Liebe Freunde, Gott ist groß, Gott ist groß, Gott ist groß – so hat heute Morgen Saddam Hussein seine Durchhalterede abgeschlossen. „Lasst uns Lob reißen, unseren Gott“, haben eben die jungen Leute gesungen.
Was ist jetzt der wahre Gott? Der Gott, den Hussein meint, oder der, den die jungen Leute meinen? Als wir das Thema festgelegt haben, wussten wir nicht, wie aktuell es werden würde: Was wissen wir wirklich über Gott? Viele Menschen sind in diesen Wochen an Gott verzweifelt. Wir haben doch zu Gott gebetet, dass es keinen Krieg gibt. Hat das Gebet etwas bewirkt? Hört Gott überhaupt? Was macht Gott? Schaut er zu bei dieser Welt? Greift er überhaupt ein? Wer ist der richtige Gott – der Gott von Präsident Bush oder der von Saddam Hussein?
Ich muss Ihnen bekennen, dass mir diese Wochen geholfen haben, die Bibel an Stellen neu zu hören, die für mich bisher kaum Bedeutung hatten. Am Abend des 14. Januar, kurz vor Ablauf des Ultimatums, kam ich sehr spät zu meiner persönlichen Bibellese: Daniel 8.
Während ich in der Stille war, hörte ich das Dröhnen in elftausend Meter Höhe. Die ganze Nacht hindurch flogen die B-52-Bomber aus Amerika in Richtung Golf. Und ich las dort: „Und ich sah, es war ein Tier wie ein Witter, der stieß mit seinen Hörnern nach Westen, nach Norden, nach Süden, und niemand konnte vor ihm bestehen und vor seiner Gewalt errettet werden, sondern er tat, was er wollte und wurde groß.“
Indem ich darauf achtete, las ich weiter: „Siehe, da kam etwas wie ein Ziegenbock vom Westen her, über die ganze Erde, ohne den Boden zu berühren. Er kam zu dem Witter, der am Fluss stand, und lief in gewaltigem Zorn auf ihn zu. Der Witter hatte keine Kraft, dass er vor dem Ziegenbock hätte bestehen können, sondern der Bock warf ihn zu Boden und zertrat ihn. Niemand konnte den Witter vor seiner Gewalt retten.“
Da hat mir der Atem gestoppt, wie aktuell Gottes Wort sein könnte. Man braucht nicht lange zu fragen, wer der Witter und wer der Ziegenbock ist.
Ich lese immer einen Abschnitt aus den Propheten, einen Psalm und einen Abschnitt aus den Evangelien. So kam ich zu Matthäus 24, wo Jesus sprach: „Wenn ihr hören werdet von Krieg und Kriegsgeschrei, so fürchtet euch nicht; das ist der erste Notanfang, aber das Ende ist noch nicht.“
Wie aktuell ist die Bibel! Wie aktuell ist die Bibel!
Ich bin auf die Worte aus Jeremia 2 gestoßen: „Du sollst innewerden und erfahren, welchen Kummer und welches Herzeleid es dem Herrn, deinem Gott, bringt, wenn du ihn verlässt.“
Man soll nicht fragen: „Was macht eigentlich Gott?“ sondern: „Was haben wir getan?“ Es bringt Jammer und Herzeleid über die ganze Welt, wenn wir Gott verlassen. Dann sehen wir, wohin wir ohne Gott kommen. Die Bibel ist unglaublich aktuell, auf jeder Seite. Da braucht man keine großen Übersetzungsversuche.
Gottes Nähe inmitten von Krisen und Zweifeln
Aber heute wollen wir einiges hören, was man über Gott wirklich wissen kann. Am ersten Abend, am Sonntagabend, haben wir gehört, dass Jesus uns – er, der im Schoß des Vaters ist, der eingeborene Sohn – vom Vater erzählt hat. Er ist wie der Sämann, der auch auf hartem, dornigem und steinigem Boden aussät und nicht aufhört, auszusäen.
Gott ist wie der Vater des verlorenen Sohnes, der wartet, ob nicht sein Sohn oder seine Tochter heimkommt. Er sehnt sich danach, dass seine Töchter und Söhne zurückkehren, auch wenn sie all das Gute des Vaters verprasst und vertan haben.
Jetzt scheue ich mich fast, heute Abend mit Ihnen einen Weg zu gehen, der ein bisschen anspruchsvoll ist. Aber die Bibel ist anspruchsvoll. Wer wenig denken will, muss fernsehen. Wer Gottes Wege verstehen will, muss die Bibel lesen und sich manchmal auch eine gute Tasse Kaffee gönnen, damit er wach ist. Wenn wir keinen Kaffee haben, müssen Sie Ihre Bauchmuskulatur anspannen, damit das Blut in den Kopf gelangt und Sie wieder voll da sind.
Jesus hat uns einige Aussagen über Gott wichtig gemacht. Er hat sie herausgestellt und beleuchtet. Diese Aussagen finden sich in der ganzen Bibel, schon im Alten Testament. Es ist nicht bloß eine Augenblickserkenntnis, die uns Jesus bringt, sondern etwas, das man eigentlich schon über den Weg Gottes durch die Propheten hätte wissen können.
Aber es ist, als würde Jesus fünf große Tatbestände besonders unterstreichen.
Gott ist uns nahe
Der Herr ist nahe, das Erste: Gott ist nahe. Erinnern Sie sich noch, wie die Jahreslosung im vorletzten Jahr lautete? Letztes Jahr war es: „Wer mir nachfolgen will, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.“ Jetzt müssten wir Prediger, Pfarrer und Vikare fragen: Wie war die Losung im vorletzten Jahr? Denn wir haben sie so oft gehört, in Predigten darüber gesprochen: „Keinem von uns ist Gott fern.“
So hat es der Apostel Paulus gesagt. Doch eigentlich hat er ein Wort Jesu aufgenommen. Die erste Predigt Jesu und das, was ihm durchgängig wichtig war, ist: Das Reich Gottes ist ganz nah zu euch herbeigekommen. Gott selbst ist ganz nah zu euch gekommen.
Wir ahnen kaum, wie nah Gott uns ist. Er ist nicht außerhalb dieses Gebäudes, sondern ganz nah bei uns, auf Tuchfühlung. Im Psalm 139 heißt es: „Von allen Seiten umgibst du mich, und nehme ich Flügel der Morgenröte und flöge ans äußerste Meer, so würde mich doch deine Hand dort halten.“ Gott ist uns viel näher, als wir ahnen – jedem Menschen.
Gott verlangt nach uns. Denken Sie an meine Tochter mit ihren Enkelkindern: Wie die Mutter hinter ihren kleinen Kindern herläuft und ständig Angst hat, dass sie an der Treppe stürzen könnten. Ganz nah und sprungbereit, um die Kinder zu halten. Erst in der Ewigkeit wird uns deutlich werden, wie viele Menschen, die von Gott gar nichts wissen wollten, in der Nähe Gottes bewahrt waren, weil Gott ihnen nachgelaufen ist.
Wissen Sie, in allen Religionen ist Gott furchtbar weit weg, irgendwo im Himmel, himmelweit entfernt. Ich habe gleich am ersten Abend erzählt, als ich vor dreißig Jahren zum ersten Mal nach Indien durfte, da wurde mir das zum ersten Mal bewusst. In Sarnath, dort, wo Buddha seine ersten Jünger gesammelt hat, in den buddhistischen Klöstern – dieses Schreien geht mir heute noch nach. Ich habe die Sprache dort nicht verstanden, die gesprochen wurde, aber wenn ich das Schreien hörte, war es wie wir es von den Baal-Priestern kennen: „Herr, höre uns, wo du auch immer bist, höre unser Schreien!“
Ein paar Kilometer davon entfernt, in Benares, in den Hindu-Tempeln am Ganges, hörte ich dieses Schreien nach Gott. Es erinnerte mich immer an die Baal-Priester, von denen in der Elia-Geschichte erzählt wird: „Erhöre uns doch!“ Sie ritzten sich mit Messern und riefen: „Erhöre uns, lieber Gott!“ Elia sagte vielleicht, er habe ein Schläfchen gemacht, vielleicht gebetet, vielleicht ging er über das Land. Und dann rief er den Namen seines Gottes an, der nahe ist.
Ich möchte Ihnen ein paar Worte aus dem Alten Testament sagen: „Rufe den Herrn an, solange er nahe ist! Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen. Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind. Mein Heil ist nahe.“ Auf der Abschiedspredigt des Mose heißt es: „Wo ist ein Volk, dem Gott so nahe ist? Ich bin der Herr, dein Gott.“
Nehmen Sie es mit von heute Abend: Der Herr Jesus hat es uns mit seiner ersten Predigt wichtig gemacht – es war sein erstes Wort: Gott ist uns unaussprechlich nahegekommen. Auch in Langenau, in Oellingen, Setzingen und den Orten darum herum ist Gott nicht bloß fern irgendwo.
Aus großem Erbarmen ist er uns nahegekommen. Jesus hat uns das wichtig gemacht, und die ganze Heilige Schrift stimmt damit überein. Also die erste Aussage, die wir uns merken wollen, die uns Jesus verlässlich gesagt hat: Gott ist nahe.
Die Bedeutung der Gottesfurcht
Und deshalb ist es so wichtig, dass wir Gott nicht einfach stehenlassen und sagen: „Ihr habt jetzt keine Zeit, ihr habt keine Lust, vielleicht mal später.“ Wenn der heilige Gott uns nahekommt, sollten wir ihn fürchten und lieben, so wie es unsere Konfirmanden lernen und wie wir es einst gelernt haben.
Zum ersten Gebot: Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und ihm vertrauen, wenn er es ernst mit uns meint und uns nahekommt.
Zum zweiten: Gott ist zu fürchten – nicht nur ein bisschen, wie Ehrfurcht, die man dem Bürgermeister entgegenbringt oder wenn man zum Finanzamt muss. Heute Morgen habe ich meine Lohnsteuererklärung abgegeben, da hatte ich immer Schweiß auf der Stirn und eine gewisse Ehrfurcht vor jedem Finanzbeamten. Ich kam mir wieder vor wie ein Erstklässler, der alles falsch ausgefüllt hat.
Aber so ist es nicht! Wir sollten Gott fürchten, weil er uns abhängen kann. Gott ist kein Spielgegenstand, kein Verein, aus dem man austreten oder wieder eintreten kann, wenn man Lust hat. Er ist der heilige Gott. Und wenn Gott uns fallenlässt, ist das schlimmer, als wenn wir als Kinder ausgesetzt worden wären. Wenn der heilige Gott uns abhängt, ist das furchtbar.
Ich möchte Ihnen keinen Schrecken einjagen, dazu habe ich gar kein Recht. Ich möchte Ihnen nur das Wort Jesu sagen. Jesus hat uns gesagt, wie es mit dem Vater ist (Lukas 12): „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und danach nichts mehr tun können.“ Also fürchtet euch nicht vor ABC-Waffen, nicht wahr? Ein unglaubliches Wort Jesu!
Aber Jesus hat auch gesagt: „Ich will euch sagen, vor wem ihr euch fürchten sollt. Fürchtet euch vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch. Damit ist nicht der Teufel gemeint, sondern der heilige Gott. Wenn er uns fallenlässt, sind wir verloren.
Es ist doch gar nicht die Frage, ob wir Gott wollen. Wir sagen oft: „Lieber Gott, ich muss mal sehen, ob ich Lust zu dir habe, ob mir das Ei leuchtet.“ Die Frage heißt doch: Ob Gott mich noch will oder ob er mich schon fallen gelassen hat. Einen Prälaten, den Gott fallen gelassen hat, ist furchtbar. Es wäre schon schlimm genug, wenn er den Wolf Schäffbuch fallen lässt.
Wir sollten es mehr fürchten als Pest, Hunger und Krieg, dass Gott uns fallenlässt, unser Volk fallenlässt, unsere Kirche fallenlässt. Es gab einst blühende Kirchen in Nordafrika, der Kirchenvater Augustin kam von dort. Dann hat Gott sie fallen lassen. Es gab blühende Kirchen und die altkirchlichen großen Konzile im Gebiet der heutigen Türkei. Heute gibt es dort keine Gemeinde mehr. Furchtbar, wenn Gott Kirchen fallenlässt, ganze Völker fallenlässt, wenn er mich fallenlässt.
„Fürchtet euch vor Gott!“ Als 1934 die Bekenntnissynode in Barmen war, stand in einem Abschnitt: „Fürchtet Gott, ehret den König, aber fürchtet Gott, habt keine Ehrfurcht vor Adolf Hitler, sondern große Furcht vor Gott, dass er uns fallenlassen könnte.“ Das war damals denjenigen, die im Kirchenkampf standen, ganz wichtig.
Widersagen ist eine Linie, die quer durch die Bibel geht. Jesaja 8 sagt: „Ihr sollt euch nicht fürchten vor dem, was die Menschen fürchten, sondern fürchtet den Herrn Zebaoth. Den lasst eure Furcht und euren Schrecken sein.“
Denken Sie an den Herrn Jesus, als er Psalm 22 betete: „Mein Gott, mein Gott, hast du mich verlassen! Ich schreie zu dir, ich bin ein Wurm in den Augen der Menschen. Du, Gott, sei nicht ferne!“
Man hört, Gott will nahe sein: „Sei nicht ferne, eile mich zu erretten! Du hast nicht verschmäht das Gebet des Knechtes.“ So hat Jesus in seiner Kreuzesnot gebetet.
Lieber Gott, das wäre das Schlimmste, schlimmer als alles Leiden, schlimmer als alle Verachtung von Menschen, schlimmer als alle Schmerzen, wenn du mich fallenlässt. Gott ist zu fürchten, hat uns der Herr Jesus gelehrt.
Nehmen Sie das mit in die Stunden, die uns noch bevorstehen – das schlimme letzte Leiden. Es wäre schlimmer als alle Schmerzen und alle Verzweiflung, wenn Gott mich fallenlässt. Sie müssen das festmachen: Du bist mein, weil ich dich fasse und dich nicht um ein Licht aus dem Herzen lasse.
Gott ist zu fürchten, das ist keine Spielerei. Wenn immer wieder in unserer Zeit so schnell gesagt wird: „Gott ist lieb, Gott ist barmherzig“ – dann ist das nur die eine Hälfte. In seiner großen Liebe ist Gott zu fürchten. Man darf aus ihm nicht den Opa machen, den man liebhat, aber nicht mehr ernst nimmt.
Die Gnade für die Demütigen
Dritte Aussage
Neben der Aussage, dass Gott nahe ist und dass Gott zu fürchten ist, sagt Jesus auch: Gott gibt den Demütigen Gnade. Das gilt besonders für diejenigen, die Gott fürchten und sich von ihm zeigen lassen, wie armselig sie als Christen sind. Schwäbisch gesagt: Wie lommelig unser Glaube ist. Jetzt übersetzen Sie das den Norddeutschen, die es vielleicht nicht verstehen – wie halblebig, wie schwach unser Glaube ist.
„Wer sich selbst erniedrigt, soll erhöht werden“, hat der Herr Jesus immer wieder gesagt. Wer sich von Gott zeigen lässt, wie schwach sein Glaube ist, wie unvollkommen sein Gehorsam und wie armselig seine Treue, mit dem kann Gott etwas anfangen. Gott gibt den Demütigen Gnade.
Der Herr Jesus hat sich selbst erniedrigt wie kein anderer. Er erniedrigte sich selbst, wie es im großen Bekenntnis in Philipper 2 heißt. Darum hat ihn Gott erhöht.
Der badische Dekan Haus, der von der Heidelberger Fakultät den Ehrendoktor erhielt und ein großer Pionier der Volksmission war, hat eine kleine Schrift geschrieben. Wenn Sie sie mal im Antiquariat finden, sollten Sie sie sich anschaffen. Sie heißt Werkzeuge Gottes.
Er schreibt darin über Alois Hennhöfer, Ludwig Hofacker, Wiechern und andere Leute, die Gott gebrauchen konnte. Er sagt, es waren eigentümlicherweise alles zerbrochene Leute – schon rein körperlich, aber auch vor Gott zerbrochen. Sie sagten: „Ich kann doch überhaupt nichts, ich kann nur den Sonntag predigen. Mein Glaube ist doch zu schwach.“ Der Hofvater hat noch auf dem Sterbebett gesagt: „Ich passe nicht in den Himmel, ich passe tausendmal mehr in die Hölle. Es wird zu flott, wenn die Leute meinen, man kommt einfach so in den Himmel.“
Solche Leute konnte Gott segnen. Den Demütigen gibt er Gnade. Nicht denen, die sagen: „Ich bin schon ausständig, wenn nur alle so wären wie ich.“ Sondern den Leuten, die es sich von Gott aufdecken lassen, wo unsere religiöse Schauspielerei ist, wo wir vor anderen frommer tun, als wir sind, wo wir selbst noch gar nicht entdeckt haben, wo ganz tiefe Schatten in unserem Leben sind.
Wo wir uns aufdecken lassen, wie viele Menschen wir verletzt haben, und wir es verdrängt oder nicht daran gedacht haben, wie oft wir versagt haben. Gott tröstet die Geringen und richtet die Demütigen auf.
Petrus, der selbst von Gott zerbrochen war, weil ihm gezeigt wurde: „Du bist nicht der Held, du bist noch nicht einmal der Felsenmann, sondern ein Versager oben und unten“, schrieb im ersten Petrusbrief: „Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöht zu seiner Zeit.“
„Gott erhöht die Gedemütigten.“ Jetzt muss ich das Wort noch einmal sagen, das mir eines der wichtigsten Worte in der Bibel ist: Jesaja 57. So spricht der Hohe und Erhabene: „Siehe, ich wohne in der Höhe und im Heiligtum, aber auch bei denen, die zerbrochenen und gedemütigten Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerbrochenen.“
Gott sagt von sich selbst: „Ich wohne am Ulmer Münster und im Tempel von Jerusalem, aber am allerliebsten wohne ich bei zerbrochenen Leuten. Da will ich meine Nähe erweisen.“
Jetzt lasst euch doch auch von Gott ein bisschen zerbrechen, damit er euch zeigt, wo es nicht stimmt. Wir sind doch gar nicht die Frommen – das ist ein ganz furchtbares Schimpfwort für uns. Wir sind die Kranken, die Bedürftigen, die auf Gott angewiesen sind.
Den Demütigen gibt er Gnade. Gott gibt den Demütigen Gnade. Gott will keine Elite-Regimenter haben, keine christlichen Garden, mit denen er seine Sache treibt, sondern zerbrochene Leute, an denen er zeigen kann, was er macht.
Wir meinen immer, das Christentum bestehe darin, dass wir zeigen, was wir machen. Aber Gott will doch zeigen, was er macht.
Gott ist nahe, Gott ist zu fürchten, Gott gibt den Demütigen Gnade. Jetzt kommt schon Nummer vier.
Gottes Licht in der Finsternis
Gott lässt aus der Finsternis das Licht leuchten. So war es schon bei der Schöpfung, als das Tohuwabohu herrschte und die Erde wüst und leer war. Es war finster, denn es gab noch keinen Mond, keine Sonne und keine Sterne. Pechschwarz, Gräben, schwarze Nacht, bloß Sumpf, Dreck, Wasser und Erde lagen durcheinander.
Und da heißt es nicht: „Und es wurde langsam Dämmerung, und es wurde immer heller“, sondern: „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Der Apostel Paulus sagt: Gott sprach, Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten. Es ist die große Tat Gottes, dass er dort, wo es pechrabenschwarz aussieht, sein Licht aufleuchten lassen kann.
Und wenn Sie in Ihrer Familie denken: „Ich bin bloß allein, mein Vater, mein Mann macht nicht mit, meine Kinder machen nicht mit“ – das ist hoffnungsvoll. Und wenn es in unserer Kirche noch viel schwärzer aussehen sollte, als es heute schon der Fall ist, so dunkel, wie es für unsere Brüder und Schwestern in ihren Gemeinden der DDR aussieht, wo kaum noch jemand zum Gottesdienst kommt, sie keine Perspektive mehr haben, kein Geld, kaputte Kirchengebäude, nicht wissen, ob sie ihre Religionsrechte wahrnehmen können – liebe Brüder und Schwestern, da ist die Chance Gottes, dass er sein Licht aufleuchten lässt.
In China haben wir geglaubt, die Missionsarbeit von hundert Jahren sei zerstört. Die Gemeinden wurden durch die Kulturrevolution zertreten. Doch heute gibt es dort 40 Millionen Christen in Hausgemeinden. Gott lässt aus der Finsternis das Licht leuchten.
Bruder Greichen und ich haben es erlebt: Im Jahr 1975, als ich nach Schörndorf kam, war eine Evangelisation vorbereitet, die Bruder Greichen mitorganisiert hatte. Es war ein bisschen schwierig, nicht wahr? Die Freikirchen sagten, sie machen nur mit, wenn ein Evangelist kommt, der die Leute nach vorne ruft zur Entscheidung. Die landeskirchlichen Leute sagten, sie machen nur mit, wenn ein Evangelist kommt, der nicht so drängend nach vorne ruft.
Dann kam acht Tage lang Horst Marquard und rief die Menschen nach vorne. Danach kam acht Tage lang Kurt Heimbucher, der nicht nach vorne rief. Danach sagten die Freikirchen: Es fing so gesegnet an mit Horst Marquard, und dann wurde alles durch Kurt Heimbucher kaputtgemacht. Die Landeskirchler sagten: Es fing furchtbar an mit der Seelenknätere, aber als Pastor Heimbucher kam, war es wenigstens etwas besser.
Es gab Zank und Streit. An einem Abend, als Kurt Heimbucher predigte, ging ein junger Mann mit 18 Jahren aus der Versammlung hinaus in die Stadtkirche Schörndorf und sagte: „Lieber Gott, wenn es dich gibt, begegne mir doch und lass mich von jemandem hören, der ein bisschen jünger ist als Pfarrer Heimbucher.“ Damals war Heimbucher noch ganz frisch, noch keine 50 Jahre alt.
Also, ihr könnt heute Abend auch so ein Gebet sprechen. Um zehn Uhr abends betete Gerhard Meng dieses Gebet. Morgens um sechs am Bahnhof fragte ihn ein Klassenkamerad: „Glaubst du an Gott?“ – „Ja, ich glaube an Gott.“ Das war der Anfang unseres Freitagskreises. Dort, wo wir meinten, eine Evangelisation sei umsonst gewesen, nur Zank und Streit, hat Gott aus der Finsternis sein Licht leuchten lassen. Ja, er hat es getan!
Er hat nicht den Ernst dazu gebraucht, nicht mich, nicht Kurt Heimbucher, nicht Horst Marquard. Er hat sein Licht dort leuchten lassen, wo nichts zu hoffen schien.
Aber ich wollte ja sagen, was Jesus uns klargemacht hat: Als der Herr Jesus ins Leiden ging, lesen Sie bei Johannes 17: „Vater, jetzt ist die Stunde da.“ Die Stunde, in der die Menschen ihn nehmen, anspeien, ausliefern, verraten, verleumden und ans Kreuz hängen würden – die ganze Macht der Finsternis.
Jesus sagt an anderer Stelle: „Jetzt ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Aber in Johannes 17 sagt Jesus: „Vater, die Stunde ist da, dass du deinen Sohn verherrlichst.“ Mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt gegründet wurde.
Versteht ihr? Aus diesem ganzen Dreck von Golgatha und Getsemani, aus dieser Verachtung und der Sonne, die am hellen Mittag ihren Schein verlor, machst du, Herr, das Herrlichste daraus. So dass man noch nach zweitausend Jahren in Kirchen und Gemeindehäusern das als Siegeszeichen an die Wand hängt – nicht Tod und Ende, nicht Kaputtmacherei, sondern: „Ich habe die Welt überwunden, es ist vollbracht.“
Liebe Freunde, Gott kann aus Finsternis Licht machen, aus dem ganzen Dreck in Ihrer Seele, in Ihrer Phantasie. Aus dem, was uns oft die Träume bewegt, aus der Streiterei und Spannung in Ihrer Ehe, aus der Dunkelheit Ihrer Einsamkeit kann Gottes Licht leuchten.
Aus der Angst, was wird, wenn mein Mann nicht mehr gesund wird, und die Kinder sind so weit fort, was soll man tun – all diese Ängste kennen Sie doch. Finsternis legt sich oft wie ein Tuch auf uns, das uns den Atem nimmt.
Wissen Sie, was Gott kann? Er kann mitten in der Finsternis Licht schaffen. Das hat uns Jesus gesagt. Und wieder gibt es eine Fülle von biblischen Aussagen: „Der Herr macht meine Finsternis Licht“, sagt David.
Ein schönes Adventswort: „Mache dich auf, werde Licht! Dein Licht kommt, denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich.“ Und, Leute, das gilt heute nicht bloß über den Rauchschwaden am Golf. Finsternis bedeckt das Erdreich und verdunkelt die Völker.
Aber über dir geht auch der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Rechnen Sie damit, dass Gott das kann. Rechnen Sie mit einem großen, starken Glauben, dass Gott das kann – bei Ihnen persönlich, in Ihren Häusern, in unseren Gemeinschaften, in unserer Kirche.
Gott lässt aus der Finsternis das Licht leuchten.
Gottes Treue als Halt in allen Lebenslagen
Letzter Punkt: Wir haben gesagt, der Herr ist nahe, Gott ist zu fürchten. Was war der dritte Punkt? Gott macht die Gedemütigten erhöht. Der vierte Punkt: Er lässt aus der Finsternis Licht leuchten.
Und wenn Sie Angst haben und sagen: „Ja, ob ich durchhalte? Ich habe das schon so oft erlebt, wie ich versage und wie wankelmütig ich bin.“ Da braucht es bloß den kleinsten Stoß von außen, und dann ist mein Glaube wieder weg, wenn die Bilder über mich kommen, die Versuchung.
„Gott ist treu“ – ein Wort, das so oft in der Bibel vorkommt. Wie Sie es gar nicht ahnen: Gott ist treu, und es hat seinen Testbruch bekommen, sein Gütesiegel durch Jesus. Als Jesus am Kreuz den Psalm 31 betete: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“, da geht es weiter: „Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Unser Herr Jesus hat sich am Kreuz geborgen in der Gewissheit: Gott ist treu.
Und wenn jetzt der letzte Lebensfunke aus mir schwindet, Gott ist doch treu. Wenn wir einmal so sterben könnten, wenn mein Herz und meine Gedanken vergehen, wie ein Licht, das hin und her zu wanken scheint, wenn ihm die Flamme bricht.
Stellen Sie sich vor, wie ich es mal erlebt habe im Krankenhaus bei der Narkose: Wenn die Stimmen der Angehörigen wie aus einem fernen Flur kommen und immer leiser werden, dass ich dann weiß, Gott ist treu. Und das ist wichtiger, als dass meine Angehörigen mir die Hand halten.
Die Güte des Herrn ist, dass wir nicht ganz aus sind. Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Das, was wir uns von Ehegefährten erhoffen, von unseren Kindern, von unseren Freunden, dass sie uns treu bleiben – und da werden wir so oft enttäuscht, dass nicht einmal engste Freunde mehr an unseren Geburtstag denken, sondern ihn vergessen haben.
Der Herr ist treu, durch den Herrn Jesus bestätigt. Gott ist treu, und der Apostel Paulus hat es vielleicht am großartigsten gesagt. Entschuldigen Sie, wenn ich Bibelsprüche bringe, aber all unsere menschlichen Worte sind doch viel weniger wert als die Bibel, in der Verlässliches drinsteht. Unser Glaube soll nicht auf Vermutungen bestehen, auch nicht auf Vermutungen von Theologen. Das ist ein oft biblisch verlässliches Wort.
Der Apostel Paulus sagt: Duldest du mit Jesus, dann wirst du mit Jesus herrschen. Leidest du mit Jesus, wirst du mit Jesus erhöht werden. Sind wir Jesus nicht treu – jetzt müsste es konsequent und logisch weitergehen, wir sind ja sonst für Logik – dann ist er uns auch nicht treu.
Aber das heißt: Sind wir ihm nicht treu, können wir nicht die Treue halten, so bleibt er doch treu. Er kann sich selbst nicht verleugnen.
Liebe Freunde, er möchte euch, wenn ihr angefangen habt, wenn er euch ergriffen hat, nicht mehr loslassen, weil er die Treue halten will.
Und jetzt nehmen Sie all die Worte: Der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Teufel, vor dem Argen.
Neulich stand es im Lehrtext im Losungsbüchlein: Der Herr ist treu, der lässt euch nicht versuchen über euer Vermögen, sondern macht, dass die Versuchung ein Ende gewinnt, dass ihr es ertragen könnt.
Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Aber wenn wir unsere Sünde bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend.
Mensch, es gibt etwas, das die Treue Gottes alles in sich schließt: dass er mit unserer Wankelmütigkeit fertig wird, mit unserer Sünde, dass wir immer wieder zurückrutschen. Nicht unser Glaube ist der feste Pfahl. „Ich glaube, und damit ist alles gut“ – na, da wackelt es oft.
Aber die Treue unseres Gottes, die uns festhalten will, bis wir einmal am Ziel sind, sogar im Leiden. Der Apostel Petrus sagt: „Die Leiden sollen Gott ihre Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer.“
Lieber Gott, ich halte nicht durch, die Schmerzen sind zu schlimm, mein Glaube schrumpft, aber du bist doch noch da mit deiner Treue. Halt mich durch, auch wenn ich keinen Gedanken mehr zu einem Gebetssatz zusammenbringe.
Wenn mal die schlimme Nachricht aus Ihrer Familie kommt, wenn die Polizeibeamten vor der Tür stehen: „Wir haben ja dauernd Angst und sagen: Ihrem Sohn ist etwas passiert, ich muss leider zu ihm reinkommen.“ Wenn wir der Ohnmacht nahe sind, wenn wir keinen Gebetssatz mehr zusammenbringen, weil sich alles in unserem Kopf und Herzen zusammenkrampft, dann bleibt er treu, dass er uns festhält.
Der Herr ist nahe, Gott ist nahe, Gott ist zu fürchten, Gott gibt den Gedemütigten Gnade, Gott lässt aus Finsternis Licht hervorleuchten, Gott ist treu.
Einladung zum Gebet und Abschluss
Jetzt möchte ich mit einem Satz abschließen: Wer den Namen dieses Herrn anruft, wird selig.
Morgen werden wir ausführlicher darüber sprechen, wie man mit Gott verbunden sein kann. Heute dürfen Sie jedoch in der Stille, bevor Sie einschlafen, einfach das Vaterunser beten – so, als hätten Sie es noch nie gebetet.
Vater, du darfst den Treuen bitten – den, der kein Spielzeug ist, der zu fürchten ist, aber dennoch nahe, weil er dir nahe sein will. Er will uns, die Gedemütigten, erheben und aus unserer Finsternis Licht schaffen. Vater, Vater Jesu Christi, mein Herr und mein Gott.
Auch jetzt wollen wir unsere Hände falten und beten: Lieber Vater im Himmel, du Vater Jesu Christi und Herr Jesus, danke, dass wir dich einfach so anrufen dürfen.
Du heiliger Gott, der du aus großer Liebe uns nahe bist, keinem von uns fern. Du hörst uns jetzt.
Wir bitten dich: Demütige uns, wenn wir es nötig haben, damit wir zeigen, wie wir vor dir stehen. Lass unseren Glauben nicht bloß in Harmlosigkeiten bestehen, nicht in Selbstverständlichkeit, Selbsttäuschung oder frommer Scharlatanerie.
Mach du aus der Finsternis dein Licht, dein herrliches, strahlendes Licht. Halte uns die Treue, wenn wir so zitternd anfangen, richtig mit dir anzufangen!
Herr, gib doch, dass diese Abende für keinen von uns umsonst sind – auch für mich nicht.
Wir haben einander zwar nichts zu sagen, aber du hast uns etwas zu sagen. Gib uns einen Anstoß, einen Impuls, eine Hilfe, damit wir aufwachen und etwas sein können zum Lob deines herrlichen Namens.
Amen.