Einführung: Das Evangelium in neuer Perspektive
Es gibt einen Teil des Evangeliums, von dem ich mir persönlich wünschen würde, dass er häufiger gepredigt wird. Genau dieser Teil steht heute im Mittelpunkt unserer Betrachtung.
Das Evangelium, wie ich zu Beginn bereits erwähnt habe, wird im Römerbrief dargestellt. Allerdings geschieht dies nicht in der Form einer klassischen evangelistischen Predigt. Das Zielpublikum sind hier nicht Heiden, die noch nie vom Evangelium gehört haben. Vielmehr richtet sich der Brief an Menschen, die bereits gläubig sind. Ihnen soll noch einmal vertieft vermittelt werden, worum es im Evangelium eigentlich geht.
Deshalb haben wir uns gestern den ersten großen Abschnitt angeschaut: Dass wirklich alle Menschen verloren sind. Aus dieser großen Gruppe der Verlorenen treten einzelne heraus und gelangen ins Licht, weil sie durch Glauben gerettet werden. Dies ist das, was wir allgemein als das Evangelium bezeichnen – wie ein Mensch gerettet wird und wie er mit der Schuld der Sünde fertig wird.
Selbst wenn man sich das Ende des zweiten Vortrags von gestern ansieht, wird deutlich, was es bedeutet, gerechtfertigt zu sein. Es bedeutet, dass wir Frieden mit Gott haben. Es bedeutet, dass wir Hoffnung besitzen. Selbst wenn Schwierigkeiten in unser Leben treten, sollen diese dazu beitragen, dass am Ende noch mehr Hoffnung in unser Leben einzieht. Die Liebe Gottes wird in unsere Herzen ausgegossen, und wir haben Sicherheit vor dem Zorn Gottes.
All diese Aspekte sind beeindruckend. Doch sie zeigen nur eine Seite des Evangeliums. Dies ist der erste Schritt: Komm zu Jesus, und die Schuld deiner Sünde ist bezahlt.
Die zweite Seite des Evangeliums: Leben in Gottes Kraft
Ich möchte heute über die zweite Seite sprechen: darüber, dass das Evangelium mehr ist als nur ein Deal. Ich glaube, dass Jesus meine Schuld bezahlt hat und dass in dem Moment, in dem wir diesen Akt des Glaubens tun und zu Jesus kommen, eine ganz neue Kraft in unser Leben eintritt.
Deshalb möchte ich heute mit euch durch den dritten Teil des Römerbriefes gehen. Ich habe ihn überschrieben mit: „Durch Gottes Gnade wird jedes Kind Gottes zum Überwinder“. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, was es bedeutet, gläubig zu sein und in der Kraft Gottes zu leben. Anders ausgedrückt: Welche Auswirkungen hat das Evangelium heute auf dein Leben?
Wir wissen, dass es uns in der Zukunft den Eingang in das ewige Reich Gottes garantiert. Aber hat das Evangelium auch etwas mit meinem Leben heute zu tun? Das wird das Thema sein.
Ich habe bereits gesagt, dass dieser Teil des Evangeliums am seltensten gepredigt wird. Denn meistens, wenn man die Menschen erst einmal zum Kreuz gebracht hat, wenn sie bekehrt sind, dann lässt man es ein wenig schleifen. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter: Was möchte das Evangelium im Leben eines Gläubigen erreichen? Und...
Ursprung der Erlösungsbedürftigkeit: Die Macht der Sünde
Bevor wir die Frage beantworten, müssen wir uns zunächst damit beschäftigen, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass der Mensch erlösungsbedürftig geworden ist. Römer 5,12 spricht genau dieses Thema an.
Dort heißt es: Wie durch einen Menschen… Ach, ihr seid, ich wollte übrigens noch einmal – das wollte ich heute nicht vergessen – ich wollte die Technik noch einmal mit einem Applaus bedenken. Warum? Weil ich kein vorgeschriebenes Skript habe. Das heißt, während ich hier vorne stehe, habe ich zwar ziemlich viel Material dabei, aber ich lasse mich ein bisschen leiten und fließen. Deshalb weiß ich nie so genau, was genau kommen wird.
Ich habe ungefähr eine Richtung, wohin ich mit meinem Vortrag will und was ich euch sagen möchte. Aber wie ich das sage und ob mir mittendrin noch eine neue Bibelstelle einfällt oder ich irgendwo noch ein bisschen länger darauf eingehe als geplant, das weiß keiner. Das heißt, die Technik muss, wenn sie diese Texte einspielt, permanent dabei sein. Sie müssen immer zuhören, wo ich gerade bin. Manchmal kommt das nur in einem Nebensatz, zum Beispiel Vers 17, und dann müssen sie springen.
Also, jetzt bekommt ihr einen Applaus und gebt den bitte an die weiter, die heute nicht da sind. Ich genieße eure Perfektion, weil ich dann nicht immer hinschauen muss.
Zurück zu Vers 12: Wie kommt eigentlich dieses Problem Sünde in die Welt? Dort steht: „Wie durch einen Menschen…“ Gemeint ist in dem Fall Adam. Eigentlich müsste man ja auch Eva betrachten, habt ihr euch das mal überlegt? Aber trotzdem – so ist das nun mal – in einer Familie ist der Mann verantwortlich. Also steht Adam hier im Text, wenn ihr weiterlest – wir werden nicht jeden Vers lesen – als derjenige da, der es verbockt hat.
Darum: Wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod. Paulus sagt, da fängt das Problem an. Es gibt eine Zäsur in der Weltgeschichte, wo der Tod – das, was der Mensch eigentlich nie erfahren sollte – in seiner ganzen Vielgestaltigkeit in die Welt einbricht. Die Beziehung zur Schöpfung zerbricht, die Beziehung zum Schöpfer zerbricht, und die Beziehung der Geschöpfe untereinander zerbricht.
Es gibt diesen Moment, wo der Tod in die Welt eindringt – durch einen Menschen. Und der Tod ist wie ein Virus, der erst einmal da ist, freigesetzt in einem Wüstenlaboratorium für chemische und biologische Kampfstoffe. Du kannst ihn nicht mehr aufhalten. Einmal in der Welt, frisst sich dieser Virus von Mensch zu Mensch weiter.
So ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil – oder woraufhin – sie alle gesündigt haben. Das ist das Problem. Wir werden in eine Welt hineingeboren, in der die Sünde eine Realität ist. Wir können uns das nicht mehr aussuchen. Wir können nicht neutral oder bei Null starten.
In dem Moment, wo ich das erste Mal über mich nachdenke, denke ich über mich als Sünder nach. Das erste Mal – und ihr kennt das – ich habe das schon ein paar Mal erzählt: Das erste Mal, wo wir bei einem Kind erleben, dass es eine moralische Entscheidung trifft: „Meins! Nein!“
Wir müssen dem Kind gar nicht beibringen, dass es sich vernünftig benimmt, abgibt oder lieb ist. Aber dass man einen anderen haut, beißt, tritt oder schlägt – das steckt schon drin. Dass man mal lügt, dass man wegnimmt, dass man etwas haben will, dass man nicht abgibt – das ist angelegt.
Wir stecken in dieser Welt, in der die Sünde Teil des Menschseins ist – und zwar von Anfang an.
Vers 18 sagt: Wie es nun durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis kam, durch eine Übertretung. Hinter dieser einen Übertretung, hinter diesem Moment des Sündenfalls, zerbricht alles. Eine Übertretung, und es kommt für alle zur Verdammnis.
Alle sind in diesen Fall mit eingeschlossen – nicht, weil sie genau dasselbe tun, sondern weil sie sich plötzlich als Menschen erleben, in denen Sünde ist. Und...
Sünde als Macht und Zustand des Menschen
Wir haben bisher im Brief immer über die Sünden gesprochen. Vor dem geistigen Auge von Paulus standen einzelne sündige Taten, und es ging um die Schuld der Sünde.
Ab Vers zwölf ändert sich der Fokus. Jetzt geht es mehr um die Sünde als Macht. Die Frage lautet: Woher kommt es eigentlich, dass der Mensch, wenn man ihn so allgemein betrachtet, oft so schlecht handelt? Warum ist er im Grunde genommen so ein „Arsch“? Die Antwort liegt darin, dass der Mensch etwas in sich trägt: Sünde. Er hat eine Disposition zur Sünde, die er leider immer wieder auslebt. Es scheint keine Alternative zu geben, keine Ausnahme.
Deshalb gilt das, was hier steht, für alle Menschen zur Verdammnis. Sobald du bewusst über dich nachdenken kannst, weißt du, dass du ein Sünder bist. Und mit diesem Nachdenken und Verstehen kommt bereits die Verdammnis.
Paulus bleibt jedoch nicht dabei stehen. So wie durch eine Übertretung für alle Menschen die Verdammnis kam, so kommt auch durch eine Gerechtigkeit – hier ist das Sterben Jesu am Kreuz gemeint – für alle Menschen die Rechtfertigung zum Leben.
Bitte versteht mich nicht falsch: Ich bin kein Alterssöhner. Ich glaube nicht, dass alle einfach so in den Himmel kommen. Aber die Möglichkeit besteht. Das Opfer Jesu am Kreuz ist so mächtig, dass sein Blut in der Lage gewesen wäre, die Sünde jedes Menschen zu allen Zeiten zu bedecken. Dass nicht jeder diese Möglichkeit für sich in Anspruch nimmt, ist eine traurige Wahrheit, aber es liegt nicht an Gott. Es ist nicht so, dass Gott von Anfang an gesagt hat: „Na ja, das gilt nur für ein paar.“ Nein, es steckt ein riesiges Potenzial für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens darin.
In Vers 19 heißt es: „Denn wie durch des einen Menschen Ungehorsam die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.“
Hier steckt ein theologisches Konzept: „Stellung“ und „Zustand“. Die Stellung beschreibt, was ich bin, der Zustand, was ich lebe. Wenn ich mir anschaue, was ich bei meiner Geburt bin, dann bin ich in der Stellung eines Sünders. Das heißt, ich bin von Natur aus unter die Sünde versklavt. Ich kann nicht anders. Vielleicht möchte ich anders sein und ärgere mich sogar über manche meiner Sünden, aber ich kann nicht anders.
So wie durch den Ungehorsam des einen Menschen viele in die Stellung von Sündern gesetzt wurden, so werden durch den Gehorsam des einen viele in die Stellung von Gerechten versetzt.
Merkt ihr das? Die Stellung von Gerechten – das muss nicht immer mein Zustand sein. Es muss nicht immer so sein, dass der Gerechte alles richtig macht.
Ein Bild, das mir sehr gefällt: Ein kleiner Junge, der als Straßenjunge von einem Multimillionär adoptiert wird. Wenn er nach der Adoption als legitimer Sohn dieses Millionärs das erste Mal in seinem weichen Bett aufwacht, kommt eine Dame herein, sagt „Guten Morgen“ und gibt ihm seinen Bademantel – etwas, das er nie hatte. Dann geht er ins Badezimmer, wäscht sich, was keine tägliche Routine für ihn war, und schließlich kommt er ins Frühstückszimmer. Dort sitzt sein Papa. Plötzlich bekommt der Junge Angst, weil er am Tisch sitzt, vor sich einen kleinen Teller und etwas Besteck sieht. Er weiß nicht, was er damit anfangen soll.
Der Junge ist der Stellung nach ein vollwertiger Sohn des Millionärs. Aber sein Zustand, sein Verhalten, das, was er schon gelernt hat, wie man als Sohn lebt, hinkt noch hinterher. Da fehlt noch etwas.
So geht es uns auch. Der Stellung nach sind wir vollwertige Kinder Gottes. Aber dass wir das schon rundum in jeder Situation unseres Lebens zeigen, dass unser Zustand genau so ist, das sind wir noch nicht. Wir sind noch am Lernen. Das braucht seine Zeit.
Trotzdem dürfen wir uns nie nehmen lassen, dass wir in die Stellung von Gerechten versetzt worden sind.
Gesetz und Sünde: Die Funktion des Gesetzes
Vers 20: Das Gesetz aber kam hinzu, damit die Übertretung überströmend werde.
Gesetzgebote werden einer Menschheit gegeben, die ohnehin schon sündigt. Man kann sich die Frage stellen: Warum macht Gott das? Warum gibt Gott einer sündigen Menschheit noch Gebote? Paulus sagt, das ist ganz einfach. In dem Moment, in dem du einfach nur sündigst, bist du ein Sünder. In dem Moment, in dem ich dir ein Gebot gebe, bist du nicht nur Sünder, du wirst zum Übertreter.
Du weißt nämlich jetzt nicht nur ungefähr, dass etwas falsch sein könnte. Du weißt ganz genau, dass es falsch ist. Du bist ein Übertreter. Und wenn ich dir genug Gebote gebe, dann wird die Übertretung überströmend. Das heißt: Das Gesetz offenbart nicht nur die Sünde. Es macht aus Sünde nicht einfach nur Übertretung, sondern es gibt dir auch immer neue Ideen zur Rebellion.
Außerdem zeigt es dir immer genauer, wie tief du eigentlich im Dreck steckst. Je mehr Gebote Gott dir gibt, desto klarer kannst du sehen: Ich bin verloren. Und genau das – ihr erinnert euch an Römer 3,20 – ist die Funktion des Gesetzes. Deswegen gibt es Gebote, damit der Mensch versteht, wie hoffnungslos seine Situation ist.
Das Gesetz aber kam hinzu, damit die Übertretung überströmend werde. Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, da ist die Gnade noch überschwänglicher geworden.
Das ist also nicht das Problem: dass wir jetzt erst realisieren, wie real die Sünde in unserem Leben ist und wie hoffnungslos der Kampf gegen die Sünde ist. Das ist nicht das Problem, weil Gott sagt: Ich habe genug Gnade. Und da, wo du vielleicht auch jetzt als Christ noch tiefer verstehst, wie groß das Problem ist, kann ich dir sagen: Die Gnade Gottes ist immer größer.
Gnade herrscht über Sünde
Vers 21: Damit, wie die Sünde im Tod geherrscht hat. Sünde ist das beherrschende Moment im Leben derer, deren Endstation der Tod ist – sowohl der leibliche als auch der ewige Tod. In diesem Machtbereich, in dem der Tod das letzte Wort hat, herrscht die Sünde.
Aber das ist Vergangenheit. Damit, wie die Sünde im Tod geherrscht hat, ist jetzt bitteschön Vergangenheit. So soll auch die Gnade herrschen. Und das ist ein schönes Konzept.
Gnade verstehen wir gerne als Begnadigung. Paulus geht jetzt einen Schritt weiter und sagt: Wenn du das Konzept Gnade verstehst, wenn du begreifst, wie tief du im Dreck gesessen hast und wie viel Gnade Gott auf dich ausgeschüttet hat, um diesen ganzen Dreck zuzudecken, dann wirst du das anders sehen.
Je mehr du dich auf diesen Gedanken einlässt – dass du sogar noch sündiger warst, als du jemals verstehen wirst –, desto mehr verändert sich dein Blick. Denn es gibt Sünden, die wirst du nie erkennen in deinem Leben. Trotzdem sind sie in deinem Leben da, und sie sind vergeben und zugedeckt.
Wenn ich das begreife – und das kann kein Pharisäer –, wird mein Denken anders. Ein Pharisäer wird immer versuchen, so wenig wie möglich zu sündigen und so wenig wie möglich über Sünde nachzudenken. Er braucht das, um vor Gott gut dazustehen.
Doch in dem Moment, in dem ich sage: Ich brauche das nicht mehr, weil es nicht nach Gesetz, sondern nach Gnade geht, verändert sich alles. Wenn ich den Gedanken an mich heranlasse – ich bin wirklich sündig –, und wenn ich die Gebote Gottes nehme, um in alle Winkel meines Lebens hineinzustrahlen, dann merke ich: So ein blöder Gedanke, so ein dummes Wort, so eine verquere Tat und vieles mehr.
Ich erkenne, wie rundum kaputt ich bin. Und dann begreife ich, dass diese Rundumkaputtheit von einer viel größeren Menge an Gnade wieder gutgemacht wurde. Wenn das mein Denken prägt, dass ich wirklich begnadigt bin, dann wird dieses Denken sich in meinem Leben nicht nur als Wissen offenbaren.
Es wird eine beherrschende Macht in meinem Leben. Wenn du wirklich verstanden hast, wie viel Gott dir vergeben hat, wie sehr Gott dich liebt und wie viel Gnade in dein Leben hineingeflossen ist – vom Kreuz –, dann wird das das Leben, das du jetzt lebst, prägen.
Du wirst nicht mehr der oder die Alte bleiben können. Und das ist es, was Paulus hier meint: dass Gnade herrscht, dass Gnade prägen will. An anderer Stelle heißt es in Titus 2, dass Gnade uns erzieht.
Denn der, der begnadigt worden ist, will aus dieser Begeisterung heraus für das, was Gott in ihn investiert hat, auch gerecht leben – als ein Begnadigter. So herrscht die Gnade durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Motivation durch Gnade statt Furcht
Es gibt zwei Konzepte, wie man Menschen bewegen kann. Das eine funktioniert durch Furcht. Wenn du das tust, werde ich dich bestrafen. Das ist das Prinzip des Gesetzes: Wenn du übertrittst, bist du raus.
Viele Christen denken, dass Gott uns auf diese Weise motiviert – durch Furcht. Sie glauben, dass Gott uns dadurch antreiben will. Aber das stimmt nicht. Gott möchte uns nicht durch Furcht motivieren.
Gott nimmt uns die Furcht, wie es in 1. Johannes 4 heißt: Die vollkommene Liebe treibt die Furcht vor der Strafe aus. Gott möchte dir sagen: Hör her, ich vergebe dir vollwertig. Lass uns nicht mehr über deine Sünden nachdenken. Sie interessieren mich jetzt nicht.
Stattdessen wollen wir über etwas anderes nachdenken. Wir fragen uns: Wie kann ich dich motivieren, für mich zu leben? Die Antwort lautet: durch Gnade.
Gott möchte, dass du dein Herz an ihn verlierst. Dass du aus purer Begeisterung für das, was er dir geschenkt hat, bereit bist, alles in eure Beziehung zu investieren. Und dass du das, was eure Beziehung kaputt macht – jede Sünde – einfach aus deinem Leben rauswirfst.
Missverständnisse über Gnade und Sünde
Ja, aber wenn ich so über Gnade nachdenke, ist es dann nicht so, dass jemand, der ein solches Verständnis von Gnade hat, irgendwie lebt, wie er will? Führt das nicht dazu, dass so jemand sehr viel sündigt? Schließlich gibt es keine Strafe mehr, alles ist vergeben, alles ist gut.
Im Kapitel 6, Vers 1 heißt es: „Was sollen wir nun sagen? Sollen wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?“ Jürgen, wenn Gnade etwas so Gutes ist, dass Gott uns begnadigt und dafür Ehre bekommt, wäre es dann nicht das Beste, noch viel mehr zu sündigen als früher? Dann müsste Gott immer mehr Gnade schenken und bekäme noch mehr Ehre.
Ist dieses Konzept der Gnade nicht darauf ausgelegt, dass am Ende Leute herauskommen, die viel mehr sündigen als vorher? Doch Paulus antwortet auf die Frage, ob wir in der Sünde verharren sollen: „Das sei ferne!“ Dieses „Das sei ferne“ bedeutet so viel wie: „Mann, hast du eine Macke?“ Es ist dieses „Das geht aber auch gar nicht! Wie kann man so schusselig denken? Wie kommst du auf so einen blöden Gedanken?“
Die Taufe als Symbol des Todes der Sünde
Und sein erstes Argument, das wir uns hier anschauen, hat damit zu tun, dass wir, als wir uns taufen ließen, etwas zum Ausdruck gebracht haben, das auch in der Realität passiert ist.
Vers 2: „Das sei ferne, wir, die wir der Sünde gestorben sind, sollten noch in ihr leben?“ Wir, die wir der Sünde gestorben sind – wie stellst du dir das vor? Unser Verhältnis zur Sünde ist doch geklärt. Ich bin der Sünde gestorben, oder wisst ihr nicht? Ich mag dieses „Oder wisst ihr nicht“ bei Paulus sehr.
Ich würde gerne sagen: „Oder wisst ihr nicht, dass wir so viele auf Christus Jesus getauft worden sind, auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod.“ Ihr wisst, wie eine Taufe abläuft. Bei einer Taufe werde ich begraben.
Da ist das Wasser, man geht hinein, und jemand steht neben einem und sagt: „Ich taufe dich auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Blubb – und dann ist man unter Wasser. Für einen kurzen Moment sieht man die Person nicht mehr.
Ich rate jedem, der sich taufen lässt: Bleib einen Moment länger unter Wasser, bis du wirklich verstanden hast, dass du unten bist, und dann kommst du wieder heraus.
Was symbolisiere ich denn mit diesem „Ins Wasser rein, runter und wieder hoch“? Ich symbolisiere ein Begräbnis – nur für einen kurzen Moment, aber es ist ein Begräbnis. Der alte Jürgen steigt ins Wasser, lässt sich begraben, und der neue Jürgen kommt heraus. So wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist, wandelt er durch die Herrlichkeit des Vaters in Neuheit des Lebens.
Da bekehrt sich ein Mensch. Was passiert bei der Bekehrung? Bei der Bekehrung sage ich: Von heute an möchte ich nicht mehr so leben wie früher. Der alte Jürgen ist tot. Herr Jesus, du bist am Kreuz gestorben für mich, und ich sterbe mit dir dort am Kreuz.
Der alte Jürgen stirbt am Kreuz. Das ist der Moment der Umkehr, wo ich die Rebellion von meinem Herzen abschneide, wo ich Ja sage zu dem Angebot Gottes. Dort stirbt mein alter Mensch am Kreuz. Der alte Jürgen ist tot.
Ein neuer Jürgen fängt an zu leben, in dem der Geist Gottes wohnt, indem ein neues Herz schlägt, das sich bewusst danach ausstreckt, Gott zu gefallen. Dieses Herz weiß felsenfest: Ich habe einen Vater im Himmel.
Das ist das, was in der unsichtbaren Welt passiert, was man nicht mitbekommt. In der Bibel ist es oft so, dass wichtige Dinge noch einmal symbolisch nachgeholt werden. Deshalb gibt es die Taufe, bei der ich jedem zeige: Schau her, der alte Jürgen ist plopp tot, der neue Jürgen kommt heraus.
Das ist ein Bekenntnis. Wenn ich da wieder herauskomme – und ich muss, wenn ich mich dazu entschieden habe, hineinzugehen – wenn ich sage, ich komme wieder heraus, dann heißt das: Ich will in Neuheit des Lebens wandeln.
Du kannst mich an dieser Stelle festnageln. Du kannst sagen: „Jürgen, du hast dich taufen lassen, das heißt, du willst anders leben.“ Paulus sagt: Wenn du das mit der Gnade richtig verstanden hast und wenn du dich hast taufen lassen, dann schau mal: Du bist der Sünde gestorben, du wolltest das doch gar nicht mehr.
Leben in der Neuheit des Lebens
Vers 5: Denn wenn wir mit der Gleichheit seines Todes verwachsen sind, werden wir es auch mit seiner Auferstehung sein. Jesus ist gestorben und auferstanden, und sinnbildlich bin ich in der Taufe gestorben und auferstanden. Wenn Jesus auferstanden ist, um eine ganz andere Qualität von geistlichem Leben zu leben als vorher – nämlich ein Auferstehungsleben –, dann gilt das für mich genauso in der Neuheit des Lebens ganz für Christus.
Wir erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist. Das ist dieser Gedanke: Im Moment der Bekehrung sage ich, da stirbt Jesus am Kreuz. Aber eigentlich stirbt da nicht Jesus, ich muss da hin, das ist mein Tod. Wenn ich sage: „Ja, Herr Jesus, nimm meine Schuld auf dich“, dann sage ich eigentlich, ich hänge mich jetzt neben dich und sterbe. Aber ich kann nicht sterben, weil es gar nichts bringen würde, weil ich nicht bezahlen kann. Kreuzige mich mit dir, damit der Leib der Sünde abgetan sei.
Ich weiß nicht, ob „abgetan“ hier richtig übersetzt ist. Das ist eine etwas schusselige Übersetzung, denn wir haben den Leib der Sünde ja noch – ich kann ihn ja anfassen, er ist noch da, nicht weg. Es heißt also eher, dass der Leib der Sünde kraftlos gemacht ist, sodass wir der Sünde nicht mehr dienen. Die Idee ist: In dem Moment, wo ich mitgekreuzigt werde – obwohl dort der Herr Jesus stirbt und ich das nur für mich in Anspruch nehme, dass er stellvertretend dort für mich hängt – wird mein Verhältnis zur Sünde gebrochen.
Vorher war ich unter der Macht der Sünde. Jetzt ist diese Macht, die die Sünde als Zwingherr über mein Leben hat, zerbrochen, und ich kann ganz anders leben. Wir dienen der Sünde nicht mehr. Wir waren Sklaven der Sünde, aber das ist jetzt vorbei.
Was heißt das praktisch? Was bedeutet es praktisch, der Sünde nicht mehr zu dienen? Vers 11 nennt drei Punkte:
Erstens: „So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus.“ Das ist ein Vers, über den ich lange nachgedacht habe. Ich habe mich gefragt, warum Paulus an dieser Stelle mit der Formulierung beginnt: „So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot.“
Wir leben in einem Zwischenzustand, in dem wir auf der einen Seite wissen und begreifen müssen, dass die Macht der Sünde über uns zerbrochen ist. Das ist erst etwas, was man im Kopf verstehen muss. Im Blick auf die Sünde hat sich etwas verändert. Aber es ist ein bisschen wie bei Lazarus: Lazarus war tot, dann gibt es diese herrliche Szene, in der Jesus vor dem Grab steht. Eine Schwester sagt: „Er stinkt schon.“ Jesus sagt: „Macht nichts, mach mal die Tür auf.“ Dann wird er auf die Seite geschoben und sagt: „Komm raus.“
Habt ihr euch mal vorgestellt, wie Lazarus rauskommt? Er war ja rundum so eingewickelt wie eine Mumie. Der muss so rausgekommen sein – so ein bisschen frei, du siehst den Kerl, aber eigentlich hängt überall noch das Tuch. Wahrscheinlich hat er das Tuch ein bisschen aufgemacht und kam dann ganz langsam heraus. Mehr geht nicht, da muss man ihm helfen.
Das ist Bekehrung: Im Moment der Bekehrung wird ein Toter lebendig. Aber das heißt noch nicht, dass schon alle Anzeichen des Todseins verschwunden sind. Da muss man noch ein bisschen auswickeln. Es braucht noch eine Weile, bis man richtig das Leben wieder leben kann. So funktioniert Bekehrung, und das ist, was Paulus hier meint.
Es fängt damit an, dass ich verstanden habe: Ich bin wieder lebendig. Wenn Lazarus denkt: „Man, ich fühle mich lebendig, aber ich stehe jetzt mal nicht auf, hier drin ist es schön kühl.“ Er muss verstehen: Ich bin lebendig, es hat sich etwas getan, in meinem Leben ist die Macht der Sünde wirklich gebrochen.
Ja, aber ich fühle mich da noch so oft versucht, ich habe noch schlechte Gewohnheiten bis zum Abwinken, und ich weiß noch gar nicht, wie man so richtig als Christ lebt. Willkommen im Club! Willkommen im Club derer, die lernen, die den Weg der Heiligung beschritten haben, die Schritt für Schritt dazulernen wollen. Du wirst Fehler machen. Aber es fängt damit an, dass du verstehst: Die Macht der Sünde ist gebrochen.
Und egal, was du erlebst, lass dich nicht hinreißen zu glauben, die Sünde sei eine so starke Macht in meinem Leben, dass ich ihr nichts entgegensetzen kann. Das wäre der Fehler. Es kann sein, dass es Dinge in deinem Leben gibt, die starke Bindungen sind, mit denen du ein Leben lang mitkämpfen wirst. Aber Paulus sagt, was wir nicht tun wollen, ist, einen falschen Frieden mit der Sünde zu schließen oder zu glauben, dass die Sünde als Macht größer ist als die Gnade.
Zweitens, Vers 12: „So herrsche nun nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, dass er seinen Lüsten gehorche.“ Wenn ich verstanden habe, dass in meinem Leben die Macht der Sünde gebrochen ist, dann darf ich der Sünde nicht mehr die Herrschaft geben. Erstens Verstehen, dann die Entscheidung: Ich stelle mich gegen die Sünde.
Und das ist vielleicht das, was wir immer wieder neu lernen müssen. Gerade wenn wir schon länger dabei sind, schleichen sich gerne Gewohnheitssünden ein, bei denen man denkt: „Ach, ob sich das noch lohnt, dagegen zu kämpfen.“ Es lohnt sich.
Achte darauf, dass die Sünde nicht in deinem Leben herrscht. Wenn du nicht darauf achtest, egal wie lange du Christ bist, wird die Sünde anfangen, dein Leben zu zerstören. Sie wird dich beherrschen, sie will dich beherrschen. Das ist ihr Ziel.
Es verlangt eine aktive Entscheidung, immer wieder zu sagen: Ich will mich nicht von der Sünde beherrschen lassen. Wenn wir uns einfach treiben lassen, wird das passieren. Christsein ist ein unglaublich aktives Leben.
Ich weiß nicht, ob mir das jemand vorher gesagt hätte, wie anstrengend Christsein ist – anstrengend im Sinne von bewussten Entscheidungen treffen, Verantwortung für sein Leben übernehmen, Ja sagen zu den guten Dingen, Nein sagen zu den bösen Dingen. Ich weiß nicht, ob ich ihm das geglaubt hätte.
Aber je älter ich werde, umso mehr merke ich: Der Blödsinn kommt von alleine in mein Leben rein. Aber immer wieder zu sagen: Nein, raus, besser, richtig – dieses aktive Element im christlichen Leben ist eine der Sachen, wo ich sage: Wahnsinn, da spürt man Mensch sein, Verantwortung und Würde.
Deswegen Vers 13: „Stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung.“ Mit den Gliedern ist unsere Körperlichkeit in seiner ganzen Vielgestaltigkeit gemeint, unsere einzelnen natürlichen Organe. In der Bibel werden bestimmte Organe auch immer bestimmten Begierden oder Lüsten zugeordnet. Bekannt sind die Augen – Augen voller Ehebruch zum Beispiel –, oder die Hand steht oft für Raub oder Gewalttat.
In diesem Sinn: Egal, welchen Teil deines Körpers du betrachtest, stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung! Ich muss das, was ich in der Taufe bezeugt habe, dass ich gestorben bin, verinnerlichen. Ich muss begreifen: Die Macht der Sünde ist zerbrochen.
Ich weiß noch, wo ich das das erste Mal gelesen habe: Ich konnte es gar nicht so richtig glauben, musste es ein paar Mal lesen, bis ich verstanden hatte, die Macht der Sünde über mein Leben ist zerbrochen. Und dann diesen aktiven: Ich will nicht, dass die Sünde über mein Leben herrscht. Wo sich Sünde zeigt, will ich sie rausschmeißen.
Dann dieses dritte aktive: Ich will alles, was ich bin, ganz bewusst der Sünde nicht zur Verfügung stellen. Und das wird sehr praktisch, wenn du merkst, du hast ein Problem damit.
Ich kann es an mir selbst zeigen: Ich habe mal eine Weile die Sprüche gelesen, das hat viel gemacht. Dann hat mich der Geist Gottes auf Themen wie Schlechtreden aufmerksam gemacht. Am Arbeitsplatz habe ich mal darauf geachtet, wie ich eigentlich über Leute rede, und stellte fest: Oh, gut, dass Gott mich darauf aufmerksam gemacht hat – gerade über Kollegen, die vielleicht nicht ganz so leistungsfähig oder nicht immer fleißig sind.
Das geht ganz schnell, und dann habe ich Buße getan und musste anfangen, meine Zunge Gott zur Verfügung zu stellen und zu sagen: Ich werde so nicht mehr reden. Das ist ganz praktisch, und das ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag treffen.
Das erste Argument, warum Gnade nicht dazu führt, dass wir einfach gesetzlos leben, ist: Wir sind der Sünde gestorben. Das zweite Argument findet sich in den Versen 15 bis 17. Es hat damit zu tun, dass wir Sklaven Jesu geworden sind.
Da heißt es nämlich wieder eine Frage am Anfang: „Was nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz sind?“ Ja, also wenn wir nicht unter Gesetz sind, wenn wir die Gesetze nicht halten, um dadurch gerettet zu werden, sollen wir dann einfach darauf lossündigen?
Paulus sagt: Das sei ferne! Warum? Wisst ihr nicht? Da haben wir es wieder: Denkt doch mal nach, wem ihr euch zur Verfügung stellt als Sklaven zum Gehorsam. Ihr seid dessen Sklaven, dem ihr gehorcht.
Wenn du sagst: „Ich sündige“, wenn du ganz bewusst sündigst, wer ist der Herr in deinem Leben? Du selbst bist es nicht, denn du hast dir die Sünde nicht ausgedacht. Du bist ein Sklave der Sünde – entweder Sklave der Sünde zum Tod oder Sklave des Gehorsams zur Gerechtigkeit.
Wem du dich zur Verfügung stellst, dem dienst du. Und du hast keine dritte Alternative. Es ist nicht so, dass hier die Sklaven der Sünde sind und dort die Sklaven des Gehorsams, und dazwischen gibt es eine große Gruppe, die noch unentschieden ist und mal nach links und mal nach rechts schaut und überlegt: Wollen wir heute gehorsam sein oder sündigen?
Die gibt es nicht. Du startest auf der Seite der Sklaven der Sünde. Du startest mit einem Leben, und wenn du ein bisschen später bekehrt bist, weißt du einfach: Da gab es Situationen, die wollte ich so nicht, und es ist trotzdem so gekommen. Ich ärgere mich bis heute darüber.
Jetzt, durch die Bekehrung, Vers 17: „Gott aber sei Dank, dass ihr Sklaven der Sünde wart, und hier bei so einer richtigen heidenchristlichen Gemeinde kann man schon ein bisschen ahnen, die hatten schon einiges vor Augen, denke ich, aber von Herzen gehorsam geworden seid.“ Wahnsinn! Ihr seid von Herzen gehorsam geworden.
Ihr habt euch bei der Bekehrung dazu entschieden, einem anderen zu folgen. Die Tatsache, dass ich nicht unter Gesetz bin, dass das Gesetz Gottes für mich nicht das Mittel ist, um mir irgendwie den Himmel zu erarbeiten, hat doch mit meinem Lebensstil nichts zu tun.
Mein Lebensstil resultiert ganz anders. Mein Lebensstil kommt daher, dass ich bewusst gesagt habe: Herr Jesus, ich habe dich als Herrn eingeladen, und ich möchte dir folgen. Ich möchte dein Knecht sein, ich möchte tun, was du sagst.
Aus dieser Motivation oder Grundlage heraus kann ich gar nicht tun und lassen, was ich will, sondern ich kann eigentlich nur das tun, was mein Herr will. Das heißt Vers 18: „Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden.“
Wir haben einen Wechsel vollzogen – von Sklaven der Sünde hin zu Sklaven Jesu Christi. Und wenn jemand sagt: „Na, da kannst du doch drauflos sündigen“, kannst du nur sagen: „Nee, kann ich nicht, weil ich einen neuen Herrn in meinem Leben habe.“
Und das geht noch einen Schritt weiter: Diese Entscheidung für meinen Herrn war nicht irgendeine Entscheidung. Das war eine Entscheidung, die sehr, sehr tief ging.
Im nächsten Kapitel heißt es am Anfang, und Paulus benutzt hier ein Bild, um zu zeigen, wie tief diese Entscheidung geht: „Oder wisst ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt?“ Stimmt ja, also solltest du sterben, bevor du deine Einkommenssteuererklärung eingereicht hast und einen Bescheid vom Finanzamt bekommen hast, musst du nicht mehr zahlen.
Ein Gesetz gilt nur über den, der lebt. Jetzt kommt ein Beispiel. Es ist nur ein Beispiel, bitte leitet hieraus nicht allgemeine Prinzipien zur Scheidungspraxis oder zum Umgang mit dem Thema Scheidung ab. Aber es ist ein Beispiel für etwas ganz anderes.
Wir befinden uns bei der Frage Gnade und Gesetz. Trotzdem ein Beispiel: Die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt. Wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes.
Versteht man? Solange du verheiratet bist, bist du das nur, solange du lebst. Solltest du tot sein, bist du nicht mehr verheiratet.
So wird sie nun, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird, also wenn sie sich auf ein Verhältnis mit einem anderen Mann einlässt. Sie ist eine Ehebrecherin, solange sie lebt und verheiratet ist.
Wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei vom Gesetz, sodass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird. Ein ganz simples Beispiel.
Und jeder sagt: Stimmt, Paulus, was möchtest du uns sagen?
Vers 4: „So seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus.“ Versteht ihr die Parallele? Wir sind wie eine Frau, die jahrelang aus Pflichtgefühlen einer Ehe mit einem missmutigen, grausamen Ehemann überlebt hat und jetzt nach dem Tod dieses ersten Mannes in eine neue Beziehung hineingekommen ist, wo wir einen gefunden haben, der liebevoll und großzügig mit uns umgeht.
Das ist die Idee hinter dem Text.
Warum sollen wir nicht sündigen? Ganz einfach:
Erstens: Wir sind der Sünde gestorben. Wir haben mit dem Zeug eh nichts mehr am Hut.
Zweitens: Wir sind Sklaven der Gerechtigkeit. Das ist unser Job: das Gute zu tun, nicht das Böse.
Drittens: Wir sind im Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden. Wir haben uns an Jesus gehängt. Wir lieben ihn, wir führen eine Beziehung zu ihm.
Was ist die tiefste Motivation dafür, nicht zu sündigen? Ich glaube, die tiefste Motivation ist, dass wir eine Liebesbeziehung zu dem Herrn Jesus haben und sagen: Immer dann, wenn ich sündige, tue ich ihm weh.
Wir müssen das lernen, weil viele von uns – mich eingeschlossen – emotional und seelisch so verkrüppelt sind, dass sie das gar nicht mehr richtig denken und empfinden können. Wir müssen das lernen. Wir müssen heil werden, um das zu verstehen.
Deswegen motivieren uns vielleicht die ersten beiden Argumente schneller und leichter. Aber das ist das Zentrum: Wir sind eines anderen geworden. Wir gehören der Sünde nicht mehr, wir lieben einen anderen. Und ihm zu gefallen, dem zu gefallen, der aus den Toten auferweckt wurde, damit wir Gott Frucht bringen, das ist unsere Leidenschaft geworden.
Jetzt beschreibt Paulus die ganze Zeit, wie schwierig das mit dem Gesetz ist. Das Gesetz als eine Größe, die man missverstehen kann. Das Gesetz als eine Größe, bei der viele Menschen die Gebote und Verbote, die sie kennen, benutzen, um sich den Himmel zu erarbeiten, daran scheitern.
Und jetzt sagt Paulus hier: Ja, irgendwie ist das Gesetz echt eine problematische Größe. Wir müssen hier ein ganzes Kapitel, sogar noch ein bisschen mehr, uns Gedanken darüber machen: Halten oder nicht halten? Wenn ja, warum?
Deswegen kommt jetzt ein kurzer Einschub, nur ein paar Verse, die Verse 7 bis 13.
Ist dieses Gesetz eigentlich Sünde? Das ist ein Gedanke, den wir nicht haben. Aber wenn man sich viel mit der Frage beschäftigt, wie man mit dem Gesetz umgehen soll, taucht natürlich dieser Punkt auf: Ist das Gesetz eigentlich etwas Schlechtes?
Paulus sagt in Vers 7: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde?“ – „Das sei ferne!“
Also wieder: Nein, doppelt Nein! Das Gesetz ist nicht schlecht, aber die Sünde hätte ich nicht erkannt, wenn ich das Gesetz nicht gehabt hätte.
Er bringt ein Beispiel: Das zehnte Gebot. „Denn auch von der Lust hätte ich nicht gewusst, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: ‚Lass dich nicht gelüsten! Du sollst nicht begehren deines Nächsten usw. Du sollst nicht neidisch sein.‘“ Ich hätte nicht gewusst, dass das so ein schlimmes Ding ist, wenn das nicht in der Bibel gestanden hätte.
Und ich denke, das geht vielen von euch so. Wenn ihr das Alte Testament lest, werdet ihr auf manches Gebot stoßen, wo ihr denkt: „Ups, hätte ich nicht gedacht, dass Gott an der Stelle so pingelig ist.“ Okay, man lernt dazu.
Aber das Problem mit dem Gesetz geht tiefer. Das Gesetz ist gut, weil wir Sünde erkennen.
Vers 8: „Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit.“ Sünde benutzt jetzt das Gesetz. Deswegen wirkt das Gesetz auf uns so negativ, weil das Gesetz immer in Verbindung mit Sünde gelebt wird.
„Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.“
Ein Gebot ist für die Sünde wie eine Art Katalysator. Ihr kennt mein Beispiel mit dem Rasen betreten. Ich will es noch einmal bringen:
Du gehst spazieren, denkst, du hast neben dir einen riesigen Rasen. Du kommst nicht auf den Gedanken, einen Fuß draufzusetzen, bis das Schild kommt: „Rasen betreten verboten.“
Da kommt dieser kurze Moment: „Doch!“ Das ist die Sünde, die das Gebot ergreift. Das funktioniert immer und dreht es um. Sie bewirkt eine Begierde.
Überlegt mal: So eine Begierde, wie einen Rasen anzuzünden – so ein Blödsinn! Du brauchst nur ein richtiges Verbot. Das kannst du bei deinen Kindern ausprobieren. Verbiete ihnen mal etwas, und du machst ihnen dreimal so viel Lust darauf.
Paulus sagt, er hat das in seinem Leben erfahren. Es gab eine Zeit, da verstand er das Gesetz noch nicht so gut, hatte noch nicht so viel Ahnung. „Ich aber lebte einst ohne Gesetz. Als aber das Gebot kam – im Sinne von: Als ich anfing, die Gebote zu verstehen – lebte die Sünde auf, ich aber starb.“
Das heißt: In dem Maß, wie ich mehr von den Geboten Gottes verstehe und denke: „So, wunderbar, gute Erziehung, meine Eltern haben mir so richtig viele Bibelstellen beigebracht“ – ja, je mehr Bibelstellen du deinen Kindern beibringst, umso eher und klarer versteht dein Kind, dass es ein Sünder ist.
Warum? Weil jedes einzelne Gebot im Innersten deines Kindes etwas bewirkt. Es wird es zur Rebellion herausfordern. Es wird es locken. Paulus sagt: „Willst du nicht doch?“ Das Verbot kommt, es ist schon nicht so schlimm, ja, und es wird es locken.
Wenn du möchtest, dass dein Kind tief drin versteht, dass es ein Sünder ist und eine Einsicht gewinnt, wie wir am Anfang in Römer 1,18-3,20 gesehen haben, dann lernt mit ihm viele Bibelverse auswendig, wenn es noch jung ist. Denn jeder einzelne Vers wird es ein Stück an sich selbst heranführen und dazu führen, dass es versteht: Ich bin ein Sünder und brauche einen, der mich rettet.
Unsere Kinder können erleben, was Paulus hier sagt: „Die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich dadurch.“
Aus eigener Kraft, ohne die Hilfe Gottes und ohne die Kraft des Heiligen Geistes ist das das, was uns umbringt.
Ist das Gesetz böse? Nein.
Vers 12: „Ist mir das Gute zum Tod geworden?“ – „Nein, auch das sei ferne!“
Sondern die Sünde.
Und diese Trennung nehmt bitte mit in die Pause jetzt mit. Paulus trennt ganz stark zwischen einem Gesetz, das heilig, gerecht und gut ist – das den Charakter Gottes ausdrückt und das wir festhalten müssen, das wir aber nicht missbrauchen dürfen für Werksgerechtigkeit – und auf der anderen Seite der Sünde als Macht, die in uns wirkt, sogar wenn wir gläubig sind.
Diese Spannung, die jetzt hier entsteht, und die Frage, wie man aus dieser Spannung siegreich hervorgeht, schauen wir uns im nächsten Vortrag nach der Pause an. Das ist nämlich Inhalt der nächsten anderthalb Kapitel.
Sklaverei der Sünde und der Gerechtigkeit
Das erste Argument, warum Gnade nicht dazu führt, dass wir einfach gesetzlos leben, ist: Wir sind der Sünde gestorben.
Das zweite Argument findet sich in den Versen 15 bis 17 und hat damit zu tun, dass wir Sklaven Jesu geworden sind. Dort heißt es nämlich wieder zu Beginn eine Frage: „Was nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz sind?“ Wenn wir also nicht unter dem Gesetz stehen, wenn wir die Gesetze nicht halten, um dadurch gerettet zu werden, sollen wir dann einfach darauf los sündigen? Paulus antwortet: „Das sei ferne!“
Warum? Wisst ihr nicht? Da haben wir es wieder: Denkt doch mal nach! Wem ihr euch zur Verfügung stellt als Sklaven zum Gehorsam, ihr seid dessen Sklaven, dem ihr gehorcht. Wenn du ganz bewusst sündigst, wer ist dann der Herr in deinem Leben? Du selbst bist es nicht, denn du hast dir die Sünde nicht ausgedacht. Du bist ein Sklave der Sünde.
Entweder bist du Sklave der Sünde zum Tod oder Sklave des Gehorsams zur Gerechtigkeit. Wem du dich zur Verfügung stellst, dem dienst du. Und du hast keine dritte Alternative. Es ist nicht so, dass es hier die Sklaven der Sünde gibt, dort die Sklaven des Gehorsams, also die Sklaven Jesu, und dazwischen eine große Gruppe, die noch unentschieden ist und mal nach links, mal nach rechts schaut und überlegt, ob sie heute gehorsam sein oder sündigen wollen.
Diese gibt es nicht. Du startest auf der Seite der Sklaven der Sünde. Du führst ein Leben, und du schaust auf dieses Leben und sagst dir, zumindest dann, wenn du dich ein bisschen später bekehrt hast: „Da gab es Situationen, die wollte ich so nicht. Und es ist trotzdem so gekommen. Ich ärgere mich bis heute darüber.“
Jetzt aber, durch die Bekehrung – Vers 17: „Gott aber sei Dank, dass ihr Sklaven der Sünde wart und von Herzen gehorsam geworden seid.“ In so einer richtigen heidenchristlichen Gemeinde kann man sich das schon ein bisschen vorstellen. Ihr seid von Herzen gehorsam geworden. Ihr habt euch bei der Bekehrung dazu entschieden, einem anderen zu folgen.
Die Tatsache, dass ich nicht unter dem Gesetz stehe, dass das Gesetz Gottes für mich nicht das Mittel ist, um mir irgendwie den Himmel zu erarbeiten, hat doch mit meinem Lebensstil nichts zu tun. Mein Lebensstil resultiert ganz anders. Er kommt daher, dass ich bewusst gesagt habe: „Herr Jesus, ich habe dich als Herrn eingeladen. Ich möchte dir folgen, ich möchte dein Knecht sein, ich möchte tun, was du sagst.“
Aus dieser Motivation oder Grundlage heraus kann ich gar nicht tun und lassen, was ich will, sondern ich kann eigentlich nur das tun, was mein Herr will. Das heißt, in Vers 18: „Freigemacht aber von der Sünde“ – gemeint ist an dieser Stelle von der Herrschaft der Sünde – „seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden.“
Wir haben einen Wechsel vollzogen: Von Sklaven der Sünde hin zu Sklaven Jesu Christi. Und wenn jemand sagt: „Na, da kannst du doch drauflos sündigen“, kannst du nur sagen: „Nein, kann ich nicht, weil ich einen neuen Herrn in meinem Leben habe.“
Gesetz und Leben: Ein Beispiel aus der Ehe
Und das geht noch einen Schritt weiter. Diese Entscheidung für meinen Herrn war nicht irgendeine Entscheidung. Sie ging sehr, sehr tief.
Im Kapitel heißt es am Anfang, und Paulus benutzt hier ein Bild, um zu verdeutlichen, wie tief diese Entscheidung geht. Dort steht: „Oder wisst ihr nicht, Brüder und Schwestern, dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt?“ Das stimmt, ja. Also, bevor du deine Einkommenssteuererklärung eingereicht hast und einen Bescheid vom Finanzamt bekommen hast, musst du nicht mehr zahlen. Ein Gesetz gilt nur über den, der lebt.
Jetzt kommt ein Beispiel – und es ist wirklich nur ein Beispiel. Bitte zieht daraus keine allgemeinen Prinzipien zur Scheidungspraxis oder zum Umgang mit dem Thema Scheidung. Es ist ein Beispiel für etwas ganz anderes. Wir befinden uns bei der Frage Gnade und Gesetz.
Die verheiratete Frau ist durch das Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt. Wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie losgelöst vom Gesetz des Mannes. Versteht man das? Solange du verheiratet bist, bist du es nur, solange du lebst. Bist du tot, bist du nicht mehr verheiratet.
So wird sie nun, solange der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie sich auf einen anderen Mann einlässt. Sie ist also eine Ehebrecherin, solange sie lebt und verheiratet ist. Wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei vom Gesetz, sodass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eine Beziehung mit einem anderen Mann eingeht.
Das ist ein ganz simples Beispiel. Und jeder sagt: „Stimmt, Paulus, was möchtest du uns sagen?“
In Vers 4 heißt es: „So seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus.“ Versteht ihr die Parallele? Wir sind wie eine Frau, die jahrelang aus Pflichtgefühl in einer Ehe mit einem missmutigen, grausamen Ehemann gelebt hat. Jetzt aber, nach dem Tod dieses ersten Mannes, sind wir in eine neue Beziehung gekommen, in der wir jemanden gefunden haben, der liebevoll und großzügig mit uns umgeht.
Das ist die Idee hinter dem Text.
Die Motivation, nicht zu sündigen
Warum sollen wir nicht sündigen? Ganz einfach: Erstens sind wir der Sünde gestorben. Wir haben mit diesem Zeug also nichts mehr zu tun.
Zweitens sind wir Sklaven der Gerechtigkeit. Das ist unser Auftrag – das Gute zu tun, nicht das Böse.
Drittens sind wir durch den Leib Christi im Gesetz getötet worden, um eines anderen zu werden. Wir haben uns an Jesus gehängt. Wir lieben ihn und führen eine Beziehung zu ihm.
Was ist die tiefste Motivation dafür, nicht zu sündigen? Ich glaube, die tiefste Motivation ist, dass wir eine Liebesbeziehung zu dem Herrn Jesus haben und sagen: Immer dann, wenn ich sündige, tue ich ihm weh.
Wir müssen das lernen, denn viele von uns – mich eingeschlossen – sind emotional und seelisch so verkrüppelt, dass sie das gar nicht mehr richtig denken und empfinden können. Wir müssen das lernen und heil werden, um das zu verstehen.
Deshalb motivieren uns vielleicht die ersten beiden Argumente schneller und leichter. Aber das ist das Zentrum: Wir sind eines anderen geworden, wir gehören der Sünde nicht mehr. Wir lieben einen anderen.
Ihm zu gefallen, dem zu gefallen, der aus den Toten auferweckt wurde, damit wir Gott Frucht bringen, das ist unsere Leidenschaft geworden.
Das Gesetz: Gut, aber problematisch im Umgang
Paulus beschreibt hier ausführlich, wie schwierig der Umgang mit dem Gesetz ist. Das Gesetz wird als eine Größe dargestellt, die leicht missverstanden werden kann. Viele Menschen versuchen, durch die Gebote und Verbote, die sie kennen, sich den Himmel zu verdienen. Dabei scheitern sie jedoch. Paulus sagt also: Das Gesetz ist tatsächlich eine problematische Größe. Wir müssen uns in einem ganzen Kapitel, sogar noch etwas mehr, Gedanken darüber machen, ob wir das Gesetz halten sollen oder nicht – und wenn ja, warum.
Deshalb folgt jetzt ein kurzer Einschub, nur wenige Verse, nämlich die Verse 7 bis 13. Die Frage lautet: Ist das Gesetz eigentlich Sünde? Das ist ein Gedanke, den wir normalerweise nicht haben. Aber wenn man sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man mit dem Gesetz umgehen soll, taucht diese Überlegung natürlich auf: Ist das Gesetz vielleicht etwas Schlechtes?
Paulus antwortet in Vers 7: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne!“ Also ein klares Nein, sogar doppelt betont. Das Gesetz ist nicht schlecht. Aber die Sünde hätte ich ohne das Gesetz nicht erkannt. Er bringt ein Beispiel: Das zehnte Gebot. Denn auch von der Lust hätte ich nichts gewusst, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.“ Ich hätte nicht erkannt, dass das so schlimm ist, wenn es nicht in der Bibel gestanden hätte.
Ich denke, vielen von euch geht es ähnlich: Wenn ihr das Alte Testament lest, stoßt ihr auf manche Gebote, bei denen ihr denkt: „Ups, hätte ich nicht gedacht, dass Gott an dieser Stelle so streng ist.“ Man lernt also dazu. Aber das Problem mit dem Gesetz geht noch tiefer.
Das Gesetz ist gut, weil es uns die Sünde erkennen lässt. In Vers 8 heißt es: „Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.“ Ein Gebot wirkt für die Sünde wie ein Katalysator. Ihr kennt vielleicht mein Beispiel mit dem Rasen: Du gehst spazieren und denkst, du hast einen riesigen Rasen neben dir. Du kommst nicht auf die Idee, einen Fuß daraufzusetzen. Erst wenn ein Schild kommt mit der Aufschrift „Rasen betreten verboten“, entsteht dieser kurze Moment, in dem du doch darüber nachdenkst.
Das ist es: Die Sünde ergreift das Gebot. Das funktioniert immer so und bewirkt eine Begierde. Überlegt mal: So eine Begierde, wie einen Rasen anzuzünden – das ist doch Blödsinn. Aber genau das passiert, wenn ein Verbot da ist. Das kannst du auch bei Kindern beobachten: Wenn du ihnen etwas verbietest, wollen sie es oft erst recht.
Paulus sagt, er hat das in seinem Leben erlebt. Es gab eine Zeit, in der er das Gesetz noch nicht so verstanden hatte. In Vers 9 heißt es: „Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf, ich aber starb.“ Das heißt: Je mehr ich die Gebote Gottes verstehe, desto mehr wird mir meine eigene Sündhaftigkeit bewusst.
Wenn Eltern ihren Kindern viele Bibelstellen beibringen, wird das Kind umso klarer erkennen, dass es ein Sünder ist. Warum? Weil jedes Gebot im Innersten etwas bewirkt. Es kann zur Rebellion herausfordern. Es lockt das Kind, das Verbot zu übertreten. Paulus sagt: Wenn du möchtest, dass dein Kind tief versteht, dass es ein Sünder ist und eine Einsicht in seine Notwendigkeit der Rettung gewinnt – wie wir am Anfang in Römer 1,18-3,20 gesehen haben –, dann lernt mit ihm viele Bibelverse auswendig, wenn es noch jung ist.
Denn jeder einzelne Vers führt das Kind ein Stück näher an sich selbst heran und lässt es begreifen: „Ich bin ein Sünder und brauche einen Retter.“ Unsere Kinder können erleben, was Paulus hier beschreibt. In Vers 11 heißt es: „Die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe.“ Aus eigener Kraft, ohne Gottes Hilfe und ohne die Kraft des Heiligen Geistes, ist das das, was uns umbringt.
Ist das Gesetz böse? Nein. In Vers 12 steht: „Das Gesetz ist heilig, gerecht und gut.“ Ist mir das Gute zum Tod geworden? Nein, auch das sei ferne! Sondern die Sünde ist es. Diese Trennung sollten wir mit in die Pause nehmen.
Paulus trennt hier ganz klar zwischen dem Gesetz, das heilig, gerecht und gut ist – als Ausdruck von Gottes Charakter – und der Sünde als einer Macht, die in uns wirkt. Diese Macht wirkt auch dann in uns, wenn wir gläubig sind.
Diese Spannung, die hier entsteht, und die Frage, wie man aus ihr siegreich hervorgeht, werden wir im nächsten Vortrag nach der Pause betrachten. Das ist nämlich der Inhalt der nächsten anderthalb Kapitel.