Ich lese aus Matthäus 26, Jesus in Gethsemane.
In diesem Kapitel wird beschrieben, wie Jesus nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern in den Garten Gethsemane geht. Dort betet er mit großer innerer Not und bittet den Vater, wenn möglich, den Kelch des Leidens an ihm vorübergehen zu lassen. Dennoch fügt er hinzu, dass nicht sein Wille geschehe, sondern der Wille des Vaters.
Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und bittet sie, mit ihm wach zu bleiben und zu beten. Doch sie schlafen ein, was Jesus tief betrübt. Er kehrt mehrmals zurück und findet sie schlafend.
Diese Szene zeigt die menschliche Seite Jesu, seine Angst und seinen inneren Kampf vor dem bevorstehenden Leiden und Tod. Gleichzeitig offenbart sie seinen Gehorsam und sein Vertrauen in den Willen Gottes.
Der Bericht endet damit, dass Judas mit einer Schar Soldaten und Dienern kommt, um Jesus zu verhaften. Jesus stellt sich ihnen ohne Widerstand, erfüllt die Schrift und beginnt so den Weg seines Leidens.
Jesus in Gethsemane: Der innere Kampf vor dem Leiden
Da kam Jesus mit seinen Jüngern zu einem Hof, der Gethsemane hieß, und sprach zu seinen Jüngern: „Setzt euch hier, bis ich dorthin gehe und bete.“
Er nahm Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus zu sich und begann zu trauern und zu zagen. Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Bleibt hier und wacht mit mir!“
Dann ging er ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete: „Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend. Er sprach zu Petrus: „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: „Mein Vater, ist es nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergeht, so trinke ich ihn. Doch geschehe dein Wille!“
Er kam zurück und fand seine Jünger abermals schlafend, und ihre Augen waren voll Schlaf. Er ließ sie liegen und ging abermals hin, betete zum dritten Mal und sprach dieselben Worte.
Da kam er zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen: „Ach, wollt ihr nun schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Sohn des Menschen in die Hände der Sünder überliefert wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.“
Die menschliche Seite Jesu im Angesicht des Leidens
Herr, öffne uns durch dein Leiden selbst die Augen, damit wir es wirklich begreifen. Amen.
Jesus, zagend und trauernd – was für ein armseliges Bild! Als Junge habe ich gerne Kriegsgeschichten gelesen, besonders aus dem Ersten Weltkrieg. Auch die Erzählungen vom Zweiten Weltkrieg handelten oft vom Heldentum. Sind Jesus’ Leiden weniger als der stolze Tod unserer Söhne im Krieg?
Was ist das nur für ein armseliges Bild: der zagende, klagende, trauernde Jesus. Er wusste doch, dass er sterben muss. Schon bei Caesarea Philippi hatte er seine Jünger darauf hingewiesen, dass der Menschensohn leiden wird. Passt das alles zusammen?
Er war doch sonst nicht so. Als die Kriegssoldaten ihm die Dornenkrone aufsetzten und das Blut herunterlief, hat er doch nicht geschrien. „Der nicht widersprach, als er gescholten wurde“, heißt es in einem Brief in der Bibel. Er drohte nicht, obwohl er litt. Warum also dieses Jammerbild in Gethsemane?
In dieser einen Nacht hat sich endgültig ein tiefer Graben aufgetan.
Die Erkenntnis der unausweichlichen Erlösung
Und Jesus sah noch einmal die ganze schöne Welt, so wie wir uns an der Natur und an den Menschen freuen. Er dachte an die Frömmigkeit, an die Opfer, die im Tempel gebracht wurden, und an die inbrünstig betenden Menschen, die in den Religionen kämpfen und ringen.
„Vater, es ist nicht möglich, dass diese Leute selig werden ohne Kreuz. Es ist nicht möglich, dass diese Menschen sich den Himmel verdienen. Es kann doch nicht sein, dass die ganze Frömmigkeit der Welt und aller ernsthafte Eifer nur zur Hölle führen kann.“
In der Nacht zitterte Jesus, und es überkam ihn ein Schrecken. Ihm wurde deutlich, dass es nur eine Erlösung gibt: das Kreuz, sein Leiden und Sterben. In dieser Passionsnacht dachte Jesus an die ganze Weltweisheit, an das, was auf den Hochschulen studiert wird.
Dabei darf man das menschliche Forschen und Planen nicht gering schätzen – die Philosophen der Welt haben in vielen Jahrtausenden großen und gewaltigen geistigen Besitz entdeckt. Soll das alles vor Gott denn nichts gelten?
Jesus steht vor diesem ganzen Berg menschlicher Leistungen und menschlichen Könnens. Doch er sieht nur die Gerichtshand Gottes, den Zorn Gottes, der über dieser Welt liegt. Wir können darüber diskutieren und reden, doch Jesus hat es gesehen, und darüber überkam ihn ein Zittern.
Die Begrenztheit menschlicher Liebe und die Notwendigkeit des Kreuzes
Jesus sah in jener Nacht die Liebe – die Liebe einer Mutter, die bereit ist, für ihr Kind ihr Leben hinzugeben. Er sah die große Liebe von Menschen, die ihr ganzes Leben dem Dienst an notleidenden Menschen widmen.
Was gibt es doch für eine große Liebe, die sich selbst vergisst, langmütig und freundlich ist! Was ist doch die Liebe! Die Liebe muss doch die Welt bezwingen, sie muss doch endlich das Böse überwinden.
Und in dieser Nacht wurde offenbar, dass selbst die herrlichste Liebe den Menschen nicht aus der Verlorenheit der Schuld befreien kann. Das ist wie eine Bestätigung, als Judas kommt und Jesus einen Kuss gibt.
Die ganze irdische Liebe, die uns so kostbar ist und unser Leben so schön macht, wird in der Nacht der Enthüllung zum Hohn. Da sieht Jesus hinein in die grauenvolle Verlassenheit unserer Welt.
Man kann darüber reden, man kann es wegschieben – Jesus hat es gesehen und durchlitten. Er wachte und betete. Doch man kann, wie die Jünger, auch darüber hinwegschlafen.
Aufruf zum Wachen und Beten als Antwort auf das Leiden
Ich freue mich, dass Sie sich heute Abend Zeit genommen haben, um an diesem Passionsabend für die Welt um uns herum zu wachen und zu beten.
Es gibt nur einen Weg heim zu Gott: Er führt über den blutenden Jesus am Kreuz. Dort spricht er uns frei, und dort sind wir gerettet. Alle anderen Wege führen in die Hölle.
Wachet und betet! Gott helfe uns, dass wir keine Schlafenden sind, dass wir einstehen für die Menschen um uns herum und dass wir selbst das Heil ergreifen und selige Menschen werden.
Herr, lass deine Todespein an mir nicht vergeben sein. Amen.
