Einführung in das zentrale Thema des Galaterbriefs
Galater 4,8-31. Das ist jetzt ein längeres Stück, aber immer wieder geht es um dasselbe Thema.
Wir haben erlebt, wie Paulus mit Leidenschaft und Schärfe sagt, dass es nicht einfach möglich ist, das jüdische Gesetz so mit der Erlösung zu verbinden. Dabei wird deutlich, dass sich der Galaterbrief nicht nur gegen diejenigen richtet, die das jüdische Gesetz streng nehmen. Vielmehr geht es um alle Dinge, die wir neben die Erlösungstat Jesu stellen.
Ob es nun religiöse Bräuche sind, die wir wichtig nehmen, äußere Formen oder auch Gesetzesverordnungen – es geht immer um Jesus allein. Es gibt viele Menschen, die von Jesus reden, aber dann sagen: „Ja, er hat schon Recht. Aber jetzt ist es auch ganz wichtig, dass du unserem Verein beitrittst. Jetzt ist es wichtig, dass du dieses Erlebnis machst. Jetzt ist es wichtig, dass du dich dieser Sache unterziehst.“ Und nur wenn du das hast, hast du Jesus richtig.
Dem müssen wir widerstehen: Nein, Jesus allein! Das ist die Mitte meines Glaubens. Sein Tod für mich macht mich gerecht vor Gott. Und es ist seit zweitausend Jahren so, dass Menschen sagen: „Ja, aber es ist auch wichtig, dass ich noch diese und jene Lehre dazunehme.“ Aber nein, das ist nicht wichtig. Ich brauche allein die Gnade Jesu, die mich vom Tod und von der Schuld erlöst.
Wir kommen immer wieder auf die gleichen Themen zurück. Früher habe ich Ihnen das Büchlein sehr empfohlen, und Sie haben es lieb und treu angeschafft. Ich sage, es gehört zu den zehn wichtigsten Büchern, die man in seinem Bücherschrank haben kann. Es ist das kleine Taschenbuch „Ganz aus Gnaden“ von Charles Hatton Spurgeon.
In „Ganz aus Gnaden“ beschreibt er das Allein-Jesus, der für mich starb. Er ist der Grund meines Heils, und es gibt nichts daneben. Es kann nichts mehr dazukommen, was irgendwie hinzugefügt werden muss. Immer wieder gibt es Menschen, die andere durcheinanderbringen und sagen: „Du musst jetzt noch dies und jenes dazunehmen, damit du das hast.“
Das Beispiel Charles H. Spurgeon: Ein Leben für die alleinige Gnade
Jetzt lesen wir diesen Abschnitt: Sahlshirn, Spörtschen, Spurgion geschrieben, Spörtschen ist ein Taschenbuch im Brockhaus Verlag. Es ist ja auch immer wieder an unserem Büchertisch noch da und kostet sechs Mark achtzig oder so – ganz aus Gnaden, in immer neuen Worten ganz schlicht beschrieben.
Das war der größte Prediger im vorigen Jahrhundert, der nie eine Bibelschule besucht hat. Nie! Er war der größte Prediger Englands und hat vor 22.000 Menschen gepredigt, ohne Lautsprecher. So wurde das früher gemacht. Das war noch Stimmkultur im Crystal Palace in London, und er hat immer nur Jesus verkündigt.
Seine Predigten wurden bis nach Australien gekabelt und dort in den Zeitungen abgedruckt. Und doch war er ein Mann, der auch das durchlitten hat, was heute Abend dran ist: die Nöte.
Er war ein junger, brennender Prediger, der sich immer dagegen gewehrt hat, dass das nur eine Emotion sei. Er wollte immer Lehre und sagte: Wenn nicht das Feuer der Erwägung durch die richtig guten, festen Brennstoffe der Lehre am Brennen gehalten wird, hat es keinen Wert.
Er war in einer Versammlung – ich weiß nicht wie viele, sechs- oder achttausend Menschen im Gottesdienst. Es war alles gedrückt voll, und da waren Feinde drin, Feinde Christi. Plötzlich schrien diese Feinde in der Versammlung: „Feuer!“
Das war der schlimmste Schock für den jungen Prediger. Er sah, was sich zuträgt, die Leute stürmten hinaus. Er blieb oben bis zum Schluss. Es gab viele Tote, obwohl nirgendwo gebrannt hatte.
Das war ihm bis zum Schluss ein Albtraum – auf der Kanzel oben, dass wieder so etwas passiert. Da sagt man, man kann nichts tun. Er versuchte, die Menschen noch zu beruhigen. Und man sieht, wie der Feind umhergeht.
Es gibt auch die Biografien von Charles Haddon Spurgeon, und es ist ja eindrucksvoll, wie er die größten Anstöße bewirkt hat. Hier haben wir viele dieser alten Bücher gekauft, die man eigentlich nur im Antiquariat heute um teures Geld kaufen kann.
Einige sind neu erschienen. Es gibt eine ganze Kassette, eine Buchkassette mit vielen Ausgaben, sehr günstig, von Spurgeon auch in den Buchhandlungen. Wir haben auch das Andachtsbuch von ihm, das „Scheckbuch des Glaubens“ usw.
Was immer wieder eindrucksvoll war: Wie er dann bis ins Alter – er starb sehr früh, mit nur wenig über 50 Jahren – an einem schweren Asthma litt und immer wieder damals an die Côte d’Azur, die Mittelmeerküste, den Winter überging, um dem englischen Nebel zu entfliehen.
Aber wie er sagte: „Ich komme immer mehr auf das eine, was mein Leben hält: Jesus starb für mich.“ Das ist immer wieder die Botschaft, die sich durch Ludwig Hofackers Predigten zieht.
Immer wieder hat das Erweckung und neues Leben gegeben. Und das war dem Paulus wichtig. Sie werden das überall auch wiederfinden.
Der Textabschnitt aus Galater 4,8–31: Vom alten zum neuen Leben
Wir lesen jetzt Galater 4,8-31.
Aber damals, als ihr Gott noch nicht kanntet, dientet ihr denen, die in Wahrheit keine Götter sind!
Als ihr den lebendigen Gott nicht kanntet, dientet ihr in Kleinasien euren heidnischen Göttern, den Götzen. Nachdem ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von neuem dienen wollt?
Ihr haltet bestimmte Tage ein, auch Monate, Zeiten und Jahre. Ich fürchte für euch, dass ich vielleicht vergeblich an euch gearbeitet habe.
Werdet doch wie ich, denn ich wurde wie ihr, liebe Brüder! Ich bitte euch: Ihr habt mir kein Leid getan. Ihr wisst doch, dass ich euch beim ersten Mal in Schwachheit des Leibes das Evangelium gepredigt habe. Und obwohl meine leibliche Schwäche euch ein Anstoß war, habt ihr mich nicht verachtet oder vor mir ausgespuckt. Stattdessen habt ihr mich aufgenommen wie einen Engel Gottes, ja wie Christus Jesus.
Wo sind nun eure Seligpreisungen geblieben? Ich bezeuge euch: Ihr hättet, wenn es möglich gewesen wäre, eure Augen ausgerissen und mir gegeben.
Bin ich denn damit euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit vorhalte? Es ist nicht recht, wie sie um euch werben. Sie wollen euch nur von mir abspenstig machen, damit ihr um sie werbt.
Umworben zu werden, ist gut, wenn es im Guten geschieht und zwar immer, nicht nur in meiner Gegenwart, wenn ich bei euch bin.
Meine lieben Kinder, die ich abermals unter Wehen gebäre, bis Christus in euch Gestalt gewinnt. Ich wünschte, ich wäre jetzt bei euch und könnte mit anderer Stimme zu euch reden, denn ich bin besorgt um euch.
Die allegorische Auslegung des Alten Testaments: Abraham und seine Söhne
Und jetzt folgt ein etwas schwierigerer Abschnitt. Hier argumentiert er für Menschen, die aus dem Judentum stammen. Er zitiert das Alte Testament:
„Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr das Gesetz nicht? Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, den einen von der Magd, den anderen von der Freien. Aber der von der Magd ist nach dem Fleisch gezeugt worden, der von der Freien aber kraft der Verheißung.“
Die Araber stammen von Hagar und Ismael ab, und die Juden vom verheißungsvollen Sohn Isaak. Diese Worte haben eine tiefere Bedeutung, denn die beiden Frauen symbolisieren zwei Bundesschlüsse.
Der eine Bund stammt vom Berg Sinai und führt zur Knechtschaft. Das ist Hagar, denn Hagar bedeutet „der Berg Sinai in Arabien“ und ist ein Gleichnis für das jetzige Jerusalem, das mit seinen Kindern in der Knechtschaft lebt.
Aber das Jerusalem, das oben ist, ist frei und unsere Mutter. Denn es steht geschrieben:
„Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst! Brich in Jubel aus und jauchze, du, die du nicht schwanger bist! Denn die Einsame hat mehr Kinder als die Verheiratete.“
Ihr aber, liebe Brüder, seid wie Isaak, Kinder der Verheißung. Doch wie damals der nach dem Fleisch gezeugte Sohn den nach dem Geist Gezeugten verfolgte, so geschieht es auch jetzt.
Was sagt die Schrift dazu? „Stoß die Magd und ihren Sohn hinaus, denn der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.“
So sind wir nun, liebe Brüder, nicht Kinder der Magd, sondern der Freien.
Die zentrale Botschaft: Christus allein als Grundlage des Glaubens
Also, es geht immer wieder um denselben Punkt: Christ wird man durch Jesus Christus. Man wird Christ, indem man Jesus Christus als seinen Herrn erkennt. Man sagt: „Ich gehöre Jesus, er soll mein Leben bestimmen.“
Das ist plötzlich eine Wende. Im Vers 8 sagt Paulus: Damals war es in eurem Leben ganz anders. Aber jetzt, in Vers 9, habt ihr Gott erkannt, und Gott hat euch erkannt. Es ist ganz wichtig, dass man in seinem Leben unterscheiden kann und sagen kann: „Ich habe in meinem Leben Jesus gefunden.“
Für uns ist das die entscheidende Stunde. Manchmal gibt es noch Probleme, und manche sagen: „Ich kann das nicht auf ein Datum festlegen.“ Das ist nicht zwingend nötig, aber man muss wissen, ob es in seinem Leben diese Wende gibt: Einst war ich fern von Gott, heute gehöre ich Jesus, er ist mein Herr.
Wenn Sie das nicht sagen können, möchte ich Sie bitten, diese Klarheit in Ihrem Leben zu suchen: Jesus ist mein Herr. Wer Jesus kennt, kennt Gott, und den kennt Gott. Zudem wird sich der Vater am Jüngsten Tag bekennen. Darum ist es wichtig, dass ich in meinem Leben zu dieser Klarheit durchdringe.
Das ist die höchste Stufe des Glaubens, die man erreichen kann: Ich bin ein Kind Gottes geworden, weil Jesus mich angenommen hat. In Vers 8 und Vers 9 wird das wieder beschrieben: Damals, einst und jetzt – das ist ein Grenzpfahl. Jetzt ist ein Unterschied gemacht. Damals und jetzt – in unserem Leben ist eine große Wende geschehen.
Dann sagt Paulus: Damals dientet ihr – früher wem denn? Irgendwelchen Mächten. Wem habt ihr gedient? Das kann ganz verschieden sein: Ob ich dem Aberglauben diene oder einer Götzenreligion oder ob ich meinem Ich diene, meiner Selbstsucht, oder ob ich mich von meinen Gedanken bestimmen lasse. Heute möchte ich allein Jesus als meinen Herrn haben.
Der Sonntag hat uns sicher wieder getroffen, wie Paulus das eng sieht: „Ich zähme meinen Leib, ich zähme meinen Leib.“ Ich möchte die Zügel meines Herrn haben, der mich in der richtigen Zucht hält. Jetzt möchte ich ihm dienen mit meinem Leben, mit allem, was ich bin.
Die Gefahr des Rückfalls und die Kritik an Gesetzeswerken
Für gläubige Menschen besteht eine große Gefahr, sobald sie Christen geworden sind: Sie kehren wieder zurück und suchen in ihrem Leben neue Dienstherren. Die Galater suchten als Dienstherren die Gesetzeserfüllung, indem sie die jüdischen Religionsgesetze wieder aufnehmen wollten, die im Alten Bund enthalten sind.
Das sehen wir später im Vers 10, wo es um ihr Anliegen geht: Ihr haltet bestimmte Tage ein, Monate und Zeiten. Ist das nicht wichtig? Ich darf Ihnen sagen, wenn es wichtig wäre, dann wäre die Sabbatordnung entscheidend. Manche Menschen nehmen das sehr ernst, und es gibt auch Streit um die Ordnung des Fleischessens und Nichtfleischessens.
Für mich ist das nicht der entscheidende Punkt. Paulus nennt das „Elemente“; es geht nicht um diese Elemente, denen wir dienen. Bei jungen Menschen, die zum Glauben gekommen sind, passiert es oft, dass sie, kaum dass sie gläubig geworden sind, zu rigorosen Fanatikern werden. Manchmal führt das sogar zu Krankheit.
Wir haben schon eindrucksvolle Erlebnisse gehabt. Ich denke an eine Familie, für deren Mann wir viel gebetet haben. Wir dachten, es sei nicht mehr möglich, dass er sich bekehren würde. Die Frau kam schon viele Jahre allein zur Bibelstunde. Dann geschah das Wunder, mit dem niemand mehr gerechnet hatte: Der Mann bekehrte sich plötzlich, besuchte drei Sonntage hintereinander den Gottesdienst. Doch dann brach es aus ihm heraus: Alles, was in der Hofacker Kirche geschieht, sei Götzendienst, vor allem wegen der Kindertaufe.
So haben Sie es nicht gehört, was bei der Kindertaufe gesagt wird, dass niemand als Ruhekissen dient? Nein, er sagte: „Ich habe jetzt meine reine Gemeinde gefunden.“ Seitdem lebt er in einer Sekte oder einer Sondergruppe. Möge er beim Herrn bleiben. Aber es ist immer eine Gefahr, dass Menschen, die gerade Jesus entdeckt haben, sich in der ersten Freude ganz leidenschaftlich auf irgendwelche Randpunkte stürzen: Haarfrisuren, Rocklängen, irgendwelche Vorschriften.
Aha, jetzt haben wir eine Sache mit dem Schweinefleisch oder eine andere rituelle Vorschrift, die wichtig ist. „Die haben wir, die hast du nicht, also bin ich über dir.“ Ich weiß, dass es bei vielen Menschen leider auch so ist, dass sie etwa die Gabe des Zungenredens als ein Eliteereignis nutzen.
Sie sehen noch den Mann, der dreimal den Gottesdienst gestört hat, sogar bei einer Konfirmation. Dieser Pfingstler wurde draußen vor der Kirche gefragt: „Können Sie denn in Zungen reden?“ Als ich sagte: „Natürlich“, war er völlig konsterniert und sagte, er glaube mir nicht. Das könne für ihn gar nicht sein. Warum nicht? Die Pfingstler verstehen sehr Unterschiedliches unter dieser Gabe, und es gibt ganz verschiedene Dinge.
Es gibt auch Pfingstler, die sagen, dass das stille Beten schon ein Zungenreden sei. Also sehen Sie, da gibt es Leute, die sich darauf stützen und sagen: „Ich habe das, das hast du nicht, und darum bin ich über dir.“
Warum stürzen sich Menschen so darauf? Weil sie den Glauben als einen machbaren Weg finden wollen, den sie gehen können. Paulus sieht das als einen ganzen Abfall von Christus, obwohl sie ja sagen: „Wir haben doch Christus behalten.“ Es geht dann immer so, dass sie sagen: „Das ist immer noch das Erste, das Kreuz Jesu ist ganz wichtig, aber das andere ist uns auch wichtig, das andere ist uns auch wichtig.“
Und dieses „Und“ – achten Sie mal, wie dieses „Und“ immer wiederkommt – bedeutet letztlich, dass Christus allein so nicht mehr stehen kann. Und an dieser Stelle wird es schlimm.
In der mittelalterlichen Kirche vor der Reformation gab es nie einen Priester, der die Versöhnung durch Jesus bestritten hätte. Aber sie war zugedeckt, verschüttet und in weiten Teilen unwirksam. Dabei wirkte sie ja an Thomas von Kempen, Johannes Hus in Prag, bei den Waldensern und in vielen geistlichen Aufbrüchen. Es gab Reformbestrebungen, auch in den Klöstern, etwa bei den Gliniäzensern.
Trotzdem war die Versöhnung immer wieder verschüttet durch das „Andere“, durch eine Werkgerechtigkeit. Luther hatte die Not, dass die Leute meinten, sie könnten es mit ihrem Gehorsam erfüllen. Dabei kann es Christus allein schenken, und ich kann es nur aus Gnade annehmen.
Deshalb sagt Paulus in Vers 11: Vergeblich! Wenn ihr diese anderen Dinge neben Christus stellt, ist alles, was ihr bisher mit Christus erlebt habt, umsonst und vergeblich. Ihr wendet euch wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von neuem dienen wollt (Vers 9).
Ihr wollt es nämlich wie im Heidentum machen und sagen: „Ich kann es selbst mit meiner eigenen Leistung erfüllen.“ Aber kein Mensch kann das. Allein die Gnade – das war durch die Jahrhunderte immer wieder ein Wort: Allein die Gnade, allein Jesus und allein die Schrift.
Dann kommt jemand und sagt: „Aber die Propheten kann es doch geben.“ Doch allein die Schrift wird mir den Weg zum Heil weisen. Dann interessieren mich die Prophetien immer – welche Bedeutung sollen sie denn haben? Wenn Christus allein der Mittler ist, was soll dann noch mitteln können, wenn er es allein ist?
Die katholische Kirche hat nie bestritten, dass Jesus eine wichtige Bedeutung hat. Aber Maria steht eben doch als Heilsmittlerin daneben – und ist bis heute vielen so im Weg, dass sie Christus nicht aufnehmen können. Das ist eine Not.
Wenn Sie das einmal aus der Nähe erleben, dann wissen Sie, wie es eben mit dem „Allein“ steht. Da müssen Sie sich entscheiden und sagen: Also entweder ist es so mit dem „Allein“ oder es ist nicht so.
Paulus sagt: „Ich habe sonst vergeblich an euch gearbeitet.“ Es ist interessant, wie uns jeder Abend an diesem Dienstag, an dem wir den Galaterbrief nehmen, immer weiter in das Herz des Evangeliums hineinführt.
Viele Dinge sind schön, es sind Leute, denen das wichtig ist. Sie mögen sich daran freuen, und wir wollen ihnen das nicht nehmen: die Kerzen im Gottesdienst, die Liturgie, die Bilderwand der orthodoxen Kirche, das Priesteramt und die Freude im Vatikan. Sie mögen fröhlich sein.
Aber es darf das „Christus allein“ nicht verdecken. Christus allein ist mein Retter. Denn wenn ich es mit meinen eigenen Leistungen schaffe – ob das nun meine Gesetzestreue, mein Eifer oder meine Hingabe ist – dann ist das ein Weg, auf dem ich selbst selig werden muss. Und den schaffe ich nicht.
Paulus’ persönliche Beziehung zu den Galatern und seine Schwäche
Vers 12 zeigt deutlich, dass es zwischen Paulus und der Gemeinde in Galatien keinerlei Spannungen gab. Er hat sie nicht verletzt, und sie wurden nicht verletzt. Es geht also nicht um irgendwelche menschlichen Konflikte. Paulus sagt: „Ihr habt mir doch kein Leid getan.“
Er erinnert daran, dass er ihnen das Evangelium beim ersten Mal in der Schwachheit seines Leibes gepredigt hat. Warum erwähnt Paulus in diesem Zusammenhang plötzlich seine leibliche Schwäche? Wer mit auf dem Michelsberg war, hat sich gewundert, dass Paulus immer wieder seine Schwäche betont. Gerade dort, wo die Menschen ihm seine Lehre abgesprochen haben und sagten, sie nähmen sie nicht mehr an, verwies Paulus darauf und sagte: „Ich bin doch ein ganz Schwacher.“
Paulus hat viel über seine Krankheit gesprochen. Auch hier erwähnt er eine Situation, in der die Leute ihm gern alles gegeben hätten. Man hat daraus geschlossen, dass er vielleicht augenkrank war oder Epilepsie hatte, und dass sie ihm sogar die Augen ausreißen und schenken wollten. Ob man das so deuten kann, ist nicht wichtig. Entscheidend ist, dass es so bewegend war, dass die Leute Mitleid mit Paulus hatten. Er war ein ganz armer Tropf, und am liebsten hätten sie ihm noch ihre Augen geschenkt. Das müssen sie wissen.
Wo das Evangelium Siege errungen hat, geschah das immer in ganzer Schwäche, nie in Größe und Macht. Wo die Christenheit stark und mächtig war, war sie meist ohne Frucht. Noch nie war die Kirche Jesu Christi so reich wie heute die Kirche in Deutschland, und dennoch ist sie eine ohnmächtige Kirche. Noch nie hatte sie so viel Theologie, so viele Beamte und Mitarbeiter. Die Kirchen sind der größte Arbeitgeber in der Bundesrepublik. Ich glaube, etwa 500 Menschen verdienen durch die Kirche und ihre Sozialdienste ihr Brot kraftlos, weil das nicht die Kraft der Kirche ist. So war es im Mittelalter genauso.
Dann passiert es, dass irgendwo ein schlichter, schwacher Mensch mit allen Fehlern im Auftrag Jesu einen Dienst tut – und es gibt Bekehrung. Der Geist bestätigt die Schwachheit. Paulus war ein körperlich angeschlagener Mensch, ein kleiner Mann. In seiner ganzen Erscheinung war er überhaupt nicht imponierend.
Ich verstehe immer wieder, dass unsere jungen Leute davon sehr angetan sind, auch wenn wir heute bei Evangelisationen ein Schauelement einbauen. Ich würde nicht so rigoros sein und sagen, das darf alles nicht sein. Aber ich bin sehr dankbar, dass wir hier in Stuttgart ungelogen die schlichteste Kirche haben – mit ihren unbequemen Bänken, bei denen man sich jedes Mal fast Rückenschmerzen holt. Doch der Herr segnet auch die Schlichtheit. Komisch – und der Herr segnet auch das schlichte Zeugnis.
Wir sollten auch gar nicht mehr machen, als wir sind. Wir sind Menschen mit einer schwachen Sprache, mit allen grammatikalischen Fehlern. Im Himmel möchte ich noch einmal richtig Deutsch lernen, damit ich die Sätze besser formulieren kann. Aber oft ist es gar nicht nötig, dass wir alles perfekt machen. Daher segnet manches, was in aller Schwachheit getan wird. Das werden Sie erleben, wenn Sie im Dienst tätig sind.
Paulus betont dies besonders bei den Leuten, die immer meinen, es käme aufs Machen an. Gott bekennt sich zu den Schwachen. Alles, was Paulus gewirkt hat, hat er in einem Menschen getan, der an den Rand des Todes gedrückt war.
Große geistliche Aufbrüche und die Rolle der Schwachheit
Jetzt möchte ich mit Ihnen noch einmal im Gedanken durchgehen: Wo sind denn die großen Aufbrüche in der Christenheit passiert?
Vielleicht sagen wir, die große Segenslinie der russischen Gemeinden hat in dem Augenblick aufgehört, als die Verfolgung endete. Es waren bewegende Geschichten, als wir noch Bibeln nach Russland transportierten. Nicht, dass wir uns eine erneute Verfolgungszeit wünschen.
Waren das nicht große Zeiten nach dem Kirchenkampf im Dritten Reich? Dort haben sich Dinge geklärt in der großen Barmer Erklärung. Sie besagt, dass wir Jesus, dem einzigen Wort Gottes, zu folgen haben und es kein anderes Wort gibt, dem wir uns als Christen unterwerfen sollen.
Ich denke auch an den Aufbruch der Missionsbewegung, als wir 1975 den ersten Gemeindetag unter dem Bord im Neckarstadion veranstalteten. Wir wussten gar nicht, wie das geht. Doch Gott hat es bestätigt und hat auch eine Gemeinschaft unter den Evangelikalen geschenkt.
Oft gibt es Christen, die sagen: „Du musst mit mir in eine Versammlung kommen, das ist ganz toll.“ Ich sage: Man muss nicht überall dabei sein. Man muss nicht alles ausprobieren. Für mich ist wichtig, wo die Stimme meines Herrn zu hören ist, wo ich sein Wort höre.
Ich kann nicht alles im Leben ausprobieren. Man muss nicht erst seine Oma erschlagen haben, um zu wissen, wie das ist. Man muss nicht gelogen haben, um zu wissen, was Lüge bedeutet. Man kann nicht überall hingehen. Es ist auch nicht das Gefühl, das entscheidend ist. Ich will dort sein, wo Gott wirkt.
Gott wirkt heute auf viele Weisen, hier und dort. Wir wollen uns freuen, wo Gott wirkt. Wir wissen von vielen Orten in Stuttgart, wo Gott heute mächtig wirkt. Doch es wird immer in großer Schwachheit sein. Oft sieht man erst viel später, was es wirklich war – in aller Schlichtheit, in aller Armut, in aller Niedrigkeit.
In all den Jahren, in denen ich in Stuttgart war, habe ich die Eidlinger Schwestern nie kennengelernt. Als Stuttgarter ist man einfach an diesem guten Werk vorbeigegangen. Doch Gott segnet es. Dort gab es einen schlichten Hauskreis, wie ihn Christa von Vivan begann. Gar nicht viel – bis heute reden sie kaum darüber.
Alles läuft still und verborgen. Auf diesem kleinen Dienst im Verborgenen liegt ein Segen, weil er in Treue vor dem Herrn steht. Christus selbst ist durch seinen Geist gegenwärtig. Die leibliche Schwäche gehört dazu und macht nichts aus, wenn wir wissen, dass wir Menschen mit allen Fehlern und Schwächen sind.
Es ist immer wieder schön, wenn wir merken: Wir sind versucht, kämpfen mit Versuchungen, haben unsere Fehler, brauchen Vergebung und sind abhängig von der Güte Jesu. Aber wir wollen weiter erzählen, was Jesus an uns tut.
Ich beobachte überall, dass heute sehr viel Geistliches geschieht, gerade dort, wo Menschen in ganzer Schwäche ihm dienen.
Die Bedeutung der Erkenntnis Gottes und die Gefahr der Menschenbindung
Ein entscheidender Punkt ist, wo wir Gott erkennen. In Vers 9 heißt es, dass Gott uns erkennt und wir vor ihm offenbar sind. In diesem Zustand brauchen wir keine großen Sprüche zu machen. Wir bleiben ein Leben lang Menschen, für die Jesus am Kreuz gestorben ist. Das bleibt unser Thema, darüber sprechen wir, und das ist wichtig. Das soll unser Inhalt bleiben.
Was bis Vers 18 steht, zeigt, wie auch damals in der Urchristenheit leider eine wichtige Rolle die Menschenbindung gespielt hat. Prüfen Sie sich bitte selbst, ob Sie nie abhängig sind von Menschen – auch nicht von Führungsfiguren oder Konfessionen. Das ist schön, für mich bedeutet es heute Abend auch sehr viel, Ihnen zu begegnen. Sie wissen, wie sehr mir jeder Einzelne von Ihnen eine große Freude ist, gerade wegen der menschlichen Beziehung.
Aber wir wollen aufpassen, dass unsere Glaubensbeziehung nie von menschlicher Sympathie oder Antipathie abhängig wird. Es gibt auch Dinge, an denen man sich reibt oder aneinander stößt. Das ist oft für die geistlichen Dinge gar nicht so wichtig. Es gab ein Abwerben und Abspenstigmachen, das damals in Galatien eine große Rolle gespielt hat. Leute begründeten das mit ihren Lehren, die sie verkündeten, und mit diesen Bindungen, die eine Rolle spielten.
Mir war es immer wieder schwer, zu sehen, wie Menschen gefangen waren. Früher haben sie das vielleicht noch verfolgt. Damals sagte der Stammapostel, er werde nicht sterben, bevor Jesus wiederkehrt. So dachten wir immer: Wenn er mal stirbt, werden die Menschen die Augen öffnen. Doch die Menschen blieben an ihren Bindungen gefangen.
Es ist mir nur wichtig, dass wir an Jesus bleiben. Wir wollen jetzt nicht gegen irgendwelche Gruppen sprechen. Aber wir sollten uns immer wieder selbst prüfen: Sind wir nur von Menschen abhängig, die uns binden? Oder lassen wir uns lösen und hängen wirklich an Jesus? Wir suchen immer wieder Ihn.
Dort, wo wir hinkommen, ist es gut, wenn wir umworben werden – wenn es im Guten geschieht. Paulus war es wichtig, als Ziel in Vers 19 zu betonen, dass Christus in uns Gestalt gewinnt. Genau das Gleiche, was wir am Sonntag hatten: dass das Bild Christi in uns eingeprägt ist.
Die Nachfolge als Ausdruck der geprägten Christusgestalt
Tolsten hat das in seinem Buch „Nachfolge“ von Dietrich Bonhoeffer ausgedrückt. Das ist übrigens auch ein Buch, von dem man einen großen Gewinn hat. Es stellt sich gegen die billige Gnade und sagt: Glauben fordert Bindung.
Das Buch ist leicht zu lesen, aber zugleich ein geistliches Werk. Bonhoeffer schließt es mit einer Aussage ab, die mich auch praktisch sehr am Sonntag zu der Predigt geführt hat.
In unseren Predigtanleitungen, die es in der württembergischen Kirche gibt, schrieb ein Mann, der früher im Albrecht-Bengel-Haus tätig war und sich davon gelöst hat, dass er die Ordnungen nicht so predigen könne. Er könne eigentlich nur die Vergebung predigen.
Was mir bei Bonhoeffer aber so sehr gefällt, ist, dass er auch deutlich die Verpflichtung zeigt. Es ist nicht nur die Vergebung, die er predigt, sondern gleichzeitig auch den Gehorsam. Paulus sagt ja: Wenn ihr euch nicht reinigt von der Unreinheit, könnt ihr nicht teilhaben am Reich Gottes.
Glauben fordert den ganzen Gehorsam und die ganze Hingabe. Bonhoeffer will, dass das Bild Christi uns eingeprägt wird, dass wir Nachfolger Gottes sind, dass wir in seine Fußstapfen treten und Christus unser Leben prägt.
Es ist nie so, dass wir erst predigen dürfen, wenn wir vollkommen sind. Dann könnten wir nie den Mund aufmachen. Nein, wir bleiben bis zum Schluss fehlbare Menschen, aber wir wollen darum ringen, dass Christus in uns Gestalt gewinnt. Das ist die Mitte unseres Lebens.
Und das ist auch die Mitte des Evangeliums: Christus will aus unserem Leben etwas machen. Dazu gibt es keinen Trick, keinen Katalog, den man abhaken könnte. Es gibt nur die Gnade, die unser Herz in Besitz nimmt.
Die erlebte Vergebung ist immer wieder so überwältigend, dass man sie weitergeben muss. Am Sonntag hieß es: „Wandelt in der Liebe, wie Christus euch als geliebte Kinder angenommen hat.“
Genau das ist auch hier die Botschaft im Galaterbrief: Lebt das doch und setzt es um!
Die Herausforderung der ernsthaften Christen und die Kraft Christi im Leben
Wenn man heute mit Christen in verschiedenen Gemeinden und Gruppen spricht, wird man überall viele ernsthafte Menschen finden. Sie sagen oft: „Ihr macht es euch in der Hofhacker Kirche zu einfach, ihr redet nur von Vergebung, Vergebung, und dann ist alles erledigt.“
Diese Menschen bemühen sich, auch politisch richtig zu leben. Sie wollen ihr Leben durch Taten beweisen und nicht nur Vergebung erlangen. Sie wollen sich wirklich anstrengen. Das ist fast immer beeindruckend, und es bricht mir das Herz, wenn diese Menschen sagen, sie strengen sich viel mehr an als andere.
Doch sie kommen nie an den Punkt, an dem die Kraft Christi in ihrem Leben wirkt. Diese Kraft ist größer als alles, was man mit eigener Kraft erreichen kann. Ich hoffe, dass Sie den Punkt erreichen, an dem Sie sagen: „Ich möchte mich einfach der Kraft Jesu überlassen. Er soll in mein Leben einziehen und mich bestimmen.“
Das ist die neue Bewegung, die ausgeht und die einen im Tun erfüllt. Doch genau das haben die Galater verloren. Wenn ich das noch einmal an der Reformation zeigen darf: Was hat Luther wirklich gekonnt? Er konnte doch gar nichts, sondern Christus hat sein Leben benutzt.
Heute habe ich einem Konfirmanten von Ludwig Nommensen erzählt, wie er unter den Batak wirkte. Wer war Ludwig Nommensen? Er besuchte die Volksschule auf Nordstrandischmoor und hatte keine höhere Bildung. Trotzdem stand er vor Tausenden tanzenden Batak, die im Trance waren und Menschenopfer darbrachten.
Er sagte: „Wenn das euer Gott ist, der Menschenblut vergisst, dann kann ich euch nur sagen, das ist nicht der Gott, der wirklich Gott und Herr ist. Ich verkündige euch, wer Gott ist.“
Er stand da vor den Menschen, die ihre Speere in der Hand hielten, und keiner rührte ihn an, weil Christus da war. Was war da? Wo war ein Bodelschwingh, was war da, wo ein Hofhacker geprägt wurde? Es war doch nicht ein Mensch, es war doch in voller Schwachheit, und Christus war da.
Diese Kraft Christi ist doch in Ihrem Leben wirksam. Wenn sie nicht wirksam ist, dann lassen Sie sie doch wirken. Das, was Sie aus eigener Kraft können, ärgert Ihre Kinder und Ihre Mitmenschen. Sie stoßen sich an unserer menschlichen Art.
Aber wenn Christus unser Leben benutzt – und ich hoffe auch, dass in meinem Dienst etwas von Christus durchkommt, nicht von mir, sondern das, was Christus in mein schwaches Leben hineingibt oder in Ihr Leben, das Sie weitergeben – dann ist das das Geheimnis, das wir wollen.
Darum wollen wir Christus annehmen. Natürlich ist das billig, wie denn sonst? Aber es gibt keinen anderen Weg, den man gehen kann. Es gibt nichts Zusätzliches, sondern nur diese Gnade Christi.
Der Geist Christi als Quelle der Erneuerung und Erweckung
Übrigens, wo Christus ist, da ist auch sein Geist. Was soll da noch anders sein?
Wo Christus ist, da wohnt der neue Geist in mir, der mich erfüllt. Und deshalb muss ich nicht irgendwohin wallfahrten. Es gibt keine höhere Stufe und keine größere Weihe.
Wir müssen uns immer wieder an dieser Stelle bewusst machen, was wahrscheinlich in unserer Zeit besonders notwendig ist: Erneuerung tut not, und wir sehnen uns nach Erweckung. Das geht allen Christen so, die Erweckung wollen.
Wir brauchen Neuklarheit: Jesus Christus ist der Sohn Gottes. Wir brauchen Neuklarheit, dass allein das Wort der Bibel Gottes Wort ist. Und wir brauchen die Erkenntnis, dass wir allein durch das Kreuz Jesu gerecht werden.
Wenn wir das wieder erkennen, gibt es Erneuerung und Erweckung. Alles andere fürchte ich, wird die Christenheit nur spalten. Wir werden nur wieder neue Gruppen bilden und neue Abspaltungen herbeiführen, an welcher Lehre oder an welcher Person das sich auch immer wieder entzünden wird.
Wir brauchen das gar nicht aufzuhalten und uns auch nicht mehr damit zu beschäftigen. Stattdessen sollten wir immer wieder sagen: Christus soll in mir Gestalt gewinnen.
Ganz gleich, wo wir dazugehören und wie wir das denken – das soll uns wichtig sein. Es geht nicht um Mitgliedschaften und nicht um Sondererkenntnisse, sondern darum, dass Christus in uns Gestalt gewinnt.
Dann sind wir Menschen, die Christus im täglichen Leben erkennen, erfahren und erleben.
Die alttestamentliche Untermauerung der paulinischen Lehre
Und nun hat Paulus noch einen Abschnitt angehängt, in dem er aus dem Alten Testament zeigt, dass es auch dort so war. Uns ist die Argumentation des Paulus etwas ungewohnt, aber es war immer so, dass das Alte Testament ganz besonders geholfen hat, auch das zu untermauern, was das Evangelium sagt.
Darum wird das immer so sein: Erst wenn man das Alte Testament versteht, treibt das nicht weg von der Lehre des Paulus. Es gibt ja immer wieder Theologen, die sagen, das Alte Testament widerspricht Paulus, und die Evangelien widersprechen ihm. Wir sehen jedoch nur die Einheit. Paulus sagt, es geht uns um die neue Welt, um das Jerusalem, das droben ist. Wir freuen uns auf das neue Jerusalem.
In diesen Tagen kann man sich dem gar nicht entziehen, dass man beim Zeitunglesen oder beim Nachrichtenhören immer wieder tief Atem holt. Frau Wunderlich hat ein schönes Büchlein von Peter Haneke über Israel geschrieben. Wenn man diese biblischen Durchblicke wieder hat, wie Gott uns darauf stößt, sogar durch die einfachen Weltnachrichten, sieht man, wie sich erfüllt, was er in seinem Wort über Israel gesagt hat.
Mir ist bei Israel immer wichtig, dass die Sammlung Israels an einer Stelle die größte Lücke hat. Nämlich: Wie bekommt ein Jude Vergebung? Das war im alten Bund das Wichtigste. Schon Abraham hat seine Opfer dargebracht. Die Juden können heute nicht mehr opfern, weil der Tempel nicht mehr da ist. Seit zweitausend Jahren gibt es kein Opfer mehr, sie haben kein Lamm mehr dargebracht. Das einzige Lamm ist geopfert – Jesus ist das Passalamm. Es gibt keine andere Vergebung.
Das hat uns immer der jüdische Dozent für Geschichte erzählt, der uns einmal auf einer Reise geführt hat. Er hat mitgewitzelt, wie man durch Jerusalem ging: „Ihr Christen habt es mit Vergebung sehr leicht.“ Das heißt, sie sind doch Juden. Was steht im Alten Testament über Vergebung? Haben sie das vergessen? „Ich will für meine Schuld selbst geradestehen“, sagen sie. Da kennen sie ihre Schrift aber nicht. Die Ältesten kennen ihre Schrift nie, aber es gibt kein Opfer mehr. Genau die ganze Mitte ihrer Religion ist ausgehöhlt. Sie haben nur noch die Tora, das Gesetz.
Wenn man dann sieht, mit welchem Eifer die Leute ihre Locken binden, wie sie ihren Hut nicht abnehmen und alles erfüllen wollen, drängt es uns immer: Wir als Deutsche können ja den Mund überhaupt nicht aufmachen unter der Last der deutschen Geschichte an den Juden. Dann denken wir daran: Christus aus dem Volk der Juden, der Heiland ist und der Sohn Gottes.
Das ist der Punkt, auf den auch die Tora zuläuft. Denn durch die Tora wird kein Mensch seelisch. Es ist bloß ganz aus Gnaden, allein aus Gnaden, der einzige Weg zur Erlösung. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Die Not der Vergebung im persönlichen Leben
Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, an dem ich immer wieder die Hauptnot sehe. Wir sagen oft, die Vergebung Jesu sei ganz gut. Ja, ich habe sie gebraucht, als ich zum Glauben kam. Aber jetzt in meinem Leben – ich weiß nicht, wo bei Ihnen der Punkt ist.
Ist es bei Ihnen die Unreinigkeit, von der am Sonntag die Rede war? Sind Sie gebunden an Alkohol? Leben Sie im Streit? Sie sagen, da müsse ich arbeiten. Sie können arbeiten, wie Sie wollen. Aber wenn Sie es nicht vor Jesus als Schuld bekennen und seine Vergebung darüberlegen, werden Sie den Bann nie los und kommen nie frei.
Es ist auch schön, wenn man es in einer Aussprache tut und sich von Dingen löst, die einen belasten. Aber mit eigener Kraft kann man es nicht schaffen. Und das ist die Not so vieler Christen. Sie wissen von Jesus, sie hören es jedes Mal neu und werden darauf gestoßen. Es könnte sogar heute Abend sein, dass Sie es wieder gehört haben. Aber jetzt müssen Sie mit Ihrer Sache selbst fertig werden.
Dann kämpfen Sie, wie ein Mönch in seiner Zelle, und sagen: „Ich muss selig werden.“ Sie können es gar nicht. Sie wären der Erste, der es geschafft hätte. Sie können nur niederknien und sagen: „Herr, danke, dass du für mich gestorben bist und dass du allein mich freimachen kannst von dieser Sache. Du allein kannst mein Leben umwandeln, du kannst mein Leben neu machen.“
Wir werden noch hören, wie das ist, wenn der Geist Gottes in uns wirkt – Liebe, Freude, Friede, Geduld. Aber das ist die Kraft Christi in unserem Leben, die wir haben wollen, und nicht neue Werkerei.
Heute ist es unter den Christen in der Tat so, dass unheimlich viel Gesetz ist, viel Heim, viel Forderung. Da wird den Leuten gesagt: „Das muss man auch noch tun, mehr opfern, mehr Hingabe zeigen, mehr Dienst tun, mehr Einsatz bringen.“ Nein!
Wo Christus ist, da sind die Taten. Wo Christus ist, da ist Leben und Wirksamkeit. Dort verströmen sich Menschen für Christus.
Ich habe am Sonntag im ersten Gottesdienst ganz vergessen zu sagen, dass Paulus das schöne Bild hatte, wir sollten ein guter Geruch werden – ein schönes Parfüm, etwas Wunderbares, ein Duft, den Christus in unserem Leben wirkt.
Bei mir stinkt es oft noch sehr. Aber wenn Christus in mir wirkt, gibt es einen Duft, der andere Menschen anzieht. Und darum beten wir, dass wir ein gutes Parfüm für Christus werden, das ausstrahlt.
Da kann ich mich nur immer wieder ihm übergeben. Durch die Gnade wird das gewirkt. Darum ist das gar kein bedrückendes Thema.
Das sagen eben die, die es nie begriffen haben: „Du redest immer von Sünde, du machst uns fertig. Mach doch nicht fertig, wir sind doch fertig.“ Sind Sie nicht fertig heute Abend an so einem Abend, an dem Sie sagen: „Was ist noch aus meinem Leben? So viel falsch gemacht, ich bin so kraftlos.“?
Aber Gott nimmt Sie an, hat sich in Christus für Sie erklärt und hält Ihr Leben für wichtig. Er will durch Sie hindurch wirken. Sie können Großes tun, wenn Sie sich der Kraft Christi überlassen.
So, das war heute Abend zu Galater 4. In Kürze werden wir auch noch die hinteren Verse auslegen. Aber es ist immer wieder schön, wenn man darauf gestoßen wird.
