Schön, dass ihr alle nach dem Experiment gestern wieder da seid. Ich hoffe, es war niemand völlig überrascht. Ich fand es einfach unglaublich passend zum Thema Liebe, nicht einfach zu sagen: „Okay, das sind jetzt nur ein paar Verse, da machen wir schnell einen Vortrag, und dann geht es wieder weiter mit 1. Korinther 14.“
In 1. Korinther 14 wird es inhaltlich oft komplizierter. Man kann nicht alles so leicht zusammenfassen oder erklären. Ich hoffe, ihr habt verstanden, dass das nicht funktioniert. Man kann nicht einerseits sagen, Liebe sei mit Abstand das Wichtigste, was wir verstehen müssen, und andererseits über die Texte einfach hinweggehen.
Das war die Intention, warum wir gestern den ganzen Abend einem eigentlich sehr kurzen Kapitel, nämlich Kapitel 13, gewidmet haben.
Einführung in den Kontext und die Bedeutung der geistlichen Gaben
Wo stehen wir? Wir befinden uns in der Bibelwoche, im zweiten Teil des Ersten Korintherbriefs. Genauer gesagt, in einem großen Abschnitt, der die Kapitel 12, 13 und 14 umfasst. Diese Kapitel gehören thematisch zusammen.
Am Anfang von Kapitel 12 schreibt Paulus eine Formulierung, die darauf schließen lässt, dass er ganz konkrete Fragen erhalten hat. Er sagt: "1. Korinther 12,1: Was aber die geistlichen Gaben betrifft..." Diese Formulierung "Was aber betrifft" leitet ein neues Thema ein.
Wir wissen, dass das, worüber Paulus hier schreibt, zwei Ursprünge hat. Zum einen sind das Berichte von den Hausgenossen der Chloe – Leute, die von Korinth nach Ephesus gekommen waren, um Paulus mitzuteilen, was gerade in Korinth passiert. Zum anderen wissen wir von einem Brief, den die Korinther an Paulus geschrieben haben.
Die Kapitel 12, 13 und 14 behandeln ein Thema, bei dem Paulus ganz allgemein sagt: "Was aber die geistlichen Gaben betrifft..." Dabei muss uns klar sein, dass wir in einem Brieftext nie ganz genau wissen, worum es im Detail geht. Man versucht oft, einen solchen Text wie einen Lexikonartikel zu behandeln. Ein Lexikonartikel erklärt das Wesentliche zu einem bestimmten Thema.
Ein Brieftext funktioniert jedoch anders. Er will nicht alles zu einem Thema sagen, vielleicht nicht einmal das Wesentliche. Er setzt das Wesentliche manchmal einfach voraus und beantwortet nur die Frage, die gerade im Raum steht. Wir bekommen also eine Antwort, ohne die genaue Frage zu kennen. Deshalb müssen wir mühsam aus der Antwort herauslesen, was die Frage gewesen sein könnte.
Heute werden wir Kapitel 14 zu Ende lesen. Dabei werden wir feststellen, dass Paulus ganz am Ende darauf eingeht, wie der Gottesdienst ablaufen soll. Es geht also um relativ banale, ablauforganisatorische Lösungen.
Aus diesem Abschnitt leitet man ab, dass die Korinther ein grundlegendes Problem mit dem Ablauf ihres Gottesdienstes hatten. Die Korinther kamen zum Gottesdienst, und anscheinend entstand ein mehr oder weniger wüstes Tohuwabohu. Jeder wollte sich möglichst effektiv zur Schau stellen, sich einbringen und zeigen, wie toll er ist. Am Ende blieb die eigentliche Intention des Gottesdienstes – nämlich zusammen Gott anzubeten – völlig auf der Strecke.
Herausforderungen und Chancen im Gottesdienst der Korinther
So, und jetzt habe ich so ein Kuddelmuddel, und in diesem Kuddelmuddel passieren Dinge, die richtig gut sind, nämlich dass sich Leute einbringen, die absolut richtig sind. Die Leute sind tatsächlich begabt. Es geht nicht darum zu sagen: Jetzt haltet mal alle die Klappe. Es geht auch nicht darum, dass sich alle zurückziehen sollen.
Gleichzeitig muss ich den Korinthern Verhaltensregeln an die Hand geben, wie das Miteinander funktionieren kann. Diese Regeln sind vielleicht anders, als man heutzutage manchmal Gottesdienste erlebt. Heute habe ich oft den Eindruck, man trifft sich so, und dann herrscht ein globales Schweigen. Es passiert gar nichts.
Wenn du mal, also ich weiß nicht, ich bin bestimmt ein paarmal in Spandau gewesen. Wir haben dort Gebetsgemeinschaften, und wir machen das anders. Wir sind kleiner, und dann gibt es so ein Mikrofon, und dann heißt es: Wir haben jetzt unseren ersten Gebetsblock. Wer möchte beten? Und wir hatten mindestens dreimal die Situation, dass sich dieser erste Gebetsblock so fast schon typisch entwickelt hat.
Entwickelt heißt: Drei, vier Gebete, und dann dachten alle, jetzt sind wir fertig. Da bin ich immer nach vorne gegangen und habe gesagt: Wisst ihr was? Jetzt fangen wir noch mal von vorne an. Also bei 40, 50 Leuten im Raum sind drei Gebete einfach zu wenig. Wir wollten Gott anbeten, nicht nur ein bisschen, sondern richtig.
Irgendwann haben die Geschwister gemerkt: Aha, es geht nicht darum, dass man einfach nur mal ein bisschen betet und nach dem dritten Gebet jeder innerlich so einen Stoßseufzer macht. So nach dem Motto: Hör mal, mehr als drei braucht man ja nicht im Gottesdienst. Sondern Gottesdienst ist der Ort, wo wir uns treffen und im Idealfall jeder etwas mitbringt.
Das machen wir nachher im zweiten Teil. Aber bevor wir da hinkommen: Gottesdienst ist ein Ort, an den man weniger kommt, um bespaßt zu werden, sondern mehr ein Ort, an den ich komme, um andere zu bespaßen. So wie wir es uns in Kapitel 12 lang und breit angeschaut haben, wo ich mit meiner Gabe hineingehe, um anderen mit meiner Gabe zu dienen.
Die Vielfalt der Gaben und ihre Bedeutung für die Gemeinde
Paulus beginnt mit einer grundlegenden Idee: Jeder Mensch ist begabt. Dieses "jeder ist begabt" betont er besonders, indem er sagt, dass niemand alles kann und deshalb jeder im Zusammenspiel gebraucht wird. Jeder hat eine andere Gabe.
1. Korinther 12 zeigt uns eine Vielzahl von Gaben. Mir war es wichtig, euch zu sagen, dass dies nur ein Ausschnitt ist – ein Ausschnitt aus den vielen Möglichkeiten an Gaben, die Gott gibt. Es ist der Ausschnitt, der für die Gemeinde in Korinth im ersten Jahrhundert, etwa 54 nach Christus, relevant war. Gott gibt uns heute andere Gaben, unsere Gaben, die für uns wichtig sind.
Wenn du hier sitzt und sagen kannst: „Ich bin Kind Gottes“, dann bist du begabt. Bitte vergiss das nie. Du bist begabt und mit dieser Begabung hast du auch einen Auftrag erhalten. Gott begabt dich, damit du mit deiner Gabe zum Nutzen für andere in der Gemeinde bist. Es gibt auch Gaben, die über die Gemeinde hinauswirken, aber ich konzentriere mich jetzt in meinen Ausführungen auf die Gemeinde.
Die Aufgabe eines Gottesdienstes oder des Zusammentreffens von Geschwistern ist es, einander mit unseren Gaben zu dienen. Dazu muss ich wissen, welche Gabe ich habe. Vielleicht finde ich das nicht sofort heraus und muss jemanden anders fragen: „Wie nimmst du mich eigentlich wahr?“ Ich muss mich auch selbst fragen: Was macht mir Spaß? Was gelingt mir? Wo habe ich eine hohe – verzeiht mir das Fremdwort – intrinsische Motivation? Also: Wo mache ich etwas wirklich gern und fange einfach an? Wo habe ich den Eindruck, dass von dem, was ich anpacke, ein echter Segen ausgeht?
Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, was hat da geklappt und was nicht? Ich habe euch die Geschichte erzählt: Ich bin definitiv kein Kindermitarbeiter. Einmal habe ich aus purer Verzweiflung, weil kein anderer da war, ein Jahr lang Kindergottesdienst gemacht. Am Ende waren alle Beteiligten restlos froh – die Kinder und ich. Manches passt einfach nicht.
Hinter die Technik – ihr würdet mich nie da hinten hinstellen, das klappt einfach nicht. Mit deinen Gaben bist du an einem bestimmten Punkt in der Gemeinde genau der oder die Richtige. 1. Korinther 12 möchte Mut machen, die eigene Gabe zu entdecken. Es soll auch Mut machen, jetzt mal ganz frech „Nein“ zu sagen zu all den Aufgaben, die an dich herangetragen werden, bei denen du zu Recht sagen kannst: „Nee, das ist nicht meins, das bin ich nicht, das mache ich nicht.“
Das kann man vielleicht nicht immer sagen, manchmal muss man Jobs einfach übernehmen. Aber wenn ich merke, ich muss ständig Dinge in der Gemeinde übernehmen, die nicht meins sind, dann muss ich mir die Frage stellen: Was ist meins? Und wo ist der, den Gott schon lange begabt hat, der sich aber anscheinend noch nicht bereit erklärt, seinen Job zu machen?
So ist Gemeinde ein ganz dynamisches Häufchen mit unterschiedlichsten Leuten. Die Aufgabe besteht darin, jeden, der neu dazukommt, zu fragen: „Was bist du für einer? Was kannst du?“ Und auch ehrlich darüber zu beten. Dann geht es einen Schritt weiter, wenn man merkt, dass jemand eine Begabung hat.
Manche Begabungen sind ganz offensichtlich. Ich nenne mal die offensichtlichen Begabungen, die man gar nicht übersehen kann. Eine Gabe, die nicht im 1. Korintherbrief steht, aber im Alten Testament erwähnt wird, ist die Gabe der Musik. Wenn jemand geistgewirkt ein Instrument spielt, sind das oft Leute, denen du jedes Musikinstrument in die Hand drücken kannst. Sie fangen einfach bei jeder Party an, darauf loszuklimpern – ob gefragt oder nicht. Ob sie das Instrument jemals zuvor in der Hand hatten, spielt keine Rolle, sie kriegen immer eine Melodie heraus.
Wenn du so jemanden hast, ist das ganz simpel. Aber was machst du, wenn du den Eindruck hast, da ist jemand, der ein guter Prediger sein könnte? Das kann zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre dauern, bis sich das entwickelt. Am Anfang ist das wie ein Larvenstadium. Da muss ich die Person fördern, sie mal auf die Kanzel schubsen oder in den Hauskreis schicken, ihr ein paar gute Bücher geben oder auf eine Schulung. So entwickelt sich etwas.
Auch das ist eine Aufgabe der Gemeinde: sich gegenseitig zu ermuntern, zu sagen: „Hey, du kannst was, probier das aus!“ Einen Raum schaffen, in dem man Fehler machen und Dinge ausprobieren kann, bis man selbst überzeugt ist: „Ja, stimmt, eigentlich kann ich das ja.“
Ich weiß noch, wie ich meinen ersten evangelistischen Hauskreis gemacht habe. Das war so ein Hineingeworfenwerden. Ich dachte: „Boah, was kommt da auf mich zu?“ Am Ende des Abends war ich total happy und dachte: „Das hat ja eigentlich Spaß gemacht. Das kann ich noch mal machen.“ Irgendwann stellte ich fest, dass ich vorher nie so gedacht hätte: Evangelistische Hauskreise, in denen man mit Leuten über das Evangelium redet und ihnen sagt, was Jesus für sie getan hat, das liegt mir eigentlich.
Das habe ich über Jahre hinweg immer weitergemacht. Dazu kam ich fast zufällig, weil es Leute gab, die gesagt haben: „Hey, komm, mach das mal!“
Wir sind alle begabt. Jeder wird gebraucht. Keiner ist autonom. Keiner kann sagen: „Ich mache das hier allein.“ Die Aufgabe einer Gemeinde besteht darin, diesen Strauss an Gaben zusammenzustellen und in einem funktionierenden Ganzen zu verbinden. Das ist wirklich eine Aufgabe.
Ich bin selbst dabei, Gemeinde als Ältester zu bauen, und weiß, wie schwierig es ist, ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen. Jeden immer wieder neu zu ermutigen, Gaben zu entdecken und einzubringen. Auch zu sehen, wann man jemandem mal sagen muss: „Nee, du mit deinen zwei kleinen Kindern und ständig krank, du machst jetzt mal weniger.“ Oder auch mal jemandem zu sagen: „Du machst mal nichts.“ Das kann genauso schwierig sein.
Aber ich glaube, die größere Herausforderung ist, ein Denken zu schaffen – und selbst zu haben: „Ich bin begabt, ich will mitarbeiten und ich arbeite auch mit.“ Den Sprung vom Wollen zum Tun zu schaffen und es einander dabei einfach zu machen.
Die richtige Motivation für den Einsatz der Gaben
Paulus skizziert die Idee, dass Begabungen gut sind und dazu da sind, dass wir einander dienen. Dennoch hat er weiterhin das Problem im Kopf, dass die Korinther selbst, wenn sie an Gaben denken, eine Art Ranking haben. Es gibt die ganz tollen Gaben, die jeder gerne haben möchte. Ganz oben scheint, wenn man den Text etwas genauer betrachtet, die Zungenrede zu stehen – also die Fähigkeit, eine fremde Sprache sprechen zu können, ohne sie gelernt zu haben. Das scheint ganz oben auf der Liste zu stehen.
Paulus merkt, dass die Motivation dahinter, diese Gabe einzusetzen, nicht stimmt. Denn die Summe der Gaben funktioniert nur dann miteinander, wenn man sie aus der richtigen Motivation heraus ausübt. Und diese Motivation muss Liebe sein – das war gestern schon Thema. Das ist der bessere Weg, der Weg über die bloße Begeisterung für Gaben hinaus.
Wir dürfen also total begeistert sein von unseren Begabungen. Ich hoffe, dass du begeistert bist von dir selbst. Falls nicht, dann lass für dich beten – das meine ich ganz ernst. Schau bitte mal in den Spiegel und sag: „Cool!“ Du darfst ruhig all deine Fehler behalten, ich will sie dir auch nicht wegnehmen. Aber ab und zu mal in den Spiegel schauen, ein bisschen über sich selbst schmunzeln, ja, weil man sich ja kennt. Und dann ehrlich sagen: „Da hat sich Gott doch irgendwas dabei gedacht.“
Das ist schon eine tolle Sache. Ich habe da so mein Plätzchen, wo ich ganz persönlich mit meiner Art reinpasse. Da passt kein anderer rein – Schlüssel und Schloss, und das bin ich. Da müssen wir hin, das ist die Idee. Es ist eine Frage des Selbstwerts. Selbstwert kommt nämlich nicht aus der Leistung, die wir erbringen, sondern aus dem, was wir sind. Weil Gott uns gemacht hat und weil Gott sich etwas dabei gedacht hat, als er uns geschaffen hat.
Deswegen sind wir jemand, und wir sind ganz unterschiedlich. Aber jeder ist einzigartig, und das dürfen wir feiern. Das dürfen wir tatsächlich jeden Tag feiern.
Die Bedeutung von Gemeinschaft und gegenseitiger Fürsorge
Jetzt geht es darum, dass wir uns nicht nur feiern und uns selbst für cool halten – das haben die Korinther auch gemacht, nur haben sie sich vielleicht ein bisschen zu sehr für cool gehalten.
Wir wollen das anders machen: Wir nehmen die Idee der Liebe ernst. Wir wollen Beziehungen aufbauen, füreinander da sein. Hier steht: „Gott aber hat den Leib zusammengefügt“ – und zwar so, dass die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben. Das bedeutet, wir wollen füreinander da sein.
Das heißt nicht, dass ich einfach in den Gottesdienst gehe, mir eine Portion Lobpreis, eine Predigt und vielleicht noch ein Stück Kuchen und Kaffee abhole – und dann wieder nach Hause gehe. Nein, ich komme in den Gottesdienst, weil ich verstanden habe, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin. Einer Gemeinschaft, die sich nach außen durch ein Zeichen zeigt: das Brot und den Kelch, die wir miteinander teilen.
Es ist eine Gemeinschaft, in der jeder dazu berufen ist, auf den anderen Acht zu geben. Deshalb heißt es im Hebräerbrief 10: „Lasst uns aufeinander Acht haben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen.“ Du kommst idealerweise in den Gottesdienst, weil du weißt: Ich habe eine Aufgabe.
Ich wünsche euch diesen Blick: Wenn du das Gemeindehaus siehst, soll das wie ein Auftrag in deinem Kopf „pling“ machen. Du siehst das Gemeindehaus und denkst: „Ich bin hier, weil ich andere begeistern möchte, weil ich anderen dienen möchte, weil ich andere zur Liebe anregen möchte.“ Ich wünsche mir, dass ich hier zum Segen für andere werde. Ich möchte dienen.
Und wenn du noch nicht genau weißt, womit du dienen kannst, dann fang an, darüber nachzudenken. Nimm das mit in deine Hauskreise. Stellt euch gegenseitig die Fragen: Wer bin ich? Was kann ich? Wie kann ich den Gottesdienst mitgestalten?
Stell dir vor, der Gottesdienst wäre ein Raum, in dem du am Sonntag zusammenkommst und das Erste, was du erlebst, ist, dass die Hälfte der Leute sagt: „Ich weiß zwar noch nicht, was meine Gabe ist, aber ich kann dir erst mal etwas Nettes sagen. Ich kann dich loben.“ Stell dir vor, du kommst rein und bekommst gleich fünfzehnmal ein Lob. Das wäre doch gar nicht schlecht.
Statt eines Türstehers, der dich nur kontrolliert, hätten wir eine Kultur, in der wir einander loben und ermutigen. Wir erzählen fast unaufgefordert, was Gott in unserem Leben getan hat. Ihr könntet die Predigt einfach mal ausfallen lassen und zehn Leute nach vorne bitten, die erzählen, was Gott in der letzten Woche getan hat. Diese Dynamik würde uns guttun und auch euch.
Vielleicht klingt das wie ein großer Traum, aber nimm diese Idee mit: Wenn du das Gemeindehaus siehst, schalte um von „Ich bin Konsument“ auf „Ich habe etwas zu geben“. Du bist begabt und kannst etwas tun.
Vielleicht erscheint es dir klein, wenn du bewusst in den Gottesdienst gehst und jemanden ansprichst, den du nicht kennst. Oder einem Kind über die Haare streichelst. Oder den Musikern etwas Nettes sagst. Vielleicht wirkt das unbedeutend, aber genau da fängt Liebe an.
Eine Gemeinschaft, die sich dadurch auszeichnet, wäre in dieser Welt ein unglaublich attraktiver Ort. Ihr könntet wahrscheinlich aufhören zu evangelisieren, weil die Liebe, die wir leben, für sich sprechen würde.
Ich bin überzeugt: Wenn wir die Liebe so leben würden, wie Paulus es in seinen Gedanken skizziert, würde das uns verändern – und auch die Menschen, die hierherkommen.
Aufruf zur Nachfolge der Liebe und Umgang mit geistlichen Gaben
Und deswegen diese Gedanken, deswegen dieser lange Vorspann: Liebe, Begabungen, und jetzt muss Paulus sich noch einmal dem Problem der Korinther zuwenden. Er beginnt in Kapitel 14, Vers 1 folgendermaßen: „Strebt nach der Liebe!“ Eigentlich heißt es „jagt der Liebe nach“.
Jagt der Liebe nach bedeutet: Stell dir vor, du bist ein Jäger, der nicht nur einmal ein bisschen liebevoll ist, sondern der sich so auf die Spur macht und ein Wild immer und immer wieder verfolgt, bis er es hat. Die Idee dahinter ist, etwas immer wieder gewohnheitsmäßig zu tun. „Strebt nach der Liebe!“
Und wenn das einmal stimmt, dann kann Paulus auf das eigentliche Problem zu sprechen kommen. Das Problem in Korinth ist: Wie kann ich die Gabe der Zungenrede im Verhältnis zu anderen Gaben sehen und wie kann ich sie in den Gottesdienst einbauen?
Neben der Zungenrede, also neben der Gabe, in Fremdsprachen zu reden, die man nicht gelernt hat, scheint es eine zweite Gabe zu geben, die ebenfalls hoch gehandelt wird. Das ist die Gabe der Prophetie. Prophetie ist die Fähigkeit, etwas zu sagen, was Gott mir persönlich anvertraut hat – für einen anderen oder für die Gemeinde.
Wenn Paulus jetzt diese beiden Gaben gegeneinander hält, dann Achtung: Wir haben es mit einem Brieftext zu tun, mit einer Situation, die Korinth betrifft. Bitte fangt nicht an zu sagen: „Aha, das, was hier steht, muss jetzt weltweit für jede Gemeinde zu jeder Zeit gelten.“ Nein, erst mal sind es Aussagen für diese Gemeinde.
Und wenn wir Rückschlüsse auf uns ziehen, dann eher allgemeiner Art, und diese sind eigentlich recht einfach: Strebt nach der Liebe, eifert aber nach den geistlichen Gaben. Es ist nichts dagegen einzuwenden, die geistlichen Gaben zu sehen und zu sagen: „Boah, ich will da wirklich ran!“ Es muss aber halt in Liebe geschehen. Besonders aber, dass ihr weissagt.
Und jetzt merkt ihr schon: Das gilt für Korinth, für ihr Problem. Das muss nicht heißen, jede Gemeinde überall auf der Welt muss immer nur Richtung Weissagung gehen. Es könnte in anderen Gemeinden ganz andere Probleme geben, es könnte eine andere Fragestellung im Raum stehen. Aber hier in diesem Fall ist das das Thema.
Warum? Na ja, weil diese Überbetonung der Zungenrede zu einem Problem geführt hat. Dieses Problem, das auch mit Liebe zu tun hat, war ein ganz großes. Denn Vers 2 sagt: Wer in einer Sprache redet, also in einer Fremdsprache, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott.
Sprachenrede ist gut. Paulus hat nichts dagegen, das werden wir ein paar Mal sehen. Er sagt aber: Das ist eine Gabe, und wir kommen jetzt immer vom Hintergrund her – es geht immer um Gottesdienst. Wenn ich die bringe, dann hat der andere, der mich hört, erst einmal sehr wenig davon.
Ich rede, aber halt nicht zu Menschen. Ich bin nicht so gut in Sprachen. Deswegen habe ich jetzt nicht so eine tolle Fremdsprache auf Lager, die keiner von euch kann, und deswegen kann er jetzt nichts vormachen. Aber wenn mein Freund Robert jetzt hier vorne stünde und er würde, was weiß ich, fließend umsteigen auf Suaheli, was der Kerl wirklich kann, dann würde keiner von euch wahrscheinlich – vielleicht irre ich mich jetzt – aber wahrscheinlich würde ich sagen, keiner von euch könnte, wenn er jetzt in Suaheli weiter predigen würde, einfach etwas verstehen. Gott kann das schon.
Das ist interessant. Das heißt: Einer, der in fremden Sprachen redet, redet zwar nicht zu Menschen, aber zu Gott. Und das ist auch völlig in Ordnung. Also er redet nicht zu Menschen, denn niemand versteht es im Geist. Und da ist jetzt nicht genau der Heilige Geist oder der menschliche Geist gemeint, sondern diese Mischung aus beidem, aus dem Inneren heraus.
Im Geist aber redet er Geheimnisse. Geheimnisse nicht für Gott, sondern für den, der redet. Und für den Zuhörer, denn du verstehst es ja nicht. Das ist nur für dich so bla bla.
Jetzt das Gegenstück: Wer aber weissagt, also wer von Gott eine Offenbarung bekommt und diese Offenbarung in verständlichen Worten an andere Menschen weitergibt, redet zu den Menschen. Da können die Menschen plötzlich etwas verstehen.
Und jetzt überlegen wir uns: Was ist denn so eine Weissagung? Was meint er damit? Der Begriff, der hier für Weissagung verwendet wird, oder der Inhalt einer Weissagung, heißt hier „zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung“. Weissagung bei Paulus im 1. Korintherbrief hat sehr stark einen Touch der Unterweisung.
Es geht gar nicht so sehr um Visionen: „Ich habe das und das gesehen und ich stelle dir mal ein Bild vor“, sondern es geht sehr konkret darum, dass Gott mir für dich gezeigt hat, das ist in deinem Leben dran.
Am Ende von diesem Abschnitt wird Paulus eine Idee skizzieren. Er würde sagen: Stell dir vor, wir haben einen Gottesdienst und alle weissagen. Was würde passieren, wenn da ein Ungläubiger reinkäme? Na ja, jeder würde ihm quasi für sein Leben genau Dinge sagen, die man gar nicht wissen kann, weil Gott sie ihm gezeigt hat. Er würde von allen überführt werden.
Das ist eine Möglichkeit, dass ein Ungläubiger gesagt bekommt: „Hey, du hast an der und der Stelle das Problem.“ Und er sagt: „Woher weißt du das?“ – „Ja, Gott hat es mir gezeigt.“
Im kleinen Maß, denke ich, erleben wir solche Führung als Gläubige alle. Ich erinnere mich selbst an ein Gespräch, bei dem ich mitten in einem evangelistischen Gespräch den Eindruck hatte, ein Thema ansprechen zu müssen. Es ging damals um Alkoholmissbrauch.
Ich stand überhaupt nicht drin, ich habe es einfach mit einfließen lassen. Und das Gegenüber meinte plötzlich: „Woher weißt du das?“ Ich wusste es gar nicht. Es war einfach nur so ein Gedanke, der kam, und ich habe ihn ausgesprochen. Der andere hat gemerkt: „Ups, ja, da ist was, da ist was“, und es entstand eine Offenheit für Gott.
Jetzt bin ich kein Prophet, das will ich nicht sagen, aber diese Momente, wo Gott uns etwas zeigt, wo man den Eindruck hat, hier berührt mich Gott, nimmt mich mit und gibt mir eine Information, die ich sonst einfach nicht gehabt hätte – das ist so die kleine Form der Weissagung, das, was ich nachher Offenbarung nennen möchte.
Wozu? Weissagung dient dazu, dass ein anderer erbaut wird, dass er danach also gestärkt wird, dass er ermahnt wird, dass man ihm sagt: „So geht es nicht“, oder dass man ihn tröstet. Auch das ist Inhalt von Weissagung.
Wer in einer Sprache redet, Vers 4, erbaut sich selbst. Und das ist gut so. Er tut etwas, er hat zwar selbst keine Ahnung, was er sagt, aber das Sprechen selbst hilft ihm, gibt ihm etwas zurück. Er erbaut sich selbst.
Wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde.
Und jetzt erinnert ihr euch an gestern: Liebe sucht nicht das Ihre. Das ist wieder der Clou. Paulus sagt: Wenn ihr schon dahinter her seid, so eine Gabenrangordnung zu machen, dann überlegt euch doch mal, welche Gabe euch in eurer Situation am meisten helfen würde, welche Gabe die Gabe ist, die euch am meisten erbaut.
Hier, Zungenrede kontra Weissagung, ist es ganz einfach: In einem Fall versteht keiner was, im anderen Fall hat der Hörer richtig was davon.
Ist Paulus gegen Zungenrede? Nein. Vers 5: „Ich möchte aber, dass ihr alle in Sprachen redet.“ Er hat kein Problem damit. Er wird später sagen, er redet selbst in Sprachen, mehr als sie.
Aber was er sich noch mehr wünscht, mehr aber noch, ist, dass ihr weissagt. Wer aber weissagt, ist größer, vielleicht müsste man hier an der Stelle sagen, wichtiger als der, der in Sprachen redet – es sei denn...
Und ich mag, dass wir so hin und her das immer wieder abwerfen: Es sei denn, was könnte jemand, der in Fremdsprachen redet, tun, damit er genauso effektiv wird wie einer, der weissagt?
Na ja, er könnte das, was er da in fremden Sprachen redet, nochmal übersetzen. Ja, dann würde er quasi selbst diese Transformationsleistung bringen – vom Unverständlichen zum Verständlichen.
Wer weissagt, ist größer als der, der in Sprachen redet, es sei denn, dass er es auslegt, wieder mit dem Ziel, damit die Gemeinde Erbauung empfange.
Ordnung und Zweck der geistlichen Gaben im Gottesdienst
Paulus bringt eine Idee zur Sprache. Er sagt: „Okay, jetzt mal angenommen, ich komme zu euch, Brüder, und rede in Sprachen.“ Stellen wir uns vor, ich stehe auf der Kanzel und spreche nur in fremden Sprachen, die ihr nicht versteht. Was würde euch das nützen? Gar nichts, lautet die Antwort. Was bringt es euch, wenn ich nicht zu euch rede?
Dann nennt Paulus vier Begriffe, die miteinander zusammenhängen – vier Arten, in der Gemeinde verständlich zu sprechen: Offenbarung, Erkenntnis, Weissagung und Lehre. Wenn man genau hinschaut, gehören Offenbarung und Weissagung zusammen, ebenso Erkenntnis und Lehre.
Offenbarung bedeutet, dass Gott mir einen inneren Impuls gibt. Das ist eine Offenbarung – etwas, das ich sonst nicht wissen könnte, wird mir mitgeteilt. Ein Beispiel: Ich habe eine Idee und spreche ein bestimmtes Thema an. Das ist noch keine Weissagung und ich bin noch kein Prophet, sondern es ist nur ein kleiner Schubser. Wenn ich viele solcher Schubser zusammenfüge, entsteht eine Weissagung. Offenbarung ist also der kleine Baustein der Weissagung.
Genauso verhält es sich mit Erkenntnis und Lehre. Erkenntnis ist ein theoretisches Aha-Erlebnis: „Aha, jetzt habe ich es verstanden.“ Wenn ich viele solcher Aha-Erlebnisse habe, kann ich daraus eine ganze Predigt machen. Das ist dann Lehre. Im Kleinen heißt es Erkenntnis, im Großen Lehre. Allen gemeinsam ist, dass ich etwas sage und der Zuhörer etwas versteht.
Paulus bringt Beispiele, warum das so wichtig ist. In Vers 7 sagt er: „Doch auch die tönenden, leblosen Dinge“ – gemeint sind unbeseelte Musikinstrumente – „Flöte oder Harfe, wenn sie den Tönen keinen Unterschied geben.“ Das bedeutet: Wenn du eine Blockflöte einfach so überbläst oder eine Harfe nicht richtig gestimmt ist, klingt es schräg. Wenn die Instrumente keinen Unterschied in den Tönen geben oder nicht ordentlich gestimmt sind, wie soll man dann erkennen, was gespielt wird? Gar nicht, denn da stimmt einfach etwas nicht.
Ein weiteres Beispiel sind Posaunen. Auch wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt – also einen Ton, der nicht erwartet oder nicht erkennbar ist – funktioniert das nicht. Posaunen sind dazu da, Signale zu geben. Zum Beispiel: „Jetzt treffen wir uns alle auf der Stadtmauer, weil ein Feind kommt.“ Jeder muss das Signal kennen und dann auf die Stadtmauer eilen. Im Alten Testament wurden Posaunen geblasen, wenn es losging. Dann zogen die Stämme nacheinander los.
Wenn jemand ein solches Signal bläst und nur ein undeutlicher Ton herauskommt, hört man zwar, dass etwas geblasen wurde, aber man weiß nicht, was es bedeutet. Wenn das Signal nicht erkennbar ist, wer wird sich dann zum Kampf rüsten? Niemand. Das ist klar.
Ich selbst habe heute meinen Wecker für den Tee gestellt. Ich dachte, ich würde ihn hören, aber ich habe ihn nicht gehört. Irgendwann habe ich mich gefragt, was mit meinem Tee los ist. Wenn du nichts hörst oder es nicht richtig einordnen kannst, ist das ähnlich wie bei den Instrumenten oder Posaunen.
Das wird nun auf die Sprache übertragen: Wenn ihr durch die Sprache verständlich redet, ist das gut. Wenn nicht, wie soll man erkennen, was gesagt wird? Was für verstimmte Musikinstrumente oder schlecht geblasene Posaunen gilt, gilt auch für die Sprache. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn ihr in einer Sprache redet, die niemand versteht, redet ihr in den Wind – es ist sinnlos.
Es gibt viele Sprachen auf der Welt. Kein Volk ist ohne Sprache. Natürlich gibt es Menschen, die nicht sprechen können, aber ein Volk, das sagt: „Wir schaffen die Sprache ab, wir wollen nicht mehr reden“, gibt es nicht. Sprache gehört dazu.
Wenn ich die Bedeutung einer Sprache nicht kenne, werde ich den Redenden wie einen Barbar sehen. Aus Sicht eines Römers oder Griechen war ein Barbar jemand, der unverständliche Laute von sich gab – „barbarbarbar“. Daraus entstand das Wort „Barbar“ für jemanden, der weit entfernt wohnt, eine unverständliche Sprache spricht und nicht verstanden wird.
Wenn ich also in einer fremden Sprache rede, die ihr nicht kennt, werde ich euch wie ein Barbar erscheinen. Umgekehrt seid auch ihr für mich ein Barbar, wenn ihr in einer Sprache redet, die ich nicht verstehe. Wir reden aneinander vorbei, es klingt nur wie „Barbar, Barbar, Barbar“. Wir können nichts miteinander anfangen, es funktioniert nicht.
Paulus sagt weiter, dass ihr nach geistlichen Gaben strebt – das hatte er am Ende von Kapitel zwölf schon erwähnt. Ihr wollt vorne mitspielen, etwas erreichen. Das ist nicht verkehrt. Wenn du sagst: „Ich möchte im Reich Gottes wirklich brauchbar sein“, ist das super. Strebt danach!
Jetzt müssen wir die Liebe mit einbeziehen, damit ihr überströmend zur Erbauung der Gemeinde seid. Das gilt für jede Gabe. Also lehnt euch nicht zurück und sagt: „Weissagung und Zungensprache sind nicht mein Thema.“ Stattdessen lehnt euch nach vorne und überlegt: „Ich soll überströmend zur Erbauung der Gemeinde sein. Wie kann ich meine Gabe einbringen, um meine Gemeinde möglichst weit voranzubringen? Was kann ich tun? Gibt es Bereiche, in denen ich mehr tun kann?“
Die Bedeutung der Auslegung der Zungenrede
Vers 13
Jetzt sagt Paulus etwas über den Wert verständlicher Rede. Er schließt damit ab: Wer in einer Sprache redet, der bete, dass er auch die Auslegung bekommt. Wenn dir das wichtig ist und du nicht darauf verzichten möchtest, dann musst du darum beten, die Gabe der Auslegung zu erhalten. Nur so wirst du für die Gemeinde brauchbar.
Denn wenn ich in einer Sprache bete – Paulus sagt hier nicht mehr „reden“, sondern „beten“ – dann erkennen wir, dass Sprachenrede, also Zungenrede, inhaltlich ein Gebet oder Lobpreis ist. Das finden wir auch in Apostelgeschichte 2, an Pfingsten. Die Pilger, die nach Jerusalem gekommen waren, treffen auf die geisterfüllten Jünger, die in fremden Sprachen reden. Daraufhin bilden sich Grüppchen um die Jünger, bestehend aus allen, die von Natur aus die jeweilige Sprache beherrschen.
Du bist vielleicht ein Ägypter, kommst nach Jerusalem und erwartest nicht, dass dort jemand Ägyptisch spricht. Plötzlich hörst du einen Mann, der auf Ägyptisch redet. Oder du gehst nach New York, erwartest nicht, dass jemand Deutsch spricht, und dort predigt ein Straßenprediger auf Deutsch. Du wirst hingehen, denn du hörst das und willst wissen, was er sagt.
Es heißt, sie hörten die großen Taten Gottes verkündigen – und das ist Lobpreis. Das war am Anfang der Inhalt der Sprachenrede, der Zungenrede: Gott wurde verherrlicht. Paulus macht hier klar, dass, wenn Menschen in fremden Sprachen reden und dies vom Geist Gottes gewirkt ist, es sich dabei um Gebet handelt.
Das Problem ist aber: Wenn ich in einer Sprache bete, betet mein Geist, aber mein Verstand bleibt fruchtleer, nutzlos. Das geht an meinem kognitiven Element völlig vorbei. Ich sage etwas, das auch Inhalt hat, aber für mich selbst bleibt dabei nichts hängen. Was mache ich damit?
Vers 15
Paulus sagt: Ich will mit dem Geist beten, also in fremden Sprachen, aber ich will auch mit dem Verstand beten, so dass andere mich verstehen können. Ich will Lobpreis mit dem Geist singen, aber auch mit dem Verstand. Denn wenn du mit dem Geist lobst, wie soll der Unkundige Amen dazu sagen, wenn er nicht weiß, was du sagst?
Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn jemand in Zungen betet, weiß ich nicht, was er sagt. Und wenn ich Amen sage, weiß ich nicht, ob ihr Amen zu seinem Gebet sagt. Das Neue Testament geht davon aus, dass man das tut. Amen ist ein Wort, das aus dem Hebräischen übernommen wurde und so viel bedeutet wie „Das gilt jetzt, ja!“ Das heißt: Wenn einer betet, betet erst einmal nur er selbst. Du hörst das Gebet und musst dich am Ende entscheiden, ob du Amen sagst.
Ist es sein Gebet oder unser Gebet? Wenn es nur sein Gebet ist, hältst du den Mund und denkst dir: Nein, dazu sage ich nicht Amen. Aber wenn du denkst, das kann man schon beten, dann sagst du einfach Amen. Und in dem Moment, in dem du Amen sagst, ist das nicht nur ein Ritual – so nach dem Motto, man muss halt Amen sagen, sonst fällt man auf oder ist unhöflich – sondern ein Statement: Ich stelle mich zu diesem Gebet. Ich zähle genauso oder fast genauso dazu. Es reicht.
Das möchte ich unterstreichen: Da bin ich dafür. Dann wird aus einzelnen Gebeten das Gebet der Gemeinde. Und wenn wir das tun, findet an dieser Stelle Erbauung statt.
Ich lese den Text weiter: „Wie soll der, welcher die Stelle des Unkundigen einnimmt, das Amen sprechen zu deiner Danksagung, da er ja nicht weiß, was du sagst?“ Du sagst zwar gut Dank, du hast dir nichts Blödes gesagt, nur so, dass er es nicht verstanden hat. Aber der andere wird nicht erbaut.
Wenn du dich fragst, wie du einen anderen Menschen erbaust, wie du das geistlich machst, findest du hier eine Antwort: Du betest laut, dein Gebet wird von dem anderen gehört und er sagt Amen. Dadurch wird er gestärkt.
Paulus’ persönliche Praxis und Prioritäten
Vers 18: Ich danke Gott, ich rede mehr in Sprachen als ihr alle. Das ist ein Statement, das man von Paulus nicht unbedingt erwartet hätte. An anderer Stelle lässt er das nicht so deutlich herauskommen. Dennoch ist klar, dass für ihn in seiner Situation als Apostel gerade dann, wie wir gleich nach der Pause sehen werden, wenn die Zungenrede ein Zeichen für Ungläubige ist, diese Gabe natürlich auch bei ihm vorkommen muss.
Vers 19: Aber ein ganz großes Aber: In der Gemeinde will ich lieber fünf Worte mit meinem Verstand reden, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache, in einer Fremdsprache.
Worum geht es hier? Es ist ein Vergleich. Das, was wir mitnehmen müssen, ist nicht nur der Vergleich zwischen Weissagung und Zungenrede, sondern auf der einen Seite eine Rede, die erbaut und hilfreich ist, weil sie verstanden wird, und auf der anderen Seite eine Rede, die nicht hilfreich ist.
Was ich mir wünsche, ist, dass wir nicht nur diese beiden Gaben gegeneinander abwägen, sondern dass wir uns die Frage stellen, inwiefern wir selbst zur Erbauung der Gemeinde mit unseren Gaben beitragen. Ob wir wirklich das tun, was die Gemeinde braucht, oder ob wir uns vielleicht manchmal auch ein bisschen verlieren in das Hobby, das wir haben, in die Selbstdarstellung, die wir genießen, und gar nicht so sehr die Frage im Blick haben: Bekommen die Gemeinde und die Geschwister von mir das, was sie wirklich brauchen?
Reife im Glauben und geistliche Unterscheidung
1. Korinther 14,20: Brüder – und hier sind auch die Schwestern mitgemeint – liebe Geschwister, seid nicht Kinder am Verstand.
Das heißt: Wenn es um Dinge geht, die man bedenken soll, wenn es ums Nachdenken geht, dann bitte seid nicht unreif, unerfahren oder kindisch.
Wenn Gott sagt, dass wir Kinder werden sollen, wie die Kinder, dann sollen wir kindlich werden, was unser Vertrauen angeht, was unsere Bereitschaft betrifft, Gott nachzufolgen. Aber wir sollen niemals kindisch werden im Sinne davon, dass man alles schluckt, ohne darüber nachzudenken, oder dass man jedem Unsinn mitmacht.
Deshalb, Brüder, seid nicht Kinder am Verstand, sondern wenn du irgendwo ein bisschen zurückgeblieben sein möchtest, dann gib es dir an der Bosheit.
Seid in dieser Hinsicht unmündig. Wenn du dich also bei irgendeiner Sache ein bisschen dusselig anstellen willst, dann ist es gut, wenn du das beim Sündigen machst. Da könnt ihr euch so dusselig anstellen, da könnt ihr nichts auf die Reihe kriegen – und das ist alles in Ordnung.
Aber am Verstand seid Erwachsene. Wenn es ums Nachdenken geht, dann bitte möglichst reif.
Bezug zum Alten Testament und die Funktion der Zungenrede
Im Alten Testament, genauer gesagt in Jesaja 28,11-12, steht im Gesetz geschrieben: Gott spricht zu seinem Volk Israel in einer fremden Sprache, nämlich in der Sprache einer Besatzungsmacht. Das Volk hört jedoch nicht auf Gott, es hört nicht und tut keine Buße.
Das Zitat lautet: „Ich will durch Leute mit fremder Sprache und durch Lippenfremde zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.“
Warum bringt Paulus dieses Zitat? Er greift auf das Alte Testament zurück und nimmt eine Episode heraus, in der das Volk Israel unter Gericht steht. Es war sichtbar ungläubig und hatte sich gegen Gott gewandt. Gott möchte dieses Volk zur Umkehr bewegen. Dafür verwendet er eine fremde Besatzungsmacht, um so viel Druck aufzubauen, dass das Volk Buße tut. Das ist das Gericht, das hier geschildert wird – und trotzdem hören sie nicht.
Paulus geht nun ausgehend von diesem Vers im Alten Testament einen Schritt weiter und überträgt die Bedeutung. Die Frage lautet: Was heißt das für die Frage, wie Gott das Zeichen von Fremdsprachen, von Zungenrede, benutzt? Wozu macht Gott das?
In Vers 22 heißt es: Daher sind die Sprachen, die Gabe der Sprachenrede, ein Zeichen nicht für die Glaubenden, sondern für die Ungläubigen. Wenn jemand diese Gabe einsetzt, dann hat sie eine Funktion im Hinblick auf ungläubige Leute.
Man sieht das ganz am Anfang der Apostelgeschichte 2. Dort sind ungläubige Juden in Jerusalem, denen das Evangelium verkündigt werden soll. Gott benutzt die Apostel, indem sie in fremden Sprachen sprechen, um die Aufmerksamkeit der Ungläubigen zu wecken und sie auf das vorzubereiten, was danach kommt, nämlich eine Predigt durch Petrus.
Die Weissagung aber – und hier muss man genau hinschauen – ist nicht ein Zeichen für die Ungläubigen, sondern für die Glaubenden. Nun stellt sich die Frage: Warum ist die Weissagung für die Glaubenden und die Zungenrede für die Ungläubigen?
Das eine haben wir bereits aus dem Alten Testament verstanden, Vers 23 wollen wir uns das andere ansehen. Betrachten wir einen hypothetischen Fall: Wenn die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkommt – das steht zwar nicht explizit an einem Ort, aber es gehört zum Grundtext dazu –, also wenn die Gemeinde sich zum Gottesdienst versammelt und alle in Sprachen reden, stell dir das vor: Jeder spricht eine andere Sprache.
Nun kommt dein bester ungläubiger Freund zum Gottesdienst, weil er dich schon immer mal besuchen wollte, und er bekommt das mit. Ebenso kommen Unkundige oder Ungläubige herein. Werden sie nicht denken, dass ihr von Sinnen seid? Ja, das werden sie tun. Was sollten sie auch sonst sagen?
In einem anderen hypothetischen Fall, wenn aber alle weissagen würden und ein Ungläubiger oder Unkundiger kommt herein – stell dir vor, er geht nur mal zum Gottesdienst, um zu schauen, ob da etwas dran ist – und zwanzig Leute sagen ihm Dinge aus seinem Leben, die sie nicht wissen konnten. Das wäre eine ziemlich gruselige Erfahrung.
Eines ist klar: Würde das passieren, dann wäre es für denjenigen eine ganz schön merkwürdige Sache. Das Verborgene seines Herzens wird offenbar, und so wird er auf sein Angesicht fallen, Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist.
Warum ist Weissagung ein Zeichen für die Gläubigen, wenn Weissagung in diesem Beispiel auch bei Ungläubigen wirkt? Es ist deshalb ein Zeichen dafür, nicht dass jemand von Gott etwas gesagt bekommt – das ist nicht das Entscheidende –, sondern dass Weissagung das Mittel ist, das Gott benutzt, um zu zeigen, dass Gott wirklich unter uns ist.
Wenn Gott ein lebendiger Gott ist, dann sollten wir erwarten, dass er auf eine sehr lebendige und auch sehr persönliche Weise zu uns redet. Dabei möchte ich nicht, dass in eurem Kopf ein festes Bild entsteht, wie das genau laufen muss. Ich glaube, dass Gott sich uns so zuwendet, wie es unserer persönlichen inneren Struktur entspricht.
Das heißt: Es gibt Leute, die sind vielleicht etwas emotionaler, und wenn Gott ihnen begegnet, reagieren sie emotional sehr stark. Andere sind eher nüchterner, und wenn Gott ihnen begegnet, ist das vielleicht nicht so emotional, aber nicht weniger tief und nicht weniger echt.
Klar ist: Christsein ist mehr als nur Dogmatik oder Lehre, die man irgendwann glaubt. Christsein ist eine lebendige Beziehung zu einem lebendigen Gott. Irgendwo in deinem Leben darf es die Berührung geben zwischen dir und deinem Gott, auch auf einer nicht-intellektuellen Ebene.
Ich kann nicht genau sagen, wie sich das für dich anfühlt, aber ich kann dir sagen, wie es sich für mich anfühlt. Ich bin eher der nüchterne Typ. Bei mir ist es so, dass ich oft, wenn ich Bibelstudien mache, merke: „Boah, jetzt geht hier richtig innerlich was ab.“ Bei anderen mag das anders aussehen.
Wichtig ist, dass wir begreifen, dass wir das brauchen. Dass Gott unter uns wirkt, dass wir nicht nur Lehrsätze verstehen, sondern erleben, dass Gott uns übernatürlich begegnet.
Wenn das völlig ausbleibt, wenn man überhaupt nicht mehr merkt, dass Gott ein Gott ist, der heute noch lebendig in seine Gemeinde hineinspricht – sei es durch Gebetserhörungen, durch Offenbarungen oder dadurch, dass er Dinge wirkt, bei denen man sagt: „Das ist ja echt kein Zufall mehr“ –, dann wird es heikel.
Was Paulus hier sagt, ist: Wenn wir wissen wollen, ob Gott wirklich unter uns wirkt, dann sind solche Momente wie Weissagungen ein Zeichen. Nicht für den Ungläubigen, der hier nur mit reingenommen wird, sondern eigentlich für den Gläubigen. Der weiß: Ich habe wirklich auf das richtige Pferd gesetzt.
Denn hier passiert mehr als in einem Kleintierzuchtverein oder in meinem Schachclub. Hier ist eine geistliche Realität am Wirken, bei der es sich lohnt, weiterzudenken und dran zu bleiben.
Praktische Ordnungen für den Gottesdienst in Korinth
Und weil das so ist, weil Gott am Wirken ist, weil wir begabt sind und weil wir miteinander Gottesdienst feiern, stellt sich die Frage: Wie machen wir es richtig? Auch jetzt wieder die Warnung: Wir schauen uns an, wie die Korinther das machen. Wenn am Ende jemand sagt, wir müssen das ganz genau so machen wie die Korinther, dann ist das nicht notwendig. Paulus sagt nicht, dass ein christlicher Gottesdienst genau so abzulaufen hat, wie es jetzt folgt. Er sagt vielmehr: Ihr habt das so und so im Moment in der Mache, und wir schauen uns an, wie ihr das macht und wo ihr mit eurer Art, Gottesdienst zu feiern, Probleme habt.
Vers 26: Was ist nun, Brüder? Was folgt daraus aus dem, was er vorher gesagt hat? Wenn ihr zusammenkommt – und hier steht nicht „habe“, sondern „hat“. Manchmal ist das ein kleiner Unterschied mit großer Bedeutung. Es muss nicht so sein, sondern so ist es. Wie machen die Korinther das? Sie kommen zusammen, und was ich euch vorhin ans Herz gelegt habe: Jeder bringt etwas mit. Bei ihnen ist es sogar so, dass sie zu viel mitbringen. So hat jeder – im Sinne von nicht jeder alles, sondern der eine das, der andere das – etwas. Aber jeder, der da kommt, möchte auch mit seiner Gabe, mit dem, was er hat, gesehen werden.
So hat jeder einen Psalm, das heißt ein Lied, vielleicht auch ein Gebet – man weiß es nicht genau – hat eine Lehre, eine Offenbarung, eine Sprachenrede oder eine Auslegung. Das ist eine Beschreibung, wie es in Korinth läuft. Sie treffen sich zum Gottesdienst, und da steht der Moderator vorne und fragt: Hat jemand etwas mitgebracht? In heutigen Gemeinden würde sich vielleicht einer melden. Und dann gehen alle Arme hoch! Alle wollen, jeder hat etwas, jeder möchte sich zeigen, jeder möchte nach vorne.
Paulus hat jetzt das Problem, dass er das ordnen muss, so verrückt das klingt. Es gibt zu viele Beiträge. Deswegen wiederholt er nochmals das Prinzip: Alles geschehe zur Erbauung. Wichtig! Alles, was jetzt kommt, geht nicht nur darum, dass du etwas mitbringst und begabt bist, sondern dass du das einsetzt für die anderen. Was heißt das ganz konkret? Er bricht es wieder herunter auf die Themen Sprachenrede und Weissagung, weil genau da das Problem liegt. Wahrscheinlich wurde ihm auch genau das gefragt: Was ist da mehr wert? Wie sollen wir das organisieren?
Wenn nun jemand in einer Sprache redet, so sei es zu zweien oder höchstens zu dritt. Also für einen Gottesdienst reichen drei Beiträge, und diese nacheinander. Einer soll auslegen. Es ist offen, ob man nach jedem Beitrag auslegen soll oder am Ende alles ausgelegt wird. Auslegen heißt hier übersetzen. Paulus hat kein Problem damit, dass die Leute kommen und etwas sagen oder, wie wir vorhin gesagt haben, eher ein Gebet sprechen. Aber dann muss dieses Gebet bitte auch übersetzt werden, damit die anderen etwas dazu sagen können. Und dann funktioniert es wieder in der Gemeinde.
Das bedeutet aber auch Vers 28: Wenn aber kein Ausleger da ist, so schweige er. Das ist derjenige, der in Zungen redet. So schweige er in der Gemeinde. Also wenn da niemand ist, muss man anscheinend fragen: Gibt es jemanden, der das übersetzen kann? Und wenn sich niemand meldet, dann darf der gar nicht anfangen zu reden, sondern bleibt sitzen. Vorsicht, ich bin nämlich ganz fertig. So schweige er in der Gemeinde, rede aber für sich. Das heißt, natürlich kann er zuhause diese Gabe praktizieren, zuhause und für Gott.
Seine Beziehung zu Gott wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass er seine Gabe in der Gemeinde nicht ausübt. Denn Gemeinde ist nicht dazu da, dass alles, was ich habe und kann, dargestellt wird, sondern dass ich mich so einbringe, dass es der Gemeinde nutzt. In der Gemeinde kann ich mich zurückhalten, aber zuhause kann ich das natürlich machen – das ist doch logisch. Wenn du ein schlechter Gitarrenspieler bist, so wie ich, aber Freude daran hast, dann wirst du nicht im Gottesdienst spielen. Logisch, es soll ja zur Erbauung der Gemeinde sein.
Aber das heißt nicht, dass du zu Hause im Keller, wo dich keiner hört, nicht auch schon mal ein bisschen vor dich hinschrubbeln kannst. Natürlich, logisch. Das ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, weil es hier um Qualität geht. Hier geht es darum, dass, wenn die Gabe nicht richtig zur Erbauung dienen kann, man es lassen soll.
Das Gleiche gilt für Propheten. Propheten aber lasst zwei oder drei reden, wahrscheinlich nacheinander. Hier fehlt das „höchstens“, was Paulus wieder betont. Er sagt: Wir brauchen viel Prophetie, eher weniger Zungenrede – hier in Korinth. Propheten aber lasst zwei oder drei reden. Jetzt ein ganz interessanter Vers: Und die anderen – damit sind weniger die Propheten gemeint, weil die Propheten als Gruppe nicht benannt werden, sondern die anderen, die im Raum sitzen, also der Rest der Gemeinde – „lasst urteilen!“
Das heißt, da redet einer und sagt: Der Herr hat mir aufs Herz gelegt, euch das zu sagen. Da wird es Beiträge geben, die offenkundig wahr oder falsch sind. Wenn ich sage: „Was weiß ich, du hast gestern Uwe im blauen Auto geklaut“, dann wirst du sagen: Die Prophetie war daneben. Okay, gut, das war sehr klar falsch. Aber man kann natürlich auch andere Dinge sagen in einem Gottesdienst, bei denen dann in Römer 12,6 steht, dass eine Prophezeiung nach dem Maß des Glaubens sein soll. Sie muss der Messlatte der christlichen Glaubensinhalte entsprechen.
Wenn man das hier ein bisschen versucht in einen Ablauf zu bringen, scheint es so zu sein, dass jemand eine Prophetie bringt, die fast wie eine kleine Predigt ist. Er sagt ein bisschen lehrmäßig Dinge, und dann fängt die Gemeinde an, sich zu unterhalten: Ist das denn so richtig, was der gesagt hat? Kann das sein? So ein bisschen wie am Montag, als es um verhülltes und unverhülltes Haupt ging. Da kann man sich austauschen: Kann das sein, geht das, geht das nicht? Dann kommt man ins Gespräch, und es kann schon mal sein, dass danach der Prophet sagt: Na ja, habe ich mich wohl geirrt.
Das ist interessant, denn im Alten Testament hätte man einen Propheten, der sich irrt, gesteinigt. Hier scheint das relativ entspannt zu sein. Man prüft das, und dann ist es geklärt. Die Gemeinde sagt: Nö, ist auch mal lustig. Stell dir vor, du würdest nach einer Predigt so ein Gespräch mit allen führen, und der Prediger würde sagen: Stimmt, ihr habt Recht, das war Quatsch. Darum geht es.
Natürlich nicht stundenlang, sondern kurze Beiträge, die Gemeinderede darüber, prüft das, kann das sein, und dann sagt man entweder: Ja, das hört sich so an, als wäre es vom Herrn, oder: Nein, du, da musst du dich verhört haben.
Auch hier gilt Vers 30: Wenn einem anderen, der da sitzt, eine Offenbarung zuteilwird – ich stelle mir das so vor: Einer bringt einen Beitrag, und der andere hört das und wird vielleicht durch diesen Beitrag angesprochen. Gott spricht zu ihm und möchte das gerne fortführen. Dann scheint er sich zu melden und sagt: Ich würde gern fortfahren. Der Erste bringt seine Sache zu Ende und lässt dann den Zweiten reden.
Also: Wenn aber einem anderen, der da sitzt, eine Offenbarung zuteilwird, so schweige der Erste. Hier ist „Schweigen“ ein Begriff. Da hat einer geredet und hört auf zu reden. Im ersten Mal, wo das Wort „Schweigen“ vorkommt, fängt er gar nicht erst an. Hier hört einer auf.
Begründung Vers 31: Denn ihr könnt einer nach dem anderen alle weissagen. Das kann man in Ruhe hintereinander machen. Ziel ist, dass alle lernen. Das ist, was ich vorhin sagte: Prophetie im ersten Korintherbrief hat einen sehr stark unterweisenden Charakter, damit alle lernen und alle getröstet werden. Dieses Wort „getröstet“ kann auch „ermahnt“ oder „ermuntert“ bedeuten. Es ist ein ganz breiter Begriff, der für ein Reden steht, das dem anderen hilft, einen Schritt weiterzugehen in seinem Leben.
Dann sagt Paulus noch in Vers 32: Und die Geister der Propheten sind den Propheten untertan. Das heißt, wenn ein Prophet geistlich redet, dann ist er nicht ein Werkzeug, das sich dagegen gar nicht wehren kann. Es ist kein Automatismus, der über ihn kommt, keine Ekstase, sondern etwas, das er mit seinem Kopf steuern kann. Das meint „untertan“. Wenn ich merke, ich möchte etwas sagen, dann muss das nicht gleich aus mir herausplätschern. Ich kann noch einen Moment sitzen bleiben, vielleicht sagen: Hallo, ich würde gern fortfahren. Der andere kann seinen Satz beenden, sich wieder hinsetzen, und der andere macht weiter.
Das geht, will Paulus sagen, denn Gott – und dieses kleine Wörtchen „denn“ zeigt, dass der Charakter des Gottesdienstes natürlich dem Charakter Gottes entsprechen muss, dem der Gottesdienst gilt. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung. Und jetzt dürfen alle, die ihre Zimmer nicht aufräumen, durchatmen. Hier steht nicht: „Ist nicht ein Gott der Unordnung“, sondern der Ordnung. Nein, das steht nicht hier. Hier steht: „Ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.“ Gott will Frieden.
Ja, also wir räumen natürlich trotzdem unsere Zimmer auf, weil wir ja auch Frieden wollen. Aber es steht nicht da. Gott möchte Frieden, und Frieden heißt geordnete Abläufe. Unordnung bringt Unfrieden in die Gemeinde hinein, und das soll nicht sein.
Ich habe dann die Interpunktion bei mir verändert. Hier ist es so, wie es in allen Gemeinden der Heiligen ist. Diesen Teil nehme ich zu dem Vers davor noch mit dazu und schließe damit den Gedanken ab: Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie es in allen Gemeinden der Heiligen ist.
Dieser Satz taucht noch dreimal im ersten Korintherbrief auf und steht immer am Ende einer Aussage, nie am Anfang. Hier in dem Text hat man den Anfang der nächsten Verse mit dazugezogen, halte ich eher für unwahrscheinlich.
Schwierige Textstelle zu Frauen im Gottesdienst
Vers 34 – und jetzt wird es spannend: Eure Frauen sollen in den Gemeinden schweigen, denn es wird ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen. Denn es ist schändlich für eine Frau, in der Gemeinde zu reden.
Ihr könnt euch vorstellen, dass diese Verse, was die Auslegung angeht, hohe Wellen geschlagen haben. Es ist nicht ganz einfach, sich diesem Text zu nähern. Ich fange mal ganz vorsichtig an.
Erstens: Keine Gemeinde auf dieser Welt nimmt diesen Text ernst – ernst im Sinne von wortwörtlich. Würde sie das tun, müsste man kurz definieren, was Gottesdienst ist. Okay, das ist bei euch Sonntag von zehn bis halb zwölf in diesen Räumen. Und man müsste sagen: Wenn eine Frau zwischen zehn und halb zwölf hier diesen Raum betritt, hat sie zu schweigen.
Schweigen ist ein relativ einfacher Begriff: Schweigen heißt „Mund zu“. Du darfst noch atmen, aber ich möchte nichts mehr hören. Ich möchte nicht hören, dass du sagst: „Schatz, kannst du mir mal ein Tempo geben?“ Ich möchte nicht hören: „Schatz, wie spät ist es eigentlich?“ Ich möchte auch nicht hören: „Schatz, hast du daran gedacht, Windeln einzupacken fürs Kind?“ Schweigen heißt nichts sagen.
Paulus ist, so wie ich es verstehe, nicht derjenige, der, wenn es um Formulierungen geht, immer sehr fein formuliert. Wir haben im 1. Korintherbrief, Kapitel 5, einen Fall, wo die Korinther dachten, in einem früheren Brief, den er ihnen geschrieben hat, wo er sagt: „Habt keinen Kontakt mit Unzüchtigen“ – gemeint hatte Paulus unzüchtige Christen. Die Korinther haben das gleich so verstanden, dass es alle betrifft, und haben alle Missionstätigkeit eingestellt. Paulus muss nachbessern und sagen: „Nee, das war natürlich nicht gemeint.“
Das heißt, wenn man Paulus studiert, muss man damit rechnen, dass er manchmal Dinge in einer Weise formuliert, die tatsächlich leicht missverständlich sind, wo er etwas zu scharf oder zu allgemein formuliert. Hier in diesem Fall ist das gar kein Problem, weil die Korinther ganz genau wissen, worauf er sich bezieht – nur wir wissen es nicht.
Ich sage das nur, weil es Tendenzen gibt in der Christenheit, solche Texte zu nehmen und zu sagen: „Lasst uns immer auf Nummer sicher gehen, möglichst eng, dann ist es immer gut.“ In diesem Fall bedeutet „möglichst eng“ jedoch etwas sehr Gefährliches. Es bedeutet, dass ich die Hälfte der Christenheit, die Hälfte der Priester Gottes – oder um genau zu sein, die Priesterinnen – davon ausschließe, geistliche Schlachtopfer im Gottesdienst zu bringen, was eigentlich ihr Job ist.
Wenn ich so einen Schritt gehe, muss ich ganz sicher sein, dass meine Auslegung stimmt, bevor ich so eine Einschränkung vornehme. Und ich möchte euch zeigen, dass jede Gemeinde auf dieser Welt, die ich kenne, Frauen in irgendeiner Weise im Gottesdienst wenigstens laut atmen lässt. Wenn das so ist, dann ist Schweigen, erst einmal vom gesunden Menschenverstand her betrachtet, nicht absolut gemeint. Jeder muss sich den Gedanken machen: Wie weit schränke ich das ein?
Ich muss mir auch die Frage stellen: „Eure Frauen sollen in den Gemeinden schweigen, denn es wird ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen, denn es ist schändlich für eine Frau, in der Gemeinde zu reden.“ Wir müssen dem auch einen Sinn geben.
Wenn ich einem Text einen Sinn geben möchte, schaue ich mir an, worum es geht. Es geht um Gottesdienst, haben wir verstanden. Worum geht es im engeren Sinn? Was ist das Thema davor und was ist das Thema danach? Es geht davor um Prophetie. Und wenn wir weiterlesen, werdet ihr sehen, es geht danach immer noch um Propheten. Das heißt, diese Aussage steht in einem engeren Zusammenhang, wo es um Prophetie geht.
Das Nächste, was mich persönlich bei dieser Frage sehr beschäftigt hat: Es steht natürlich nirgendwo wortwörtlich im Gesetz, dass eine Frau in der Gemeinde schweigen muss. Im Alten Testament werdet ihr eine solche Aussage nicht finden. Das heißt, Paulus bezieht sich hier nicht auf ein Gebot, das er einfach auslegt, sondern auf ein Prinzip. Und dieses Prinzip hat wieder mit der Schöpfungsordnung zu tun.
Es geht darum, dass eine Frau – und ihr seht das in Vers 35, wo es um die eigenen Männer geht – es geht um eine verheiratete Frau und ihren Umgang mit dem eigenen Mann.
Egal, wie du die Stelle auslegst, ich glaube, die entscheidende Auslegungsfrage ist folgende: Welche Frage ist von so schändlicher Art, dass eine Frau sie im Gottesdienst ihrem Mann nicht stellen darf, aber sehr wohl zuhause in den eigenen vier Wänden?
Also ich räufel das Ding von hinten auf, Vers 35: „Wenn sie aber etwas lernen wollen“ – ein sehr allgemeiner Begriff –, „wenn sie etwas verstehen wollen, wenn sie ihre Fragen loswerden wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen.“ Also welche Frage ist von so schändlicher Art, dass jeder, der eine Ahnung von Mann, Frau und davon hat, wie sich Gott das denkt, sagt: Eine Frau darf diese Frage im Gottesdienst ihrem Mann niemals stellen?
Die Frage „Schatz, wie spät ist es?“ kann ich überhaupt nicht als schändlich sehen. Es ist keine Frage, die in unserem Verhältnis meinen Mann entehrt, weil sie diese Frage stellt. Meine Frau stellt mir die Frage: „Schatz, kannst du mir nochmal erklären, was der Prediger eben gemeint hat?“ Das ist kein Stück schändlich. Wenn ich ihr das erklären kann, ist das sogar sehr erbauend.
Also: Die Frage muss sein, welche Art von Fragen darf eine Frau nicht stellen? Und wir haben direkt im Kontext davor den Punkt, wie man mit Propheten umgeht. Wenn ihr euch erinnert, hatte ich euch gesagt, die Prophetie wird gebracht. Und was passiert dann? Dann wird über das, was der Prophet gesagt hat, diskutiert, es wird beurteilt.
Wenn ich mich in so eine Situation hineinversetze, dann stelle ich fest: Wenn ich vorne etwas sage und ihr würdet alle über meine Predigt diskutieren, und meine Frau würde so aus dem Nähkästchen plaudern und vielleicht auch noch ein paar Argumente mit reinwerfen, könnte mich das in der einen oder anderen Situation ganz schön dämlich aussehen lassen.
Da entsteht eine Spannung, die nicht sein darf, weil in der Öffentlichkeit eine Frau, eine verheiratete Frau, ihren eigenen Mann nicht ins Kreuzverhör nimmt. Und das Interessante ist: Dieses Wort „so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen“ – dieses Wort „fragen“ ist ein starkes Wort. Es ist dasselbe Wort, das verwendet wird, als Jesus vor dem Hohen Rat steht. Es ist wirklich die Idee des Kreuzverhörs dahinter. Und so ein Verhalten geht nicht.
Kontext: Prophetie, Schweigen. Meines Erachtens ist das nicht allgemein zu verstehen, sondern an der Stelle, wo die Gefahr besteht, dass eine Frau sich nicht unterordnet, sondern über den Mann erhebt. Wenn sie in diesem Austausch, da, wo der Prophet zerrissen wird und wo man so richtig reingeht – und ich weiß nicht, ob ihr Spaß an solchen Diskussionen habt, wo man sich echt nichts schenkt –, wenn das passiert, dann glaube ich, dass Paulus sagt, dass Frauen im Blick auf ihre eigenen Männer schweigen sollen, sich unterordnen sollen.
Er erlaubt ihnen nicht, an so einer Diskussion teilzunehmen. Wenn sie ihre Fragen loswerden wollen, wenn sie etwas lernen wollen, wenn sie quasi wissen wollen, was gemeint war, dann sollen sie nicht in der Gemeinde, sondern daheim ihre eigenen Männer fragen. Denn es wäre schändlich für eine Frau, so in der Gemeinde zu reden.
Das ist meine persönliche Meinung. Wie ihr wisst, bin ich da immer so ein bisschen „na ja“. Also, wenn ihr es nicht wollt, dann wollt es nicht – das ist, was ich denke.
Wir haben den Samstag. Wenn ihr noch Fragen dazu habt, bringt sie alle mit. Ich kann da auch noch ein bisschen mehr dazu sagen.
Abschluss des Kapitels 14 und Zusammenfassung
Ich möchte jetzt trotzdem Kapitel 14 abschließen, denn Paulus geht einen Schritt weiter und sagt: Okay, wenn du das nicht so siehst, wenn du denkst, eine Frau darf da schon voll mit rein, also kann sie ruhig den Mann öffentlich ein bisschen blamieren und ein wenig herabsetzen – das ist gar kein Thema.
Vers 36: Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? Habt ihr euch das ausgedacht? Oder ist es nur zu euch gelangt? Seid ihr die Einzigen, die das Evangelium bekommen haben? Und beide Male müssen sie antworten: Nein, natürlich nicht, nein, natürlich nicht.
Wenn jemand meint, ein Prophet oder sonst ein Geistbegabter zu sein, so erkenne er, dass das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. Die Propheten müssen sich entscheiden. Propheten sind hier Menschen, die Lehre bringen. Er muss entscheiden: Entweder stimmst du Paulus zu und sagst, ja, so ist es richtig, dann kannst du auch sagen, ich bin Prophet. Oder du sagst: Nein, das glaube ich nicht, Paulus. Dann nimmst du dir selbst das Recht, als Prophet aufzutreten.
Wenn aber jemand das nicht erkennt, wird er auch von Gott nicht als Prophet anerkannt. Sein Anspruch ist also falsch, nicht sein Glaube – damit wir das nicht falsch verstehen.
Schlussbemerkung – Strich drunter: Worum ging es ihm überhaupt? Da, liebe Brüder, eifert danach, weissagen zu können, und hindert das Reden in Sprachen nicht. Alles aber geschehe anständig und in Ordnung.
Das war 1. Korinther 14. Ich wünsche euch eine gute Nacht.