Die Leute, die uns hier musikalisch begleiten – mir persönlich gefällt sehr, dass ihr so dezent spielt. Neulich war ich irgendwo, da begann wieder der Kampf um die Millimeter am Mischpult, ja? Aber ihr macht das ganz hervorragend.
Es geht weiter mit dem Thema Identität. Auch wenn ich inzwischen die Saulsrüstung anlegen musste, bleibt mir hier nichts erspart. Unsere wahre Identität in Christus – ich habe es schon angedeutet – wir werden uns mit Paulus beschäftigen, Paulus, den Apostel der Identität.
Wir haben die Frage gestellt: Wer bin ich? Ich habe vorhin versäumt zu erwähnen, dass einige dieser schönen Folien von Roland Antholzer stammen, der ja auch hier unter uns ist. Ich wollte schon im letzten Vortrag sagen, dass ich auch einige der Gedanken zum Thema Identität bei ihm und bei vielen anderen Brüdern und Autoren gelernt habe.
Grundverständnis von Identität und ihre biblische Verankerung
Was bedeutet Identität? Wir haben gesehen, woher das Wort selbst stammt, und wir haben es definiert als eine innere Übereinstimmung mit sich selbst. Ich bin derjenige, als den mich die anderen wahrnehmen. Ich bin derselbe, nicht heute der eine und morgen ein anderer.
Durch die Wiedergeburt, sagten wir in der letzten Folie, wird Christus unser Leben. Damit wird uns eine neue, eine perfekte Identität geschenkt. Diese neue Identität müssen wir uns im Glauben zu eigen machen. Das funktioniert nicht automatisch und auch nicht aus eigener Kraft. Vielmehr dürfen und müssen wir sie im Glauben ergreifen.
Unser letzter Satz lautete: In Christus kann jedes Identitätsproblem seine Lösung finden. Er bringt uns nämlich alles zurück, was Adam uns geraubt hat.
Hier habe ich eine Gegenüberstellung: Der erste Adam und der letzte Adam, so wird unser Herr Jesus im 1. Korinther 15,45 genannt. Der erste Adam wandte sich vom Vater ab – in einem Garten, dem Garten Eden. Der letzte Adam hingegen wandte sich zum Vater hin, ebenfalls in einem Garten, nämlich in Gethsemane.
Der erste Adam war nackt und schämte sich. Christus war nackt und trug unsere Scham. Der erste sündigte und brachte uns Dornen. Christus blieb ohne Sünde, trug am Ende eine Dornenkrone. Das ist nicht zufällig. Dornen sind das Symbol des Fluches über die Sünde, der Sünde, die in diese Welt gekommen ist.
Adam sündigte an einem Holz. Der Herr Jesus trug unsere Sünden auf dem Holz, wie Petrus schreibt (1. Petrus 2,24). Adam stellte sich an die Stelle Gottes, Christus wurde unser Stellvertreter vor Gott. Adam starb als Sünder. Jesus starb für die Sünder.
Seht ihr, dass er uns alles zurückbrachte, was Adam uns geraubt hat? Ich möchte behaupten: Wir haben heute in Christus mehr als Adam hatte, bevor er in Sünde fiel. Adam war vollkommen, aber er war nicht in Christus.
Paulus als Vorbild und Lehrer der Identität in Christus
Das ist eine Formulierung, die ich heute Morgen besonders herausarbeiten möchte: „in Christus sein“.
Ich glaube, dass Paulus der Apostel der Identität ist. Er hatte selbst eine starke Identität in Christus und kommunizierte dieses Thema häufig in seinen Briefen. Im Neuen Testament finden wir dreizehn Paulusbriefe, vielleicht sogar vierzehn, wenn man den Hebräerbrief ebenfalls ihm zuschreibt. Bleiben wir jedoch bei den dreizehn, deren Urheberschaft als sicher gilt. In all diesen Briefen begegnet uns das Thema „in Christus sein“.
Wir können heute Morgen jedoch nicht alle dreizehn Briefe behandeln. Von diesen dreizehn Briefen richteten sich sieben an Gemeinden. Zwei Gemeinden erhielten jeweils zwei Briefe, sodass Paulus neun dieser dreizehn Briefe an Gemeinden schrieb.
Wenn wir uns die Hauptbotschaft dieser Briefe anschauen, fällt Folgendes auf: Im Römerbrief steht das zentrale Thema, das die Reformation auslöste, im Mittelpunkt – die Rechtfertigung in Christus. Die Korintherbriefe behandeln die Heiligung in Christus, also wie Christen leben, die durch den Glauben gerecht geworden sind, in dieser Welt. Der Galaterbrief spricht von der Freiheit in Christus, der Epheserbrief von der Einheit in Christus, der Philipperbrief von der Freude in Christus, der Kolosserbrief von der Vollkommenheit in Christus und die Thessalonicherbriefe von der Verherrlichung in Christus.
Glaubt ihr, dass das Zufall ist? Ich kann das nicht glauben. Es ist doch offensichtlich: So wie der Herr Jesus sieben Briefe an die Gemeinden vom Himmel sandte in den Sendschreiben, haben wir hier Briefe von Paulus an sieben Gemeinden. Und sie enthalten alle diese aufbauende Botschaft: alles in Christus.
Die Evangelien zeigen uns, was der Herr Jesus durch sein Leben, Leiden, Sterben und seine Auferstehung für uns bewirkt hat. Die Briefe erklären und erläutern uns diese geistlichen Wahrheiten und führen uns tiefer hinein.
Hier sehen wir es auf einen Blick. Ich werde drei Briefe herausgreifen und mit dem ersten Korintherbrief beginnen. Dort finden wir nämlich Aussagen darüber, wie Paulus selbst diese Identität in Christus gefunden hat.
Die persönliche Identitätserfahrung des Paulus im ersten Korintherbrief
Wer seine Bibel hat und mitlesen möchte: Im 1. Korinther 15, dem großen Auferstehungskapitel der Bibel, beginnt Paulus damit, die historischen Zeugen der Auferstehung zu beschreiben. Einige hat er bereits genannt, und dann fügt er ab Vers 8 hinzu: „Zuletzt aber von allen, gleichsam der unzeitigen Geburt“, nennt er sich selbst eine unzeitige Geburt.
Er bezeichnet sich so, weil er als Einziger den Herrn Jesus nicht mehr in seinen Erdentagen auf dieser Erde erlebt hat. Paulus meint das Erscheinen des Herrn Jesus vor Damaskus. Er sagt: „Ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden.“ Warum? Weil er die Gemeinde Gottes verfolgt hat. Doch durch Gottes Gnade ist er, was er ist.
Für Paulus ist das die Identitätsaussage der Bibel schlechthin. Es gibt keine größere in der ganzen Bibel: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Wenn jemand das heute sagen kann – und alle, die das sagen können, denen kann man nur gratulieren und sie beglückwünschen – wenn ein Mensch das begriffen hat: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Immer wenn die Bibel etwas sagt, was wir sind oder was ich bin – im Singular –, dann ist das Identität.
„Ich bin einer, den die Gnade fand, und durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Paulus fährt fort und sagt, dass seine Gnade ihm gegenüber nicht vergeblich gewesen sei. Er habe viel mehr gearbeitet als alle anderen. Doch fügt er schnell hinzu: „Nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir war.“
Saulus wurde ein Zeuge des auferstandenen Christus. Dieses Ereignis vor Damaskus veränderte seine Identität grundlegend. Hätte man ihn vorher getroffen und gefragt: „Saulus, wer bist du?“, hätte er gesagt: „Ich bin ein Pharisäer aus dem Stamm Benjamin, dem Stamm, aus dem der erste König Israels kam, Saul, dessen Namen ich trage.“
Er hätte hinzugefügt, dass er unsträflich im Gesetz sei. Und er hätte ein Rat geschlagen wie ein Pfau – voller Stolz. Das war seine Identität vor Damaskus. Doch dort fand eine Umwertung aller Werte statt. Er blieb im selben Körper, doch er bekam eine neue Identität. Die Gnade definierte ihn neu.
Er war nicht mehr der rebellische Christenverfolger, an dessen Händen Blut klebte. Er hatte die Oberaufsicht bei der Steinigung des Stephanus. Er war nicht mehr der jüdische Eiferer, dieser gesetzliche Feuergeist. Saulus von Tarsus war Christ geworden, ein Kind des lebendigen Gottes, ein wahrer Jünger Jesu.
Was für ein Kontrast! Paulus sagt selbst, dass seine Bekehrung und Verwandlung ein Vorbild für alle Menschen auf der Erde sein sollte. Wenn Gott es geschafft hat, aus einem fanatischen Christenverfolger den größten Missionar zu machen, den die Kirche Jesu Christi je hatte, dann kann er jeden Menschen verändern.
Dann kann er aus Alkoholikern friedliche Familienväter machen, aus Betrügern ehrliche Menschen, aus unmoralischen Menschen treue und gute Bürger. Das kann Gott. Paulus sagt: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“
Die Bedeutung der Gnade für die Identität des Christen
Welche Vorstellung verbinden wir mit dem Wort Gnade? Ist es für uns etwas Pietistisches, Liturgisches oder Frömmlerisches? Manche mögen das Wort Gnade nicht.
Für mich ist es jedoch das Hauptwort der Bibel. Wenn man die Bibel in einem Wort zusammenfassen wollte – was man zwar nicht muss, aber wenn man es versuchen würde – welches Wort würde besser passen als Gnade?
Gnade bedeutet, etwas ohne Verdienst und ohne Würdigkeit geschenkt zu bekommen. Im Gegenteil: Man hatte das Gegenteil verdient, bekommt nun aber etwas geschenkt, nämlich Vergebung der Schuld, der gesamten Lebensschuld, Frieden, das Leben mit Gott, ewiges Leben, eine Kind-Vater-Beziehung zu Gott, kurz: eine neue Identität. Und dann lebt man in und aus diesem Geschenk.
Gnade ist nicht etwas, das man intellektuell begreift und abhakt, um einen Haken zu setzen. Man lebt in und aus der Gnade. Christen leben in der Gnade. Paulus sagt an die Korinther, er und seine Mitarbeiter hätten ihr Leben in der Gnade geführt.
Jemand sagte einmal: Ein Vogel lebt in der Luft, ein Fisch im Wasser, und Christen leben in der Gnade. Das ist doch großartig ausgedrückt. Christen leben in der Gnade. Die Gnade ist sozusagen unser Lebenselixier, so wie der Vogel für die Luft geschaffen wurde und der Fisch fürs Wasser.
So leben wir Christen in der Gnade. Es ist der Raum, in dem wir leben. Unsere geistliche Geographie ist die Gnade. Wir Christen leben in und aus der Gnade.
Wir wachen morgens auf und danken Gott für seine Gnade. Wir danken ihm, dass wir aufwachen und aufstehen dürfen. Wir alle konnten heute unser Bett verlassen – was für eine Gnade!
Dann gehen wir an unsere Alltagspflichten, leben durch den Tag und danken Gott abends wieder für seine Gnade. Zuerst für die Gnade der Rettung am Kreuz, aber auch für Gnade in der Gestalt von Hilfe, Beistand, Führung, Trost und allem, was Gott uns jeden Tag gibt.
Das alles ist Gnade. Wir leben in und aus der Gnade.
Die Herausforderung der Vergangenheit und die neue Identität in Korinth
Warum schreibt Paulus diese Sätze ausgerechnet den Korinthern und nicht den Ephesern oder Philippern? Warum gerade den Korinthern? Ich glaube, das hat einen Sinn.
Die Korinther hatten eine Vergangenheit, genauso wie ich eine Vergangenheit habe und viele von euch auch. Ich meine keine unrühmliche Vergangenheit, sondern eine wirklich unrühmliche. Wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Er zählt auf: Unzüchtige, Unzüchtige, Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Habsüchtige, Trunkenbolde, Lästerer und Räuber werden das Reich Gottes nicht erben.
Aus genau diesem Holz waren die Korinther einst geschnitzt. Korinth war eine Hafenstadt, das Sankt Pauli des Altertums. Es gab eine Redewendung: Wenn man ein besonders liederliches Leben beschreiben wollte, musste man das nicht lange ausführen. Man sagte einfach, er oder sie lebt korinthisch – und jeder wusste, was gemeint war. Korinthisch leben, da habt ihr es.
Unsere moderne Gesellschaft gleicht immer mehr der Situation in Korinth. Immer mehr. Darum sagt ein Mann namens Gardener: Die beiden Korintherbriefe werden die wichtigsten Briefe am Ende des Gemeindezeitalters sein, weil die Gesellschaft, in der wir leben, immer mehr der von Korinth gleicht.
Und dann fährt er fort: „Und das sind manche von euch gewesen. Vorbei! Ihr seid abgewaschen durch das Bad der Wiedergeburt. Ihr seid geheiligt, das heißt, für Gott ausgesondert, und ihr seid gerechtfertigt worden. Das heißt, von Gott für gerecht erklärt worden.“ So müssten wir das ganz korrekt übersetzen: „Ihr seid für gerecht erklärt worden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.“
Seht ihr, das war die alte Identität der Korinther – und vielleicht auch von manchem von uns. Und das ist die neue Identität.
Die Herausforderung des Glaubens an die neue Identität
Ich habe eine Frage an euch. Wenn ihr wollt – und wirklich nur, wenn ihr wollt – dürft ihr euch beteiligen und mal den Arm heben. Nur die Mutigen unter euch werden das vielleicht machen. Wer es nicht tut, ist auch in Ordnung.
Wer von euch glaubt, dass er in Gottes Augen genauso gerecht und angenommen ist wie Ulrich Parzany, der große Evangelist? Wer von euch glaubt das? Tatsächlich glauben das einige. Wenn ich ihn mal wieder treffe, werde ich ihm sagen: „Du, in Memmingen stellen sich alle mit dir auf eine Stufe.“ Dann wird er aber staunen.
Ich kann das noch ein bisschen steigern: Wer von euch glaubt, dass er in Gottes Augen genauso gerecht und angenommen ist wie der Apostel Paulus, der diesen Brief geschrieben hat? Tretet mal um! Unfassbar, ja, die Hälfte der Leute hat sich gemeldet.
Und ich kann noch weiter steigern: Wer von euch glaubt, dass er in Gottes Augen genauso gerecht und angenommen ist wie der Herr Jesus Christus selbst? Nicht zu fassen! Ungefähr die gleiche Anzahl von Leuten hat sich wieder gemeldet.
Das ist doch nicht möglich. Stellt ihr euch wirklich auf eine Stufe mit diesen genannten Personen? Habt ein paar Minuten Geduld. Wir lösen die Spannung, die jetzt hier im Raum steht, gleich auf.
Die Bedeutung der Rechtfertigung am Beispiel einer Geschichte
Ich muss euch eine nette Geschichte erzählen. Napoleon, der französische Kaiser und Oberbefehlshaber der französischen Armee, ist mit seinen Truppen neunmal durch Hünfeld geritten – durch diese kleine hessische Stadt, wo ich heute lebe. Ich weiß nicht, was er dort verloren hat.
Einmal nahm er eine Truppenparade ab, allerdings nicht in Hünfeld, sondern in Frankreich, meinetwegen in Paris. Es war Hochsommer, und dreitausend Soldaten waren angetreten. Für alle Nicht-Militaristen unter uns: Wenn man in einer militärischen Formation angetreten ist, muss man stehen bleiben und darf sich nicht bewegen. Selbst wenn es ein Erdbeben gäbe, darf man sich nicht bewegen.
Napoleon ritt auf seinem Schimmel an der Formation vorbei. Plötzlich geschah etwas, das nicht im Drehbuch stand: Eine Biene oder Wespe flog vor den Nüstern des Pferdes herum. Das Pferd scheute, stieg auf die Hinterläufe und machte einen Tanz. Beinahe wäre Napoleon auf seinen Allerwertesten gefallen. Das wäre eine Blamage gewesen vor all den Soldaten.
Diese Blamage wäre auch passiert, wenn nicht ein einfacher Soldat, ein Grenadier und somit der unterste Dienstgrad, aus der Formation herausgesprungen wäre. Er hätte das Pferd am Zügel gegriffen und heruntergerissen. Napoleon erkannte sofort, was geschehen war. Die Österreicher sagen, er „überriss“ es – er erkannte, dass er diesem einfachen Grenadier die Vermeidung der Blamage zu verdanken hatte.
Daraufhin zeigte sich Napoleon großzügig und erkenntlich. Er stieg vom Pferd ab und rief laut, so dass es alle hören konnten: „Merci, Captain!“ – Danke, Hauptmann! In diesem Augenblick beförderte er den Grenadier vom einfachen Soldaten zum Hauptmann. Zwischen diesen Dienstgraden liegen bei der Bundeswehr zwölf Stufen – ein riesiger Karrieresprung! So etwas hat es wahrscheinlich nur einmal gegeben.
Aber jetzt kommt das Eigentliche an der Geschichte: Der Grenadier ging nicht zurück an seinen Platz, wo er eben noch gestanden hatte. Stattdessen ging er sofort auf die andere Seite, wo die Offiziere standen. Er war doch gerade zum Hauptmann ernannt worden, oder nicht? Der Kaiser hatte ihn befördert und ihn „Herr Hauptmann“ genannt. Also wechselte er die Seite.
Wer von uns hätte das gemacht? Von diesem Moment an wurde er mit „Herr Hauptmann“ angeredet. Er bekam Hauptmannsgehalt, obwohl er noch gar nicht wusste, wie man eine Kompanie befehligt. Vielleicht konnte er nicht einmal mit Messer und Gabel im Offizierskasino essen. Das war egal – er war in diesem Augenblick Hauptmann geworden. Das geschah in einem Augenblick. Danach musste er noch viele Jahre lernen, wie ein Hauptmann zu leben.
Ihr merkt, warum ich das erzähle: Wir müssen zwischen Rechtfertigung und Heiligung unterscheiden. Die Rechtfertigung ist der Augenblick, in dem man von Gott für gerecht erklärt wird, in dem man wiedergeboren wird und eine neue Identität erhält. Das geschieht in einem Moment; man kann sich nicht langsam dorthin hinarbeiten.
In einem Augenblick wird man von Gott gerecht gesprochen. Danach beginnt der lebenslange Prozess der Heiligung, der erst endet, wenn sich der Sargdeckel über uns schließt oder wir die Entrückung der Gemeinde miterleben sollten. Manche glauben, dass wir erst durch die Trübsal gehen müssen – jedem geschehe nach seinem Glauben.
Die Heiligung ist ein lebenslanger Prozess. Wir müssen verstehen: Wir sind von Gott begnadigt worden, wir sind gerecht erklärt worden – so wie der Hauptmann in einem Augenblick Offizier wurde. Nun können wir, wenn wir das verstanden haben, wie Paulus sagen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“
Dieses Bekenntnis ist für mich sehr befreiend. Es zeigt Gottes Fürsorge für die Vergangenheit. Ich habe leider auch eine Vergangenheit und einen langen Umweg gemacht. Mein Weg hätte so leicht sein können, wenn ich aus einem gläubigen Elternhaus käme. Dort wären viele Spuren schon gelegt gewesen.
Es hätte so leicht sein können für mich, aber ich habe leider einen acht Jahre langen Umweg gemacht. Darum weiß ich, was es bedeutet, wenn die Vergangenheit im Licht Gottes bereinigt ist. Dann gibt es nichts mehr, was anklagt oder belastet, nichts mehr, das wie ein Eisenbahnwaggon abgekoppelt wird.
Aber die Gnade ist auch die größte identitätsschaffende Kraft, die es gibt. Sie ist Gottes Fürsorge für Gegenwart und Zukunft. Deshalb können wir heute in der Gnade leben, wie der Fisch im Wasser und der Vogel in der Luft. Wir leben in der Gnade und schöpfen daraus. Johannes schreibt, dass wir „Gnade um Gnade“ aus Gottes Fülle nehmen.
Das ist Gottes Fürsorge für Gegenwart und Zukunft. An dieser Stelle darf ich fragen: Kennst du diese Kraft? Lebst du darin? Ist die Gnade für dich dein Lebenselixier geworden? Dankst du für die Gnade? Ist sie das, was dich definiert? Kannst du wie Paulus sagen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“?
Die neue Schöpfung und Identität im zweiten Korintherbrief
Wir sind bereits beim zweiten Brief, den wir uns anschauen. Wenn wir nur ein paar Seiten weiterblättern, kommen wir zu 2. Korinther 5. Dort finden wir eine weitere herausragende Identitätsaussage der Bibel, nämlich Vers 17.
Paulus schreibt erneut den Korinthern: „Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Das ist Identität. Das Alte steht für die alte Identität, das Neue bedeutet, dass jemand in Christus ist.
William MacDonald sagte einmal, dass dies der Lieblingsvers all derer ist, die sich vor kurzem bekehrt haben. Sie freuen sich sehr über diesen Vers. Ich erinnere mich noch gut, wie es bei mir war, als ich ihn zum ersten Mal in meiner Bibel las.
Dann fand ich ihn auf einer Karte, die Dean Lang sehr schön gestaltet hatte – verziert und verschnörkelt. Diese Karte gefiel mir so gut, dass ich 40 Stück davon kaufte und sie an alte Freunde, Bundeswehrkameraden und alle, die ich von früher kannte, verschickte, darunter auch meinen alten Lehrer. Sogar meinen Parteiaustritt aus einer Partei mit einem C vorne habe ich mit diesem schönen Spruch erklärt – nur nebenbei erwähnt.
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Wir freuen uns alle über diese Aussage. Aber habt ihr sie schon einmal genau durchdacht? Was ist denn eigentlich neu geworden durch die Gnade, wenn Paulus schreibt: „Neues ist geworden“?
Eine neue Geburt fand statt – die Wiedergeburt, eine geistliche Geburt von oben, nicht die irdische, die uns das biologische Leben schenkt. Ein neuer Herr regiert seitdem: Christus. Ein neues Vorzeichen vor der Klammer, ein Plus statt Minus – jemand hat einmal eine Broschüre mit dem Titel „Von Minus zu Plus“ geschrieben.
Ein neues Herz wurde eingepflanzt, ein fleischernes Herz. Die Bibel spricht von einem steinernen Herz und einem fleischernen Herz. Stein ist anorganisch, ohne Nerven. Wenn man darauf schlägt, zerspringt er in viele Teile, aber er empfindet keinen Schmerz. Wehe dir, wenn du deinen Daumen triffst, dann merkst du, wie viele Nerven darin sind. Ein fleischernes Herz hingegen empfindet etwas – für die Liebe Gottes, für die Liebe des Heilands.
Eine neue Schöpfung fand statt. Ein neues Denken zog ein. Christen haben eine ganz neue Weltanschauung und beurteilen das ganze Leben, die Politik und die Weltgeschichte anders. So wie der Autor des Buches „Gott und die Geschichte“, das wir vorhin vorgestellt haben.
Ein neues Denken zog ein, eine neue Liebe wurde entfacht für den Erlöser. Christentum ist eine Beziehung – eine Glaubens- und Liebesbeziehung, aber auch eine Gehorsamsbeziehung zu Jesus Christus. Christen könnten eher ohne Kopf und Hände leben als ohne ihren Heiland. Sie lieben ihren Erlöser. Das ist Christentum.
Ein neues Verlangen ist da, diesem Herrn zu gefallen – nicht zuerst Menschen, Ältesten oder sonst wem, sondern dem Herrn. Eine neue Gemeinschaft wurde gestiftet: Die Familie Gottes ist meine Familie geworden. Ich habe unendlich viele Brüder und Schwestern.
Eine neue Kraft ist vorhanden: die Kraft des Heiligen Geistes, die von innen her umgestaltet. Eine neue Freiheit, nicht um zu sündigen, sondern um Gott zu dienen. Und schließlich ein neues Leben.
Wenn wir das alles ein wenig aufschlüsseln, erkennen wir, was Paulus meint, wenn er sagt: „Neues ist geworden.“ Jeder von uns muss selbst beurteilen, wie weit dieses Neue in seinem Leben schon präsent ist. Vielleicht ist das eine oder andere noch schwach und muss wachsen. Aber grundsätzlich wäre es gewaltig, wenn dieses Neue in unserem Leben Wirklichkeit geworden ist.
Ein paar Verse später fährt Paulus fort und erklärt, wie es dazu kam, dass wir diese neue Identität, dieses neue Geschenk, erhalten haben: „Denn er, Gott, hat den, der von keiner Sünde wusste, Sünde überhaupt nicht kannte, geschweige denn praktizierte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“
Auch das ist eine Identitätsaussage. Hier steht, dass wir Gerechtigkeit werden. Das betrifft unser Sein. Wir kennen nicht nur Gerechtigkeit, wir haben nicht nur davon gehört – wir sind Gerechtigkeit geworden. Das ist Identität. Christen sind gerecht; sie leben in Gerechtigkeit. Es ist wichtig, dass das jedem klar ist.
Das geschah am Kreuz. Damit wir eine neue Identität finden konnten, gab der Sohn Gottes, Jesus, der als sündloses Lamm auf diese Erde gekommen war, seine Identität auf. Er wurde zur Sünde für uns. Er bekam nicht nur Sünde aufgelegt oder wurde mit Sünde bestraft – er wurde zur Sünde.
Hier steht ausdrücklich: Er wurde zur Sünde. Ich kann es nicht anders sagen: Er nahm eine neue Identität an, er wurde ein Sünder. Als Martin Luther Christus so am Kreuz vor seinem geistigen Auge sah, sagte er einmal: „Als Christus am Kreuz hing, war er der größte Mörder, Ehebrecher und Heiligtumsschänder, der je gelebt hat.“ Nicht, weil er diese Dinge getan hätte, sondern weil wir sie getan hatten und er sie auf sich genommen hat.
Er wurde zur Sünde, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm. Noch einmal: Das ist Identität. Wir sollten Gerechtigkeit werden.
Rechtfertigung und Heiligung im Heidelberger Katechismus
In der Reformationszeit entstanden verschiedene Katechismen. Damals gab es noch viele Analphabeten. Deshalb stellte man eine Frage und gab dann die Antwort, die die Leute auswendig lernten. Sie waren viel besser im Memorieren als wir heute und konnten einen ganzen Katechismus komplett auswendig.
Einer dieser Katechismen ist der Heidelberger Katechismus. Hier ist Frage sechzig: „Wie bist du gerecht vor Gott?“ Wenn du einmal vor Gott stehst und er dich fragt: „Warum soll ich dich in meinen Himmel hineinlassen?“, was antwortest du ihm dann?
Hör dir hier die Antwort der Verfasser des Heidelberger Katechismus an: „Allein durch wahren Glauben an Jesus Christus. Zwar klagt mich mein Gewissen an, dass ich gegen alle Gebote Gottes schwer gesündigt habe und keines je gehalten habe und noch immer zu allem Bösen geneigt bin.“
Ist das so?
„Es ist so!“
„Aber, Gott, Gott aber!“
„Schenkt mir ganz ohne meinen Verdienst aus lauter Gnade die vollkommene Genugtuung und Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi, errechnet sie mir an, als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt und selbst den ganzen Gehorsam vollbracht, den Christus für mich geleistet hat, wenn ich allein diese Wohltat mit gläubigem Herzen annehme.“
Kann man das noch besser mit so wenigen Sätzen ausdrücken? Ich glaube nicht. Das ist wunderbar auf den Punkt gebracht. Das heißt: Gerechtigkeit geworden in Christus, das Geheimnis der Gerechtigkeit erlebt zu haben, der Rechtfertigung, des Gerechtgesprochenwerdens vor Gott.
Darf ich noch einmal die Frage stellen und damit auch auflösen: Wer von euch glaubt, dass er in den Augen Gottes genauso gerecht und angenommen ist wie alle, die sich vorhin gemeldet haben? Ja, ihr braucht euch nicht mehr zu melden.
Hat denn Ulrich Barzani eine andere Gerechtigkeit als die, von der wir eben gesprochen haben, nämlich die des Heidelberger Katechismus?
Er hat dieselbe Gerechtigkeit geschenkt bekommen.
Hat denn der Apostel Paulus eine andere Gerechtigkeit?
Nein, er hat die Gerechtigkeit Jesu Christi geschenkt bekommen.
Und jetzt kommt ein Unterschied: Unser Herr Jesus musste nicht begnadet werden, das wissen wir. Aber die Gerechtigkeit, die er durch sein sündloses Leben erworben hat und durch sein unschuldiges Sterben am Kreuz, die haben wir geschenkt bekommen.
Darum können wir sagen: Wir sind genauso gerecht wie Barzani, Billy Graham, Petrus, Paulus und alle anderen, die diese Gerechtigkeit geschenkt bekommen haben.
Ich hoffe, ich konnte das mit meinen schwachen menschlichen Worten deutlich machen.
Die Herausforderung der Gesetzlichkeit im Galaterbrief
Drittens: Identität im Galaterbrief.
Wir greifen noch einmal den Galaterbrief heraus, der auch an der Reformation beteiligt war, die vor 500 Jahren stattfand. Ich muss das kurz erklären: In die jungen galatischen Gemeinden drangen gesetzliche Juden ein. Sie waren zwar Gläubige, aber noch stark vom alttestamentlichen Gesetz geprägt. Diese Juden kamen in das Gebiet der heutigen Türkei, wo die galatischen Gemeinden lagen, und sagten: „Hey, ihr Galater, eure Identität steht in Frage. Da stimmt etwas nicht ganz. Ihr seid noch nicht gut genug. Ihr braucht noch ein bisschen mehr jüdische Identität, um gute Christen zu werden.“
Was meinten sie damit? Ihr glaubt an Jesus, okay, das machen wir auch. Aber ihr solltet trotzdem erst einmal beschnitten werden. Das ist ja wohl das Mindeste: beschnitten werden und dann den Sabbat halten. Dabei muss man wissen, dass sich von den 613 Geboten, die die Juden zu halten hatten, allein mehr als hundert auf das Sabbatgebot bezogen. Der Sabbat ist für einen orthodoxen Juden das A und O; fast alles dreht sich um den Sabbat. Es gibt sogar 1.500 Ausführungsbestimmungen zum Sabbat.
Ihr solltet trotzdem beschnitten werden, den Sabbat halten, die Speisegebote aus 3. Mose 11 beachten, die jüdischen Feste einhalten und dergleichen mehr.
Wie antwortet Paulus auf dieses Evangelium, das diese Leute in die galatischen Gemeinden gebracht hatten? Sehr scharf. Er nennt diesen Ansatz ganz unschmeichelhaft „Lehre“ in Galater 1. Er sagt: Wenn ein Engel vom Himmel käme und so etwas predigen würde, so ein vermischtes Evangelium, der sei anathema, der sei verflucht.
Jetzt ist interessant: Wie geht Paulus im Galaterbrief weiter vor? Er hat das im Kapitel 1 abgehandelt. Würde er jetzt noch weitere fünf Kapitel verwenden, um die Integrität dieser Irrlehre zu zerstören und sie in schlechtes Licht zu rücken? Das hätte er ja auch machen können. Nein, stattdessen zeigt er den Galatern eine Christusoffenbarung.
Ich glaube, dass wir in jedem Brief der Bibel und auch in jedem Buch der Bibel, in allen 66 Büchern, eine Christusoffenbarung haben. Christus ist die Mitte der Schrift. Ich habe sie nicht in allen Büchern so entdeckt, wie ich meine, sie im Galaterbrief entdeckt zu haben.
Paulus schreibt den Galatern, wie es anfing: Gott hat seinen Sohn in ihm offenbart. Damit beginnt es dort, vor Damaskus. Bis dahin dachte Paulus, Jesus sei ein jüdischer Sektierer, und er und seine Anhänger müssten alle beseitigt werden. Dann hat Gott seinen Sohn in ihm offenbart. Die drei Tage, als er blind im Keller bei Ananias saß, in Damaskus, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er verstand, wer dieser Sohn ist und was er für uns getan hat.
Ihr Lieben, wir müssen den Sohn erkennen, nicht nur ein wenig berührt sein von ihm oder ihn wie ein Etikett auf eine Flasche kleben. Wir müssen ergriffen sein von ihm. Damit beginnt es: Gott offenbart seinen Sohn in einem Menschen. Das ist Wiedergeburt, wenn Gott einem Menschen zeigt, wer sein Sohn ist und was er für ihn getan hat. Und dann kann dieser Sohn in uns leben.
Galater 2,20 ist ein beliebter Vers, der Täuflingen zugesprochen wird. Auch bei meiner Taufe wurde mir das zugesprochen. Paulus schreibt: „Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.“
Wenn Gott seinen Sohn in einem Menschen offenbart hat, dann kann dieser Sohn auch in einem Menschen leben. Ist das irgendwie mystisch? Ist das Autosuggestion, dass man sich das einreden müsste? Nein, Christus lebt in einem Christen. Darum wurden die ersten Christen in Antiochia Christen genannt, weil man Christus an ihnen sehen konnte.
Und das ist das Nächste: Christus soll in mir Gestalt gewinnen. Paulus schreibt in Kapitel 4, Vers 19, dass er noch einmal Geburtswehen erleidet um die Galater, bis Christus in ihnen Gestalt gewonnen hat. Einmal musste er schon um sie Geburtswehen leiden, als er dorthin kam und das Evangelium verkündigte, ob sie sich bekehren würden oder nicht. Und jetzt muss er noch einmal Geburtswehen erleiden, bis Christus in ihnen Gestalt gewinnt.
Wenn Menschen anfangen, sich mit dem Sabbat herumzuplagen, mit Speisegeboten und Festkalendern usw., dann sieht man nicht mehr Christus. Dann sieht man gesetzliche Dinge, aber nicht mehr Christus. Christus musste neue Gestalt in ihnen gewinnen. Darum hat Paulus ihn neu vor die Augen gemalt als den Gekreuzigten.
Persönliche Erfahrungen mit der Gestaltwerdung Christi
Ihr habt vorhin unsere Kinder gesehen, die schon zu Beginn hier waren. Wir sind sehr dankbar für die beiden. Durch Gottes Güte haben sie sich sehr früh bekehrt: unser Sohn mit sechs Jahren, unsere Tochter mit sieben. Das ist nicht unser Verdienst als Eltern. Sie haben immer daran festgehalten – das ist ganz sicher nicht unser Verdienst. Wir haben mehr Fehler gemacht als alle anderen und hätten sie mit unseren vielen Fehlern für immer von Christus wegtreiben können. Aber durch Gottes Gnade sind sie bei ihm geblieben.
Als unser Sohn etwa 14 Jahre alt war, lernte er durch seine Klassenkameraden Ballerspiele kennen, sogenannte Egoshooter, bei denen man auf alles schießt, was sich bewegt. Manche introvertierte Jungs fahren darauf ab, wie Fliegen auf den Fliegenfänger – manchmal sogar erwachsene Männer. In dieser Zeit haben wir intensiv für ihn gebetet. Er hat LAN-Partys besucht, bei denen sechs bis acht Computer vernetzt waren, und der Raum war voller Elektrosmog. So haben sie geballert. Wir haben viele hundert Stunden Gespräche mit ihm geführt.
Unsere Tochter hat nie Ballerspiele gespielt, aber plötzlich wurden bestimmte Serien wichtig, wie „Deutschland sucht den Superstar“ und ähnliche Formate. Auch für sie haben wir intensiv gebetet. Dann lasen wir den Galaterbrief, und ich sagte zu meiner Frau Silvia: „Wir müssen noch gezielter beten, damit Christus in ihnen Gestalt gewinnt.“ Was haben wir getan? Ganz bewusst noch mehr dafür gebetet.
Sie haben immer festgehalten und keinen Gottesdienst versäumt, aber die anderen Dinge waren ebenfalls präsent. Dann ging unser Sohn auf eine Freizeit – natürlich eine Impact-Freizeit nach Spanien. Dort hörte er einen Vortrag, kam zurück und warf alle Spiele weg. Heute warnt er andere Jugendliche davor, diese Spiele zu spielen.
Unsere Tochter bereitet uns ebenfalls große Freude. Beide sind zwar noch nicht über den Berg, es kann noch manches schiefgehen, aber wir freuen uns sehr an ihnen. Christus hat Gestalt gewonnen. Sie durften beide schon andere Menschen für Jesus gewinnen, zum Beispiel Kommilitonen.
Paulus zeigt, wie das aussieht, wenn Christus Gestalt gewonnen hat: Dann ist die Frucht des Geistes sichtbar in einem Menschen. Er verändert sich im Charakter, wird geduldiger, liebevoller, barmherziger, ehrlicher und so weiter. Wir könnten noch vieles aufzählen. Das ist eine Christusoffenbarung im Galaterbrief, liebe Brüder und Schwestern. Und das soll auch in unserem Leben geschehen – nicht nur bei den Galatern.
Es ist schön, wenn ihr heute sagt: „Ach, ich habe ein paar nette Vorträge gehört.“ Aber noch schöner wäre es, wenn ihr sagen könntet: „An diesem Bruder und an jener Schwester habe ich Christus gesehen.“ Paulus verwendet immer wieder das griechische Wort synchristo, was „mit Christus verwachsen“ bedeutet. „Syn“ heißt immer „zusammen“, wie in Synergie oder Symphonie – immer zusammen.
Synchristo bedeutet, dass wir als Gläubige völlig mit Christus verwachsen sind. Wir sind mit ihm gekreuzigt; wir hingen mit dort an diesem Kreuz. Als die Sünde am Kreuz gerichtet wurde, war auch die Sünde unseres Lebens dabei. Wir sind mit ihm gekreuzigt, mit ihm gestorben, mit ihm begraben worden und mit ihm auferstanden.
Viele hören hier auf, aber es geht noch einen Schritt weiter: Wir sind mit Christus in den Himmel versetzt worden. Unser geistlicher Stand, unsere Stellung ist jetzt schon im Himmel. Wir sind immer dort, wo das Haupt ist, und das Haupt ist jetzt im Himmel. Obwohl wir hier auf der Erde leben, sind wir schon im Himmel, weil wir völlig mit Christus verwachsen sind.
Das heißt: Unsere neue Identität ist „in Christus“. Darauf wollte ich mit diesem Vortrag hinaus. Wir sind in ihm gerecht gemacht, angenommen, vollkommen gemacht, unantastbar und unanklagbar. Nicht einmal Teufel und Dämonen können uns mehr verklagen. Wir sind passend für den Himmel in Christus.
Wenn du in Christus bist, bist du passend für den Himmel. Wenn du nicht in ihm bist, wirst du niemals den Himmel sehen. Macdonald schreibt im Kommentar zum Neuen Testament: Wenn Gott jemanden rettet, gibt er dieser Person sofort die Eignung für den Himmel. Diese Eignung ist Christus selbst. Sie ist durch nichts zu verbessern, nicht einmal ein langes Leben des Gehorsams und des Dienstes hier auf Erden macht jemanden geeigneter für den Himmel als am Tag seiner Bekehrung. Sein Anspruch auf die Herrlichkeit gründet allein in Jesu Blut.
Ist das nicht großartig ausgedrückt? Du bist passend für den Himmel, wenn du in Christus bist und diese neue Identität hast.
Auf dieser Erde leben nur zwei Arten von Menschen – auch in diesem Raum sind nur zwei Arten von Menschen. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht. Adam und Christus werden als Repräsentanten von zwei Menschengruppen gesehen: die gefallene Menschheit in Adam und die gerettete, die Erlöste in Christus.
Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten, nur diese beiden Gruppen: solche, die noch in Adam sind, oder solche, die schon in Christus sind. Dieser Ausdruck „in Christus“ ist eine Terminologie des Paulus. Er verwendet diesen Ausdruck 216 Mal im Neuen Testament. Außer Paulus kommt er noch viermal bei anderen Autoren vor.
Merkt ihr, warum Paulus der Apostel der Identität ist? Immer wenn steht, dass einer „in Christus“ ist oder eine „in ihm“, dann gilt das auch mir. Wenn ich das im Neuen Testament lese, heißt das: Ich bin einer in Christus. 97 Mal steht „in Christus“, die anderen Male „im Herrn“, „in ihm“ – das bezieht sich ja immer darauf.
216 Mal „in Christus“ – das ist unsere neue Identität.
Veranschaulichung der Identität in Christus
Weil man manche Wahrheiten besser versteht, wenn sie illustriert werden, habe ich hier eine kleine Sache vorbereitet. Das kennen manche schon, und es ist auch nichts Besonderes.
Ich komme mal hier herum: Da ist eine Wasserschüssel und der berühmte Schwamm. Der Schwamm ist natürlich jetzt noch voller Luft, klar. Wenn ich jetzt die Luft langsam herausgedrückt habe, sieht das ungefähr so aus: Jetzt ist der Schwamm im Wasser, und das Wasser ist im Schwamm. Ist das irgendwie komisch, mystisch oder esoterisch? Nein, das ist ganz normal. Das Wasser ist im Schwamm, und der Schwamm ist im Wasser.
Christus ist kein Schwamm, und wir sind nicht Wasser oder so ähnlich. Ich will nur diese Wahrheit verdeutlichen: Das ist unsere Stellung – wir sind in Christus, und Christus ist in uns. So wie wir es hier sehen. Damit ihr es noch eine Weile anschauen könnt, stelle ich es jetzt hin und trockne mir meine Hände ab. Dann geht es weiter.
Also, ihr seht diese Illustration. Dann habe ich noch extra für die Damenwelt unter uns etwas vorbereitet: eine Matroschka-Puppe. Ihr kennt sie alle. Da ist noch eine Puppe drin. Wenn ich die jetzt aufschraube, ist die nächste drin. Und das könnte ich noch sechsmal machen, denn es sind sieben Stück drin, die immer kleiner werden.
Hier sehen wir Christus in uns und wir in ihm. Manchmal hilft es, wenn man sich das auch veranschaulicht. Das ist nicht mystisch, nicht komisch und keine Autosuggestion. Er lebt in uns. Wenn er in unser Leben gekommen ist, wohnt er unsichtbar in unserem Herzen, regiert uns, und wir folgen ihm nach. Wir sind mit ihm völlig vereinigt – er in uns und wir in ihm. Das ist unsere neue Stellung.
Der Ausdruck „in Christus“ bedeutet, so sagt Macdonald, mehr Annahme, Nähe und Sicherheit, als ein menschlicher Geist verstehen kann. Ich sagte vorhin, dass wir in Christus mehr haben, als Adam hatte, bevor er in Sünde fiel. Hier sehen wir es: Wir haben in ihm Annahme, diese Geborgenheit, die wir brauchen, und wir haben in ihm Sicherheit. Er stillt unsere tiefsten Bedürfnisse, gibt uns Wert und Sicherheit. Das haben wir in ihm, mehr als ein menschlicher Geist erfassen kann.
Christen haben vor Gott die gleiche Stellung wie Christus. Das ist unsere Identität. Ich sagte zu Beginn, wir müssen das aber im Glauben ergreifen, annehmen und verinnerlichen.
Die Bedeutung des Glaubens für das Ergreifen der Identität
Hier wird eine wichtige Aussage über die Israeliten gemacht, die aus Ägypten kamen. Diese Aussage ist mir sehr wichtig geworden. Es heißt, dass auch uns eine gute Botschaft verkündigt worden ist, so wie jenen, den Israeliten. Doch das gehörte Wort nützte ihnen nicht, weil es sich bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verband.
Ein großes Volk zog aus Ägypten, doch nur zwei sind in Israel angekommen, im Land Kanaan: Josua und Kaleb. Es verband sich nicht mit Glauben. Alle hätten das verheißene Land erreichen können – alle. Hier geht es übrigens nicht um die Errettung oder das ewige Leben, sondern darum, das Land zu erreichen.
Diese Aussagen der Schrift, die wir finden und die mit Identität zu tun haben – die sagen, was ich bin, wer ich bin; wie Paulus sagt: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ – diese Aussagen müssen sich mit unserem Glauben verbinden.
Ein Mann namens Neil Anderson hat ein großes Verdienst erworben. Ich bin nicht mit allem glücklich, was er je gesagt und geschrieben hat, aber er war der Erste, der in seinem Buch „Neues Leben, neue Identität“ alle Identitätsaussagen des Neuen Testaments aufgelistet hat. Er war der Erste, und lange Zeit gab es überhaupt kein anderes Buch zum Thema Identität. So ein wichtiges Thema!
Was wird in unseren Gemeinden alles zusammengepredigt? Dann kommst du in Gemeinden, die sagen, dass in fünfzig Jahren nie etwas über unsere Identität in Christus gesagt wurde. Das haut mich um.
Ich bin ein Kind Gottes, ich bin ein Miterbe Christi, ich teile sein Erbe mit ihm, ich bin heilig und gerecht. Schaut mal, ich kann das jetzt nicht alles vorlesen. Das sind alles Aussagen – ich habe nur eine Seite hier. So macht Anderson vier Seiten lang eine Liste mit allen Identitätsaussagen.
Und wo es darauf ankommt – mein letzter Punkt jetzt: Wenn du das heute Morgen innerlich nachvollzogen hast und dir dieses Thema verständlich geworden ist, nimm diese Aussagen der Bibel und danke Gott im Gebet dafür.
Wie beweist man denn, dass man ein Geschenk angenommen hat? Es gibt doch nur einen Weg. Wenn morgen jemand kommt und dir eine tolle Pralinenschachtel schenkt und du sagst: „Nee, das kann ich aber nicht annehmen, das geht nicht“, dann gehört sie nicht dir. Aber sobald du „Danke“ sagst, beweist du, dass du das Geschenk angenommen hast.
So ist es auch geistlich: Du darfst Gott danken dafür, dass er dir so eine Identität in Christus gegeben hat. Geh auf die Knie und sag: „Herr, ich danke dir, dass ich dein Kind bin. Ich danke dir, dass ich in deinen Augen heilig und gerecht bin. Ich preise dich, dass ich ein Kind des Lichts bin.“ Und alle weiteren Aussagen musst du einmal so durch Danken in dein Leben nehmen.
Haben wir das ewige Leben auf andere Weise empfangen? Natürlich nicht. Wir haben Gott dafür gedankt. Das steht alles in der Bibel, und das ist alles wahr. Aber wenn ich es nicht glaubend in mein Leben nehme und beweise durch Danken, dass ich es angenommen habe, dann flattert es irgendwo herum, aber es wird nicht seine Kraft entfalten in meinem Leben, obwohl es wahr ist.
Durch dankbare Annahme im Glauben werden geistliche Aussagen in unserem Leben erfahrbare Realität.
Ich habe noch eine ganz kurze Zeit. Vorhin hat Jochen Schuchardt Bücher vorgestellt, und ich fand, er hat das ganz hervorragend gemacht. Ich würde die Bücher gerne alle mitnehmen, die er vorgestellt hat. Das geht nicht, aber ich darf jetzt mal zum Thema Identität in ganz großer Kürze etwas sagen. Ich mache das viel schneller.
