Einleitung
Wir beschäftigen uns heute ein letztes Mal mit den Ereignissen um die 12 Kundschafter. Oder man könnte auch sagen mit dem Volk, das nicht bereit war, auf die Versprechen und Zusagen Gottes zu hören. Folgendes ist bis jetzt geschehen: Die Kundschafter werden auf Wunsch des Volkes ausgeschickt, um das Land zu erkunden. Sie kommen zurück und berichten, das Land sei wirklich sehr gut, aber die Völker die darin wohnten seien ausserordentlich stark und würden in gut geschützten Städten wohnen. Es würde gar keinen Sinn machen, nur zu versuchen, das Land einzunehmen. Sie hätten keine Chance. Einzig Kaleb und Josua hielten an den Versprechen Gottes fest und ermutigten das Volk, Gott ganz und gar zu vertrauen. Daraufhin wollten sie Mose, Aaron, Kaleb und Josua steinigen. Doch da trat Gott in die Mitte des Volks und er sagte Mose, er würde das Volk jetzt austilgen. Mose begann Gott anzuflehen, er möge seinen Zorn um seiner Ehre willen vom Volk abwenden, was er dann auch tat. Er liess das Volk bestehen, aber es hatte doch massive Folgen:
Das Volk muss umkehren und zurück Richtung Schilfmeer ziehen. Alle, die sich gegen Gott auflehnten, werden in der Wüste sterben und das versprochene Land nicht betreten. Vierzig Jahre soll der gesamte Aufenthalt in der Wüste dauern. Keine guten Aussichten für das Volk. Und wir beschäftigen uns heute mit der Reaktion, auf diese schlimme Nachricht. Text lesen: Num.14,39-45
I. Betroffen von der Sünde (39-40)
Natürlich war Israel über solchen Aussichten sehr traurig. Wie ernst es Gott mit diesen Massnahmen meint, sahen sie daran, dass die 10 Kundschafter, die das böse Gerücht unter das Volk brachten, starben. So trauerten sie sehr und sie kommen sogar zur Überzeugung, dass sie gesündigt hätten. Nun sind sie bereit ihre Sünde einzugestehen. Ihre Betroffenheit und Trauer rührte vermutlich mehr daher, weil sie sahen, welche Folgen ihr Verhalten nach sich zog. Wären sie Folgen nicht so gewesen, so hätten sie ihre Sünde nicht eingesehen. Sie trauerten über das, was sie nun durchstehen müssen, aber nicht darüber, dass sie ihren Gott verworfen haben. Wenn ein Mensch gesündigt hat, so lässt es sich nicht immer genau sagen, von was er wirklich betroffen ist. Ob er vorwiegend wegen den Folgen der Sünde traurig ist, oder ob er erkannte, dass seine Sünde viel weitreichendere Bedeutung hat. Sicherlich wird sich beides überschneiden. Und es ist nicht schlechtes daran, wenn ich über die Folgen der Sünde traurig bin und darüber erschrecke, das ist ganz normal. Ob ich mir der tieferen Bedeutung meiner Sünde bewusst bin, das wird sich zeigen, wie ich auf diese Erkenntnis reagiere.
Uns geht es oft auch so. Wir reagieren erst dann, wenn wir die Folgen unseres Verhaltens erkennen. Vorher sind wir oft blind oder verblendet, von dem was wir tun. Menschen erkennen oft im Elend, was sie wirklich getan haben. In der Not erkennen sie, wie wenig Aufmerksamkeit sie Gott gewidmet hatten. Und dann in einem Anflug von Trauer, scheinen sie auf einmal Gott sehr ernst zu nehmen.
Pfarrer Wilhelm Busch erzählt: Nachts um zwei wurde ich an ein Sterbebett gerufen. Als ich das Krankenzimmer betrete, liegt ein junger Mann im Bett. Seine Frau sitzt erregt bei ihm. Als sie mich sieht, springt sie auf: "Herr Pfarrer, geben Sie meinem Mann schnell das Abendmahl!" Ich schaue auf den Patienten. Der Tod hat das Gesicht schon gezeichnet. Der Kranke nimmt keine Notiz mehr von meinem Kommen. Nein! Ich werde den Mann nicht mehr mit einer Abendmahlsfeier quälen. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Sterbenden unser Wort noch hören, auch wenn der Leib keine Zeichen des Verständnisses mehr gibt. Und darum will ich den Mann in die Ewigkeit begleiten mit meinem Gebet und mit den Worten der Gnade.
Die Frau hält meine Hand fest: "Herr Pfarrer, schnell! Geben sie meinem Mann das Abendmahl!" Ich schiebe sie beiseite. Ihre Unruhe ist bedrückend. Dann beuge ich mich zu dem Kranken und sage ihm ganz langsam das Bibelwort: "Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde..." Langsam schlägt er die Augen auf und sieht mich an. Die Frau packt meinen Arm: "Schnell! Das Abendmahl!" Wenn ich doch die Frau zur Ruhe bringen könnte! Ich führe sie auf den Korridor hinaus und versuche ihr klarzumachen, dass ihr Verlangen sinnlos sei: "Sehen sie, ihr Mann ist schon viel zu elend. Das Abendmahl quält ihn jetzt nur." Sie schluchzt auf: "Aber er soll doch selig werden!" Was soll man da sagen? "Frau!" erkläre ich ihr erregt, "meinen sie denn, eine äusserliche Zeremonie könne vom Gericht Gottes erretten? Wenn ihr Mann den Herrn Jesus Christus kennt als seinen Heiland und an ihn glaubt, dann ist er errettet – auch wenn er jetzt nicht das Abendmahl nimmt. Und ohne Jesus – ja, da hilft auch kein Abendmahl!" Aber sie lässt nicht nach! Sie erzählt, wie sehr ihr Mann nach dieser Feier begehre. Sie drängt... Ach, ich war damals ein junger Anfänger im Amt. Auf der Universität hatte mich kein Mensch auf solche Fälle vorbereitet. Hilflos stand ich im Zweifel, was zu tun sei. Dann gab ich nach. Wir gingen in das Zimmer. Schnell richtete ich die Geräte. Der Mann war durch die leise Unruhe aufgewacht. Still und – wie mir schien – gesammelt war er jetzt ganz bei der Sache. "Dies ist der Kelch des Neuen Testaments in meinem Blute, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden." In der unendlich stillen Nachtstunde standen diese gewaltigen Worte wie Felsen der ewigen Errettung. Betend wartete der Krankenwärter im Hintergrund. Ich kannte ihn als einen von Herzen gläubigen Christen. Als die Feier zu Ende war, sank der Mann befriedigt zurück in die Kissen. Ich verliess mit dem Wärter das Zimmer. Nun sollten die beiden Eheleute allein sein, um Abschied zu nehmen. Aber – ich kam nicht fort. Der Wärter verwickelte mich in ein Gespräch. Und ich liess es gern geschehen. Mir war, als sei diese Sache noch nicht zu Ende.
Es verging eine halbe Stunde. Alles war still. "Wir wollen nach dem Kranken sehen", sagte ich und öffnete die Tür. Da bot sich mir ein verblüffendes Bild: Aufrecht sass der Mann im Bett. Lachend rief er uns zu: "Ich bin über den Berg. Es geht besser!" Und lachend und weinend warf sich die Frau an seinen Hals. Es war erstaunlich. Aber warum sollte das nicht stimmen? Es läuft mancher durch die Strassen, den die Ärzte einmal aufgegeben hatten. Und die Freude der beiden steckte einfach an. Da musste man sich mitfreuen. Ich nahm die Hand des Kranken: "Wie glücklich bin ich, dass ich das miterleben darf." Und nun ergriff mich dieser Wechsel der Situation mächtig. Ich musste noch eines sagen: "Lieber Mann, als sie an den Pforten der Ewigkeit standen, ist der Herr Jesus zu ihnen gekommen mit seiner Gnade. Lassen sie nun nicht mehr von diesem Heiland!" Da ging auf einmal ein abscheuliches Grinsen über das Gesicht des Mannes – es war wie ein Flammenschein der Hölle. Spöttisch lächelnd sagte er: "Ach, das alles brauche ich doch nicht mehr. Ich lebe ja wieder!" Erschüttert hörte ich diese unglaubliche Rede. Jedes Wort blieb mir in der Kehle stecken. Und während ich noch so stand, griff der Patient plötzlich nach seinem Herzen und – sank langsam zurück. Er war tot! Da bin ich in die Nacht geflohen.
Wie mancher rief in der Not den allmächtigen Gott an und vergass ihn sobald es besser ging. Das ist keine echte Sündenerkenntnis. Wer aber in diesem Leben Gott nicht ehrt, ihm keine Beachtung schenkt, der wird in der Ewigkeit erkennen müssen, dass der Gott der Bibel und Jesus, der wahre Gott ist – aber dann ist es zu spät. In diesem Leben möchte Gott, dass wir uns ihm zuwenden. So sagt Jesus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Joh.5,24. Bist Du gewiss, dass Du gerettet bist. Hast Du Gott gegenüber eingestanden, dass Du gesündigt hast?
II. Mit dem Kopf durch die Wand (41-45)
Die Sündenerkenntnis war hier nicht sehr tiefgreifend. Sie erkannten ihre eigentliche Sünde nicht, sondern waren traurig darüber, was ihnen zugestossen war. Sie sahen sich lediglich als Opfer der Umstände und anstatt ihre Gesinnung und Einstellung gegenüber Gott zu ändern. Heben sie an die Begangene Sünde durch eine weitere Sünde zu überwinden. Nur ist es immer ein schlechter und sehr verhängnisvoller Weg Sünde mit Sünde zu bekämpfen. Früh am Morgen stehen sie auf und wollen sich aufmachen, das nun in Angriff zu nehmen, was sie schon längst hätten tun sollen. Mose berichtet im Dt. darüber: Da antwortetet ihr und spracht zu mir: Wir haben an dem HERRN gesündigt; wir wollen hinaufziehen und kämpfen, wie uns der HERR, unser Gott, geboten hat. Plötzlich wissen sie, was Gott von ihnen erwartet hatte. Nun wollen sind die schlimmen Nachrichten, die sie erhalten haben plötzlich nicht mehr so schwerwiegend. Jetzt scheinen sie in der Lage zu sein, den Anordnungen Gottes Folge zu leisten. Vordergründig könnte man meinen da sei eine wirklich echte Gesinnungsänderung geschehen. Denn sie erkannten ihre Sünde und wollen nun den Auftrag Gottes ausführen. Aber weit gefehlt! Dem ist nicht so. Gott sagt zu Mose: Als ihr euch nun rüstetet, ein jeder mit seinen Waffen, und es für ein Leichtes hieltet, ins Gebirge hinaufzuziehen, / da sprach der HERR zu mir: Sage ihnen, dass sie nicht hinaufziehen, auch nicht kämpfen – denn ich bin nicht unter euch -, damit ihr nicht geschlagen werdet von euren Feinden. Dt.1,41-42. Als Mose ihnen das sagte, wollten sie einmal mehr nicht auf ihn hören und sie begingen dieselbe Sünde, wie früher: Ungehorsam. Anstatt auf Mose zu hören, wollten sie mit dem Kopf durch die Wand. Plötzlich zeigten sie vordergründig Glaubensmut. Sie wollten Gott vertrauen.
Josephus ein jüdischer Geschichtsschreiber erzählt: Daher fingen sie an ihn (Mose) zu beschuldigen und zu verdächtigen, er wolle sie um jeden Preis in ihrer Not hinhalten, damit sie immer auf seine Hilfe angewiesen seien. Und sie schickten sich zum Kriege mit den Chananäern an, indem sie sich einredeten, Gott gewähre ihnen nicht so sehr um Moyses willen seine Hilfe, als vielmehr mit Rücksicht auf ihre Vorfahren, die er seiner besonderen Fürsorge gewürdigt habe, und er werde, wie er ihnen um deren Tugend willen früher zur Freiheit verholfen habe, so auch jetzt ihnen beistehen, wenn sie sich wacker hielten.[1] Ob das Josephus richtig sieht, kann man nicht sagen, jedenfalls missachteten sie die Anweisungen und machten sich auf zum Kampf.
Das Ergebnis war eine weitere Katastrophe. Die Krieger wurden vernichtend geschlagen. Ihr Glaubensmut, den sie zu haben meinten, war nichts anderes als freche Vermessenheit. Mose erzählt dem Volk: Als ich euch das sagte, gehorchtet ihr nicht und wurdet ungehorsam dem Munde des HERRN und waret vermessen und zogt hinauf ins Gebirge. / Da zogen die Amoriter aus, die auf dem Gebirge wohnten, euch entgegen und jagten euch, wie's die Bienen tun, und schlugen euch von Seïr bis nach Horma. Dt.1,43-44. Hatten sie früher im Unglauben an die Macht der göttlichen Verheissung sich geweigert, den Kampf mit den Cananitern aufzunehmen, so wollen sie jetzt im Unglauben an den Ernst des göttlichen Gerichts mit eigener Kraft ohne Gottes Beistand diesen Kampf unternehmen, und die alte Sünde ungläubiger Verzagtheit durch die neue Sünde vermessenen Selbstvertrauens überwinden.[2] Es ist wirklich traurig, was sich hier abgespielte. Aber – Wie hätten sie denn reagieren sollen? Eigentlich ganz schlicht und einfach: Sie hätten das Urteil und die Folgen aus ihrer Sünde respektieren sollen und eingestehen, dass sie die Verursacher dieser Situation sind. Sie wollten etwas erzwingen, das nicht erzwingen lässt.
Ihr Verhalten ist gar nicht so weit entfernt von dem, was wir auch in der Gefahr stehen zu tun. Und zwar würde ich dies als ein Kompensationsverhalten bezeichnen. Eine Aufwiegung von Schuld. Man kann dies mit einer Waage vergleichen. Ich hinterziehe bsp. Steuern. Irgendwie ist mir klar, dass das nicht ganz in Ordnung ist und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich mir eingestehen: es ist Sünde. Nun, wenn ich nicht entdeckt werde, ist der Leidensdruck nicht so gross und ich kann damit leben. Werfen wir nun diese Sünde auf die eine Seite der Waagschale, dann fällt die Waagschale runter. Nun kompensiere ich oder wiege diese Schuld auf, indem ich mir sage, ich werde der Gemeinde oder einem Missionswerk, einem Kinderhilfswerk usw. eine grössere Spende überweisen, die mindestens so gross ist, wie der Gewinn, den ich aus meiner Steuererklärung gezogen haben. So werfe ich diese Spende in die andere Waagschale und nun ist für mich die Waage ausgeglichen.
Aber eines vergessen wir dabei. Die Schuld ist immer noch in der Waagschale drin und bei Gott existiert diese Waage nicht. Der richtige Weg wäre, die Schuld eingestehen und die Sache in Ordnung zu bringen.
So gibt es sehr viele Möglichkeiten, wie wir mit Sünden umgehen können. Nur einige Beispiele:
- Mit meinem Ehepartner habe ich grosse Schwierigkeiten. Ich kann und will ihm einfach nicht vergeben, obwohl er sein Fehlverhalten mir gegenüber eingestanden hat und es ihm leid tut. So zeige ich mich unversöhnlich und weiss eigentlich, dass das eine Sünde ist. Statt diese Sünde zu bekennen und mein Verhalten zu ändern, übe ich mich im Bibellesen. Ich lese mehr, als das andere tun, so scheint mir meine Waagschale ausgeglichen.
- Ich habe Mühe mit beten. Mein Gebetsleben ist nicht besonders vorbildlich. Nun könnte ich mich dieser Tatsache stellen und Schritt um Schritt in dieser Beziehung wachsen und reifen. Oder ich kann es kompensieren, indem ich mich damit hervortue stets eindrücklich darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig das Gebet sei und dass zu wenig gebetet wird.
Der richtige Weg ist immer die Sünde bekennen und die Verantwortung für sein Verhalten zu tragen. Johannes fordert die Menschen auf und sagt: Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Busse! Mt.3,8.
Schluss
Achten wir darauf, dass wir nicht so wie das Volk Israel reagieren, sondern mit den Folgen von Sünde leben und die Verhältnisse in unserem Leben ordnen. Israel wollte anscheinend im Vertrauen auf Gott kämpfen, aber sie verloren den Kampf. So sagte auch Paulus zu Timotheus: Und wenn jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. 2.Tim.2,5. Möge der Herr schenken, dass wir richtig kämpfen und nicht fromme Heldentaten vollbringen wollen, um unsere Sünde aufzuwiegen. Amen.
----------------------- [1] Flavius Josephus: Jüdische Altertümer, IV, 1, 1.
[2] Carl Friedrich Keil: Leviticus, Numeri, Deuteronomium, S. 264.