Einführung in die Adventsverheißungen und die Bedeutung von Nazareth
Wir wollen uns heute Abend mit einigen Adventsverheißungen beschäftigen. Dabei stoßen wir auf einen Abschnitt, den ich bisher noch nie behandelt habe, weil er mir selbst nicht bekannt war.
Als ich in Mosambik unterwegs war, begleitete mich ein südafrikanischer Ruhestandspastor, der Lehrer für Altes Testament war. Bei einer Kircheneinweihung machte er mich auf einen biblischen Sachverhalt aufmerksam, den ich bisher nicht ernst genommen hatte.
In der Bibel steht immer wieder, dass sich mit dem Wohnort Jesu in Nazaret eine prophetische Verheißung erfüllt hat. Ich sagte damals, das sei Quatsch. Wissen Sie, warum? Frau Riecker schüttelt den Kopf. Ja, Bethlehem ist bekannt, aber Nazaret? Nazaret wird nicht erwähnt. Forscher haben lange darüber diskutiert, ob es Nazaret zur damaligen Zeit überhaupt schon gab.
Erst 1962 fand man einen Stein, der darauf hinweist, dass Nazaret vorchristlich bereits existierte. Damit werden die biblischen Berichte bestätigt. Wissenschaftlich kann man vieles anzweifeln, bis man Beweise findet.
In der Bibel erscheint Nazaret nicht vor dem Kommen Jesu. Es gibt es also nicht. Warum wird dann aber das prophetische Wort erfüllt, dass Jesus nach Nazaret geht?
Wir gehen heute einige Stellen durch. Wenn Sie sich noch einmal sportlich betätigen wollen, schlagen wir viele Texte auf. Zum Beispiel Apostelgeschichte 24,5: Der Hohepriester und die Ältesten Israels stehen vor dem Statthalter Felix und beschuldigen Paulus, einen Aufruhr unter allen Juden auf der ganzen Erde zu erregen. Außerdem sagen sie, Paulus sei ein Anführer der Sekte der Nazarener.
Die Herkunft und Bedeutung des Namens „Nazarener“
Jetzt ist interessant: Wie kommt es überhaupt zu dem Wort Nazareners? Es müsste eigentlich schon heißen: Ein Anführer der Sekte der Bethlehemiter ist Jesus, in Bethlehem geboren nach der Verheißung. Was hat Nazaret mit ihm zu tun? Dass Jesus in Bethlehem geboren ist, das wissen wir. Aber dass Jesus auch aus Nazareth kommt, wie so oft aus der Bibel erwähnt wird – wie ist das jetzt im Neuen Testament? Wie kommt es, dass dieses Wort sich unter den Juden eingebürgert hat und die ganze Gruppe als Nazarenergruppe verschrien wurde?
Sie wissen, es gibt heute eine Kirche der Nazarener. Diese hat mit dem nichts zu tun; das ist eine Neugründung. Sie hat den Namen bloß übernommen. Dann habe ich Ihnen das letzte Mal von den Nasrani erzählt. Das sind heute etwa 300 Dörfer am Rand des Kaukasus, dort, wo es jetzt wieder so ist. Die Tschetschen sind übrigens semitische Völker, das ist auch hochinteressant. Das habe ich heute auch in einem Missionsbuch gelesen.
Diese Christen haben im Mittelalter, wie ich letztes Mal erzählt habe, eine ganz weite Missionstätigkeit vom Kaukasus ausgeübt. Sie sind Nestorianer, aber man regt sich nur auf, weil sie nicht Nestorianer heißen wollen. So war ihr Bischofsname, doch sie wollen Jesusleute heißen und Nazarener genannt werden – Nasrani.
Übrigens kommt dieses Nasrani wieder im Islamischen vor und ist bis heute bei den Juden das Wort für die Christen. Das Wort Christen heißt im Grunde Nazarener – bis heute geblieben. Wir können jetzt nicht alles Aramäisch und Hebräisch hier nachschlagen, Sie müssen es einfach glauben. Es steht im großen dreibändigen Bruckhauslexikon unter Nazarener, wer also mal nachlesen will.
Und diese Nazarener, von denen wir dort gehört haben, hatten damals bis Peking, vom Euphrat bis Peking, eine Verbindung. Man konnte dort reisen, ohne Schwierigkeiten, ohne Gefahr. Für uns ist das heute gar nicht mehr denkbar. Sie waren bei Dschingis Khan ganz groß, von ihm anerkannt, und haben das Evangelium unter den ganzen damaligen Völkern ausgebreitet. Man redet sogar davon, dass einer der großen Führer von Dschingis Khan Christ geworden sei. Man kann all die Missionsbücher nachlesen.
Heute sind sie sehr bedrängt, weil sie unter den Kurden leben.
Die prophetische Bedeutung von Nazareth und die biblischen Verweise
Wie kommt es nun dazu, dass der Name Nazarener zu einem Kennwort wurde? Mit dem Namen hat man sich ähnlich verhalten wie mit dem Wort Pietist. Es waren Schimpfnamen; man nahm immer das Unpassende.
Für die Juden war natürlich gerade das Wort Nazareth ein Beweis, dass er nicht der Messias sein könne, denn von Nazareth komme kein Messias. Und trotzdem fragt man sich: Wie kommt es dann, dass Matthäus sagt, damit habe sich das prophetische Wort erfüllt? Wo steht das?
In der Weihnachtsgeschichte Matthäus 2 – also nicht in der Geschichte bei Lukas, sondern in der Weihnachtsgeschichte nach Matthäus, Kapitel 2 – bei den Weisen aus dem Morgenland, der Flucht Jesu mit den Eltern nach Ägypten und der Rückkehr aus Ägypten, Vers 23. Das ist jetzt wichtig.
Diese Stelle wurde oft übersehen. Joseph, der Vater, erhält mit Maria den Befehl, zurückzukehren ins galiläische Land. Sie wohnen in einer Stadt mit dem Namen Nazareth, „damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazarener heißen.“
Nun gibt es bibelkundliche Leute, die sagen: Ja, ja, es steht wahrscheinlich hier auch bei der Worterklärung, dass Nazarener sicher „der Naziräer“ bedeutet. Vielleicht hat man das schon einmal gehört. Sonst dürfen Sie es wieder vergessen: Naziräer war ein hebräisches Wort für den Gottgeweihten. Das war etwa Johannes der Täufer, der sich die Haare nicht schneiden ließ und keinen Wein trinken durfte.
Ist das hier gemeint? Nein, das ist nicht gemeint. Das können Sie vom deutschen Wort her nicht erkennen; das müssten Sie mir einfach glauben. Es ist vom Griechischen, Hebräischen und Aramäischen her eine ganz andere Wortbildung: Nazoreach.
Ich habe nie verstanden, ob Nazareth und Nazoreach nur wegen des Wortklangs so ähnlich sind, dass das anerkannt wurde. Ist es denn so, dass sich die prophetischen Verheißungen bloß der Spur nach erfüllen?
Die sprachliche und historische Bedeutung der Namen in der Bibel
Der erste Schlüssel zur ganzen Sache ist: Die Namen, wie wir sie in der Bibel haben, entsprechen nicht den jüdischen Namen. Jeder, der durch Israel reist, wundert sich darüber, dass der jüdische Guide die biblischen Namen ganz anders ausspricht. Zum Beispiel sagt er Kapernaum.
Man merkt, dass die Namen teilweise etwas verändert wurden, auch in unserer neuen Bibel. Die Namen haben sich also verändert. Ähnlich wie aus Stutengarten Stuttgart wurde, wandeln sich Namen im Laufe der Zeit – wenn das so stimmt. Man weiß es nicht genau, aber der Name wandelt sich. Dabei wirkten damals verschiedene Sprachen mit: Aramäisch, Hebräisch, Griechisch. Die Namen wurden immer wieder von diesen Sprachen verändert.
Sie müssen wissen, dass Galiläa im Jahr 721 von den Assyrern erobert wurde. Von da an wohnte dort keine rein jüdische Bevölkerung mehr, sondern eine Mischbevölkerung. Deshalb gab es dort verschiedene Sprachen. Außerdem schreiben die Juden nur Konsonanten, keine Vokale.
Wenn man zum Beispiel das Ende von Nazaret, das später hinzugefügt wurde, weglässt, bleiben die drei Konsonanten N-Z-R übrig. Diese drei Konsonanten interessieren uns besonders, also N-S-R.
Damit kommen wir auf ein Wort, das in den Propheten eine wichtige Rolle spielt. Es freut mich, dass Rainer Riesner, der diesen Artikel geschrieben hat, in einem Bibellexikon sagt, es sei heute völlig eindeutig und erwiesen, dass dies eng zusammenhängt.
Es gibt eine Handschrift aus dem Jahr 220 von Julius Afrikanus. Er schreibt, dass alle, die mit dem Herrn Jesus zusammengehören, von zwei Orten kommen: von Nazaret (Nazareth) und von Kochaba. Kochaba ist die Sternstadt.
Jetzt interessiert uns, was Nazareth bedeutet. Das ist die Sprossstadt. Interessanterweise haben damals die Siedler diesen Orten messianische Namen gegeben. Das war nach der babylonischen Gefangenschaft.
Diese Siedler, die von Babel zurückkamen, waren gläubige biblische Leute. Sie gaben ihren Orten in Galiläa, im Heidenland Galiläa, messianische Namen. Sie nahmen das Wort Nesirah – wie man es hebräisch oder aramäisch ausspricht –, das später in Nazareth verändert wurde.
Damit bezeichneten sie die Sprossstadt, also den kommenden Spross, den Messias. Dem wollen wir heute nachgehen. Das ist es, was hier angesprochen wird.
Für uns ist es eine schwierige Brücke zu verstehen, weil wir die Laute nicht kennen. Ich habe mich selbst auf den Weg gemacht und mit meinem kritischen Geist wollte ich es eigentlich nie glauben. Dennoch bin ich fasziniert, dass uns hier etwas erschlossen wird, das wir vielleicht einmal in der Ewigkeit verstehen werden.
Denn Matthäus hat in zwei Kapiteln viermal gesagt, dass sich damit erfüllt, was im Prophetenwort steht:
Erstens, in Kapitel 1, Vers 23: Eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären. Sie werden ihn Immanuel nennen. Damit ist erfüllt, was Jesaja sagt.
Zweitens, in Kapitel 2, Vers 5: In Bethlehem in Juda, so sagt der Prophet Micha.
Drittens, Kapitel 2, Vers 15: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
Viertens, Kapitel 2, Vers 23: Nazaret.
Wenn Sie nun jemanden hören, der keine Liebe zur Bibel hat, dann könnte man sagen, das sei alles Quatsch und die Bibel werde nur allegorisch ausgelegt. Aber das stimmt nicht. Diese Personen haben keine Kenntnis von der Bibel.
Die messianische Verheißung des Sprosses aus Jesaja 11
Wir beginnen mit der ersten Bibelstelle, auf die wir uns beziehen, nämlich der bekannten Messias-Verheißung in Jesaja 11, Vers 1 und folgende. Beim letzten Mal haben wir dieses Wort bereits zitiert, weil wir dort vom Geist des Herrn, dem Geist der Weisheit, gesprochen haben, der der Heilige Geist ist. Heute Abend wollen wir einen anderen Aspekt dieses Wortes herausgreifen.
Es heißt: „Es wird ein Reis aufgehen, hervorgehen aus dem Stamm Isais.“ Das Bild ist Ihnen sicher klar. Da steht eine große Eiche, und diese Eiche wird abgesägt. Was bedeutet dieses Bild? Israel ist dieser große Stamm, das Volk Israel, das von Gott gebaut und gepflegt wurde. Nun aber sägt Gott diesen Baum ab.
Sie wissen, wie heute ein Aufschrei durch die Welt geht, wenn so etwas passiert. Das kann man kaum beschreiben. In Dobelgard hatten wir einen abgestorbenen Baum. Dort sagten wir, das wird gefährlich. Ich habe die Genehmigung von der Stadt eingeholt, aber die Frau schrieb mir, es werde gefährlich, wenn etwas herunterfällt und ein Kind verletzt wird. Sie schrieb mir sehr böse und riet mir, nichts an dem Baum zu machen, bis die Kommission da war und der Erlass vorlag. Sie meinte, man könne eher einen Fernsehturm in Stuttgart bauen, bevor man einen morschen Baum absägt. Das ist ganz wahnsinnig.
Es schreit also niemand in Stuttgart aus Umweltschutzgründen auf. Aber wie unheimlich ist es, wenn Gott diese Eiche umhaut, diesen riesigen Baumstamm! Israel muss gefällt werden. Das ist das Gericht über Israel. Man will es kaum aussprechen: 2700 Jahre ist dieses Volk gefällt. Es gibt kein so intelligentes Volk wie dieses Volk, kein künstlerisch so begabtes Volk. Und dennoch hat Gott es gefällt!
Furchtbar ist, was die Weltvölker sich an Israel für Schuld aufgeladen haben, und wir Deutschen am allermeisten. Das ist also kein harmonisches Geschehen, dieses Fällen des Stammes. Doch dann sagt Gott: Aus diesem Stumpf, aus dem Strunk wird ein Schössling herauswachsen, so wie man es im Wald erlebt, wenn ein neues kleines Pflänzchen wächst.
Dieses kleine Pflänzchen aus dem alten Stamm Isai, der im Griechischen Jesse heißt, ist kein Rosenstrauch, sondern ein wieder auswachsener Schössling aus dem Stumpf. Es ist der Kommende aus dem Messias-Geschlecht, so wie einst David aus der Familie des Isai kam. Das können Sie nachlesen in 1. Samuel 16. Isai war der Vater von mehreren Söhnen, und dort kam Samuel, um sie zu salben.
Es wird gesagt: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.“ Wenn Sie Vers 10 anschauen, wissen Sie, dass das kein kleiner Zweig ist. Es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die gesamten Heidenvölker. Das ist die Verheißung.
So sehen Sie, dass man Jesus nur aus der Schrift begreifen kann, wie alles zusammenhängt. Nach ihm werden die Heiden fragen, und die Stätte, die da wohnt, wird herrlich sein.
Dann geschieht es, dass das Kommen des Messias nicht nur im Stall passiert, sondern in der Höhle, in der Erdhöhle von Bethlehem, unter dem Haus, irgendwo, wo das Vieh war. Dort kommt dieser Schössling heraus aus dem alten Wurzelgrund, aus dem Stamm Isai, so wie Gott es macht.
Man kann sich nur fragen: Wie ist das eigentlich mit der Volkszählung? Hat nicht Augustus sie angeordnet? Für uns ist das heute kaum mehr erklärbar. Musste dieser Terror wirklich sein, nur damit Jesus in Bethlehem geboren wird? Nein, der Terror bleibt Terror. Aber Gott benutzt diese furchtbare Machthaberei und macht daraus seinen Heilsplan.
Das ist eine wunderbare Erklärung für Ihr Leben: Nicht dass Gott immer schuld ist, wenn etwas Schlechtes passiert. Nein, die Menschen tun ihre bösen Dinge, und Gott plant sie mit ein und macht sein Heil daraus. Ganz wunderbar erfüllen sich die Verheißungen, so wie auch aus all dem Elend, das in Nahostkriegen und so weiter passiert, am Ende Gottes Verheißungen in Kraft gesetzt werden.
Aber deshalb macht Gott nicht das Unheil. Das ist eine Verkürzung, die Ungläubige oft machen.
Ganz wunderbar ist auch, wie das mit Bethlehem zusammenkommt. Alles erfüllt sich auf eine gewaltige Weise. Das weinende Rachel, die damals in Bethlehem ihren jüngsten Sohn Benjamin geboren hat, und dabei starb – eigentlich war es in Ramah, aber später wurde ihr Grab nach Bethlehem verlegt. Wann genau das geschah, weiß man nicht genau.
In Ramah hört man ein Geschrei, und heute befindet sich dieses Grab an einer Straßenkreuzung in Bethlehem, das an den Tod Rachels erinnert. Auch das wird in der Weihnachtsgeschichte erklärt und gehört zusammen mit dem Kindermord. So gibt es auf einmal biblische Bezüge, die zusammengehören.
Für uns ist das eine ganz wichtige Sache: So geht Gott vor und erfüllt sein Wort. Die Evangelisten haben das auf einmal erkannt, und ihnen ging ein Licht auf: „Ach, so steht es ja geschrieben!“ Und das hat einen Sinn bei Gott, dass es so war mit Bethlehem.
Doch jetzt suchen wir die Erklärung für Nazareth.
Die Bedeutung des Namens Nazareth als messianischer Ehrentitel
Dieses Wort, das hier steht, bedeutet Spross, Reis oder Schössling – je nachdem, wie man es nennen möchte. Es heißt N-S-R in den Konsonanten. Das sind nasale Laute, die man kaum richtig lernen kann. Im Hebräischen heißt es Nessach.
Wie kam es nun zu der Benennung Nazareth? Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass diese Siedler ihrer Stadt einen messianischen Namen geben wollten. Die einen nannten ihre Stadt Kochaba, nach dem Stern, der aufgehen wird, wie es Bileam damals prophezeit hat. Die anderen gaben ihr den Namen nach dem Schoss, besser gesagt nach dem Spross, wie es in Jesaja 11 heißt.
Früher haben viele Bibeldeuter gesagt, dass das Wort Nazareth „Warte“ bedeutet. Das ist jedoch nicht möglich, denn dort oben gab es keinen Turm und keine Warte. Geografisch passt das auch nicht; eine Warte wäre eher auf dem Tabor oder an einem anderen Ort gewesen. Es handelt sich wirklich um diese Stadt Nazareth.
Heute sind sich Forscher wie Rainer Riesner darin einig, dass diese Deutungen eindeutig nur im Zusammenhang mit diesem Ort verstanden werden können.
Warum taucht Nazareth im Neuen Testament so oft auf? Offenbar war vielen im Neuen Testament diese Brücke schon klar. Die Sache mit Nazareth war in der Tat ein Ehrenwort. Jesus ist der Verheißene, und dieser Name wurde von den Leuten als Ehrentitel für Jesus gebraucht.
Das habe ich in meinem Leben bisher noch nicht gewusst – das ist eine Entdeckung, an der Sie heute Abend teilhaben dürfen: Das Wort „Jesus von Nazareth“ ist ein Ehrentitel, ein messianischer Ehrentitel Jesu.
Schauen wir uns Markus 1,23 an. Übrigens ist die Parallelstelle bei Lukas ganz genau so. Dort wollen wir sehen, wer dieses Bekenntnis ruft. In Markus 1,23-24 war Jesus in einer Synagoge, und dort war ein Mensch, besessen von einem unreinen Geist. Diese Teufel haben einen Durchblick. Sie wissen genau, wen sie in Jesus vor sich haben. Der Geist schrie: „Was willst du von uns, Jesus von Nazareth?“ Die Hölle weiß, was sie tut. „Du bist, ich weiß, wer du bist, der Heilige Gottes.“
Jesus hat viele Ehrennamen: der Hirte, der Gottessohn, der Menschensohn, Erlöser – wir haben 50 oder 51 Titel Jesu. Dazu gehört auch Jesus von Nazareth.
Gehen wir weiter und suchen weitere Stellen. Markus 10,47 erzählt von Bartimäus, dem blinden Mann, der am Wegesrand saß und bettelte. Als er hörte, dass Leute vorbeiliefen, fragte er, wer das sei. Dann rief er, und er begriff sofort, als man ihm den Namen nannte. Bisher war mir nie klar, woher der blinde Mann wusste, dass Jesus der Heiland ist.
Interessant ist: Er fing an zu schreien, als er hörte, dass es Jesus von Nazareth war. Er rief: „Jesus, du Sohn Davids! Jesus, du Spross, Jesus aus der Sprossstadt!“ Offenbar war zu Jesu Zeit diese Erkenntnis bei vielen Gläubigen schon klar – ausgerechnet durch diese Bezeichnung „Jesus von Nazareth“.
Weiter zu Markus 16,6, im Osterbericht. Der Engel benutzt diese Bezeichnung. Es ist gewiss kein Spott- oder Lästername, wie Nathanael es gesagt hat: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Nein, Gott hat genau dieses Wort benutzt, um sich daran zu verherrlichen.
Der Engel sagt: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.“
Kommen wir zu den Emmausjüngern in Lukas 24,19. Sie hatten Probleme und sprachen anerkennend: „Du weißt nicht, was da geschehen ist.“ Sie sagten: „Jesus von Nazareth, der ein Prophet war.“ Es ist also gar nicht denkbar, dass das Nazareth von ihnen abwertend gemeint war. Es stand neben dem Wissen um die Geburt in Bethlehem, dass Jesus aus Nazareth kommt – eine große Linie der Erfüllung der Verheißungen Gottes.
Sie verstanden es im Moment nicht, weil sie nicht wussten, dass er auferstanden ist. Aber das ist ein Wort der Bewunderung, das sie später richtig verstanden.
Johannes 18,5 berichtet: „Wen sucht ihr?“ Sie antworteten: „Jesus von Nazareth.“ Er sagte zu ihnen: „Ich bin es.“ Diese Bezeichnung war für die Leute schon ein Messias-Anspruch, auch wenn er nicht offen hervorgetreten ist.
Johannes 19,19 zeigt, dass über dem Kreuz stand: „Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ Wir wissen, dass das Wort „König“ vielleicht spöttisch gemeint war. Doch es ist unheimlich richtig. Gott hat sogar diesen brutalen Despoten benutzt, um über Jesus viel Richtiges zu sagen: Er ist der verheißene Spross aus dem Geschlecht Davids, der König der Juden.
Am Pfingstfest, in Apostelgeschichte 2,22, gebraucht Petrus in seiner Pfingstrede bewusst wieder diese Bezeichnung „Jesus von Nazareth“. Für die Christen war es also entscheidend wichtig, diesen Namen nicht nur als Ortsbezeichnung zu gebrauchen, wie man sonst einen Namen nennt – zum Beispiel Karl, Sohn von Gustav oder der von Cannstatt –, sondern es war ein viel wichtigeres Wort.
Das sieht man auch bei der Heilung des Gelähmten in Apostelgeschichte 3,6. Petrus sagt zu dem Gelähmten: „Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth.“ Da genügt „Jesu Christi“. Für diese Leute war es wichtig, die Herkunft Jesu aus Nazareth zu betonen, auch bei der Ausübung der Kraft und des Wirkens.
Nicht nur, um den irdischen Jesus zu beschreiben. Jesus verbrachte viel mehr Zeit in Kapernaum, das war seine Stadt. Nazareth war nur die Stadt, in der er mit seiner Familie aufwuchs. In Nazareth konnte Jesus kein Wunder wirken. Dort gab es sofort den Zusammenstoß, und er ging nach Kapernaum. Dort und in Chorazin und Bezeida tat er viel mehr Wunder.
Trotzdem war ihm Nazareth wichtig – wohl wegen der Weissagung der Propheten. In Apostelgeschichte 4,10 heißt es: „Es sei euch und dem ganzen Volk Israel kundgetan, dass im Namen Jesu Christi von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt, der Messias von Nazareth, Gott auferweckt hat.“
In Apostelgeschichte 6,14, bei Stephanus, fällt uns das sonst kaum auf. Dort heißt es: „Dieser Jesus von Nazareth wird diese Städte zerstören und die Ordnungen ändern, die uns Mose gegeben hat.“ Das ist ein Zitat aus der Predigt und Verkündigung des Stephanus. Offenbar war das ein wichtiges Wort für ihn. „Jesus von Nazareth“ war eine Wendung, die er gern benutzte, denn Jesus ist der Herr, der aus dem Spross Davids kommt.
Interessant ist auch, wie Paulus seine Bekehrungsgeschichte erzählt. In Apostelgeschichte 22, vor dem Landpfleger in Caesarea, erzählt er seine Geschichte. Bei den Juden in Jerusalem sagt er: „Ich fragte bei meiner Bekehrung, als das Licht erschien und die Stimme sprach: ‚Herr, wer bist du?‘ Und er sagte zu mir: ‚Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst.‘“ Bei der Bekehrung des Saulus wird kein anderer Titel genannt, nur „Jesus von Nazareth“.
In diesem Augenblick war klar: Jesus von Nazareth ist der Gottessohn, der Heiland, der Retter und der Welterlöser.
In Apostelgeschichte 26,9 sagt Paulus vor Festus: „Zwar meinte auch ich selbst, ich müsste viel gegen den Namen Jesu von Nazareth tun.“
Das sind nur einige Stellen aus dem Neuen Testament. Wir sehen, dass diese Bezeichnung eine ganz bestimmte Bedeutung hatte.
Die Stelle in Jesaja 11 ist nicht die einzige Messiasverheißung vom Spross. Es gibt weitere bekannte Verheißungen.
Eine davon haben Sie vielleicht schon in der Bibelstunde gehört: Jeremia 23,5: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich dem David einen gerechten Spross erwecken.“
Im Deutschen klingt das vertraut, denn wir sagen gern, wenn jemand einen Sohn hat: Das ist der Sprössling, der kleine Spross.
Bei der Geschichte Davids wartete man immer darauf, wann endlich der Verheißene aus dem Geschlecht Davids kommt. Diese Spannung zieht sich durch die Nachfolger Davids und die ganze Königsgeschichte.
Als Jesus geboren wird, ist das ganze Haus Israel und das Königshaus nichts mehr wert.
Man vermutet – und das ist auch eine Behauptung, die durch alte Inschriften aus dem zweiten Jahrhundert gestützt wird –, dass möglicherweise mehr Menschen aus dem Davidsgeschlecht in Nazareth wohnten.
In der Bibel wird ausdrücklich gesagt, dass sowohl Josef als auch Maria aus dem Geschlecht Davids stammen. Später wird nicht klar, warum das so ist, aber ich bin überzeugt, dass Gott viel mehr nach seinem Wort gehandelt hat, um dies zu erfüllen.
Wichtig ist, dass hier schon gesagt wird: Es soll der Spross kommen.
Eine weitere bekannte Stelle ist Jesaja 53, das große Lied vom leidenden Gottesknecht, besonders Vers 2.
All das hatten die Juden im Blick, wenn sie den Namen Nazareth hörten. Schriftgläubige Juden wussten genau, was die Prophezeiung über das Kommen Jesu sagte.
Jesus wurde zwar in Bethlehem geboren, wuchs aber in Nazareth auf. Er spross vor ihnen auf wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich.
Die Unscheinbarkeit, die Schlichtheit der Geburt Jesu erfüllt dieses Wort in der ganzen Schwäche.
Jeremia 33 enthält ebenfalls interessante Aussagen. Jeremia 33,15 spricht von der Wiederherstellung Jerusalems und sagt: „In jenen Tagen und zu jener Zeit will ich dem David einen gerechten Spross aufgehen lassen.“ Dieses Bild steht hinter Jesaja.
Das war der Hintergrund, den die Leute noch im Ohr hatten. Darum verstanden sie, was gesagt und angekündigt wurde.
Die letzten zwei Stellen finden sich bei Sacharja, am Ende der Propheten, die etwas schwerer zugänglich sind.
Sacharja 3,8 enthält eine wunderbare Zusage Gottes: Nach der babylonischen Gefangenschaft steht der Hohepriester da, und Gott nimmt die unreinen Kleider weg und reinigt ihn.
Das ist eine großartige Ankündigung der großen Vergebung Gottes. „Ich nehme deine Sünde von dir und lasse dir Feierkleider anziehen.“ Wie können sündige Menschen überhaupt für Gott dienen? Nur durch das Wunder der Vergebung.
Dort heißt es: „Höre nun, Josua, du Hoherpriester, du und deine Brüder, die vor dir sitzen, sind miteinander ein Zeichen. Denn siehe, ich will meinen Knecht, den Spross, kommen lassen.“
Nach der babylonischen Gefangenschaft wird ein Hoherpriester eingesetzt, und Sacharja kann an ihm nur dieses Wunder vollziehen.
Fritz Lauber hat einen herrlichen Kommentar darüber geschrieben, den man in der Pubertaler Reihe zum Alten Testament nachlesen kann.
Er betrachtet diesen Priester und sagt: „Deine Kleider sind schmutzig, so kannst du Gott nicht dienen.“ Dann geschieht das Wunder: Gott schenkt dir gratis Vergebung, alles wird weggetan, und alles wird gut.
Damit Josua sich nicht übernimmt und sich zu sehr auf seine Ehre konzentriert, sagt Gott: „Hinter dir sehe ich den Spross. Der wird der Priester sein, der Kommende, der die Reinigung endgültig vollziehen wird.“
Eine herrliche Weissagung, die anklingt – nicht nur das Schwächliche und Verachtete am Spross, wie in Jesaja 53 oder Jesaja 11, sondern jetzt wird klar: Der Spross, der kommt, wird die Reinigung über das sündige Volk vollziehen.
Ein wunderbarer Hinweis auf die große Vergebung, die Jesus mit seinem Opfer am Kreuz vollbringen wird.
„Ein Zeichen: Ich will meinen Knecht, den Spross, kommen lassen.“
Guckt nicht auf den Hohenpriester, das ist nur ein Vorläufer. So wie David nur ein Vorläufer des Kommenden war, oder Mose sagt: „Nach mir wird der Herr einen erwecken, der der wirkliche Prophet sein wird.“
Alles ist nur eine Vorabschattung des kommenden Messias.
Ganz ähnlich ist es bei Sacharja 6,12, der Krönung: Josua, hier Jeshua genannt, soll von den Weggeführten aus Babel Silber und Gold nehmen, Krone machen und das Haupt des Hohenpriesters krönen.
Er soll sprechen: „So spricht der Herr: Siehe, ein Mann, der Spross, kommt.“
Gott schaut über die menschlichen Repräsentanten hinweg.
Es ist immer so, dass Gott uns nur in Demut und Bescheidenheit segnen kann.
„Es ist ein Mann, der heißt Spross. Unter ihm wird der Spross sein, und er wird den Tempel bauen, den neuen Tempel.“
Gott war immer dagegen, dass Menschen sich etwas einbilden, um sich mit Gott im Dienst zu messen.
Deshalb ergreift der Hohepriester das Wort und sagt über den Spross: „Da kommt das Entscheidende. Du hast dein Licht nur im Schatten von Jesus, der da kommen wird.“
Das ist wunderbar, wenn die Evangelisten dann sagen: „Das sind doch keine Zufälle, dass Jesus aus diesem Sprossdorf kommt.“
Man muss wissen, dass Nazareth zur Zeit Jesu das letzte Kaff war.
Heute ist das schwer zu verstehen, weil jeder Tourist weiß, dass in Nazareth viel Verkehr herrscht und es schwierig ist, einen Parkplatz zu finden. Aber Kapernaum ist heute eine Ruinenstadt.
Damals war die Küste des Sees Genezareth zwar voll mit Menschen – 30, 40 Menschen wohnten am Rand des Sees –, heute ist es still und friedlich.
Nazareth war damals ein kleines Kaff, es war nichts los. Siphoris war die nahe Stadt, wo Herodes residierte.
Deshalb war Nazareth eine unbedeutende kleine Stadt, und sie kommt in der Bibel kaum vor.
Offenbar hatten nur diejenigen, die auf die Messiasverheißung pochten, den Namen im Gebrauch, und darin klingt etwas an.
Es ist schön, wenn man in der Adventszeit einen Blick darauf werfen kann, wie unglaublich die Bibel zusammenhängt, wie sie nur aus ihren einzelnen Aussagen verstanden werden kann und wie wunderbar es ist, zu verstehen, was das Kommen Jesu für uns bedeutet.
Jesus ist der, in dem die Verheißungen Davids wahrgemacht werden. In David ist er König, Priester und Prophet.
David war der letzte, der diese drei Ämter in sich vereinte. Im Lied „Welch ein Freund ist unser Jesus“ habe ich mir schon früher in der Jugend gemerkt, dass Jesus all das ist: König, Priester und Prophet.
Saul durfte kein Priester sein, obwohl er König war. Deshalb wurde er bestraft, weil er geopfert hatte.
Nur David hatte das Recht, diese drei Ämter auszuüben. Das ist seitdem nie mehr in den Nachfolgern Davids passiert.
Das ist wieder bei Jesus geschehen: Er ist der König, der sein Reich aufrichtet; der, der uns die Sünde wegnimmt; und der, der uns Gottes Willen lehrt, wie beim Bergpredigt.
Dann schreibt der Prophet ins Herz, der uns Gottes Wahrheit verkündet.
Das ist der vorausgesagte Verheißene, und das, was sich erfüllt.
Für mich war es schön, das zu entdecken. Das war auch bei der Kircheneinweihung ganz oben in Mosambik so.
Die Reformierten aus Südafrika haben es dort so schön ausgedrückt, und es hat sie tief bewegt.
Siebzig Jahre lang durften dort keine Gottesdienste gehalten werden, in Olongwe, und nun wurde die erste Kirche nach 70 Jahren wieder gebaut.
Sie sagten, es sei wie in der babylonischen Gefangenschaft.
An diesem Einweihungssonntag arbeiteten sie so gründlich zusammen, dass mich überraschte, wie reif die afrikanischen Kirchen in der Bibel sind.
Zuerst habe ich ein bisschen gelächelt und gedacht, das trägt doch nichts.
Doch dann konnte ich den Mund nicht mehr halten, als ich merkte, dass das die Ergebnisse der modernen archäologischen Forschung sind – sowohl von Nazareth als auch der Bibelforschung, wie Rainer Riesner sie darlegen kann.
Es ist wunderbar, wenn man dann die Linien sieht und sagen kann: Das ist genau bis hin zum Sacharja-Buch und seiner Messiaserwartung.
Weitere messianische Verheißungen vom Spross in der Bibel
Die Stelle aus Jesaja 11 ist nicht die einzige Messiasverheißung. Es gibt noch weitere, sehr bekannte Verheißungen vom Spross. Ich glaube, eine davon hast du in der Bibelstunde ausgelegt: Jeremia 23, Vers 5. Dort heißt es: „Siehe, es kommt die Zeit“, spricht der Herr, „da will ich dem David einen gerechten Spross erwecken.“
Im Deutschen klingt das Wort „Spross“ vertraut. Wir sagen ja gern, wenn jemand einen Sohn hat, dass dieser der Sprössling ist – der kleine Spross. Das war natürlich auch in der Davidsgeschichte so. Man wartete immer darauf, wann endlich aus dem Geschlecht Davids der Verheißene kommen würde.
Diese ganze Spannung zieht sich durch die Nachfolger Davids und durch die gesamte Königsgeschichte. Als Jesus geboren wird, ist das ganze Haus Israel und das Königshaus eigentlich nichts mehr wert. Es wird vermutet – und das ist auch eine Behauptung, die durch alte Inschriften aus dem zweiten Jahrhundert gestützt wird –, dass womöglich mehr Menschen aus dem Davidsgeschlecht in Nazaret wohnten.
In der Bibel wird ausdrücklich gesagt, dass sowohl Josef als auch Maria aus dem Davidsgeschlecht stammen. Später wird das nicht mehr so klar dargestellt, aber ich bin überzeugt, dass Gott viel mehr nach seinem Wort gehandelt hat, um diese Verheißung zu erfüllen.
Wichtig ist: Hier wird schon wieder gesagt, dass der Spross kommen soll.
Eine weitere sehr bekannte Stelle ist Jesaja 53, das große Lied vom leidenden Gottesknecht. Dort heißt es in Vers 2: „Er schoss vor ihm auf wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich.“ Juden hatten das im Auge, wenn sie den Namen Nazaret hörten. Für schriftgläubige Juden war klar, was die Prophezeiung vom Kommen Jesu sagte.
Jesus wird zwar in Bethlehem geboren, wächst aber in Nazaret auf. Die Unscheinbarkeit und Schlichtheit seiner Geburt erfüllen dieses Wort. Gerade in der ganzen Schwäche wird die Verheißung sichtbar.
Auch Jeremia 33 ist interessant. Dort heißt es in Vers 15: „In jenen Tagen und zu jener Zeit will ich dem David einen gerechten Spross aufgehen lassen.“ Das Bild stammt aus Jesaja und war den Menschen damals noch gut bekannt. Deshalb verstanden sie, was gesagt und angekündigt wurde.
Die letzten zwei Stellen finden sich im Sacharja, einem der späteren Propheten. Sacharja 3, Vers 8 enthält eine wunderbare Zusage Gottes: Nach der babylonischen Gefangenschaft steht der Hohepriester da, und Gott nimmt die unreinen Kleider weg und reinigt sie. Das ist eine großartige Ankündigung der großen Vergebung Gottes.
Dort heißt es: „Höre nun, Josua, du Hoherpriester, du und deine Brüder, die vor dir sitzen, sind miteinander ein Zeichen, denn siehe, ich will meinen Knecht, den Spross, kommen lassen.“
Nach der babylonischen Gefangenschaft wird ein Hoherpriester eingesetzt, und Sacharja kann an ihm nur das Wunder vollziehen. Fritz Lauber hat einen herrlichen Kommentar darüber geschrieben. Wenn man ihn noch einmal liest, etwa in der Pubertaler Reihe zum Alten Testament, sieht man, wie Sacharja diesen Priester betrachtet und sagt: „Deine Kleider sind schmutzig, so kannst du Gott nicht dienen.“ Doch dann geschieht das Wunder: Gott schenkt Vergebung, alles wird weggetan, und alles wird gut.
Damit Josua sich nicht übernimmt und sich nicht zu wichtig nimmt, sagt Gott: „Und hinter dir sehe ich den Spross.“ Dieser Spross wird der Priester sein, der Kommende, der die Reinigung endgültig vollziehen wird.
Das ist eine herrliche Weissagung, die plötzlich anklingt. Nicht nur das Schwächliche und Verachtete am Spross, wie in Jesaja 53 oder Jesaja 11, sondern hier wird deutlich: Der Spross, der kommt, wird die Reinigung über das sündige Volk vollziehen.
Das ist ein wunderbarer Hinweis auf die große Vergebung, die Jesus durch sein Opfer am Kreuz vollbringen wird. Es heißt: „Ich will meinen Knecht, den Spross, kommen lassen.“ Und jetzt soll man nicht auf den Hohenpriester schauen – er ist nur ein Vorläufer. So wie David nur ein Vorläufer des Kommenden war oder Mose sagte: „Nach mir wird der Herr einen erwecken, der der wirkliche Prophet sein wird.“ Alles ist nur eine Vorabschattung des kommenden Messias.
Ganz ähnlich ist es bei Sacharja 6, Vers 12, der Krönung: Josua, Jeshua heißt er hier, soll von den Weggeführten, den Flüchtlingen, die aus Babel zurückgekommen sind, Silber und Gold nehmen, Kronen machen und das Haupt des Hohenpriesters krönen. Dann soll er sagen: „So spricht der Herr: Siehe, ein Mann, der heißt Spross, wird kommen.“
Dabei schaut man weg von den menschlichen Repräsentanten. Gott segnet uns nur in Demut und Bescheidenheit.
Es heißt weiter: „Es ist ein Mann, der heißt Spross. Unter ihm wird Spross aufwachsen, und er wird den Tempel bauen, den neuen Tempel.“ Gott war immer dagegen, dass Menschen sich etwas einbilden, indem sie sich im Dienst für Gott selbst erhöhen.
Deshalb schaut der Hohepriester über die Menschen hinweg und sagt: „Da kommt das Entscheidende: Du hast dein Licht nur im Schatten von Jesus, der da kommen wird.“
Das ist so wunderbar, wenn die Evangelisten sagen: „Das sind doch keine Zufälle, dass Jesus aus diesem Sprossdorf kommt.“
Die Bedeutung Nazareths zur Zeit Jesu und abschließende Gedanken
Sie müssen wissen, dass Nazareth zur Zeit Jesu ein unbedeutendes Dorf war. Heute ist das schwer vorstellbar, denn jeder Tourist weiß, dass in Nazareth viel Verkehr herrscht. Es ist schwierig, einen Parkplatz zu finden. Man muss aufpassen, bis der Bus kommt, weil so viele Autos unterwegs sind. Im Gegensatz dazu ist Kapernaum heute eine Ruinenstadt.
Natürlich war damals die Küste des Sees Genezareth dicht besiedelt. 30 bis 40 Menschen lebten am Rand des Sees. Heute ist es dort still, und man kann ganz friedlich sitzen. Nazareth hingegen war damals ein kleines Kaff, in dem nichts los war. Siphoris war die Stadt, in der Herodes saß. Deshalb war Nazareth eine unbedeutende kleine Stadt, die in der Bibel kaum erwähnt wird.
Offenbar wurde der Name Nazareth nur von denen genannt, die auf die Verheißung des Messias pochten. Das klingt in der Bibel immer wieder an. Diese Details sind zwar nicht von großer Bedeutung, aber es ist doch interessant, wenn man in der Adventszeit einen Blick darauf wirft. So erkennt man, wie eng die Bibel zusammenhängt und wie sie nur durch ihre einzelnen Aussagen verstanden werden kann. Es ist wunderbar, dass man dadurch auch begreifen kann, was das Kommen Jesu für uns bedeutet.
Jesus ist derjenige, in dem die Verheißungen von David wahr werden. In David vereinen sich die Ämter von König, Priester und Prophet. David war der Letzte, der diese drei Ämter in sich vereinte. In dem Lied „Welch ein Freund ist unser Jesus“ habe ich mir schon in meiner Jugend immer gemerkt, dass Jesus König, Priester und Prophet zugleich ist.
Saul durfte als König kein Priester sein. Deshalb wurde er bestraft, weil er geopfert hatte. Nur David hatte das Recht, diese drei Ämter auszuüben. Seitdem hat das kein Nachfolger Davids mehr getan. Doch bei Jesus ist es wieder so: Er ist König, der sein Reich aufrichtet, der uns die Sünde nimmt und der uns den Willen Gottes lehrt – wie in der Bergpredigt. Er ist der Prophet, der uns die Wahrheit Gottes verkündet.
Das ist so wunderbar: die vorausgesagte Verheißung und ihre Erfüllung. Für mich war es besonders schön, das bei der Kircheneinweihung ganz oben in Mosambik zu erleben. Dort haben die Reformierten aus Südafrika das so schön ausgedrückt. Es hat sie sehr bewegt, denn sie durften siebzig Jahre lang keine Gottesdienste mehr halten – in Olongwe. Nun wurde die erste Kirche nach 70 Jahren wieder gebaut.
Sie sagten, es sei wie in der babylonischen Gefangenschaft. An diesem Einweihungssonntag haben sie so gründlich miteinander gearbeitet, dass ich erstaunt war, wie sehr die afrikanischen Kirchen hier in der Bibel gereift sind. Anfangs habe ich ein wenig gelächelt und gedacht, das bringt doch nichts. Doch dann konnte ich den Mund nicht mehr halten, als ich merkte, dass das die Ergebnisse der modernen archäologischen Forschung sind – sowohl zu Nazareth als auch zur Bibelforschung. Rainer Riesner kann das gut darlegen.
Es ist wunderbar, wenn man die Zusammenhänge erkennt und sieht, wie alles bis hin zum Buch Sacharja und seiner Messiaserwartung reicht.
