgen oder uns aus der Hand fressen, sondern wenn sie zu Christus gefunden haben. Wenn sie sagen: „Dich brauche ich jetzt nicht mehr, jetzt folge ich dem Herrn Jesus nach“ und eigene Schritte machen.
Für Johannes war das ein Grund zur Freude. Es kränkte ihn nicht in seiner Ehre oder sonst wie. Die Ehre des Messias bedeutete ihm mehr als seine eigene Ehre. In Johannes 3,30 lesen wir sein Lebensmotto, das unsichtbar über seinem Leben stand. Zuvor, in Vers 29, heißt es: „Der, der die Braut hat, ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der da steht und ihn hört, ist hocherfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude ist nun erfüllt.“
Johannes war der Brautwerber, der die Braut zum Bräutigam geführt hat. Als der Bräutigam kam, war er erfreut und sagte: „Meine Aufgabe ist jetzt erfüllt, ich kann in den Hintergrund treten. Jetzt ist Christus da, der Bräutigam.“
Dann folgt Vers 30: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Das ist ein gewaltiger Satz. Ich buchstabiere ihn noch einmal: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Der Herr Jesus will in uns wachsen und Gestalt gewinnen, wie Paulus einmal an die Galater schrieb. Er will in uns größer werden, und das geht nur, wenn wir selbst kleiner werden.
Johannes der Täufer lebte wirklich demütig. Seine größte Freude erreichte ihren Höhepunkt, als jeder ihn vergaß, die Stimme des Bräutigams hörte und Jesus Christus nachfolgte.
Die Verkündigung durch Leben und Wort
Johannes predigte durch seine Botschaft. Er predigte Buße und auch Christus. Er wies auf ihn hin und predigte die Vergebung der Sünden bei ihm, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt. Doch das war nur ein Teil seiner gesamten Verkündigung.
Er predigte durch das Wort, durch seine Botschaft. Aber vielleicht war die wichtigste Verkündigung sein Leben, sein gesamtes Leben.
In der ganzen Bibel finden wir immer wieder diese Wahrheit: Das Sein ist der Botschaft vorgeordnet. Unser Sein, so wie wir sind, wie wir leben, unsere Identität und wie wir als Christen in dieser Welt leben, stehen vor dem, was wir sagen.
Ihr kennt sicher alle diesen ernsten Satz: Dein Leben redet so laut, dass ich gar nicht hören kann, was du sagst. Unser Leben spricht lauter als das, was wir sagen. Wenn das nicht übereinstimmt, dann kommt eine verzerrte oder schlechte Botschaft beim Empfänger an.
Aber wenn unser Sein und das, was wir weitergeben – sei es im Gespräch, in der Predigt oder in der Bibelstunde – eine Einheit bilden, dann wirkt das durch unser ganzes Leben. Die Menschen schauen auf unser Leben, und das beeindruckt sie mehr als das, was wir sagen.
Jemand sagte einmal: Heilige sind Menschen, die es anderen leichter machen, an Gott zu glauben. So ein Mensch möchte ich gerne sein. Heilige sind Menschen, die es anderen leichter machen, an Gott zu glauben.
Es ist jedoch gar nicht so leicht, durch unser Leben den anderen das Glauben an Gott zu erleichtern.
Beobachtungen über Christen in der Sowjetunion
In diesem Zusammenhang war es für mich sehr interessant, als ich darauf stieß, wie in den Archiven der ehemaligen Sowjetunion zur Zeit Breschnews und seiner Leute über die Christen gedacht und geschrieben wurde.
Gerade in der Sowjetzeit hatten die Christen – die Evangeliumschristen-Baptisten und auch die Mennoniten – im großen Sowjetreich Zulauf. Die Gemeinden wuchsen, auch unter Verfolgung durch die Kommunisten. Dann wurde eine Untersuchung beauftragt, eine Erhebung sollte durchgeführt werden, um herauszufinden, warum die Evangeliumschristen-Baptisten trotz der Verfolgung und der vielen Restriktionen so viel Zulauf hatten.
Irgendwelche Geheimdienstleute stellten diese Statistik auf, führten die Untersuchung durch, gingen in Gemeinden und machten Umfragen. Anschließend kamen sie zurück und nannten vier Gründe, warum die Gemeinden der Evangeliumschristen-Baptisten in Russland wuchsen.
Erstens stellten sie fest, dass diese Leute gute Facharbeiter sind. Sie hatten am Arbeitsplatz nachgefragt und überall gute Zeugnisse erhalten. Diese Männer sind gute Facharbeiter, treu und zuverlässig. Zuerst wurde also am Arbeitsplatz und in der Schule gefragt, und überall bekam man positive Rückmeldungen.
Das Zweite, was sie feststellten, war, dass es keinen Alkoholismus unter ihnen gibt. Was für eine Not das in Russland ist, weiß man: Alkohol, Wodka, an allen Ecken und Enden Schnapsläden – eine große gesellschaftliche Herausforderung, nicht nur dort, sondern auch bei uns im Volk. Doch hier stellten sie fest, dass kein Alkoholismus vorhanden ist, auch kein Feierabend-Alkoholismus, kein gelegentlicher Konsum von ein paar Gläsern Wein oder Ähnlichem.
Drittens stellten sie fest, dass es keinen Streit in den Familien gibt, ein weitgehend harmonisches Familienleben. Das fiel auf und war signifikant, wie man sagt. Sie hatten Hunderte, ja Tausende Familien angeschaut und bemerkten, dass dort Generationen zusammenleben, ohne Streit – Eltern und Kinder, Großeltern und weitere Angehörige.
Viertens nannten sie in dieser Erhebung, dass keiner von ihnen ungetröstet sterben muss. Das fand ich besonders interessant. Keiner von ihnen muss ungetröstet sterben – so stand es in den Archiven der Kommunisten in Moskau irgendwo über die Christen geschrieben. Das ist doch hochinteressant.
Was meint ihr, wie Menschen dort sterben? Oft, entschuldigt den Ausdruck, wie Tiere – einfach so. Doch bei den Christen stellten sie fest: Keiner von ihnen muss ungetröstet sterben. Sie haben eine lebendige Hoffnung, sie trösten sich und stehen einander bis zum letzten Atemzug bei.
Ich bin gewiss, dass unsere liebe Schwester Oma Möser getröstet gestorben ist. Ich bin ganz sicher. Noch am Montag haben wir für sie gebetet, immer wieder, damit sie in Frieden heimgehen darf und ihrem Gott das bestätigen kann.
Keiner von ihnen muss ungetröstet sterben – das war der Punkt, der für diese Leute, die ja keine Christen waren, besonders hervorhob und sie von der restlichen Gesellschaft abhob.
Wir hätten sicher noch viele weitere Punkte zusammensammeln können, doch dieser stach besonders hervor. Ich wünsche mir, dass unser Leben auch in dieser Weise Zeugnis geben kann, vielleicht auch durch andere Dinge. Aber dass das auch in unserem Leben, in meinem Leben, zu finden ist.
Das Ende Johannes des Täufers und das Ja zum Vater
Ich muss schließen mit dem bekannten Satz, ihr lieben jungen Leute: Das Ende des Johannes des Täufers war gar nicht so glorreich.
Wie wir alle wissen, wurde er letztlich wegen eines Tanzmädchens enthauptet. Es war die Tochter der Herodias, die getanzt hatte. Ihr kennt diese Geschichte. Danach verlangte ihre Mutter das Haupt des Johannes des Täufers. Wir haben keine Zeit, hier näher darauf einzugehen. Sicherlich hatte Johannes im Gefängnis die Hoffnung, dass er befreit wird, dass er das Gefängnis noch einmal verlassen darf und erleben kann, wie derjenige, den er angekündigt hatte, sein Reich aufrichtet.
Vielleicht hoffte er darauf, dass Israel wieder zu großer Blüte kommt, so wie zur Zeit Davids und Salomos. Doch das durfte er nicht mehr erleben. Stattdessen erlebte er eine andere Befreiung: Er wurde direkt in den Himmel befreit. Von dort aus durfte er die Gefängniszelle verlassen und heimgehen zu Gott, zu seinem Herrn.
Jesus Christus hatte ihm noch diese letzte Botschaft persönlich übermittelt: Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. Selig ist, wer Ja sagt zu meinen Wegen. Selig ist, wer in Harmonie mit mir bleibt, auch wenn es nicht so kommt, wie wir es uns wünschen, auch wenn unsere Gebete zunächst nicht erhört werden.
Es ist manchmal sogar gut, dass unsere Gebete nicht erhört werden. Wo wären wir schon hingebetet, wenn alle unsere Gebete erfüllt würden? Ich würde heute sicherlich nicht hier stehen, hier nicht und auch auf keiner anderen Kanzel, wenn alle meine Gebete erhört worden wären – zum Glück nicht.
Es gilt der Satz: Wenn Gott Gebete nicht erhört, dann erhört er sie so, wie es besser für uns ist. So wie ein Vater oder eine Mutter nicht alle Wünsche von kleinen Kindern erfüllt und sie nicht auf die Herdplatte fassen lässt, sondern die Hand wegnimmt, damit Schaden abgewendet wird.
So wollen wir auch diese kurze Betrachtung über das Leben Johannes des Täufers schließen: Er hat bis zum Ende dieses Ja, Vater, gelebt. Dieses wunderbare Einverstanden sein mit Gottes Wegen hat er praktiziert – bis zum Schluss. Und dann durfte er das Ziel erreichen.
Abschlussgeschichte und Gebet
Lass mich mit einer Geschichte schließen. Ich habe es Norbert gestern schon angekündigt, dass ich diese Geschichte am Ende erzählen werde.
Es gab eine Familie, die umgezogen ist. Das kommt ja manchmal vor in unserem Leben. Wenn man dann alle Möbel hingestellt hat und so weit ist, dann werden am Schluss noch die Bilder und Wandsprüche aufgehängt. Das ist ja klar – am Ende kommen diese Sachen dran.
Die Familie hatte auch fast alles aufgehängt, aber bei einem Wandspruch wussten sie nicht, wohin damit. Darauf stand: „Ja, Vater!“ In ihrer letzten Ausweglosigkeit, in der Küche war noch so ein Eckchen frei. Dort haben sie den Wandspruch aufgehängt. Das ist eigentlich kein üblicher Platz für so einen schönen, inhaltsreichen Wandspruch.
Einige Zeit später fanden sie ihr neun Monate altes Kind tot im Bett liegen – plötzlicher Kindstod, Säuglingstod. Ich habe gelesen, dass das 15 Mal am Tag in der Bundesrepublik passiert. Das Kind lebte nicht mehr, es atmete nicht mehr. Der Notarzt wurde verständigt und kam, um das Kind zu reanimieren. Das geschah auf dem Küchentisch.
Sie legten das Kind auf den Tisch, und der Vater, der über den Rücken des Notarztes blickte, sah an die Wand in der Küche. Dort stand „Ja, Vater!“ In dem Augenblick wusste er sofort: Das Kind wird nicht mehr lebendig werden, der Herr hat es weggenommen.
„Ja, Vater!“ In diesem Moment konnte er innerlich loslassen und „Ja, Vater“ sagen. Ich wünsche uns allen, dass wir auch so eine Inschrift an den Wänden unseres Lebens hängen haben – sichtbar oder unsichtbar –, auf der steht: „Ja, Vater!“ Damit wir in Harmonie mit Gott bleiben und auch dann, wenn schwere Wege kommen, „Ja, Vater“ sagen können. Denn auch die schweren Wege sind wichtig, und wir werden in der Ewigkeit dafür danken.
Alles muss durchbuchstabiert werden, auch bei mir. Wenn wieder so etwas kommt, dann muss es durchbuchstabiert werden. Aber darin liegt viel Segen, wenn wir „Ja, Vater“ sagen können.
Wollen wir aufstehen zum Gebet?
Lieber himmlischer Vater, wir danken dir heute Morgen innig für das Lebenszeugnis Johannes des Täufers. Herr, wir sind uns bewusst, dass wir es nur angekratzt haben. Aber was hast du in dieses Leben gelegt! Was hast du hineingelegt an Führung, an göttlichen, ewigen Führungen! Wie hast du diesen Mann gebraucht, seine Botschaft, sein ganzes Leben!
Danke, Herr, dass wir gesehen haben, wie Leben und Botschaft bei ihm übereingestimmt haben. Herr, wir müssen bekennen, dass es bei uns noch Abweichungen gibt, manchmal große Abweichungen. Das betrübt uns und beugt uns. Hilf uns, Herr, dass unser Herr Jesus in uns wachsen kann, dass seine Gestalt sichtbar wird und das eigene Ich mit all seinen Überspanntheiten sterben muss und auch kleiner werden kann.
Herr, lass andere Menschen an uns Dich sehen. Gib, dass wir auch solche Heiligen sind und immer mehr werden, die es anderen leichter machen, an Dich zu glauben – deren Leben und Botschaft auf Christus hinweist.
Ich möchte dich auch bitten, dass wir dieses „Ja, Vater“ fest in unserem Herzen haben, dass es wirklich vor uns steht und wir es auch in schweren Stunden durchbuchstabieren können.
Danke, dass du gute Wege hast. Wir sehen es bei Johannes dem Täufer: Du hast ihn zum Ziel gebracht, hast sein Leben für dich verwendet, und so wird es auch bei uns sein.
Herr, wir wollen dich bitten, dass du auch unserer lieben Irmgard jetzt besonderen Trost schenkst, damit sie auch jetzt das „Ja, Vater“ sagen kann. Wir wollen es alle mit ihr zusammensagen und dir danken für das Leben, das zu Ende gegangen ist – für dieses reiche Leben, das auch etwas sein durfte für mich und für viele.
Danke, Herr, dass du auch schenken wirst, dass die Beerdigung dich verherrlicht und ein Zeugnis für dich sein wird.
Ja, Herr, so preisen wir dich, dass wir dich kennen, dass wir dich lieben dürfen und dir dienen dürfen. Lass das weiterhin das Höchste unseres Lebens sein! Amen!