Als Jesus wieder ans andere Ufer des Sees kam, versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Da kam ein Synagogenvorsteher namens Jairus zu ihm. Er fiel vor Jesus nieder und bat ihn inständig: „Meine Tochter liegt im Sterben. Bitte komm und leg ihr die Hände auf, damit sie gesund wird und lebt.“
Jesus ging mit ihm. Viele Menschen drängten sich um ihn. Eine Frau, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt und von vielen Ärzten erfolglos behandelt worden war, hatte viel Geld ausgegeben, aber keine Besserung erfahren. Sie hatte große Schmerzen und war sehr verzweifelt.
Sie dachte bei sich: „Wenn ich nur seinen Mantel berühren kann, werde ich gesund.“ Sie näherte sich von hinten und berührte den Saum seines Gewandes. Sofort blieb die Blutung aufhören, und sie spürte, dass ihr Körper geheilt war.
Jesus merkte, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war. Er drehte sich um und fragte: „Wer hat meinen Mantel berührt?“ Die Jünger waren verwundert, weil so viele Menschen dicht gedrängt um ihn standen.
Die Frau trat zitternd vor und erzählte ihm die ganze Wahrheit. Jesus sagte zu ihr: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich geheilt. Geh in Frieden und sei gesund von deiner Krankheit!“
Während Jesus noch sprach, kam jemand aus dem Haus des Synagogenvorstehers und sagte: „Deine Tochter ist gestorben. Warum belästigst du den Lehrer noch?“
Jesus hörte das und sagte zu Jairus: „Hab keine Angst, glaube nur!“ Er ließ nur Petrus, Jakobus und Johannes mit ihm gehen.
Als sie zum Haus kamen, sah Jesus die weinenden und klagenden Menschen. Er sagte: „Warum macht ihr so viel Lärm und weint? Das Mädchen ist nicht tot, sondern schläft.“ Sie lachten ihn aus.
Jesus nahm das Mädchen an der Hand und sagte: „Talitha kum!“ Das bedeutet: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ Sofort stand das Mädchen auf und begann zu gehen. Alle waren erstaunt und voller Freude.
Jesus befahl ihnen streng, niemandem davon zu erzählen. Er sagte den Eltern, dem Mädchen etwas zu essen zu geben.
Jesus verließ seine Heimatstadt und kam mit seinen Jüngern dorthin. Am Sabbat begann er in der Synagoge zu lehren. Viele waren erstaunt über seine Weisheit und die Wunder, die er tat.
Sie fragten: „Woher hat dieser Mann das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist? Und wie können solche Wunder durch seine Hände geschehen? Ist er nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon?“
Sie waren an ihm und seiner Familie sehr vertraut und konnten kaum glauben, dass er so etwas tun konnte.
Jesus sagte zu ihnen: „Ein Prophet wird nicht geehrt in seiner Heimat, unter seinen Verwandten und in seinem Haus.“
Wegen ihres Unglaubens konnte er dort kaum Wunder wirken. Er heilte nur wenige Kranke, indem er ihnen die Hände auflegte.
Begegnung am See und die Bitte eines Synagogenvorstehers
Als Jesus wieder mit dem Boot herübergefahren war, versammelte sich eine große Menge bei ihm. Jesus war am See. Für diejenigen, die die Gegend kennen, ist es besonders eindrucksvoll, dass man alle Orte dort wiederfindet.
Man geht hinüber zu dem Ort, wo Gerasa war, mit dem unreinen Geist. Man kann sich die ganze Szene gut vorstellen, besonders an den alten Kirchentrümmern aus den ersten Jahrhunderten dort. Die Seefahrt hinüber und zurück lässt sich ebenfalls gut nachvollziehen.
Nun kommt einer der Synagogenvorsteher, und das ist wieder in Kapernaum. Kapernaum ist besonders bemerkenswert, weil es nie wieder aufgebaut wurde. Das ist in der Geschichte ungewöhnlich. Städte wie Stuttgart wurden wieder aufgebaut, Jerusalem sogar etwa 21 Mal, aber Kapernaum nie.
Die Synagoge, die man heute sieht, ist wahrscheinlich kurz nach der Zeit Jesu gebaut worden. Man kann die Trümmer noch erkennen.
An diesem Ort war der Vorsteher namens Jairus. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen, bat ihn inständig und sagte: „Meine Tochter liegt im Sterben. Komm doch und lege deine Hände auf sie, damit sie gesund wird und lebt.“
Jesus ging mit ihm. Eine große Menge folgte ihm und drängte sich um ihn.
Die Frau mit dem Blutfluss und ihre Heilung
Da war eine Frau, die hatte seit zwölf Jahren einen Blutfluss und hatte viel erlitten von vielen Ärzten. Die anwesenden Mediziner mögen es nicht übel nehmen, aber die Bibel ist so realistisch, dass jede Berufsgruppe nüchtern eingestuft wird. Der Glaube an weiße Kittel vergeht auch, und alle Ehre von Menschen wird angesprochen. Die Priester kommen ja auch oft genug in der Bibel vor.
Deshalb ist es auch gut, dass Mediziner erwähnt werden, die all ihr Gut dafür aufgewandt haben. Doch es hatte ihr nichts geholfen, im Gegenteil: Es war noch schlimmer mit ihr geworden.
Als sie von Jesus hörte, kam sie in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich nur seine Kleider berühren könnte, so würde ich gesund werden.
Sogleich versiegte die Quelle ihres Blutes, und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrer Plage geheilt war. Jesus spürte sofort an sich selbst, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war. Er wandte sich um in der Menge und sprach: „Wer hat meine Kleider berührt?“
Seine Jünger antworteten ihm, was zeigt, wie wenig sie oft verstanden haben. Das ist für uns immer eine Art Selbstkritik: Wie wenig sie begriffen, und wie sie meinten, Jesus belehren zu können. Es bleibt ja immer so: Du siehst, dass dich die Menge umdrängt, und fragst, wer dich berührt hat.
Jesus sah sich um nach der, die das getan hatte. Die Frau aber fürchtete sich und zitterte, denn sie wusste, was an ihr geschehen war. Sie kam und fiel vor Jesus nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit.
Jesus aber sprach zu ihr: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht. Geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage.“
Die Nachricht vom Tod der Tochter und Jesu Zuspruch
Als er noch so redete, kamen einige aus dem Haus des Vorstehers der Synagoge und sagten: „Deine Tochter ist gestorben. Was bemühst du dich noch weiter um den Meister?“
Jesus aber hörte, was gesagt wurde, und sprach zu dem Vorsteher: „Fürchte dich nicht, glaube nur.“
Jesus ließ niemanden mit sich gehen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie kamen in das Haus des Vorstehers und sahen das Getümmel. Es waren diese schrecklichen orientalischen Trauerriten, und sie weinten und heulten sehr.
Jesus ging hinein und sprach zu ihnen: „Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft.“
Das hat manche irritiert. Es heißt einfach nur so viel, um es gleich vorweg zu sagen: Für Gott sind die Toten nicht tot. Gott ist ein Herr, der auch ins Reich der Toten hineingeht. Wir stellen uns das ganz anders vor. Das ist ein großes Trostwort für Menschen, die sich um ihre Toten sorgen. Das Kind ist in der Hand des Herrn, und darum ist es so wichtig: Sie schläft.
Sie verlachten ihn. Also nicht, dass sie dachten, sie sei scheintot oder so etwas, sondern sie war wirklich tot. Aber aus der Perspektive Gottes ist das nicht so, wie wir es sehen, von unserer Weltseite her, und sagen: Jetzt ist alles aus.
Er trieb sie alle hinaus und nahm mit sich den Vater des Kindes, die Mutter und die bei ihm waren. Dann gingen sie hinein, wo das Kind lag. Jesus ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihr: „Talitha kum.“ Das heißt übersetzt: „Mädchen, ich sage dir, stehe auf.“
Das ist Aramäisch. Das ist immer wieder bemerkenswert. Wir haben so viele angehende Theologiestudenten, die das wunderbare Neue Testament studieren, und da sieht man, wie ungemein historisch genau erzählt wurde. Wenn dieser Wortlaut noch im Ohr war, wenn sie das so richtig nachgesprochen haben – das kann man nicht einmal auf Griechisch sagen. Das muss ein wahnsinniger Eindruck gewesen sein für die Jünger, die dabei waren.
Man erkennt auch die Echtheit des Berichts an solchen ganzen Merkwürdigkeiten.
Sogleich stand das Mädchen auf und ging umher. Es war aber zwölf Jahre alt. Das entsetzte die Menschen sofort, denn im damaligen jüdischen Brauch war zwölf Jahre kein junges Alter. Mit zwölf Jahren wurde man verheiratet, gerade an der Wende. Vielleicht war sie schon einem Mann zugesprochen, kurz vor der Verheiratung – mit zwölf Jahren, damals, nicht heute.
Jesus gebot ihnen streng, dass es niemand wissen sollte, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben.
Jetzt machen wir noch weiter.
Jesu Wirken in seiner Vaterstadt und die Reaktion der Menschen
Er ging von dort weg und kam in seine Vaterstadt. Seine Jünger folgten ihm nach.
Als der Sabbat kam, begann er in der Synagoge zu lehren. Viele, die zuhörten, wunderten sich und fragten: „Woher hat er das? Und was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist? Und solche mächtigen Taten, die durch seine Hände geschehen!“
Sie sagten: „Ist er nicht der Zimmermann, der Sohn Marias, und der Bruder des Jakobus, Joses, Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns?“ Über ihn ärgerten sie sich.
Jesus aber sprach zu ihnen: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland, bei seinen Verwandten und in seinem Hause.“
Dort konnte er keine einzige Tat vollbringen, außer dass er wenigen Kranken die Hände auflegte und sie heilte.
Er wunderte sich über ihren Unglauben. Danach zog er in die umliegenden Dörfer und lehrte dort weiter.
Überlegungen zum Glauben und Unglauben
Jetzt haben wir uns natürlich eine große Aufgabe vorgenommen. Aber es lichtet sich sehr schnell. Wenn wir einfach mal am Ende anfangen: Es geht ja um dieses merkwürdige Rätsel, warum manche glauben und andere nicht.
Aus vielen Gesprächen mit Menschen weiß ich, dass eine verbreitete Überzeugung heute ist, dass der Glaube irgendwo im Erbgut steckt, bei den Chromosomen, wie ein Schweinegrund. So gibt es eben gewisse Leute, die können glauben, andere können nicht glauben – das sei ein Naturell oder so. Manche, die sind halt ein bisschen evangelikal veranlagt oder so, höre ich immer wieder, Gott habe mir das eben nicht geschenkt.
Das ist nicht richtig und widerspricht auch dem Suchen Gottes. Es ist eine erschütternde Sache: Die Welt teilt sich in Glauben an Jesus und Unglauben. Gerade in Nazareth ist das besonders erschütternd.
Stellen Sie sich mal vor: Jesus hat doch fast dreißig Jahre in Nazareth gelebt. Glauben Sie, dass man in der Jugend Jesu irgendwelche Sünden findet? Das kann ich mir nicht vorstellen. Als Sohn Gottes muss Jesus ein ganz wunderbares Leben geführt haben, in dem Werkstattgebäude seines Vaters, dem Zimmermannsgeschäft oder was das dort war, am Hobel.
Jesus hat nicht geflucht, Jesus war gütig, Jesus war liebenswürdig. Aber es hat kein Glaube gewirkt. Das ist übrigens eine Hilfe für uns, weil wir immer wieder meinen, wir müssten einen perfekten Lebenswandel leben, um Menschen zu überzeugen. Wenn Jesus das in den dreißig Jahren nicht einmal konnte – dass die Leute kommen und sagen: „Der war so wunderbar, wenn er uns den Kaffee gekocht hat, wenn er uns zum Geburtstag gratuliert hat, der war immer so liebenswürdig“ –, dann ist das merkwürdig.
Selbst das perfekte, heilige Leben Jesu hat niemanden zum Glauben geführt. Menschen sind zum Glauben gekommen durch das Prophetenwort, das Jesus gesprochen hat, durch das Evangelium. So ist es heute auch noch.
Wir leben alle nicht heilig, aber das Wort ist das Entscheidende, das im Leben wirkt. Aber selbst dort, wo Jesus ist – wenn man den Gedanken durchdenkt –, ist das ganz interessant: Jesus, dem niemand eine Sünde nachweisen konnte, und die Menschen trotzdem meckerten. Er war doch auch ein ganz normaler Mensch, der eigentlich zum Nachdenken führen müsste. Es geht nicht.
Das ist ja nicht abwertend gemeint: Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterland. Warum gilt ein Prophet nichts in seinem Vaterland? Weil die Leute sagen: „Na ja, mit dem waren wir doch auf der Schulbank gesessen“ und so weiter.
Die Offenbarung kommt von Gott. Der Prophet, ob er Elija hieß oder Jesaja, spricht durch das Wort, das Gott ihm ins Ohr ruft und das er durch seinen Mund verkündet. Daraus kommt der Glaube: aus der verkündigten Predigt des Wortes Gottes.
Es gibt in der ganzen Bibel nirgendwo den Gedanken, dass ich durch meinen Lebenswandel überzeugen kann. Mein Lebenswandel kann höchstens eine Verkündigung zerstören. Wenn man von der Liebe redet, aber mit den Füßen staucht, dann ist das nicht glaubwürdig, verstehen Sie? Das ist klar: Ich kann es mit meinem Lebenswandel zerstören, aber es ist nie möglich, dass ich bloß durch meinen Lebenswandel predigen kann.
Das ist ja die verbreitete Meinung heute eines liberalen Christentums. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, das ist nichts weiter als vollmundige Überheblichkeit, wenn einer sagt: „Ich bin ja so lieb.“ Es ist nichts weiter als Einbildung, denn kein Mensch ist so lieb, dass es überhaupt bezeichnet, wenn es Jesus nicht mehr tun kann.
Die Leute hätten doch aus Nazareth sagen müssen: So einen hat es noch nie gegeben. Aber es hat nichts gewirkt.
Darum interessiert uns umso mehr, und deshalb habe ich zusammengenommen: Warum glauben dann die anderen? Was ist das überhaupt mit dem Glauben?
Sie wissen, das ist uns in Fleisch und Blut übergegangen seit dem Religionsunterricht: Auf den Glauben kommt es an. Das hat sich aber jetzt wieder in unserer Zeit ganz gefährlich verschoben. Viele sagen: Auch das kenne ich, es ist eigentlich gar nicht so wichtig, was man glaubt, Hauptsache man glaubt richtig dran – also einfach ans Positive oder so.
Dann gibt es Leute, die sagen: Ich muss bloß einfach dran glauben, ob das irgendeine verrückte Medizin ist oder irgendwas – der Glaube schafft diese positiven Heilkräfte. Das ist natürlich Aberglaube, das wissen Sie.
Natürlich ist es gut, wenn Sie Positives denken. Das ist besser, als wenn Sie dauernd Hassgedanken im Kopf haben. Natürlich ist es heilsamer für den Körper. Da brauche ich keine Einsicht, das ist klar. Aber viel weiter reicht diese Sicht der Dinge nicht.
Der Glaube an sich kann gar nichts schaffen. Ich mache es ja immer ein bisschen plump, derb und plakativ, so haben es unsere jungen Leute immer dargestellt: Wenn ich glaube, ich sei ein Flugzeug, dann bin ich auch noch lange kein Flugzeug. Das hätte keinen Wert.
Wenn ich glaube, ich sei gut, dann bin ich nicht gut. Meine Taten sprechen mehr als mein Glaube.
Und es ist ja immer dieses Dilemma: Was ist eigentlich der Glaube?
Das ist interessant, denn man muss auch aufpassen mit unserer Formulierung, wenn wir sagen: „Der Glaube rette dich.“ Das steht ja oft in der Bibel. Aber aufpassen: Christus rettet mich, der Glaube vertraut nur. Der Glaube ist nur die Hand, die Christus fasst.
Das stimmt, ich muss Christus fassen, deshalb ist es recht, der Glaube macht. Aber an dieser Stelle merken Sie, da kommt es ja manchmal auch zu Spannungen zwischen dem Jakobusbrief und den Aussagen des Paulus.
Denn Jakobus sagt: Wenn der Glaube in deinem Leben nicht Realität wird, hat er keinen Wert. Und er hat völlig Recht.
Der Glaube ist das Instrument, das Christus in mein Leben reinholt.
Die biblische Bedeutung des Glaubens
Was ist jetzt Glauben?
Zunächst muss man vom Wort her betrachten: Bei uns ist „Glaube“ im Sprachgebrauch oft sehr abgeschliffen. Man sagt zum Beispiel: „Ich glaube, bald kommt der Frühling“, oder „Das kann der gewisse Wieser sein“, oder auch „Ich glaube, ich bin ein lauter Affe“ – es gibt viele unsinnige Verwendungen. Der Glaube wird also oft ganz anders verstanden als in der Bibel.
Wenn wir uns jedoch die Bibelsprache ansehen, hat „Glaube“ dort immer die Bedeutung der letzten Geborgenheit eines Menschen. Es meint das, was für ihn absolute Wahrheit ist. In der Bibel sind Worte wie Glaube, Treue und Wahrheit oft direkt austauschbar. Zum Beispiel ist das Wort, das im Hebräischen oder Aramäischen für „Amen“ steht, im Grund genau ein Wort für Glauben, also „absolut wahr“ oder „gewisslich wahr“. So hat es auch Luther im Katechismus übersetzt.
Glauben ist etwas, das eine felsenfeste Überzeugung ausdrückt. Im Denken Abrahams, der aus der Ferne auszog und nicht wusste, wohin er kommt, heißt es: Er glaubte dem Herrn, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Abraham sagte gewissermaßen: „Herr, ich verstehe gar nichts in meinem Leben, aber du bist das Einzige, und du bist für mich alles.“ Das war der Boden, auf dem er stand.
Glauben ist eine Lebenshingabe. Auf diesen biblischen Sinn wollen wir zurückkommen. Deshalb ist es auch so schlimm, dass viele Christen sagen: „Ich glaube, aber ich habe keine Gewissheit.“ Das gibt es biblisch eigentlich nicht. Glaube ist Gewissheit.
Dieses Missverständnis kommt daher, dass Theologen uns eingeredet haben, der Glaube hätte nichts mit dem Wahrhaben oder Verwahrhalten von Wahrheit zu tun. Natürlich gab es im ganzen Altertum keinen Glauben, der nicht auch das Wahrhaben einschloss. Das ist undenkbar. Wenn ich meiner Frau vertraue, dann glaubt sie mir auch. Das Verhältnis zwischen zwei liebenden Menschen ist ein Verhältnis des Glaubens, das das Wahrhaben mit einschließt.
Wahrhaben ist eigentlich eine Stufe des Miteingeschlossenen, Vertrauen ist noch etwas viel Größeres. Die persönliche Ich-Du-Beziehung setzt voraus, dass ich sage: Ich weiß, der andere hat nichts gegen mich, und wir sind absolut eins. Genau so ist eine Glaubensbeziehung. Ich kann nicht sagen: „Ich weiß nicht, ob Jesus auferstanden ist, aber ich vertraue ihm.“
Wo so etwas gepredigt wird, dass man gar nicht sicher weiß, ob Jesus auferstanden ist, aber trotzdem hofft, dass er den Tod besiegt hat, da spürt jeder, dass keine Kraft mehr drin ist. Das geht von der Definition her gar nicht.
Der alte Bischof Dietz Felbinger in Bayern hat immer wieder gesagt: Man kann die großen Aussagen des Glaubens nicht zu bildhaften Aussagen machen. Die Ereignisse, die mein Leben zerstören, wie der Tod, sind keine Bilder. Wenn ich dem Tod gegenüberstehe, ist das real. Mir fehlt das Leben. Ich stehe da unten an den Särgen, am Grab und so weiter – das ist eine ernste Sache.
Wenn man immer wieder sagt: „Jesus, du bist der Sieger über die Todesmacht“, dann sind das keine Sprüche. Es geht darum: Ist es wahr oder nicht wahr? Wenn es nicht wahr ist, ist alles bloß leeres Gerede. Das sagt der erste Korintherbrief Kapitel 15. Dann ist jedes Gebet ein Bluff, wenn da niemand ist, der es hört. Dann ist jede gesammelte Gabe Schmutz und Schund. Das geht nicht, wenn es nicht wirklich wahr ist, dass ich das für Gott gebe und dass da jemand ist, der es annimmt.
Wenn man mir noch erzählen würde, Jesus sei auferstanden, obwohl er es gar nicht ist, dann würde man sogar mit Gott etwas fingieren, was nicht stimmt. Das geht überhaupt nicht. Das Wahrhaben ist die erste Voraussetzung der christlichen Verkündigung.
Und darauf sollte man sich nicht einlassen. Die Apostel und Evangelisten haben großen Wert darauf gelegt. Sie verkündeten keine Märchengeschichten – und das war auch eine klare Abgrenzung gegenüber den Frauen, die am Ostertag die ersten Zeugen waren. Sie sagten: „Wir verkünden Wahres, wir haben es geprüft, wir haben es mit unseren Händen betastet.“ Es sind wirklich wahre Fakten, die sorgfältig erkundet wurden. Und Vertrauen setzt das voraus.
Die Entstehung des Glaubens und die Rolle des Heiligen Geistes
Und jetzt ist es umso wunderbarer: Wie kommt ein Synagogenvorsteher und wie kommt diese arme Frau zu solch einem Glauben?
Ich denke, wir müssen jetzt gar nicht mehr lange über die Leute von Nazaret verweilen. Glauben ist in der Tat immer wunderbar, wie es in der lutherischen Erklärung festgehalten ist. Glauben bedeutet, dass der Heilige Geist mir den Blick öffnet. Es ist ein Wunder Gottes an mir. Der Heilige Geist erleuchtet mich mit seinen Gaben.
Darum war es selbst für die Spielkameraden Jesu in Nazaret nicht möglich, an Jesus zu glauben, obwohl sie ihn gesehen haben. Wenn nicht das Wunder geschieht, dass das Wort sich Bahn bricht in das Gewissen der Menschen oder der Geist Gottes ihnen das Hemmnis wegnimmt, also ein Hindernis beseitigt, kann kein Glaube entstehen.
Aber umso wunderbarer ist es, wie dieser Vater, der Synagogenvorsteher, und seine Tochter zu diesem Glauben kommen. Das ist auch für all das Leid, das sich in unserer Mitte findet, ganz schwer zu begreifen.
Wir haben doch auch oft von Jesus gebetet, besonders bei all den Wundergeschichten des Neuen Testaments. Die Tochter des Jairus ist auch gestorben. Vielleicht hat der Vater später noch einmal erlebt, dass sie wieder starb. Ich weiß nicht, ob sie sechs Jahre später erneut gestorben ist. Sie ist ja nicht dem Tod entronnen. Das gilt auch für all die Wunder.
Wir wissen nicht, welche Krankheit danach die blutflüssige Frau befallen hat. Sie ist dem Übel dieser Welt durch das Wunder Jesu nur für eine Zeit entkommen.
Und das ist jetzt ganz wichtig, auch für unsere Wunderschau: Jesus macht uns nie den Raum, dass Glaubende nie mehr krank werden oder so. Jesus hat in seiner Offenbarung, in der er uns einige Dinge gezeigt hat – so wie auf dem Hirtenfeld von Bethlehem, als die Engel erschienen – an einigen Krankheiten seine Macht demonstriert. Ich glaube, es sind 39 in den Evangelien geschilderte Krankenheilungen.
Alle, die um ihre Kinder weinen, kennen hoffentlich das schöne Lied von Philipp Spitta, in dem es heißt: „Wenn ich jetzt nur hören könnte, was mein Kind erlebt in der Herrlichkeit, jetzt im Augenblick, wo ich traure und weine und trübe, den Jubel der Herrlichkeit.“
Es ist immer wieder wichtig, dass wir als Christen auch das sehen. Und doch ist es großartig, dass Jesus uns in seiner Güte auch Erfahrungen schenkt.
Wir dürfen auch um Wunder bitten, aber wir wissen, dass uns heute, gerade an der Todesschwelle, Jesus diese Wunder nicht immer gibt. Wir müssen einfach damit leben, dass wir, so wie wir altern, als ein Naturprozess auch in den Tod hineingehen.
Wir erleben ja immer wieder die Not in den Ländern der Dritten Welt ganz anders, wenn man das miterlebt, wie diese Menschen ihre Kinder massenweise verlieren und nicht weniger trauern als wir. Sie leben ganz anders mit diesem ganzen Leid. Und das ist eine ganz große Sache.
Der Glaube in der Ausweglosigkeit und die Haltung des Vertrauens
Der Vater ist so großartig, dass er von Jesus gar nicht das Wunder verlangt. Er kommt nur in seiner ganzen Ratlosigkeit zu Jesus.
Lesen Sie einmal heute diese sensationellen Heilungsberichte oder Wunderberichte von diesen extremen Evangelisten. Viele dieser Geschichten werde ich gar nicht als wahr anerkennen, weil im christlichen Bereich oft viel gelogen wird, wenn es um solche Dinge geht. Häufig fehlen ärztliche Bestätigungen und die nötigen Klärungen.
Auch bei großen Ereignissen, wie zum Beispiel bei der Allianz vor ein paar Jahren, als dieser große Heilungsfeldzug von John Wimper stattfand, waren Dr. Fritz Laubach und Dr. Hans Grüber, ein Professor der Medizin, dorthin geschickt worden. In Frankfurt, wo die ganzen Heilungen stattfanden, sagten sie, es seien Ärzte vor Ort, die alles geprüft hätten. Sie wollten gerne mit diesen Ärzten sprechen, weil es sie interessierte. Doch ihnen wurde der Kontakt verweigert. Das war der Allianz damals sehr wichtig, und es sollte geprüft werden.
Oder der Prediger Weidemann hat das bei einem Heilungsbericht gemacht, der in der Zeitung Charisma groß mit Bild veröffentlicht wurde. Er hat mehrfach hingeschrieben. Ich habe den ganzen Briefwechsel verfolgt. Er sagte, er habe mit Medizinern gesprochen, die meinten, das könne vom Krankheitsbild her nicht sein. Die letzte Antwort von Boncke war dann: „Das Kreuz Jesu ist wichtiger als Wunder.“ Aber eine Klärung des Falles fand nicht statt. Der Prediger Weidemann leitet die größte freie evangelische Gemeinde in Gießen.
Wir wissen, dass Gott Wunder tut. In unserem Leben haben wir viele solcher Dinge erlebt. Auch in den letzten Tagen haben wir wahnsinnige Wunder Jesu erfahren. Wir sind bewegt. Aber wir können Jesus nicht auf bestimmte Dinge festlegen.
Wir wissen, und darum geht es jetzt: Da ist ein Mann, der in seiner ganzen Ausweglosigkeit weiß – und das ist so herrlich – der Glaube weiß nicht viel, er weiß nur, dass Jesus größer ist als seine Not und auch größer als der Tod. Er selbst kann es kaum fassen, dass Jesus seine Tochter zum Leben erweckt. Er holt Jesus einfach ins Haus und sagt: „Ich will bei dir sein.“
Wenn man das sieht, stellt sich die Frage: Was ist das größere Wunder? Ob Jesus den Menschen noch einmal für ein paar Jahre zurückholt oder ob er ihn in die Siegesfreude hineinführt, dass der Tod schon überwunden ist – in diesem herrlichen Trost der Auferstehung und des Lebens.
Was der Glaube hier tut – und jetzt kommen wir wieder an den Punkt – ist es gar nicht der Glaube allein, sondern das Vertrauen. Dieses Vertrauen weiß um den Sieg Jesu, um sein Erbarmen und seine Güte. Es weiß, dass nichts gegen Jesus bestehen kann, so wie dieser Synagogenvorsteher einen solchen Glauben hat.
Vielleicht redet man ja auch immer falsch vom Glauben. Der Glaube ist letztlich nur die Aufgabe meiner Zweifel. Verstehen Sie, was ich meine? Wie lange schieben wir beim Glauben etwas vor, anstatt einfach zu sagen: „Jesus, du bist größer als alles, was ich verstehe.“ Und diese Kapitulation vor Jesus, so wie Petrus sich vor Jesus auf den Boden wirft oder wie die Emmaus-Jünger plötzlich dastehen und sagen: „Jetzt verstehen wir nichts mehr.“ Die Erscheinung des Auferstandenen vor seinen Jüngern lässt sie sprachlos und beschämt zurück. Da gibt es kein rationales Verstehen mehr.
Im Glauben wird man immer wieder überrascht. Heute in der Losung heißt es: „Du holst mich aus dem Rachen der Angst.“ Gott hat eine ungeheure Vielfalt.
Ich habe drüben in meinem Schreibtisch in der Wächterstraße bei CFI den schönen Schwarz-Weiß-Druck vom Hundertguldenblatt von Rembrandt. Darauf sieht man auf der einen Seite die Skeptiker stehen, auf der anderen Seite kommen die Armen, die Kranken auf Schubkarren, und ein Lichtstrahl fällt hinein. Jesus steht zwischen diesen beiden Gruppen.
Es ist wirklich ein Irrtum zu glauben, dass kranke Menschen leichter glauben. Auch arme Menschen glauben nicht leicht, ganz gewiss nicht. Aber in unserem Leben ist es so, dass, wenn wir in die Presse kommen, die Fragen extremer gestellt werden. Wenn wir in Krankheit geraten, wird es noch mehr gefordert: Was hält mein Leben zusammen?
Vorher denkt man an Schlussverkauf oder was man heute Abend essen soll. Jetzt sind all diese äußeren Fragen unwichtig. Selbst die Frage, wo man Urlaub macht, fällt weg. Man ist krank, hat keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, und fragt nur noch: „Was ist, wenn ich sterbe? Und wohin gehe ich?“
Diese Freude der Geborgenheit in Jesus ist in diesem Rahmen so herrlich beschrieben: Wie Jairus zu Jesus kommt, ihm zu Füßen fällt – das allein ist schon eine Haltung des Glaubens – und ihn bittet. Er hofft auf das Leben.
Als er hört, dass seine Tochter schon gestorben ist, will Jesus auf keinen Fall ein Schauwunder. Das ist ganz wichtig: Jesus will keine Schauwunder machen.
Wir müssen da sehr vorsichtig sein. Es ist merkwürdig, wenn wir in unserer Mitte solche Dinge erleben. Wir erleben große Dinge, auch Gebetswunder der Heilung bei unheilbaren Krankheiten. Aber Gott erlaubt es uns oft nicht, groß davon zu sprechen, wenn wir wissen, dass drei Plätze weiter jemand sitzt, dem Gott dieses Wunder versagt hat.
Das wirkt seltsam. Man sagt dann: „Mir hat Gott geholfen, ich hätte vielleicht ein bisschen eifriger beten müssen.“ So ähnlich wie einst Hans Eisler, der Bruder von Konrad Eisler, der am Herzen operiert wurde. Vor der großen Operation in der Tübinger Uniklinik sagte er: „Es geht so oder so zum Leben, das ist die richtige Haltung.“
Er wusste einfach, dass Jesus sein Schicksal in der Hand hat. Immer wieder ist es in unserem Glaubensleben wunderbar, wenn Jesus uns an Punkte führt, an denen wir nicht mehr mit unserem Verstand oder mit trickreichen Methoden Dinge lösen können, sondern einfach kapitulieren.
So wie der Mann hier, der sagt: „Herr, jetzt mach du, wie du willst. Wo du mich führst und wie du mich führst, es wird gut.“
Das ist die Haltung des Glaubens – ob bei Mose, bei den Kindern Israels in der Wüste oder bei David, als er vor Saul floh und sich in den Bergen versteckte. Das ist der biblische Glaubensbegriff.
Wir können Gott gar nicht vorschreiben, was er tun muss. Wir können nur zu ihm flüchten und geborgen sein im Schatten seiner Flügel.
Die Frau im Volk und die Kraft des einfachen Glaubens
Und jetzt noch ein Wort zu dieser Frau. Es ist ganz schön, wie Markus die Geschichte erzählt. Er unterbricht sie, denn er hat sicher ganz genau beobachtet, was geschah. Übrigens ist es bei den Evangelisten auch interessant: In Nazareth hat Lukas noch dieses Detail festgehalten, dass sie Jesus töten wollten. Es ist bemerkenswert, dass die Evangelisten immer noch etwas ergänzten, was ihnen wichtig war, anstatt etwas zu vergessen oder wegzulassen. Das ist wichtig.
Die Frau, die dazwischenkommt, und wie Jesus in der Menge die erkennt, die ihm glaubt – und jetzt im großen Sinn diejenige, die ihn sucht wie ein Ertrinkender den Rettungsring – das ist eine ganz große Sache. Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen wollt, werde ich mich von euch finden lassen, heißt es in der Bibel. In dieser festen Art und in diesem Volksgewühle wirkt diese Frau auf mich wie eine sehr einfache Frau.
Sie hat ein magisches Weltbild. Sie glaubt an die Kraft des Rockes von Jesus, an den Mantel. Sie denkt an eine eigenartige Glaubenslehre: „Ich fasse Jesus am Mantel an, und dann habe ich es.“ Jesus macht sich nicht lächerlich. Er spottet nicht über die Frau, macht sie nicht zum Gespött. Stattdessen stellt er den Glauben dieser Frau als ein symbolisches Bild heraus und zeigt an ihrem Glauben genau das, worum es geht – nämlich die Hand, die die Herrlichkeit Jesu fasst.
Deshalb ist es vielleicht bei unseren Kindern schon wunderbar, wenn sie auf ganz primitive Weise etwas von der Herrlichkeit Jesu erfassen. Wir sind ja oft viel weiter entfernt als sie. Hoffentlich wird uns das wieder geschenkt: dieses Verbundensein mit Jesus, bei dem nichts weiter nötig ist, keine besonderen Voraussetzungen. Wie der Schächer, der neben Jesus gekreuzigt war, der zu Jesus rüberblickte und sprach: „Herr, denk an mich!“ – und gerettet wurde.
Jesus sagt das auch einer Christenheit und einer Kirche, die meint, sie könnte für Gott alles möglich machen und glaubt, dass nichts wichtig sei. Nehmen Sie einfach wieder die Beziehung zu Jesus. Ich würde heute sagen, wir müssen aufpassen, was wir unter Glauben verstehen. Ich möchte auf Jesus blicken und mich in Jesus bergen.
Am Sonntag lesen wir im Römerbrief 1, dass der Gerechte seines Glaubens leben wird. Der Gerechte lebt aus der Nähe zu Jesus. Jesus geht mit mir durch Schwierigkeiten. Wenn ich nicht mehr weiterweiß, in der Dunkelheit, ist er da.
Auffallend ist, dass Jesus spürt, dass die Frau ihn berührt hat. Und das, obwohl ihn so viele Menschen berühren. Ist es nicht herrlich, dass Jesus unterscheiden kann, wie jemand zu ihm kommt? Es ist ein großer Unterschied, ob jemand Jesus nur neugierig anblickt oder ob er ihn wirklich als Retter und Heiland sucht.
Und wenn jemand gar nichts versteht, erlebt er doch überwältigend die Güte und Kraft Jesu. Vielleicht sollte man darüber auch noch reden. Das ist etwas ganz Wunderbares. Die entscheidende Kraft ist die Kraft, die den toten Leichnam Jesu von den Toten auferweckt hat. Wenn diese Kraft in uns wohnt, in unserem sündigen Leib – wie ich am Sonntag sagte – krempelt das unser Leben um. Es ist etwas Dynamisches, wenn Jesus uns erfüllt.
Wir sollten deshalb viel mehr von Jesus reden, an Jesus denken und an ihn glauben. Wir können das alles nicht allein. Ich kann den Tod nicht überwinden, die Schwermut nicht, meine Schwäche nicht, meine Sünde nicht. Aber wenn Jesus in uns wohnt, lebe ich aus Glauben, das heißt aus der Nähe zu Jesus.
Und bitte, das ist Glauben: Jesus in unser Leben hineinlassen. Ich weiß nicht mehr, wer es neulich gesagt hat, vielleicht Gunther Kiene: In unseren Verkündigungen ist viel zu wenig von diesem dynamischen Christus drin. Bei den Fackelträgern ist das immer wieder schön zu lesen, auch in Büchern, die ich neulich las – Bruder mein, in welchem Buch war das? Von Dwight Wordsworth oder Major Thomas? Vom Dynamik des Glaubens oder so ähnlich.
Und das ist ja herrlich, solche Bücher zu lesen und zu erkennen, was Glauben ist. Wir reden nicht einfach nur über Glauben, denn alle glauben irgendetwas. Ihr wisst ja, dass sich im Dritten Reich die Freidenker so nannten. Sie hatten keinen christlichen Glauben, nannten sich aber gottgläubig. Das war bezeichnend: „Ich bin gottgläubig“ – das heißt, ich glaube an nichts.
Da muss man aufpassen, dass man wirklich meint, was man sagt. Mein Vater hat acht Ordner mit alten Ausschnitten aus der Zeit des Dritten Reichs hinterlassen. Man sieht, wie der allmächtige Gott da gesprochen wurde, wie Hitler wahnsinnig tolle, fromme Reden hielt – bis zum 20. Juli wurden sie geschützt. Auf dem Zirkus brauchen wir keine frommen Worte mehr.
Es geht um die Dynamik Jesu in unserem Leben, um den lebendigen Christus in uns. Die Frau spürt genau über ihren Leib die ganze Kraft, denn ihr Körper ist so geschwächt, dass sie nicht mehr kann. Eigentlich müsste sie nur sagen: „Jesus, ich will dich in mein Leben einziehen lassen.“
Und sie soll nicht einfach denken: „Ah, jetzt bin ich wieder repariert, mein Körper ist wieder in Ordnung, jetzt ist alles gut.“ Jesus zeigt uns später viel mehr: Es ist nur ein Bild dafür, wie er unser ganzes Leben neu gestalten will.
Das wollte ich Ihnen heute an diesen drei biblischen Abschnitten zeigen. Es gibt viele Einzelbeobachtungen, zum Beispiel, dass Jesus keine Zuschauer will, keine Demonstrationen, keinen Beifall. Deshalb treibt er die Leute hinaus.
Aber das ganz Große ist, dass Jesus über den Tod gebietet. Für Jesus ist der Tod keine Trennung. Für uns ist das immer schwer und unheimlich. Die Welt des Todes wirkt grausam, aber für Jesus nicht. Er ist Herr des Todes.
Das ist etwas ganz Großes. Wir müssen auch den Frieden wiedergewinnen im Blick auf unser eigenes Sterben – fröhlich hinüberzugehen in die Arme Jesu. „Wir brauchen einen, dem wir beim Sterben unseren Kopf in den Arm legen“, sagt Matthias Clotius. Und das ist es.
Das macht die blutflüssige Frau. Aber ich darf das auch im Leben erfahren. Ich möchte Ihnen das immer wieder persönlich zusprechen, gerade bei den vielen Schwierigkeiten, die wir haben. Ich bin überzeugt, dass es egal ist, was uns bedrängt, vielleicht auch das, was uns als Gemeinde gerade bewegt.
Die ganz einfache Frage ist: Erleben wir die Herrlichkeit Jesu noch einmal? Dabei geht es gar nicht um uns. Trotzdem vertrauen wir ihm und gehen den Weg. Wir sagen: „Herr, du machst deinen Sieg daraus. Mehr nicht.“ Wir nehmen alles aus deiner Hand. Du kannst uns demütigen, uns verspotten lassen, was auch immer passiert. Wir wollen, dass deine Sache zum Sieg kommt – egal, was es kostet.
Das Wunderbare, das in Markus herausgestellt wird, ist das Evangelium: Menschen erleben und erfahren das. Die Frau erschrickt, weil sie selbst kaum fassen kann, was das ist. Das ist ein Glaube, der die Welt überwindet. Eine ganz gewaltige Sache.
Auf der anderen Seite ist es erschütternd, wie in Nazareth niemand das erkennt, außer einigen wenigen. Deshalb gehen Sie fröhlich weiter. In unserer Zeit hat Jesus noch viel vor. Bei Menschen, die ihm vertrauen, wird das geschehen, dass sie ihn erfahren und entdecken.
Ich freue mich, dass Sie heute Abend dabei waren. Ich wünsche Ihnen ganz konkret, dass Sie in Ihren Nöten diese Erfahrung machen können und dass Sie es weitergeben können. Und dass es so schlicht geschieht wie bei dieser Frau, die nur den Saum seines Gewandes berührte. Da wurde ihr Heil zuteil.