Einführung in die Lebensmitte Abrahams und Gottes Bund
Wir sind jetzt in der Mitte des Lebens Abrahams. Zuvor haben wir in 1. Mose 16 die Geburt Ismaels gehört, einen Irrweg, den Gott nicht bestätigt hat.
Nun kommen wir zu 1. Mose 17, Verse 1-8. Als Abraham neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: „Ich bin der allmächtige Gott. Wandle vor mir und sei fromm, und ich will meinen Bund zwischen mir und dir schließen. Ich will dich über alle Maßen mehren.“
Da fiel Abraham auf sein Angesicht, und Gott redete weiter mit ihm und sprach: „Siehe, ich habe meinen Bund mit dir geschlossen. Du sollst ein Vater vieler Völker werden. Darum sollst du nicht mehr Abram heißen – so hieß er ja vorher, ich habe es immer nur als Abraham gelesen, um Verwirrung zu vermeiden. Der bisherige Name war Abram, in der Kurzform. Nun sollst du Abraham heißen, denn ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker.
Ich will dich sehr fruchtbar machen und aus dir Völker schaffen. Auch Könige sollen von dir kommen. Ich will meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinem Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht, dass er ein ewiger Bund sei. So will ich dein und deiner Nachkommen Gott sein.
Ich will dir und deinem Geschlecht nach dir das Land geben, in dem du als Fremdling lebst – das ganze Land Kanaan – als ewigen Besitz. Ich will ihr Gott sein.“
Herr, wir danken dir, dass wir die Wahrheit deiner Verheißung bis in unsere Zeitgeschichte hinein verfolgen können. Aber mach uns auch das andere deiner Verheißungen jetzt so groß.
Die Bedeutung eines erfüllten Lebens und die Frage nach dem Sinn
Viele von Ihnen haben einen großen und schönen Urlaub erlebt – man kann wirklich viel in eine kurze Ferienzeit hineinpacken.
Vor ein paar Tagen sprach ich bei uns in der Ecke eine Dame an, die meinte: „Morgen gehen wir in Ferien.“ Ich dachte zunächst, sie hat sicher ein kleines Häuschen im Remstal. Doch dann sagte sie: „Wissen Sie, wohin es geht? Nach Brasilien.“
Ich war erstaunt, was man in so kurze Ferienzeiten hineinpacken kann und wie man drei Wochen so schwer und bedeutend machen kann. Genau das ist ja unser ganzes Bemühen: Unser kurzes Leben mit großen Eindrücken zu füllen, die nicht mehr auslöschen und vergehen.
Dabei überkommt einen manchmal ein Gedanke, den Sie sicher gut kennen: Je voller unser Leben ist, je mehr Eindrücke es hat, desto mehr fragt man sich, ob das alles wirklich gewichtig ist. Ob das, was mein Leben ausmacht, auch wirklich bedeutsam ist.
Jesus hat das in der eindrücklichen Geschichte vom reichen Kornbauern erzählt. Es geht um einen Landwirt, der investieren kann und genau weiß, wie er aus seinem Vermögen etwas machen kann. Er hat das Ohr dort, wo er merkt, dass etwas drinsteckt.
Er schafft es mit seinem Leben, dass es vielfache Frucht trägt. Seine Äcker stehen nicht leer und brach, sondern bringen vielfachen Ertrag. Sein Geld lässt er nicht unnütz liegen, es vergammelt nicht.
Er kann sein ganzes Leben wirklich einsetzen, so dass er zufrieden sagen kann: „Mein Leben war nicht einfach nur so gelebt, nicht nur für mich, nicht nur ein bisschen Urlaub gemacht und ausgeschlafen. Aus meinem Leben ist etwas Wertvolles und Wichtiges hervorgegangen.“
Doch dann kommt die Stimme in der Nacht: „Du Narr, was hast du?“ Denn all das, was du hast, ist im Licht der Ewigkeit klein und gering.
Die stille Zeit im Leben Abrahams und das Ringen um Glauben
Und wenn wir heute Morgen so schön zusammen zum Gottesdienst sind, dann muss ich Ihnen diese Not einfach einmal aus Ihrem Leben bewusst machen. Sie ist ja schon lange in Ihrem Leben da.
Ist mein Leben überhaupt gewichtig? Ist das, was mich täglich erfüllt, überhaupt von Bedeutung? Lohnt sich das denn? Wissen Sie, warum ich das erwähne? Weil von Abraham erzählt wird. Zwischen diesen beiden Bibelabschnitten liegt die Geschichte von Ismael, vor unseren Feiern, wo wir noch darüber gepredigt hatten, und heute liegen dreizehn Lebensjahre unseres Abraham.
Es wird bei Ismael erzählt, er war sechsundachtzig Jahre alt. Dann geht es einfach weiter, und Abraham war 99 Jahre alt, als Gott ihm erschien. Man möchte sagen: Was war denn dazwischen, zwischen dem 86. und dem 99. Lebensjahr? Was ist denn da passiert? Nichts, was der Rede wert wäre, sodass es sogar im Leben eines Abraham solche großen Zeitabschnitte gibt.
Und Gott hat nichts mehr zu reden, und es lohnt sich nicht, anderen davon zu erzählen. Ich meine, dass sogar dieses Leben Abrahams in diesen dreizehn Jahren enorm gefüllt war. Es war wohl voller, als wir ahnen, von einer ganz großen Leidenschaft Abrahams, von einem Kampf und von einem Ringen. Er, der Mann, der glauben wollte, hat in diesen dreizehn Jahren versucht, Gott treu zu bleiben.
Sie ahnen es, wenn Sie diese Geschichte einfach zuhause noch einmal nachlesen, wie schwer es für Abraham war, dass er erleben musste, dass das Wort Gottes, das an ihn erging, nicht stimmt. Das, was so vielen Leuten Anfechtung ist: Das ist ja gar nicht wahr, was Gott sagt. Er redet vom großen Volk, und ich habe nicht mal ein Kind.
Dann wagt er alles und sagt, man muss doch auch Gott helfen. Und dann zeugt er diesen Ismael, und Gott sagt: Nein, der ist es nicht. Nun will er Gott treu bleiben, und er ringt sich durch. Dreizehn Jahre lang will er an Gott bleiben, er will an ihm halten, er will doch seinen Glauben nicht aufgeben. Es soll doch nicht vergeblich sein, sein Leben – dreizehn Jahre.
Und die Bibel übergeht es mit Schweigen. Ich meine, manchmal ist das doch der geheime Kampf unseres Lebens, dass wir um unseren Glauben ringen. Deshalb ist mir Abraham so nah, so persönlich, so menschlich. Er wird mir so zum Bruder.
Wie er unter dieser Anfechtung leidet! Das ist nicht so ein Mann, der über der Bibel sitzen kann und sie zerfetzen kann und sagt: Ach ja, nicht die Bibel, das kann man ja nicht so nehmen. Sondern ein Mann, an dem sein Tod und Leben hängen, der sich unter Gott gebeugt hat und der mit Gott eigentlich gehen will, aber das nicht zusammenbringt mit seinem Leben.
Er sieht täglich nur die Widersprüche und kann nicht einfach Gott fluchen, sondern er hat sich Gott verschrieben mit seinem ganzen Leben. Und er erwartet und erwartet.
Die Herausforderung des Schweigens Gottes und die menschliche Ohnmacht
Warum schweigt Gott in diesen dreizehn Jahren? Wissen Sie eigentlich, wie lang die Zeit war, von der wir bisher gepredigt haben? Wie viele Lebensjahre Abrahams das waren, mit dem Irrweg nach Ägypten, mit der Trennung von Lot, mit all dem, was darin enthalten war – mit dem Krieg gegen die fünf Könige, mit der Befreiung aus der Kriegsgefangenschaft? Vom Auszug aus Ur in Chaldäa bis zur Geburt Ismals waren es elf Jahre. Eine viel kürzere Zeit, aber gefüllt von dauernden Begegnungen mit Gott.
Abraham hatte in dieser Zeit eine große Spannweite. Er konnte ausziehen, seinen Besitz zurücklassen, ohne danach zu fragen. Er war frei und fröhlich und konnte Lot ziehen lassen. Dort lebte er aus der unmittelbaren Nähe zu Gott – das ist der Rede wert.
Dann folgen diese dreizehn Jahre des Schweigens Gottes, in denen gar nichts mehr geschieht. Warum schweigt Gott? Hier stoßen wir auf das Geheimnis, das Geheimnis Gottes im Lauf der Geschichte. Und Sie selbst stehen mit Ihrem Leben immer wieder vor diesem Geheimnis.
Wenn Sie in die Kirchengeschichte schauen, sehen Sie die Christenheit, die plötzlich das Reden Gottes verloren hat. Sie überliefern noch Menschenworte, aber nichts mehr von dieser großen Weite des Glaubens. Sie können von Abraham lernen, dass Gott nicht mehr reden kann, wo der Mensch noch redet.
Das, was von Ismael erzählt wird, war viel schwerer im Leben Abrahams. Dort, wo Abraham sich stark fühlte und meinte, mit menschlichen Mitteln die göttlichen Verheißungen zum Sieg bringen zu können, war er stark und traute sich das zu. Doch der Zusammenbruch, den er dort erlebte, hat ihn nicht gänzlich zerbrochen.
Mir wird das immer so schwer, wenn wir über dieses Thema reden, das mir in meinem Leben auch so wichtig geworden ist. Man kann es nur mit Zittern sagen: Wenn Gott es wirklich in unserem Leben tut, dass er uns zu Bankrotteuren macht, dass er das Ende der fehlerhaften Bilanz unseres Lebens aufdeckt.
Es genügt eben nicht, nur ein bisschen christlich zu sein. Da kommen sie nicht durch, das hält nicht. Jetzt in diesen Tagen brechen Baufirmen zusammen und geraten in Konkurs. Es sind immer die Firmen, die sich jahrelang durchgemogelt haben, mit verschleierten Bilanzen und kurzfristigen Wechseln das Manko zuzudecken versuchten, das seit Jahren mitgeschleppt wird.
So können Menschen es auch in ihrem Glaubensleben machen: Sie können alte Dinge verschleiern, weitermachen, sich christlich betätigen, und eines Tages zerbricht das alles. Dann kommt der Bankrott, und man muss die Karten offenlegen und sagen: Ich kann nichts mehr!
Wenn wir heute so viele physische und psychische Zusammenbrüche erleben, dann ist das nichts anderes als das ganz normale Zerbrechen eines Menschen, der endlich die Waffen strecken muss. Der gemeint hat: Ich schaffe das, ich kann das, ich kann mein Leben bewältigen.
Bei Abraham waren es dreizehn lange Jahre, in denen Gott nicht redet. Und wir sehen aus der Geschichte der Christenheit, dass Gott über Jahrhunderte hinweg schweigen kann.
Ich habe einfach Angst davor, wenn wir uns selbst zu viel zutrauen, wenn wir davon reden, dass wir vor Gott mündige Partner geworden sind, wenn wir glauben, weise sein zu können. Ob dann nicht auf einmal Gott gar nicht mehr da ist.
Dann müssen wir das bis zum Letzten auslöffeln, was wir an eigener Aktivität mitbringen. Wenn wir sagen, wir können alles – die sozialen Nöte lösen, die Erziehungsfragen klären, die Frage des Weltfriedens lösen – wir Christen –, und am Ende merken wir doch, dass wir gar nichts lösen können, dann sind wir leere Leute.
Es ist groß, dass Gott Abraham doch noch begegnet. Und ich möchte Ihnen diese Botschaft heute sagen: Menschen, die sich fortwährend hinweglügen, so wie wir es alle machen, mit der Bilanz und dem Manko zudecken.
Da erschien, als Abraham neunundneunzig Jahre alt war, Gott der Herr ihm. Das ist ein unbegreifliches Wunder, dass Gott seine Leute nicht einfach abschreibt, dass er uns nicht müde wird, dass es ihm nicht auf die Nerven geht – wenn ich so menschlich von Gott reden darf –, dass er nicht einfach sagt: „Der Abraham enttäuscht mich fortwährend.“
Wenn Sie die ganze Bibel lesen, auch vorher in unserer Schriftlesung, sehen Sie die Not Gottes, dass seine Leute einen ehrenden Stirn und einen eisernen Nacken haben. Dass sie sich vor Gott nicht beugen können, sobald sie diese Begnadigung Gottes erlebt haben.
Dann erheben wir uns stolz vor der Welt und tun so, als seien wir diejenigen, die das Können hätten, die das Vermögen hätten, als könnten wir den Plan Gottes erfüllen. So marschieren Christen durch die Welt und sagen, was sie alles lösen.
Doch das ist das Gericht Gottes, das uns täglich unser Versagen erleben lässt. Das muss so sein, denn wir führen so volltönend sein Wort im Munde, und plötzlich merken wir, dass das Wort Gottes nicht mehr trifft und leer bleibt.
Da erscheint Gott seinen Leuten, einem Abraham, und er erscheint ihm. Was er ihm in diesem Augenblick sehen lässt, ist nur sein Angesicht – so wie die Bibel immer sagt – so wie er Mose ganz kurz das nur erleben lässt.
Das müssen Sie wieder durch die ganze Bibel hindurch verfolgen, wo Mose für die Ehre Gottes eifert, dort beim goldenen Kalb, wo er vorher Gott begegnet ist. Gott sagt Mose: „Es liegt nicht an jedermanns Wollen und Laufen, es liegt am Erbarmen. Du bist in meiner Hand, dieser ganzmenschliche, kleine, versagende, arme Mose, aber ich halte dich!“
Ich bin so froh, dass ich bei meinem Gott nie größer sein muss, dass ich mir nicht dauernd etwas vormachen muss. Es ist ja so schrecklich, wenn wir dauernd so tun, als seien wir die Könner, als hätten wir die Lösung nur eines Problems dieser Welt in der Hand, als hätten wir nur ein Wort, das bei unseren Kindern Frucht schaffen könnte.
Was ist das für ein verlogenes Gebaren? Hier lässt Gott diesem Abraham einfach diesen Blick in sein Angesicht tun. Er erschien ihm und sagte: „Ich bin der allmächtige Gott, Abraham, und die Verheißungen, die ich, der lebendige Gott, gegeben habe, die erfülle ich und nicht Menschen. Du lebst von meinen Wundern!“
Wenn Sie Christen anschauen und sich fragen, warum unsere Gesichter so oft gequält und zerfurcht sind, dann sagen wir: „Ach, das ist so schwer, auch das Christenleben ist so schwer. Ich komme im Kampf gegen meine Sünde nicht weiter, ich werde gar nicht besser. Ich habe in meinem Leben so viel versagt, ich bin so oft enttäuscht. Ich wollte so gern Gerechtigkeit pflanzen, ich wollte so gern Gutes stiften, ich wollte viel Liebe sein.“
Und dann meinen wir immer, wir könnten das in unserem Leben verkrampfen und erzwingen. Ich wünsche mir nur, dass das hier sonntags im Gottesdienst geschieht, dass der Herr Ihnen erscheint, Ihnen sein Angesicht sehen lässt und sagt: „Ich bin der allmächtige Gott. Du verzwingst es nicht, und du arbeitest nicht zu, du lebst bis zu deinem Sterben allein von meinem Erbarmen.“
Es liegt nicht an jemandem Wollen oder Laufen, sondern alles an Gottes Erbarmen. Und du kannst bis zu deinem Sterben nur täglich mehr ihn preisen.
Wenn durch die schöne Einrichtung der Technik jetzt unsere Kranken durch das Tonband mithören, dann denken wir an Sie, die Sie oft so lange Zeit in Ihren Betten liegen und sagen: „Das ist doch kein Kinderspiel, wie soll ich damit fertig werden, dass Gott mich so dahinlegt?“
Das ist nicht nur ein Kinderspiel, das ist eine Sisyphusarbeit. Kein Mensch kann etwas bewältigen. Wer will denn mit etwas fertigwerden? Da sehe ich nur, wie klein mein Glaube ist und wie gering meine Geduld.
Aber wenn diesen Menschen und uns allen der Herr erscheint und uns das zuspricht: „Ich bin der allmächtige Gott, ich bin der allmächtige Gott“, dann muss ich noch weiter ausholen und erklären, ergänzen.
Für uns ist das ja ein akademisches Problem geworden mit dem allmächtigen Gott. Sie können über die Allmacht Gottes philosophieren. Wir sind ja Leute, die das gern verstandesmäßig fassen wollen.
Was ist denn das mit der Allmacht, wenn Gott allmächtig ist? Ich muss Ihnen sagen: So steht es nie in der Bibel von der Allmacht Gottes, wie Sie in Ihren philosophischen Spielchen von der Allmacht Gottes reden.
Hier steht hebräisch: Ich bin der El Shaddai. Das ist ein ganz schwierig zu übersetzendes Wort. Die Gelehrten rätseln immer noch daran herum.
Aber schon von der alten griechischen Bibelübersetzung her haben viele Bibelausleger in diesem Wort El Shaddai nicht den philosophischen Begriff der Allmacht Gottes gefunden, sondern sie haben das Wort gefunden: der Gott, der Genüge schafft, der die Dinge zum Ende bringt.
Doch Israel hat Gott sich nie so statisch, starr und festsitzend vorgestellt, sondern immer dynamisch bewegend. Der El Shaddai ist der Gott, der in der Schöpfung waltet und die Dinge zum Ende bringt.
Hier wird einem schwachen Menschen das gesagt. Die Septuaginta, diese griechische Bibel, übersetzt es mit „der allgenugsame“, wie im Lied „allgenugsames Wesen“, das ich gelesen habe, der allgenugsame Gott.
Der sagt einem Abraham, wie später Jesus einem Paulus sagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen!“
Paulus wollte auch frei werden, er wollte stärker werden, größer herauskommen, mehr für Jesus wirken. „Lass dir genug sein“, das ist allgenügsame Kraft. Meine Kraft ist in Schwachen mächtig.
Gott ist das eine ganz große Not: unser selbstsicheres, vermögendes Auftreten. Und eins will er uns lehren: Dieses Sich-Hineingeben in seine starke Hand.
Nun sehe ich immer wieder Ihre Widersprüche, wenn Sie sagen: „Aber ich muss doch kämpfen, in meinem Leben sind das doch Chaosmächte, die mich hinabziehen wollen in ganz andere Tiefen. Ich muss doch ringen, mein ganzes Leben ist ein verbissener Kampf.“
Das ganze Leben der Christenschar ist doch ein Kämpfen in dieser Welt, ein Ringen und ein Streiten. Man muss sich doch zusammenreißen, damit man weiterkommt.
Ich sage Ihnen: Nein, weil Sie die Verheißungen Gottes nicht zum Ende bringen, nur er. Genauso wie die Schöpfung Gottes zur Ruhe gekommen ist.
Lassen Sie sich nicht betrügen: Es ist nicht wahr, dass der Mensch laufend diese Schöpfung noch zu ganz anderen Höhen bringen muss.
Wir sehen ja in unseren Tagen den Schrecken, wie der Mensch die Schöpfung nicht höher bringt, selbst wenn er zweihundert Jahre leben würde, wie er nicht höher kommt.
Weil über dieser Schöpfung nicht das dauernde Neue Werden steht, weil nicht dauernd neue Sternenhimmel entstehen, sondern weil über dieser Schöpfung der genügende Gott, dieser allgenugsame, seinen Sabbat gesprochen hat, weil er seinen Sonntag gemacht hat, weil er sagte: „Ich kann ruhen, mein Werk ist zu Ende gekommen.“
Und dann sagen Sie heute, mitten im Kampf unserer Welt: „Das ist doch nicht wahr, ich sehe doch nichts von dieser vollendeten Schöpfung, ich sehe doch nur diese leidende Schöpfung, diese im Aufruhr befindliche Welt.“
Und Gott sagt Ihnen: „Ich bin der El Shaddai, ich bin der Genügende. Lass dir genug sein! In meinen Verheißungen steht über dieser tobenden Welt das Ende und die Vollendung, und das ist ganz gut. Du darfst dich in dieser Ruhe ganz genügend sein lassen.“
So einem Abraham, der mit seinem Leben all das noch erfüllen will, sagt Gott: „Lass dir genug sein!“
So etwas Kühnes machen wir Christen heute im Gottesdienst, dass uns das an die Nerven geht, wie wir sehen, wie so wenig vom Reich Gottes in unserer Welt durchgebrochen ist.
Und wir sitzen hier zusammen und singen vom Sieg, weil wir dieses Wort des El Shaddai hören, dieses Gottes, der Genüge schafft und sagt: „Lass dir genügen!“
Ich will von dir nur eins haben: Wandle vor mir und sei fromm. Geh du deinen Weg, aber die Sorgen um den Sieg Gottes lass in meiner Hand ruhen.
Warum zerquälen Sie sich denn so? Lassen Sie doch diesen El Shaddai, diesen Gott des Friedens, über Ihrem Leben stehen. Nehmen Sie das an und sagen Sie: „Herr, ich kann täglich nur bei dir vor deinem Kreuz stillstehen und deine durchgrabene Hand auf mein zerbrochenes Leben legen lassen und von dir täglich neu die Vergebung empfangen.“
Ich komme nie weiter als bis unter dein Kreuz, und ich will – ja, Sie können lebenslang nie einen Schritt weiterkommen – bleiben Sie hier unter diesem Frieden stehen, wo er Ihnen sagt: „Lass dir doch genügen!“
Dreizehn Jahre wildes Leben des Abraham, und dann der Ort, wo Gott ihm erschien, dem Abraham und so, wie er Ihnen erscheint.
Das war die Freude des Simeon im Tempel, als er auf den Herrn wartete und sagte: „Herr, nun lässt du deinen Dienern Frieden erfahren. Ich weiß, dass diese wirre Welt ihren Frieden gefunden hat.“
Und wenn mich einer fragt: „Warum, warum kommt in deiner Predigt denn all das so wenig vor, diese Sache mit den Weltkriegen und mit den sozialen Unruhen?“
Dann sage ich: „Weil diese Welt bei meinem Gott ihr Genüge findet und weil Gott den Frieden über die Welt bringt, wenn Jesus wiederkommt.“
Was mir nur so wichtig ist: Dass ich heute meine Aufgabe erkenne, wo er mich braucht.
Er hat einen Abraham nicht am Euphrat und Tigris gebraucht und nicht als Berater der großen Politiker. Er hat ihn gebraucht als den wandelnden Beduinen im Land Kanaan.
„Wandle vor mir, zieh hin, da ist dein Weg, und sei fromm.“ Im Hebräischen heißt das Wort „Tamin“, das heißt „fromm“, aber das Wort „fromm“ missdeuten wir oft. Es heißt: „ganz“, so übersetzt es Buber und Rosenzweig in ihrer Bibelausgabe: Sei ganz.
Genauso gebraucht es Jesus im Neuen Testament in der Bergpredigt: „Ihr sollt vollkommen sein wie euer Vater im Himmel.“ Da meint er nicht, ihr sollt Scheinheilige werden, ihr sollt Moralkristen werden. Im Gegenteil, ihr sollt ganze Leute werden – ganze Leute!
Abraham, gib doch jetzt einmal dein Ringen und dein Streben, dein ganzes Leben und Fühlen, deine Enttäuschungen und deine Nöte und deine Ängste. Gib doch das Ganze, was du bist, mir her.
Wandle vor mir und sei ganz – gerade nicht das Perfekte und das Vollkommene, sondern das Arme des Abraham. Das Elende und das Dürftige darf er in die Hand Gottes legen.
Sein Leben, so wie er lebt – Herr der Abraham, der ganze Mensch darf sich in die Hand dieses großen Gottes legen. Welch eine Geborgenheit!
Gott hat einen Bund gemacht mit Abraham, weil ihm daran liegt, dass das in einem Leben fest wird.
Es ist eine Tragik, dass wir in unserem Leben so störrisch sind, wenn es hier um klare Entscheidungen geht.
Das müssen Sie einmal in Ihrem Leben entscheiden, ob Sie diesen Bund Gottes annehmen wollen.
Er will keine Perfektion von Ihnen, er will nicht das Vollkommene von Ihnen. Er will nur, dass Sie, schwacher Mensch, sich ihm anvertrauen, Ihr Leben in seine Hand legen und bis zum Sterben an seinem Rockzipfel hängen.
Weiter kommen Sie nicht.
Da macht er einen Bund mit Abraham, nicht in eigener Kraft: „Probiere es doch, traue meinen Verheißungen, weil ich es zu Ende führe – mit deinem Leben, mit dem der ganzen Welt. Traue mir, ich will dich mehren. Ich bin es, ich stifte den Bund mit dir, ich mache es fest.“
Und das kann die Grundlage der Glaubensfreude sein, das ist die Grundlage der Gewissheit, über die wir früher schon im Zusammenhang mit der Abrahamsgeschichte gepredigt haben.
Es gibt Gewissheit, weil Gott sich verpfändet hat und sagt: Auf dieser Basis kannst du mir trauen.
Du wirst elend untergehen mit einer halben Christlichkeit, aber dort, wo arme, zerbrochene Bankrotteure sich ans Kreuz Jesu hinhängen und das über sich aussprechen lassen: „Ich bin dein, ich bin der Genügende, lass dir doch genügen, ich nehme dich an“, da bekommt man Frieden.
Noch einen letzten Gedanken dazu: Wissen Sie, was ich hier sage? Ich hoffe, dass Sie es merken: Das sprengt ja so viel, was bisher unsere christlichen Gedanken oft ausmacht.
Ich möchte jetzt mit dem reden, der jetzt am liebsten hochspringen würde und sagen würde: „Du, sag mal, das ist ja ganz individuell geprägt, das geht ja nur fürs fromme Herz. Welche Wirkungen gehen eigentlich von deiner Predigt aus?“
Wir haben neulich mit dem Norddeutschen Rundfunk einen Fernsehfilm über die Christen in Russland gedreht. Da hat der Hauptabteilungsleiter, als ich noch in Hamburg war, mich in der Cafeteria auf die Seite genommen und gesagt: „Wissen Sie, ich habe ja eine Frage an Sie, die Evangelikalen, das verstehe ich als Katholik nicht. Mir wäre ja alles egal, was Sie da von Ihrem Glauben haben und mit Ihrer Bibel unverkürzt und so, aber eines verstehe ich nicht: Es kommt doch bloß darauf an, welche Wirkungen in die Welt ausgehen.“
Da möchte ich sagen: Der Mann hat Recht – welche Wirkungen in die Welt ausgehen? Welche Wirkungen gehen von Ihrem Leben in die Welt aus?
Soll niemand sagen, wir werden hier nur fürs fromme Herz gepredigt.
Dieser Abraham, der den Frieden in Gott findet, bekommt die Zusage, dass sein Leben eine Wirkung hat über die ganze Welt hinweg. Er wird zum Vater vieler Völker.
Man könnte meinen, das sei der Vater Israels, der Juden. Das wird aber erst nachher in den folgenden Versen gesagt, dass er der Stammvater Israels wird.
Was hier gesagt wird, heißt wörtlich, ganz buchstäblich übersetzt: Du wirst der Vater einer tobenden Völkerwelt werden.
Das Wort von der tobenden Völkerwelt ist ein biblischer Begriff. Denn nur der versteht, der den Blick in diese Weltgeschichte mit ihren ganzen furchtbaren Umwälzungen hat, bis hin zur Offenbarung, wo davon gesagt wird, dass aus diesem tobenden Völkermeer am Ende der Antichrist aufsteigt.
Die ganze Menschenwelt mit ihrer Unzahl von Menschen ist ein tobender Brei, ein Volk nach dem anderen, zur Spaltung, zum Streit. Das ist der biblische Blick.
Und da wird Abraham nicht als Politiker unter anderen gesehen, sondern als der Vater in einer tobenden Völkerwelt, der in dieser Völkerwelt Ewigkeitskräfte vermitteln kann.
Abraham wurde der Vater vieler Gläubiger aus vielen Nationen, die durch diese Welt gehen – nicht weltfremd, aber die fröhlich des lieben jüngsten Tages warten, die von der Erlösung dieser Welt wissen und sagen können: „Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes.“
Sie wissen: Mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. Menschen, die ihren Dienst tun in der Welt, die da stehen, wo sie gebraucht werden, mit beiden Händen, mit beiden Füßen, mit beiden Augen, mit dem ganzen Herzen an dem Platz, wo Gott sie hinstellt.
Und die doch wissen, dass das Ganze durch ihn vollendet wird, die sich nicht zerbrechen und zu Martern lassen, die nicht streiten müssen mit den Waffen dieser Welt, die nicht kämpfen müssen, die nicht zurückschlagen, wenn einer schlägt.
Sondern die leben vom großen Frieden dieses Gottes: „Wandle vor mir und sei fromm, du bist der Vater vieler Gläubiger, vieler Völker.“
Das hat Gott Abraham in dieser Stunde, ja der Geburtsstunde der Gemeinde Gottes, des Volkes Gottes, groß gemacht. Das ist dein Weltauftrag!
Nicht dich zerstreiten und hineinfallen in das Zerstreiten dieser Welt, sondern wandle vor mir und sei ganz.
Ich möchte Sie senden in den Aufgabenbereich, der vor Ihnen liegt, in die schweren Prüfungen, die Gott in Ihr Leben gelegt hat, in all das, was in der kommenden Woche vor Ihnen liegt.
Er sendet Sie: El Shaddai, wandle vor mir und sei ganz. Ich bin der Allmächtige, der Genügende, lass dir genügen.
Und dann ist dein Werk nicht vergeblich in dem Herrn.
Amen.
Die menschliche Schwäche und Gottes Erbarmen als Lebensquelle
Wenn man Christen betrachtet, so wie wir jetzt hier beieinander sitzen, fällt auf, dass unsere Gesichter oft gequält und zerfurcht sind. Dann sagen wir: „Ach, das ist so schwer. Auch das Christenleben ist schwer. Ich komme im Kampf gegen meine Sünde nicht voran, ich werde nicht besser.“
Viele von uns haben in ihrem Leben viel versagt und sind oft enttäuscht. Wir wollten gern Gerechtigkeit pflanzen, Gutes stiften und viel Liebe sein. Doch immer wieder meinen wir, wir könnten das in unserem Leben erzwingen oder verkrampfen.
Manchmal wünschen wir uns nur, dass im Gottesdienst am Sonntag der Herr uns erscheint, uns sein Angesicht zeigt und sagt: „Ich bin der allmächtige Gott. Du erzwingst nichts, du arbeitest nicht zu, du lebst bis zu deinem Sterben allein von meinem Erbarmen.“ Es liegt nicht an deinem Wollen oder Laufen, sondern alles hängt von Gottes Erbarmen ab. Du kannst bis zu deinem Sterben nur täglich mehr ihn preisen.
Wenn durch die schöne Einrichtung der Technik jetzt auch unsere Kranken über das Tonband mithören können, denken wir an sie. An Sie, die oft so lange Zeit in Ihren Betten liegen und sagen: „Das ist doch kein Kinderspiel. Wie soll ich damit fertig werden, dass Gott mich so dahinlegt?“
Das ist nicht nur ein Kinderspiel, das ist eine Sisyphusarbeit. Kein Mensch kann das allein bewältigen. Wer will schon mit so etwas fertigwerden? Da sehe ich nur, wie klein mein Glaube ist und wie gering meine Geduld.
Aber wenn diesen Menschen und uns allen der Herr erscheint und uns zuspricht: „Ich bin der allmächtige Gott“, dann muss das noch weiter ausgeführt und erklärt werden.
Die Bedeutung des Namens El Shaddai und Gottes genügender Kraft
Für uns ist das zu einem akademischen Problem geworden, wenn es um den allmächtigen Gott geht. Man kann über die Allmacht Gottes philosophieren. Wir sind jedoch Menschen, die gern verstandesmäßig erfassen wollen, was es mit der Allmacht auf sich hat. Wenn Gott allmächtig ist, was bedeutet das dann genau?
Ich muss Ihnen sagen, in der Bibel wird die Allmacht Gottes nie so dargestellt, wie Sie es in Ihren philosophischen Überlegungen tun. Im Hebräischen heißt es: Ich bin El Shaddai. Dieses Wort ist sehr schwer zu übersetzen. Die Gelehrten rätseln noch immer darüber. Schon in den alten griechischen Bibelübersetzungen haben viele Bibelausleger in dem Wort El Shaddai nicht den philosophischen Begriff der Allmacht gefunden. Stattdessen haben sie es mit „der Gott, der Genüge schafft“ oder „der die Dinge zum Ende bringt“ übersetzt.
Die Israeliten haben sich Gott nie als statisch, starr oder feststehend vorgestellt. Für sie war Gott immer dynamisch und beweglich. El Shaddai ist der Gott, der in der Schöpfung wirkt und die Dinge zu ihrem Ende bringt.
Hier wird einem schwachen Menschen etwas gesagt: Die Septuaginta, die griechische Bibelübersetzung, übersetzt El Shaddai als „der allgenügsame Gott“. So wie im Lied vom allgenugsamen Wesen, das ich gelesen habe, ist dieser Gott der allgenügsame Gott. Er sagt einem Abraham, wie später Jesus zu Paulus sagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen!“
Paulus wollte auch frei werden. Er wollte stärker werden, größer herauskommen und mehr für Jesus wirken. Doch die Botschaft lautet: Lass dir genügen! Das ist der allgenügsame Gott. „Meine Kraft ist in Schwachen mächtig.“
Gott ist das eine große Gegenüberstellung zu unserem selbstsicheren, vermögenden Auftreten. Er will uns eines lehren: uns in seine starke Hand hineingeben.
Der Kampf des Lebens und die Ruhe in Gottes Vollendung
Nun sehe ich immer wieder ihre Widersprüche, wenn sie sagen: „Ich muss doch kämpfen.“ In meinem Leben sind es doch Chaosmächte, die mich hinabziehen wollen in ganz andere Tiefen. Ich muss doch ringen. Mein ganzes Leben ist ein verbissener Kampf. Ein verbissener Kampf. Und das ganze Leben der Christenschar ist doch ein Kämpfen in dieser Welt, ein Ringen und ein Streiten. Man muss sich doch zusammenreißen, damit man weiterkommt.
Ich sage Ihnen: Nein, weil Sie die Verheißungen Gottes nicht zum Ende bringen, nur er. Genauso wie die Schöpfung Gottes zur Ruhe gekommen ist.
Lassen Sie sich nicht betrügen: Es ist nicht wahr, dass der Mensch laufend diese Schöpfung noch zu ganz anderen Höhen bringen muss. Wir sehen ja in unseren Tagen den Schrecken, wie der Mensch die Schöpfung nicht höher bringt, selbst wenn man den Menschen zweihundert Jahre leben ließe. Er kommt nicht höher.
Denn über dieser Schöpfung steht nicht das dauernde neue Werden. Es entstehen nicht dauernd neue Sternenhimmel, sondern über dieser Schöpfung steht der genügende Gott, dieser allgenügsame, der seinen Sabbat gesprochen hat. Er hat seinen Sonntag gemacht, weil er sagte: „Ich kann ruhen, mein Werk ist zu Ende gekommen.“
Und dann sagen Sie heute, mitten im Kampf unserer Welt: „Das ist doch nicht wahr. Ich sehe doch nichts von dieser vollendeten Schöpfung. Ich sehe doch nur diese leidende Schöpfung, diese im Aufruhr befindliche Welt.“
Und Gott sagt Ihnen: „Ich bin der El Schaddai, ich bin der Genügende. Lass dir genug sein! In meinen Verheißungen steht über dieser tobenden Welt das Ende und die Vollendung, und das ist ganz gut. Du darfst dich in dieser Ruhe ganz genügend sein lassen.“
So einem Abraham, der mit seinem Leben all das noch erfüllen will, sagt Gott: „Lass dir genug sein.“
Die Aufforderung zur Ganzheit und das Leben im Bund mit Gott
So etwas Kühnes tun wir Christen heute im Gottesdienst, dass es uns an die Nerven geht, wenn wir sehen, wie wenig vom Reich Gottes in unserer Welt durchgebrochen ist. Wir sitzen hier zusammen und singen vom Sieg, weil wir das Wort des El Shaddai hören – dieses Gottes, der Genüge schafft und sagt: „Lass dir genügen. Ich will von dir nur eins haben: Wandle vor mir und sei fromm.“
Geh deinen Weg, aber die Sorgen um den Sieg Gottes lass in meiner Hand ruhen. Warum zerquälen sie sich denn so? Lassen Sie doch diesen El Shaddai, diesen Gott des Friedens, über Ihrem Leben stehen. Nehmen Sie das an und sagen Sie: Herr, ich kann täglich nur bei Dir vor Deinem Kreuz still stehen und Deine durchgrabene Hand auf mein zerbrochenes Leben legen lassen. Von Dir empfange ich täglich neu die Vergebung.
Ich komme nie weiter als bis unter Dein Kreuz, und ich will auch nicht weiterkommen. Ja, Sie können lebenslang nie einen Schritt weiterkommen. Bleiben Sie hier unter diesem Frieden stehen, wo er Ihnen sagt: „Lass dir doch genügen.“ Dreizehn Jahre wildes Leben des Abraham – und dann der Ort, wo er ihm erschien, dem Abraham und so, wie er Ihnen erscheint.
Das war die Freude des Simeon im Tempel, als er auf den Herrn wartete und sagte: „Herr, nun lässt du deinen Dienern Frieden erfahren.“ Ich weiß, dass diese wirre Welt ihren Frieden gefunden hat. Und wenn mich einer fragt: Warum? Warum kommt in deiner Predigt all das so wenig vor – diese Sache mit den Weltkriegen und den sozialen Unruhen? Weil ich sage: Diese Welt findet bei meinem Gott ihr Genüge. Und weil Gott den Frieden über die Welt bringt, wenn Jesus wiederkommt.
Was mir nur so wichtig ist: dass ich heute meine Aufgabe erkenne, wo er mich braucht. Er hat Abraham nicht am Euphrat und Tigris gebraucht und nicht als Berater großer Politiker. Er hat ihn gebraucht als den wandelnden Beduinen im Land Kanaan: „Wandle vor mir, zieh hin, da ist dein Weg, und sei fromm.“ Im Hebräischen heißt das Wort „Tamin“ nicht nur fromm, sondern – wie es Buber und Rosenzweig in ihrer Bibelausgabe übersetzen – „sei ganz“.
Genauso gebraucht es Jesus im Neuen Testament in der Bergpredigt: „Ihr sollt vollkommen sein wie euer Vater im Himmel.“ Damit meint er nicht, dass ihr Scheinheilige oder Moralkristen werden sollt. Im Gegenteil: Ihr sollt ganze Leute werden, ganze Menschen!
Abraham, gib doch jetzt einmal dein Ringen und dein Streben, dein ganzes Leben und Fühlen, deine Enttäuschungen, deine Nöte und Ängste her. Gib das Ganze, was du bist, mir. Wandle vor mir und sei ganz – nicht perfekt und vollkommen, sondern ganz. Das Arme des Abraham, das Elende und Dürftige darf er in die Hand Gottes legen.
Sein Leben, so wie er lebt, Herr der Abraham – der ganze Mensch darf sich in die Hand dieses großen Gottes legen. Welch eine Geborgenheit! Gott hat einen Bund mit Abraham gemacht, weil ihm daran liegt, dass das in einem Leben fest wird. Es ist eine Tragik, dass wir in unserem Leben so störrisch sind, wenn es um klare Entscheidungen geht.
Das müssen Sie einmal in Ihrem Leben entscheiden: ob Sie diesen Bund Gottes annehmen wollen. Er will keine Perfektion von Ihnen, er will nicht das Vollkommene von Ihnen. Er will nur, dass Sie, schwacher Mensch, sich ihm anvertrauen, Ihr Leben in seine Hand legen und bis zum Sterben an seinem Rockzipfel hängen.
Weiter kommen Sie nicht. Da macht er einen Bund mit Abraham – Abraham nicht in eigener Kraft. Probiere es doch, traue meinen Verheißungen, weil ich es zu Ende führe – mit deinem Leben, mit dem der ganzen Welt. Traue mir, ich will dich mehren. Ich bin es, ich stifte den Bund mit dir, ich mache es fest.
Das kann die Grundlage der Glaubensfreude sein. Das ist die Grundlage der Gewissheit, über die wir früher schon im Zusammenhang mit der Abrahamsgeschichte gepredigt haben. Es gibt Gewissheit, weil Gott sich verpfändet hat und sagt: Auf dieser Basis kannst du mir trauen.
Du wirst elend untergehen mit einer halben Christlichkeit. Aber dort, wo arme, zerbrochene Bankrotteure sich ans Kreuz Jesu hinhängen und das über sich aussprechen lassen: „Ich bin dein, ich bin der Genügende, lass dir doch genügen, ich nehme dich an“, da bekommt man Frieden.
Die weltweite Wirkung des Glaubens und der Auftrag Abrahams
Und noch ein letzter Gedanke dazu: Wissen Sie, was ich hier sage? Ich hoffe, dass Sie es merken. Das sprengt ja so vieles, was bisher unsere christlichen Gedanken oft ausmacht.
Ich möchte jetzt mit dem reden, der am liebsten hochspringen würde und sagen möchte: „Du, sag mal, das ist ja ganz individuell geprägt, das gilt doch nur fürs fromme Herz.“ Welche Wirkungen gehen eigentlich von deiner Predigt aus?
Neulich haben wir mit dem Norddeutschen Rundfunk einen Fernsehfilm über die Christen in Russland gedreht. Der Hauptabteilungsleiter, als ich noch in Hamburg war, nahm mich in der Cafeteria zur Seite und sagte: „Wissen Sie, ich habe eine Frage an Sie. Die Evangelikalen, das verstehe ich als Katholik nicht. Mir wäre ja alles egal, was Sie von Ihrem Glauben haben und mit Ihrer Bibel unverkürzt und so, aber eines verstehe ich nicht: Es kommt doch bloß darauf an, welche Wirkungen in die Welt ausgehen.“
Da möchte ich sagen: Der Mann hat Recht. Es kommt darauf an, welche Wirkungen in die Welt ausgehen. Welche Wirkungen gehen von Ihrem Leben in die Welt aus? Niemand soll sagen, wir würden hier nur fürs fromme Herz predigen.
Dieser Abraham, der den Frieden in Gott findet, bekommt die Zusage, dass sein Leben eine Wirkung über die ganze Welt haben wird. Er wird zum Vater vieler Völker. Nun könnte man meinen, das ist der Vater Israels, der Juden. Das wird aber erst in den nachfolgenden Versen gesagt, dass er der Stammvater Israels wird.
Was hier gesagt wird, heißt wörtlich, ganz buchstäblich übersetzt: „Du wirst der Vater einer tobenden Völkerwelt werden.“ Das Wort von der tobenden Völkerwelt ist ein biblischer Begriff. Denn nur der versteht, der den Blick auf diese Weltgeschichte mit ihren ganzen furchtbaren Umwälzungen hat – bis hin zur Offenbarung, wo davon gesagt wird, dass aus diesem tobenden Völkermeer am Ende der Antichrist aufsteigt.
Die ganze Menschenwelt mit ihrer Unzahl von Menschen ist ein tobender Brei, ein Volk nach dem anderen, zur Spaltung, zum Streit. Das ist der biblische Blick. Und Abraham wird nicht einfach ein Politiker unter vielen, sondern der Vater in einer tobenden Völkerwelt, der in dieser Völkerwelt Ewigkeitskräfte vermitteln kann.
Und Abraham wurde der Vater vieler Gläubiger aus vielen Nationen, die durch diese Welt gehen – nicht weltfremd, aber die fröhlich des lieben Jüngsten Tages warten, die von der Erlösung dieser Welt wissen und sagen können: Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes.
Diese Menschen wissen: Mein Leben ist ein Wandern zur großen Ewigkeit. Sie tun ihren Dienst in der Welt, stehen da, wo sie gebraucht werden, mit beiden Händen, mit beiden Füßen, mit beiden Augen, mit dem ganzen Herzen an dem Platz, wo Gott sie hinstellt. Und sie wissen doch: Das Ganze wird vollendet durch ihn.
Sie lassen sich nicht zerbrechen oder zu Märtyrern machen, sie müssen nicht mit den Waffen dieser Welt streiten, sie müssen nicht kämpfen oder zurückschlagen, wenn einer schlägt. Stattdessen leben sie vom großen Frieden dieses Gottes.
„Wandle vor mir und sei fromm, du bist der Vater vieler Gläubiger, vieler Völker.“ Das hat Gott Abraham in dieser Stunde, ja der Geburtsstunde der Gemeinde Gottes, des Volkes Gottes, groß gemacht. Das ist dein Weltauftrag!
Nicht dich zerstreiten und hineinfallen ins Zerstreiten dieser Welt, sondern wandle vor mir und sei ganz.
Sendung in den Alltag und Schlusswort
Ich möchte Sie in den Aufgabenbereich senden, der vor Ihnen liegt, in die schweren Prüfungen, die Gott in Ihr Leben gelegt hat, in all das, was in der kommenden Woche auf Sie zukommt.
Er sendet Sie. El Schaddai – wandle vor mir und sei ganz. Ich bin der Allmächtige, der Genügende; lass dir genügen.
Dann wird dein Werk im Herrn nicht vergeblich sein. Amen.