Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode fünfzehn: Vier besondere Frauen.
Fortsetzung im Stammbaum Jesu und seine Besonderheiten
Lasst uns dort weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben, mitten im Stammbaum Jesu aus dem Matthäusevangelium. Dabei wollen wir uns der Frage widmen, was diesen Stammbaum so besonders macht beziehungsweise inwieweit Matthäus von den traditionellen Erwartungen an einen Stammbaum abweicht, um den Schwerpunkt zu setzen, der ihm wichtig ist.
Zum einen geht es ihm um Merkbarkeit: Dreimal vierzehn Geschlechter – gern auch auf Kosten der Exaktheit. Dabei fallen schon mal einige Monarchen einfach weg. Zum anderen bringt er Frauen in den Stammbaum ein – und was für welche.
Tama, Rahab, Ruth und die Frau des Uriah, Bathseba. Tama haben wir uns bereits angeschaut. Aus ihrem Verhältnis mit dem Schwiegervater werden die Zwillinge Peres und Serach geboren.
Hören wir noch einmal in Vers 5 hinein: Matthäus 1,5: „Salmon aber zeugte Boas von der Rahab, Boas aber zeugte Obed von der Ruth, Obed aber zeugte Isai.“
Rahab – Die Frau aus Jericho mit ungewöhnlicher Vergangenheit
Rahab kennen wir gut. Sie war die Frau aus Jericho, die zwei israelische Kundschafter versteckte. Die Geschichte findet sich in jeder Kinderbibel. Erinnern wir uns aber auch noch an ihren Beruf?
In Joshua 2,1 heißt es: „Und Joshua, der Sohn des Nun, sandte von Schittim heimlich zwei Männer als Kundschafter aus und sagte: Geht, seht euch das Land an, insbesondere Jericho.“ Die beiden gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, deren Name Rahab war. Dort legten sie sich schlafen.
Die zwei Kundschafter wollten kein Aufsehen erregen. Wo bleibt man also über Nacht? Genau: im Haus einer Prostituierten. Es steht nicht, dass sie etwas mit Rahab hatten, aber es wird deutlich, dass die Frau, die sich und ihre Familie retten wird, indem sie die Kundschafter beschützt, eine stadtbekannte Dirne war.
Rahab scheint sich später zum jüdischen Glauben bekehrt zu haben. Sie wurde die Frau eines ansonsten unbekannten Salmon aus dem Stamm Juda. Zusammen hatten sie einen Sohn, den Boas.
Ruth und Bathseba – Weitere Frauen mit besonderer Herkunft
Mit Tama und Rahab haben wir bereits zwei Kananiterinnen im Stammbaum Jesu. Mit Ruth kommt nun eine Moabiterin hinzu. Ruth ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Wer mir nicht glaubt, kann das gleichnamige Buch im Alten Testament lesen. Ihre besondere Erwähnung ist auffällig, zumal sie die Urgroßmutter des Königs David ist.
Noch auffälliger ist jedoch die letzte Frau im Stammbaum. In Matthäus 1,6 heißt es: „David aber zeugte Salomo von der Frau des Uriah.“ Wir wissen, wie die Frau des Uriah hieß: Bathseba. Dennoch wird hier ihr Name nicht genannt. Stattdessen wird darauf hingewiesen, dass sie ursprünglich die Frau des Uriah war und erst nach dessen Ermordung Davids Frau werden konnte.
Die Folgen von Davids Sünde und ihre Auswirkungen auf die Familie
Obwohl David seine Sünde bereute, waren die Folgen seiner Tat verheerend. Seine Sünde hatte seiner Familie schweren Schaden zugefügt. Natan prophezeite in 2. Samuel 12,10: „Nun denn, so soll das Schwert von deinem Haus auf ewig nicht weichen, dafür, dass du mich verachtest und die Frau Urias des Hethiters genommen hast, deine Frau zu werden.“
Im Haus Davids herrscht das Schwert – Kriege von außen, Streit von innen, kein Friede. Die Tat selbst wird ihm nicht vergessen; sie ist der Makel seines Lebens. Gott erwähnt dies noch zur Zeit seines Urenkels in 1. Könige 15,5: „Weil David getan hatte, was recht war in den Augen des Herrn und von allem, was er ihm geboten hatte, nicht abgewichen war, alle Tage seines Lebens, außer in der Sache mit Uriah dem Hethiter.“
Matthäus setzt hier noch einen drauf. Er erinnert uns daran, dass im Stammbaum des Messias eine Frau auftaucht, die eigentlich die Frau Urias hätte sein sollen. Wenn David nicht mit ihr ein Verhältnis gehabt hätte und wenn er ihren Mann nicht hätte umbringen lassen, wäre dies nicht der Fall gewesen.
Die Bedeutung der vier Frauen im Stammbaum Jesu
Vier Frauen, vier ungewöhnliche Geschichten: Tamar und ihr Verhältnis mit dem Schwiegervater, Rahab und ihre Vorgeschichte als Prostituierte, Ruth, die aus dem Ausland stammte, und Bathseba, die Ehebrecherin. Wir wissen nun, dass Matthäus im Stammbaum Jesu auch Frauen nennt.
Er nennt jedoch nicht alle Namen, sondern sucht sich bewusst diese vier Frauen aus. Es handelt sich um Frauen mit einem gewissen Makel, bei denen man zunächst denkt: „Na, was hat die denn hier zu suchen?“ Matthäus tut dies absichtlich. Er will uns damit etwas zeigen.
Er möchte verdeutlichen, dass Jesus als der Messias keinerlei Probleme damit hat, mit den Schwachen und Verachteten in Verbindung gebracht zu werden. In der jüdischen Gesellschaft galten Frauen wenig, sündige Frauen oder Heidinnen noch weniger. Im Talmud liest man, dass jüdische Männer täglich dankten, weder eine Frau noch ein Heide zu sein.
Jesus überrascht seine Jünger, indem er in Samaria mit einer Heidin spricht – das hätten sie nie erwartet. Nun beschreibt Matthäus, einer dieser Jünger, den Stammbaum des Messias so, dass das Hauptaugenmerk auf vier Frauen liegt. Ein guter Jude hätte diese Frauen am liebsten einfach unter den Tisch fallen lassen. Aber nicht so der Messias.
Er schämt sich nicht für diese Verwandtschaft, sie passt zu ihm.
Die matrilineare Perspektive und die Inklusion von Fremden im Stammbaum
Das moderne Judentum ist matrilinear. Das bedeutet, dass man als echter Jude gilt, wenn die eigene Mutter Jüdin ist. Wann sich diese Matrilinearität im Judentum durchgesetzt hat, ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich geschah dies erst nach dem Fall des Tempels im Jahr 70 nach Christus.
Aus heutiger Sicht wird jedoch deutlich, dass es einige Männer im Stammbaum des Messias gibt, die nicht einmal richtige Juden waren. Peres beispielsweise war es nicht, weil seine Mutter Tama eine Heidin war. Dasselbe gilt für Boas, der von Rahab abstammt, und für Obed, den Großvater Davids, der Sohn der Moabiterin Ruth war.
Von Anfang an wird klar, dass Jesus alle Menschen anspricht: Juden, Heiden, Männer und Frauen. Jesus hat kein Problem mit den sogenannten Normalos, also mit denen, die keine weiße Weste haben. Er akzeptiert Menschen mit Brüchen in ihrer Biografie und solche, die sehr dumme Lebensentscheidungen getroffen haben.
Jesus – Freund der Sünder und der Inbegriff von Annahme
Völlig zu Recht wird er später von seinen Feinden abfällig als Freund der Sünder bezeichnet. Was Jesus hat, ist nicht der Blick von außen auf Menschen.
Wir definieren Menschen oft über ihre Lebensentscheidungen. Da ist eine Tama, die ihren Schwiegervater verführt, eine Rahab, die ihre Stadt verrät, eine Ruth, die nachts auf die Tenne geht, um Boas deutlich zu machen, dass sie gerne von ihm geheiratet werden möchte, oder eine Bathseba, die sich ganz offensichtlich nicht besonders wehrt, wenn der König sie verführt.
Aber natürlich gibt es auch die Männer dazu. Da ist Judah, der sich mit einer Prostituierten vergnügt, Salmon, der sich in eine Hure verliebt, Boas, der, als Ruth zu ihm kommt und sich zu seinen Füßen legt, davon nichts mitbekommt, weil er zu gut gegessen und wohl vor allem getrunken hatte, und natürlich David, der seinen Ehebruch erst vertuschen will und, als das nicht klappt, den Ehemann einfach umbringen lässt.
Merkt ihr, es ist so leicht, ein Leben zu betrachten und die Momente zu finden, die es mir ermöglichen, die Person als solche abzulehnen. Mit der will ich nichts zu tun haben, weil …
Es ist so leicht, sich selbst zum Heiligen zu machen, indem man auf andere herabschaut.
Der schockierende Stammbaum des Messias als Weg Gottes
Aber jetzt kommt Matthäus, und er beginnt sein Evangelium mit einem Stammbaum, der uns zunächst schockiert. Das soll der Stammbaum des Messias sein? Ja, genau, das ist der Weg, den Gott nimmt, um Mensch zu werden.
Und es wird noch schlimmer. Wenn uns schon seine Herkunft entrüstet, wie viel mehr wird uns die Familie entrüsten, die der Messias gründen wird? Natürlich ist das keine Familie im herkömmlichen Sinn. Jesus heiratet nicht, auch nicht Maria Magdalena, wie manchmal fälschlicherweise behauptet wird. Jesus war unverheiratet.
Doch der Messias wird Nachkommen haben – geistliche Kinder. Und das sind ganz besondere Menschen, so wie du und ich. So wie es in Jesaja 53,10 heißt: „Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen.“ Wenn er sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat, wird er Nachkommen sehen. Und genau das hat er getan. Amen.