Einführung: Schwermut und Glaubensprüfung in Philippi
Wir haben heute als Predigttext aus der Apostelgeschichte Kapitel 16 den Bericht unter dem Thema „Was sollen wir denn tun, wenn uns Schwermut überfällt“. Es geht darum, wie es Paulus in Philippi erging.
Man führte Paulus und Silas vor die Stadtrichter und sagte: „Diese Menschen bringen unsere Stadt in Aufruhr, sie sind Juden.“ Das war ein ganz typischer antisemitischer Satz. „Sie sind Juden“ – mit dem ganzen gehässigen Klang. Sie verkündigen eine Lehre, die uns nicht ziemt anzunehmen oder zu tun, weil wir Römer sind.
Das Volk wurde erregt, und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider abreißen und befahlen, sie mit Ruten zu schlagen. Unter uns sind Juristen, die wissen, dass bis heute in der Ausbildung unserer Juristen das römische Recht vorbildlich ist. Nach diesem Recht war es völlig unmöglich, einen Angeklagten ohne Prozess schlagen und peitschen zu lassen.
Diese Richter waren dem Volk zu Willen. Sie hingen ihr Fähnchen nach dem Wind, und Paulus war den Menschen preisgegeben – gewissenlosen Menschen, die nicht nach Recht fragten. Nachdem man sie hart geschlagen hatte – die Apostelgeschichte deutet diese Dinge nur ganz knapp an, um sie dann im Dunkeln zu lassen – wissen wir doch, dass es bis an die Grenze der Körperkraft und sogar des eigenen Lebens ging.
Man warf sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu verwahren. Dieser, nachdem er ein solches Gebot empfangen hatte, warf sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Stock.
Die Kraft des Lobpreises in der Dunkelheit
Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Die Gefangenen hörten ihnen dabei zu.
Plötzlich entstand ein großes Erdbeben, sodass sich die Grundfesten des Gefängnisses bewegten. Sofort öffneten sich alle Türen, und die Fesseln aller Gefangenen wurden gelöst.
Als der Kerkermeister aus dem Schlaf erwachte und sah, dass die Türen des Gefängnisses offen standen, zog er sein Schwert und wollte sich selbst töten. Er glaubte, die Gefangenen seien geflohen.
Paulus rief laut: „Tu dir nichts Übles, denn wir sind alle hier.“ Er forderte ein Licht an, sprang hinein, begann zu zittern und fiel Paulus und Silas zu Füßen. Dann führte er sie heraus und sagte: „Liebe Herren, was soll ich tun, damit ich gerettet werde?“
Sie antworteten: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig.“ Anschließend verkündeten sie ihm das Wort Gottes und allen, die in seinem Haus waren.
In derselben Nacht nahm er sie zu sich, wusch ihnen die Striemen ab, ließ sich taufen und taufte bald darauf alle seine Angehörigen. Dann führte er sie in sein Haus, deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Haus, weil er an Gott geglaubt hatte.
Mach dein Wort groß, damit wir auch mitten in traurigen Gedanken dich loben können. Amen!
Tradition und Erinnerung in der Gemeinde
Wir haben heute einen besonderen Anlass, allerdings nicht in diesem Gottesdienst, sondern eher im nächsten. Unsere Gemeindeglieder wurden gebeten, möglichst zum zweiten Gottesdienst zu kommen. Denn heute begehen wir etwas Ähnliches wie früher bei der Kirchweih.
Wissen Sie, das war in der Gemeinde immer eine Erinnerung daran, dass die Gemeinde eine Tradition hat, die weit zurückreicht. Vor uns gab es Menschen, mit denen wir verbunden sind, die diese Gemeinde gebaut und aufgerichtet haben.
Es ist interessant, dass sich die Kirchweihfeste landauf, landab schnell zu Kirmesveranstaltungen entwickelt haben. Wir haben den heutigen Tag so gestaltet, dass wir auch viel Freude daran haben.
Dennoch bin ich froh, dass dieses Wort, ganz der Reihe unserer Predigttexte folgend, die wir uns selbst ausgewählt haben, hier am Anfang unserer festlichen Gemeindetage steht.
Erinnerung an Leid und Lob in schweren Zeiten
Es hat mir vor ein paar Wochen bei einem Krankenbesuch ein Gemeindeglied erzählt, wie es damals mit der alten Ludwig-Hofacker-Kirche war. Diese Kirche, die ich selbst nicht mehr erlebt habe, stand unten an der Ecke. Seitdem denke ich daran, wenn ich an dem leeren Platz vorbeigehe, der heute der Rasen vor unserer Kirche ist.
Dort wurde ein Gottesdienst abgehalten, als ein Sohn des Pfarrers Scheible im Krieg gefallen war. Der letzte Liedvers, der in dieser Kirche gesungen wurde, war das Gloria: „Sei dir gesungen mit Menschen und mit Engelzungen.“ In der Nacht darauf haben Bomben diese Kirche ausgelöscht.
Was bedeutet es, wenn Menschen in dieser furchtbaren Zeit das Lob Gottes unter Tränen gesungen haben? Genau das will uns heute das Wort Gottes groß machen: nüchtern zu bleiben, auch im Glaubensleben als Christen. Nicht so zu tun, als ob es bei uns keine Traurigkeit mehr gäbe.
Manche zwingen sich zu einer ganz unnatürlichen Haltung, reden auf andere ein und tun so, als dürften wir das nicht mehr fühlen. Doch das wäre eine Lüge. Lügen haben mit Glauben nichts zu tun – als ob wir den Schmerz nicht mehr empfinden oder nicht traurig sein dürften.
Ehrlichkeit im Glauben: Traurigkeit als Teil des Lebens
Wer sich nur ein wenig mit den Zeugen des Glaubens im Neuen Testament beschäftigt, der erkennt, wie sehr diese Menschen getroffen waren. Man sieht, wie oft sie den Kopf hängen ließen und nicht mehr auf die Füße kamen, weil sie so schwer belastet waren von dem, was sie bewegte.
Wir wollen auch ehrlich sein und das voreinander aussprechen.
Mein erster Punkt: Die Traurigkeit hat handfeste Gründe. Wenn wir von Schwermut sprechen, denken wir dabei nicht nur an diese furchtbare Krankheit, gegen die wir völlig machtlos sind und die heute so viele Menschen unter uns heimsucht. Wir wissen, dass es niemanden in dieser Kirche gibt, der nicht unter Traurigkeit leidet oder nicht mit schweren Gedanken ringen muss.
Viele wissen gar nicht, woher diese Gedanken kommen und warum sie auf ihnen lasten.
Vor ein paar Tagen hatte ich auswärts einen Dienst. Ich habe nichts besonders Trostvolles gesagt, sprach vom Segen, den Gott auf ein Leben legen will. Beim Hinausgehen sah ich eine Dame, wie sie sich die Tränen aus den Augen wischte. Ich habe sie nicht angesprochen, sonst wäre ich auf sie zugegangen. Aber wenn ich das getan hätte, hätte sie ganz bestimmt gesagt: "Ach, haben Sie das beobachtet? Das war aber peinlich, dass Sie das gesehen haben. Nein, nein, bei mir ist alles in Ordnung," und wäre schnell davongelaufen.
Wir verbergen solche Gefühle voreinander, anstatt uns hier zu öffnen und zu sagen: "Ich weiß, dass du genau dasselbe durchmachen musst. Du kannst mir von Ähnlichem in deinem Leben erzählen. Hilf mir doch, wie ich jetzt aus diesem dunklen Tal wieder herauskomme. Sei doch bitte bei mir!"
Die Dunkelheit vor dem Lobpreis
Was mich hier bei dem Bericht aus dem Leben des Paulus überrascht, ist, dass dieser große Zeuge des Glaubens an einen Rand geführt wurde – an einen unheimlichen Rand, an dem Glaube in Unglaube umkippt.
Es bleibt für uns im Dunkeln, was sich genau dort abspielte. Wir wissen nur, dass Paulus Stunden brauchte, bis er sich wieder zum Lob Gottes durchringen konnte. Am Spätnachmittag wurde er in dieses Gefängnis geworfen, und erst um Mitternacht konnte er anfangen, Gott zu loben. Was zwischen fünf Uhr abends und zwölf Uhr nachts geschah, bleibt uns verborgen.
Man weiß, wie man sich in solchen Momenten oft selbst quält und sich fragt: Wo bleibt denn jetzt meine Freude? Warum lässt Gott das zu? Nicht nur, dass sie in die Hände von Richtern geraten waren, die jedes Recht gebeugt hatten und nur darauf achteten, nicht vom Publikum beschimpft zu werden – auch der Leiter des Gefängnisses war damals ein harter Zwölfender, ein ehemaliger abgehalfterter Offizier aus der römischen Armee, die damals für den Gefängnisdienst eingesetzt wurde.
Man kann sich gut vorstellen, wie dieser ganz gewöhnliche Mann den Auftrag bekam: „Pass gut auf!“ Er schlägt die Haken hinten an den Stiefeln zusammen und sagt: „Jawohl!“ Dann denkt er darüber nach, wie er den Befehl ausführen kann. Ob er dem Gefangenen vielleicht noch ein Glas Wasser bringen könnte? Nein! Er sieht nur seinen Befehl, seine Pflichttreue und seine Karriere, die er erfüllen muss. So lässt er diese halbtoten Gestalten in dieses dunkle Loch stecken.
Die Härte der äußeren Umstände
Was war das wohl? Das war doch wohl ein Schacht, in den er sie hinunterließ. Sie kennen doch diese bunkrausen Erzählungen, die in den Gefängnissen für besondere Anlässe reserviert sind. Wir dürfen uns doch vorstellen, dass in solchen Löchern die Ratten herumrennen, wie der Rücken zerschlagen war, wie das Blut herunterlief. Wie man sie dort in den Stock einschließt – da stellt sich plötzlich die Frage: Wie soll ich denn jetzt noch Loblieder singen können? Was gibt es denn noch zu loben? Warum lässt Gott das mit mir geschehen?
Wir wollen das ganz offen aussprechen. Wenn Sie überhaupt ein Auge für das Mitgrüsten um Sie herum haben, dann wird Ihnen das nie leichtfallen. Und Sie werden nie mehr den Satz sagen können – hoffentlich nie mehr –, wenn Sie als Gesunder vor dem Krankenbett stehen: „Wen der Herr liebhat, den züchtigt er.“ Dann sagt der Kranke: „Wenn er dich nur auch mal lieb hätte, lieber Freund.“ Wissen Sie, da vergeht Ihnen das.
Stattdessen gibt es Augenblicke, da sitzt man da und sagt: „Ich weiß wirklich nicht, was ich da sagen soll.“ Was hätten Sie einem solchen Apostel Paulus in diesem Augenblick als Trost zugerufen? Was hätten Sie ihm zur Stärkung gesagt?
Die Realität der Traurigkeit und ihre Ursachen
Die Traurigkeit hat handfeste Gründe, und dass wir schwermütig und belastet sind, hat ebenfalls handfeste Gründe.
Wenn Sie jetzt alle erzählen würden, was Sie durchmachen und was in der kommenden Woche wieder auf Ihnen lastet, dann hat auch das handfeste Gründe.
Gottes Licht in der Finsternis
Aber das Zweite, was wir sagen können, ist: Der Herr macht meine Finsternis Licht. Die Finsternis bleibt ganz finster, und doch wird sie hell um die Mitternacht.
Aber was war denn geschehen? Gar nichts war passiert. Kein Stückchen Hafterleichterung war eingetreten, kein Engel vom Himmel kam, gar nichts war passiert. Kein Erdbeben war geschehen, nichts, rein nichts.
Und Gott hat das größte Wunder vollbracht: dass Menschen, verlassen und preisgegeben, der Willkür brutaler Menschen ausgeliefert, plötzlich durch all dies hindurchblicken und Jesus vor Augen haben.
Jesus haben wir vor Augen in seiner unendlichen Liebe, wie er sein Leben für uns gelassen hat. Wie er uns ansieht in seiner ganzen Güte: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Was siehst du, Mensch? Ich bin doch da.
Und hinter diesem Jesus, in seiner Dornenkrone, sehen wir die ganze Größe dieses Herrn, der Macht hat über die ganze Welt. Plötzlich werden diese Richter harmlose Figuren.
Dann wissen sie, was Glauben ist. Ob sich Paulus und Silas gegenseitig zugerufen haben – was sind das für Augenblicke!
Die Aufgabe der Glaubenden in schweren Zeiten
Was wir tun wollen, wenn wir Kranke besuchen, ist, Geburtshelfer zu sein. Wir möchten, dass plötzlich die Erkenntnis entsteht, dass Menschen durchschauen, wie wir unter Gebet und im Ringen mit Gott versuchen, ihnen mehr zu zeigen als nur das Grauenvolle.
Wir wollen, dass sie nicht nur das Schlimme vor Augen haben, sondern den Herrn.
Wenn wir unter Stammeln, weil es nicht anders geht, ein Wort an den Gräbern sprechen oder Kondolenzbriefe schreiben, dann tun wir das nicht einfach, um ein paar Worte zu sagen. Wir möchten den Menschen sagen: Du musst dorthin sehen, dass dein Gott in Liebe brennt. Du bist nicht nur ein Spielball der Menschen, auch wenn alles so aussieht.
Er hat doch seinen Sohn für dich sterben lassen.
Zeugnis eines jungen Glaubenden in Leid
Ich war ein junger Mensch, ein Schüler, und ich erinnere mich noch genau, wie mich damals etwas sehr beeindruckt hat. Meine Eltern kamen vom Besuch eines Onkels zurück, der von einem betrunkenen Karnevalisten angefahren worden war. Das Unglück geschah in der Nacht, während einer Dienstreise. Aufgrund der schweren Verletzungen musste ihm ein Bein amputiert werden. Er litt unter furchtbaren Schmerzen.
Später starb er an einer Vereiterung der Wunde. In einem Gespräch mit meinen Eltern sagte er: „Manchmal sehe ich keinen Ausweg mehr. Wie soll ich Jugendpastor sein können, wenn ich so amputiert bin und nie eine Prothese tragen kann? Wie soll ich jemals wieder die Freude am Sport finden? Mein ganzes Leben ist zerstört.“
Doch dann dachte er daran, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht verschont hat. Gott hat ihm nicht nur einen Fuß genommen, sondern seinen eigenen Sohn für uns hingegeben. Deshalb ist sein Leben von der Herrlichkeit Gottes überstrahlt.
Das sagte er, während er in stöhnenden Schmerzen in einer Klinik lag. Man steht davor und fragt sich: „Wie kann er das ertragen?“ Und Sie haben ganz recht: Ich könnte das nicht. Natürlich könnten Sie das nicht. Aber der Herr will gerade in solchen Situationen ein Wunder wirken – wenn Sie in derselben Lage sind. Er macht Ihre Finsternis zu Licht.
Und dann fangen Sie plötzlich an zu singen. Sie singen Lieder, sodass die anderen Gefangenen in der Nacht aufwachen und hinhören. Wahrscheinlich klopfen sie an die Wände und rufen: „Sing weiter!“ Plötzlich erklingen ganz neue Töne in diesem Gefängnis, in dem sonst nur geflucht, gebrüllt und kommentiert wurde. Dort singen Menschen jetzt das Lob Gottes.
Die Verheißung des Lobgesangs trotz der Welt
Und wenn wir Christen ein Diener der Welt sind, haben wir nicht die Verheißung, dass wir die Welt verändern.
Wir haben jedoch die Verheißung, dass unsere Lobgesänge durch die Nacht hallen. Wir gehen durch die Welt, wischen uns die Tränen aus den Augen und singen unserem Herrn Lob.
Und die Elenden hören es und freuen sich daran. Der Herr macht meine Finsternis zu Licht.
Freiheit im Glauben trotz äußerer Bedrängnis
Noch ein letzter Punkt: Die äußeren Nöte können uns nicht mehr hindern.
Ich spreche gern frei zu Ihnen. Jede Predigt schreibe ich wörtlich aus. Das darf ich Ihnen einmal sagen. Letzten Sonntag ist mir dabei ein Fehler unterlaufen. Beim zweiten Gottesdienst konnte ich das noch ausbügeln. Ich wollte Ihnen nämlich noch ein Bild mitgeben, das aber für diesen Sonntag genauso gut passt.
Wenn wir die Ereignisse unseres Lebens beobachten, sehen wir die festgefügten Dinge, die passieren und uns schwer werden. Da ist der Gefängnisdirektor, da sind die bestechlichen Richter, da sind die Menschenmassen draußen, die Kerkermauern und die Ketten. Ich sehe all das vor mir.
Wenn Sie es so sehen – die Krankheitsmacht in Ihrem Leben, wenn Sie sehen, wie ein Mensch Sie hasst und Sie mit ihm zusammen im Beruf leben müssen, wenn Sie all die furchtbaren Gegebenheiten betrachten – oder wenn Gott Ihnen in Ihrem Leben viel aus der Hand geschlagen hat und Sie vielleicht behindert durchs Leben gehen müssen –, dann sagen Sie vielleicht: „Ich werde damit nicht fertig.“
Doch dann erkennt plötzlich der Glaubende: Diese festgefügten Gegebenheiten sind in der Hand meines Gottes nur Kulissen.
Es gefällt mir so bei Theateraufführungen, wie dort die tollsten Mauern dargestellt werden. Wenn man genau hinsieht, ist das nur ein bisschen Pappe. Wenn Sie da ein bisschen stark husten, kippt das Ganze schon um.
Man muss nur die richtige Perspektive auf die Gegebenheiten dieser Welt haben. Wir klagen und sagen: „So furchtbar, was geschehen ist!“ Doch dann zeigt uns die Bibel, dass aus der Sicht unseres Gottes das nur ganz lächerliche Kulissen sind, die er schiebt, wie er will.
Das Erdbeben als Symbol göttlicher Macht
Das, was sie heute bedrückt, ist folgendes: Es geschah ein großes Erdbeben, und die Türen des Gefängnisses öffneten sich.
Eine Sache ist dabei rätselhaft: Warum sind nicht alle Gefangenen geflohen? Ich selbst wäre gegangen. Natürlich, ich hätte doch Freiheit haben wollen. Wissen Sie, warum sie nicht gegangen sind? Es wird später im Kapitel noch erzählt – ich habe es Ihnen bisher nicht vorgelesen. Paulus und Silas wollten die Sache auch mit den Richtern klären.
Als die Richter ihren Büttel schickten und sagten, die Gefangenen könnten gehen, antworteten sie: Wir wollen nicht gehen, wir warten auf die Verhandlung. Sie waren niedergeschlagen, weil die Verhandlung ausblieb. Sie wollten, dass die Sache erledigt wird. Schließlich waren sie römische Bürger, die ohne Urteil geschlagen worden waren.
Dann kam es im Magistrat plötzlich zu einem Aufruhr. Der Herr Bürgermeister wurde herbeigerufen. Man holte einen Zylinder aus dem Schrank und fragte sich, wie man die Sache wieder in Ordnung bringen könne. Sollten sie eine Geldzahlung leisten und entschädigen?
Paulus zeigte Würde. Es ging ihm nicht darum, in der Welt von der Gunst der Menschen zu leben. Paulus hing nicht an der Freiheit, wie wir vielleicht denken. Er sagte nicht: „Wenn ich nur wieder Freiheit habe und freikomme.“ Paulus war diesen Dingen abgestorben. So sehr er sich auch an der Freiheit freute – ihm ging es um viel mehr. Sein Leben sollte für den Dienst an Gott gebraucht werden, und deshalb bewegte ihn das alles gar nicht mehr.
Die Haltung der Christen im Leid
Ich bin sehr unglücklich darüber, dass unter uns Blätter kursieren, die sich auf die Christen im Osten berufen und immer wieder dazu auffordern, Unterschriftenaktionen zu starten, damit sie freikommen.
In Russland haben wir bisher keinen einzigen Christen getroffen, der uns gebeten hat, ihm zu helfen, damit er freikommt. Stattdessen haben sie uns nur darum gebeten, für sie zu beten, damit sie im Gefängnis und im Straflager durchhalten.
Sie hängen nicht an der Freiheit. Vielmehr wollen sie ein Bekenntnis zu Jesus ablegen. Sie wissen, dass der Herr auch in Straflagern das Leben reich machen kann – selbst im Leid und in schweren Prüfungen. So können sie das Ausharren ertragen und dabei den Herrn loben.
Die bleibende Bedeutung des Erdbebens
Das ist gar nicht das Ende der Geschichte, dass Erdbeben die Türen öffnen. Das ist nur ein kleiner Zwischenblick. Die Dinge, die uns so festgefügt scheinen, lösen sich oft überraschend. Hoffentlich hängen wir nicht zu sehr an den kleinen Lösungen, die sich dann ergeben, sodass wir sagen: „Ach, nun bin ich ja ganz frei, nun hat sich alles gelöst.“ Denn morgen kommt ja die nächste Not wieder.
Vielmehr sollten wir erkennen, dass mitten in dieser Welt der Ängste und Leiden Gott mit uns redet. Die schweren Bedrängnisse, die ich durchmachen muss, sind so schwer, dass wir daran nie etwas abbiegen wollen. Die Last, die uns hier den Atem raubt, ist so schwer, dass sie eine über alle Maßen wichtige Herrlichkeit bewirkt, sagt Paulus. Denn wir sehen nicht mehr auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Wir haben ihn, den Herrn, vor Augen und wissen, dass er mein Leben weit machen wird. „Er stellt meinen Fuß auf den weiten Raum“, heißt es im Psalm, und er macht mich ganz ruhig. Er löst meine Nöte, und ich darf fröhlich ihm die Lobchöre singen.
Blick in die Ewigkeit: Rückblick auf das Leben
Stell dir vor, wenn wir einmal in der Ewigkeit sind, werden wir einen Rückblick auf unser Leben haben. Dann wird es uns nur rätselhaft erscheinen, wenn wir vor dem Thron Jesu stehen und ihn anbeten, warum wir eigentlich so wenig laut die Loblieder gesungen haben.
Warum haben wir so viel geklagt und gejammert? Warum haben wir so viel über Probleme gesprochen? Im Licht der Ewigkeit hat sich doch alles wie im Nu aufgelöst. Alles war so klein, so kurz und so wenig wirr.
Wenn wir heute unsere Loblieder singen und wissen, dass er der Herr unseres Lebens ist, der uns trägt und zum Ziel bringt, dann erkennen wir, wie wichtig es ist, ihn zu preisen.
Schlusswort: Glaube als Antwort auf Schwermut
Was sollen wir tun, wenn uns Schwermut überfällt?
Im Glauben auf ihn blicken: Glaube an den Herrn Jesus. Dann wirst du und dein Haus selig sein. Amen.
Gebet und Segen
Wir wollen beten.
Herr Jesus Christus, du hast uns die Augen geöffnet, dass in der Welt Mächte wirken, die nur verhindern wollen, dass wir dir Lobgesang bringen. Sie hindern die Verkündigung deines Namens, so wie damals in Philippi.
Herr, wir beugen uns darunter, dass wir so oft diesen Mächten nachgeben und ihnen zu Willen sind. Dann lassen wir uns von schweren Gedanken bedrängen und glauben dir nicht mehr, dass du alle Macht im Himmel und auf Erden hast. Wir schauen nicht mehr auf dich und erinnern uns nicht mehr an deine großen Verheißungen. Ja, Herr, das ist Unglaube.
Wir sind dir so dankbar, dass du uns jetzt wieder zu dir gerufen hast und wir neu auf dich schauen dürfen. Alles, was wir in deinem Namen beginnen, wissen wir, kann uns nicht aus deiner Hand reißen – egal, was geschieht. Wenn die Wellen noch so wild daherstürmen, bist du stärker und größer in der Höhe. Du behütest uns so, dass uns gar nichts geschehen kann. Herr, dafür sei dir Dank.
Wir wollen jetzt auch Fürbitte tun für alle, die in unserer Mitte durch große Not hindurchgehen. Ganz besonders denken wir an die, die von krankhafter Schwermut heimgesucht sind und kein Licht mehr sehen. Du kannst sie in ihrer Dunkelheit durch dein Wort erreichen.
Dir befehlen wir die Schwerkranken an, die so lange liegen müssen, die Alten, die sich mit dem Abnehmen ihrer Kraft nicht abfinden können, und die durch schwere Unglücksfälle hindurchgehen. Gib doch, dass sie nicht nur dulden, sondern überwinden können und in allem noch deinen Namen loben. Dass du auch bei ihnen Lobgesänge gibst mitten in der Nacht.
Wir danken dir auch für das Treffen, das wir heute haben, und für die Begegnung mit Freunden, die früher an dieser Stelle mitgearbeitet haben. Lass unser Zusammenkommen immer nur dazu dienen, dass Menschen im Glauben aufgebaut werden, dass sie in der Gemeinschaft mit dir gestärkt werden und zu einem lebendigen Glauben kommen, der sie zum ewigen Leben trägt.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Nun geht unter dem Segen des Herrn:
Herr segne uns und behüte uns,
Herr lasse dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig,
Herr hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.