Einführung in das Bibelstudium und Bedeutung gründlicher Kommentare
Dass wir dich kennen dürfen und dass du uns mit unserem Namen gerufen hast, dass wir in Jesus Christus sein dürfen und in ihm dir gehören dürfen, lieber Vater, ist ein großes Geschenk. Ebenso, dass wir eine Zukunft haben und an jenem Tag durch die Gnade, die du uns geschenkt hast, bei dir sein dürfen.
Wir beten um deinen Segen heute, dass wir auch im praktischen Sinne Gnade und Hilfe erfahren, besonders beim Studium deines Wortes. Amen!
Wir sind heute in Richter Kapitel elf. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf aufmerksam machen, dass einige von euch fleißig Kommentare gelesen und sich beteiligt haben. Gestern haben wir die Frage in Bezug auf Jephtha und seine Tochter gestellt. Es ist interessant, die verschiedenen Kommentare dazu zu lesen.
Mir ist aufgefallen, dass wir Deutschen wenig gründliche Kommentare haben, die sehr detailliert auf Fragen eingehen. Ein Bruder, Herbert Janssen, mit dem ich seit vielen Jahren zusammenarbeite, hat mich ermutigt, die alten deutschen Kommentare zu lesen. Das sind die Kommentare von deutschen Theologen, die damals noch bibeltreu waren, als sie diese Werke verfassten. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts beziehungsweise Ende des 19. Jahrhunderts, also vor mehr als hundert Jahren. Damals gab es noch deutsche Theologen, die bibeltreu waren. Später wurden viele von ihnen bibelkritisch.
Heute findet man kaum noch deutsche Theologen, die sowohl wissenschaftlich mit dem Text umgehen als auch an die Inspiration des Wortes Gottes glauben und im Gebet studieren. Im englischsprachigen Raum gibt es solche Theologen noch eher als in Deutschland. Die gesamte Theologie in Deutschland hat sich im 20. Jahrhundert stark verändert. Deshalb haben wir so wenige gründliche Kommentare und müssen oft weit zurückgehen, um gute Werke zu finden.
Mir wurden gerade das Bibelwerk von Lange empfohlen. Es ist zwar in alter Schrift geschrieben, aber sehr gründlich und gut. Auch die berühmte Kommentarreihe von Keil und Delitzsch zum Alten Testament ist sehr zu empfehlen. Keil und Delitzsch waren Lutheraner. Man muss nicht unbedingt in allen Fragen, zum Beispiel in der Tauffrage, ihre Kommentare konsultieren, aber sie haben sehr sorgfältig gearbeitet. Man spürt, dass sie beim Schreiben gebetet haben. Sie haben viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, an diesen Kommentarwerken gearbeitet.
Diese Werke sind immer noch Standardwerke für alttestamentliche Fragen. Keil und Delitzsch kann ich sehr empfehlen. Sie sind im Internet kostenlos erhältlich, zum Beispiel bei sermon-online.de. Dort findet man auch Lange, Karl Lillich und Dechsel, ebenfalls alte Kommentare. Ich habe diese Werke bei mir. Wer möchte, kann sie gerne von mir erhalten. Einige von euch haben sie vielleicht auch schon.
Diese Kommentare sind manchmal etwas schwierig zu lesen, da sie auf die Grundsprachen eingehen. Keil und Delitzsch arbeiten mit Lateinisch, Aramäisch, Arabisch, Hebräisch und Griechisch. Beim Lateinischen übersetzen sie nicht ins Deutsche, weil sie davon ausgehen, dass die Leser Latein können. Trotzdem sind viele Teile auf Deutsch geschrieben, sodass man auch ohne Sprachkenntnisse gut zurechtkommt, wenn man sich einliest.
Diese Kommentare gehen wirklich in die Tiefe und diskutieren die Texte ausführlich. Ich habe zum Beispiel das Buch der Sprüche übersetzt und mich dabei sehr gründlich vorbereitet. Dabei habe ich den Kommentar von Delitzsch fast vollständig gelesen. Das war eine große Hilfe, weil er auch auf sprachliche Eigenheiten eingeht und alles gründlich durchdiskutiert.
Wenn man also gründliche Kommentare sucht, kann ich diese sehr empfehlen. Natürlich gibt es auch neuere Kommentare, die nicht so tiefgehend sind, aber dennoch sehr erbaulich. Dafür sind wir dankbar, besonders im englischen Sprachraum. Manche neueren Kommentare sind eine große Hilfe, zum Beispiel die von Matthew Henry. Er ist zwar auch schon älter, aber es gibt auch neuere, wie die von Wiersbe.
Wiersbe gibt es, glaube ich, auch auf Deutsch. Er ist ein sehr guter, erbaulicher Kommentator. Seine Kommentare zu einzelnen Büchern kann man kaufen, ich weiß nicht, ob sie online verfügbar sind. Es werden immer wieder gute Kommentare veröffentlicht.
Auch John MacArthur ist nicht schlecht. Es gibt eine kommentierte Schlachterbibel mit Fußnoten von MacArthur. Er ist allerdings ein Hyperkalvinist, das heißt, er glaubt, dass Gott die Menschen vorherbestimmt hat – einige zum ewigen Heil, andere zur ewigen Verdammnis. Wenn man das weiß, kann man darüber hinweglesen. Trotzdem enthält die Schlachterbibel mit MacArthurs Fußnoten viele gute Erklärungen.
Im Neuen Testament ist die Kommentarreihe von Zahn empfehlenswert. Zahn war der Herausgeber, aber es haben auch viele andere daran mitgearbeitet. Diese Kommentare stammen zwar aus dem vorvorigen Jahrhundert und sind manchmal schwierig zu lesen, aber sie sind sehr gründlich.
Man muss nicht alles übernehmen, was dort steht. Das Schöne ist, dass die Autoren die Probleme ausführlich diskutieren. Heutzutage liest man oft Kommentare, in denen nur eine Meinung vertreten wird. Die alten Kommentare dagegen stellen mehrere Theorien vor und diskutieren sie. Zum Beispiel hat Lange in einer Frage fünf verschiedene Theorien aufgestellt, sie alle durchgesprochen und ist dann zu einem Schluss gekommen, den man nachvollziehen kann.
Das ist eine große Hilfe. Wenn man also eine Spezialfrage hat, sollte man auf diese alten Kommentare zurückgreifen. Das ist sehr empfehlenswert.
Jephthas Gelübde und die Frage nach dem Schicksal seiner Tochter
Wir befinden uns in Richter 11,30: Jephtha gelobte Yahweh ein Gelübde und sagte: „Wenn du die Söhne Ammons wirklich in meine Hand gibst, soll der, wer immer aus der Tür meines Hauses herauskommt, mir entgegen, wenn ich in Frieden von den Söhnen Ammons zurückkehre, Yahweh gehören, und ich werde ihn als Opfer darbringen.“
Wie ist das nun mit der Tochter und dem Gelübde? Hat Jephtha seine Tochter als Brandopfer geopfert, hat er sie geschlachtet? Oder bedeutet es, dass er sie einfach dargebracht hat, sodass sie jetzt dem Herrn gehört, also dem Herrn geweiht ist und nun ganz im Dienst des Herrn steht – ähnlich wie Samuel, der dem Herrn geweiht wurde?
Ich möchte hier eine vorläufige Lösung anbieten. Wenn Sie in den Kommentaren etwas gelesen haben, das dem widerspricht, bin ich dankbar, denn ich möchte dazulernen.
Zunächst einige Punkte, die dafür sprechen, dass Jephtha an Menschen dachte:
Erstens: Jephtha meinte eindeutig Menschen, nicht Tiere, die ihm entgegenkommen. Es heißt hier: „Wer es auch sei, der aus der Türe meines Hauses herauskommt.“ Als „Schlacht“ übersetzt, wäre es möglich, aber das Hebräische und auch die griechische Übersetzung enthalten eine männliche Form. Man könnte noch argumentieren, dass ein männliches Tier gemeint sein könnte, das ihm entgegenkommt. Doch kann Jephtha wirklich an ein Tier gedacht haben, das ihm nach der Schlacht entgegenkommt? Er gelobt dem Herrn: „Herr, ich werde das erste Tier, den Stier oder Hund oder was auch immer mir entgegenkommt, dir weihen.“ Das erscheint unlogisch. Jephtha hätte ohnehin Opfer und Dankopfer dem Herrn dargebracht, wenn er siegreich zurückkehrt. Ein Tier zu opfern wäre nichts Besonderes gewesen.
Es geht also um Menschen, die er dem Herrn opfern möchte. Jephtha konnte sich vorstellen, dass, wenn er als siegreicher Feldherr heimkehrt, er dort im Reigentanz empfangen wird, dass Mägde und Knechte ihm entgegenkommen, ähnlich wie Saul, der siegreich von den Philistern zurückkam. Ich verweise auf 1. Samuel 18: Als David von der Schlacht zusammen mit Saul zurückkam, zogen die Frauen aus allen Städten Israels singend und tanzend dem König Saul entgegen, mit Tamburinen, Jubel und Triangeln. Ein Fest wird gefeiert, und sie kommen ihm entgegen.
So stellte sich Jephtha das auch vor: Wenn er von der Schlacht zurückkommt, werden ihm die Knechte und Mägde seines Hauses entgegenkommen. Wer das sein wird und ihn besingt, soll dem Herrn geopfert werden. Ihm war von Anfang an klar, dass es sich um ein Menschenopfer handelt. Er wusste bereits, als er das Gelübde gab, dass er Menschen dem Herrn opfern würde, nicht Tiere.
Doch was bedeutete das genau? Als er zurückkam, war er sehr erschrocken, als seine Tochter ihm entgegenkam. Nicht weil er dachte: „Ich wollte dem Herrn einen Hund opfern, und jetzt kommt meine Tochter“, sondern weil er die anderen Menschen, Knechte oder Mägde, die ihm entgegenkommen würden, dem Herrn opfern wollte. Dass nun die Tochter kam, war eine Demütigung für ihn. Denn Töchter des Hauses gehen nicht zu öffentlichen Feiern hinaus, um den Vater zu begrüßen. Sie bleiben im Schutz des Hauses verborgen, besonders unverheiratete Töchter. Für ihn war es undenkbar, dass die Tochter ihm entgegenkommt.
Zweitens: Es heißt, die Person soll Yahweh gehören. Hier stehen zwei Aussagen: „Wenn ich in Frieden von den Söhnen Ammons zurückkehre, der soll dem Herrn, dem Yahwe, gehören, und ich werde ihn als Opfer darbringen.“ Das bedeutet: Derjenige soll dem Herrn gehören, nicht ihm. Er wird ihn nicht auslösen. Das heißt, er soll geopfert werden, ohne Auslösung.
Wenn man dem Herrn etwas gibt, und es ist ein Mensch, kann man diesen Menschen mit Geld auslösen, wie es schon in 2. Mose 13 und 3. Mose 27 beschrieben wird. Doch Jephtha schloss das von vornherein aus. Das Opfer soll ohne Auslösung dargebracht werden.
Es war ihm also klar, dass Menschen herauskommen würden, die dem Herrn geopfert werden, ohne dass sie gegen Geld ausgelöst werden. Jephtha kannte die Schrift gut, wie wir schon in Kapitel 11 gesehen haben. Er war kein Heide, der keine Ahnung von der Bibel hatte. Er kannte sie gut und wusste, was er tat.
Drittens: In der Bibel wird nie gesagt, dass Menschen dem Herrn dargebracht wurden. Wir finden viele Stellen, in denen Menschen geopfert wurden, auch von Israeliten, die diesen schrecklichen Gräuel der Heiden nachahmten. Doch wem wurden diese Menschen geopfert? Dem Moloch, Baal oder anderen Götzen.
Psalm 106,37 sagt: „Und sie opferten ihre Söhne und Töchter den Dämonen und vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer Söhne und Töchter, die sie den Götzen Kanaans opferten.“ Das war der Abfall des Volkes, bei dem Menschenopfer stattfanden. Doch nie wird erwähnt, dass sie dem Herrn diese Opfer darbrachten. Gott hatte das verboten.
5. Mose 18,9-10 warnt: „Wenn der Herr, dein Gott, dir gibt, sollst du nicht lernen, nach dem Gräuel dieser Völker zu tun. Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt.“
Jephtha war kein Diener des Moloch oder Baal, sondern ein Kämpfer gegen diese Götzen. Menschenopfer zogen die Todesstrafe nach sich, das wusste Jephtha, denn er kannte das fünfte Buch Mose.
Zudem wird Jephtha im Hebräerbrief 11 als Glaubensvorbild dargestellt. Das zeigt, dass er die Schrift kannte und auf Gottes Wegen wandelte. Natürlich machte er Fehler, ähnlich wie Simson. Aber man kann ihn nicht in die Schublade stecken, dass er Menschenopfer gebracht hätte und trotzdem als Glaubensheld gilt. Das wäre der einzige Fall in der Bibel, in dem dem Herrn ein Menschenopfer gebracht würde.
Viertens: Die Tochter beweinte ihre Jungfräulichkeit, nicht den Tod. Sie bat ihren Vater, dass sie zwei Monate mit den Jungfrauen in Einsamkeit bleiben dürfe, nicht mit dem Vater. Die Jungfrauen, ihre Freundinnen, würden alle eines Tages heiraten, sie aber nicht mehr. Sie sollten mit ihr weinen.
Die bleibende Jungfräulichkeit war für eine Frau jener Zeit ein großes Opfer. Gott hatte Israel befohlen, fruchtbar zu sein und viele Kinder zu haben. Für diese Tochter bedeutete es, keinen Mann zu bekommen und keine Kinder zu haben – nahezu ein sozialer Tod. Das war eine tiefe Demütigung.
Deshalb ist es verständlich, dass man alljährlich die Jungfräulichkeit dieser Tochter beweinte, was in Israel zur Sitte wurde. Sie war zudem die einzige Tochter.
Fünftens: Wenn es sich um ein Menschenopfer gehandelt hätte, wäre das der einzige Fall in der Geschichte Israels gewesen. Wir hätten eine Bewertung des inspirierten Schreibers erwartet – einen Hinweis, wie schlimm diese Tat war. Stattdessen wird es lobend dargestellt: Jephtha hielt sein Gelübde und tat, was er versprochen hatte.
Im Gegensatz zu anderen Stellen im Buch der Richter, wo Gräueltaten deutlich verurteilt werden, finden wir hier keine negative Bewertung. Das spricht gegen ein tatsächliches Menschenopfer.
Diese Argumente führen mich zu dem Schluss, dass die Tochter nicht getötet wurde, sondern für ihr ganzes Leben dem Dienst Yahwes geweiht wurde. Sie blieb ledig, ähnlich wie Samuel, der dem Herrn geweiht wurde.
Das Wort „Opfern“ muss übrigens nicht ein Blutopfer bedeuten. Das hebräische Wort bedeutet wörtlich „aufsteigen“. Das Wort „olah“, das für Brandopfer verwendet wird, bezeichnet ein Ganzopfer, bei dem alles als wohlriechender Rauch zu Gott aufsteigt. Es steckt also nicht die Ermordung des Opfers darin, sondern die vollständige Weihe an Gott.
„Dem Herrn geben“ bedeutet, dass die Person dem Herrn gehört und nicht mehr dem Haus. Wenn es der beste Knecht oder die beste Magd wäre, würde man sie dem Herrn geben und damit für sich verlieren.
Bei der Tochter ist es ähnlich: Wenn sie heiratet, dient sie dem Ehemann und der Familie und kann nicht mehr ganz dem Herrn geweiht sein. Samuel war als Priester und Prophet dem Herrn geweiht, diente im Tempel bei Eli und hatte eine besondere Aufgabe. Für ihn war es kein Problem, verheiratet zu sein, auch wenn er seine Kinder vernachlässigte.
Für eine Frau aber, die Jungfrau bleibt, ist es anders. Sie kann ganz dem Herrn dienen, wie es auch im Neuen Testament in 1. Korinther 7 beschrieben wird. Dort heißt es, dass Unverheiratete für die Dinge des Herrn sorgen und verheiratete Menschen für die Dinge der Welt.
1. Korinther 7, Vers 32-36 spricht davon, dass ein Vater seine Tochter als Jungfrau behalten kann, um sie dem Herrn zu weihen. Die Jungfrau sorgt für die Dinge des Herrn und ist heilig an Leib und Geist, während die Verheiratete sich um den Mann und die Familie kümmert.
Dieser Gedanke unterstützt die Auffassung, dass die Tochter Jephthas dem Herrn geweiht blieb und ledig blieb, um ihm zu dienen.
Jephtha dachte also an seine Knechte und Mägde, nicht an seine Frau oder Tochter, als er das Gelübde ablegte. Die Frau blieb im Haus und kam nicht heraus, um ihn zu begrüßen.
Natürlich gibt es Gegenargumente. Manche sagen, es steht hier klar, dass es ein Brandopfer war. Doch die anderen Argumente sind stark dagegen, und ich bin bisher nicht überzeugt von einer anderen Deutung.
John MacArthur vertritt die Meinung, dass Jephtha seine Tochter geopfert hat, aber er hat das nur kurz erwähnt und nicht ausführlich begründet. Gibt es weitere Beiträge dazu?
Eine wichtige Frage ist: Warum ließ Gott zu, dass die Tochter herauskam? Gott wusste es doch vorher. Sieht man hier die Hand des Herrn, der die Theokratie bewahren wollte?
Jephtha sollte Hauptmann werden. Er verstand, dass der Herr Richter ist (Kapitel 11). Doch der Gedanke, Anführer Israels zu sein, war in seinem Kopf. Möglicherweise dachte er an eine Dynastie: Er war Anführer, hatte keinen Sohn, aber eine Tochter, und von ihr könnte ein Sohn kommen, der Nachfolger wird.
Als die Tochter herauskam, starb diese Hoffnung. Vielleicht stoppte Gott so eine Königsdynastie bei Jephtha. Das passt zum Buch der Richter, wo Israel den Herrn als König zurückdrängt.
Ich erinnere an die Bibelstellen, die zeigen, dass Israel Menschenopfer den Götzen brachte, nicht dem Herrn: 2. Könige 17,17; 2. Chronik 28,3; Hesekiel 16,20; Jeremia 37; Jeremia 32,35; 3. Mose 18,21.
Diese Stellen zeigen, dass Menschenopfer für Götzen dargebracht wurden, nicht für Yahweh.
Jephtha erschrickt, weil sein Gelübde ihn kinderlos macht. Es wird betont, dass sie seine einzige Tochter war und keinen Nachkommen hatte (Vers 39).
Israels Problem war, dass sie Befreiung wollten, aber die Königsherrschaft Gottes nicht aufrechterhalten wollten.
Weiter zu Kapitel 12, Vers 1: Die Männer von Ephraim wurden zusammengerufen und zogen hinab nach Norden. Sie sagten zu Jephtha: „Warum bist du gegen die Söhne Ammons gezogen und hast uns nicht gerufen, damit wir mit dir gehen? Wir werden dein Haus mit Feuer verbrennen.“
Das war keine freundliche Reaktion. Die Ephraimiter waren beleidigt, weil sie nicht zum Sieg gerufen wurden. Ähnlich war es bei Gideon. Die Ephraimiter wollten für den Herrn kämpfen, waren aber auch streitsüchtig.
Jephtha fühlte sich im Recht. Er sagte, er habe sie gerufen, aber sie seien nicht gekommen, um ihn zu retten. Es entstand ein heftiger Streit.
Jephtha war sicher im Recht, doch seine Vorgehensweise war falsch. Er war nicht diplomatisch, sondern reagierte hart.
Er versammelte alle Männer von Gilead und kämpfte gegen Ephraim. Die Männer von Gilead schlugen Ephraim, weil sie wussten, dass Ephraimiten über die Furten des Jordan kamen.
Wenn ein Flüchtling von Ephraim sagte, er wolle hinübergehen, fragten die Gileaditer: „Bist du ein Ephraimiter?“ Wenn er „Nein“ sagte, ließ man ihn gehen. Wenn er „Shibboleth“ nicht richtig aussprach, ergriff man ihn und tötete ihn. So fielen 42.000 Ephraimiter.
Jephtha richtete Israel sechs Jahre und starb in einer Stadt Gileads, die nicht näher benannt wird.
Hier kämpften Brüder gegeneinander. Wie Ehud, der Feinde schlachtete, schlachtete Jephtha seine Brüder.
Die Lektion: Auch wir fallen manchmal in Verwirrung und bekämpfen einander, weil wir etwa nicht das richtige „Schibboleth“ aussprechen. Es geht oft um Kleinigkeiten, die zu Streit führen.
Jephtha hatte einen guten Anfang, aber ein trauriges Ende. Gottes Volk wurde dezimiert.
Wir wollen hier eine Pause machen und dem Herrn danken. Möge jemand uns im Gebet leiten, dass wir Diener sein mögen, nicht Herrscher, und wieder mit Gott und den Brüdern in Liebe wandeln. Amen. Amen.
Die Bedeutung der Tochter und ihre Jungfräulichkeit als Opfer
Fünftes Argument
Die Tochter beweinte ihre Jungfräulichkeit und nicht den Tod. Sie bittet den Vater, dass sie zwei Monate mit den Jungfrauen bleiben kann, dort in der Einsamkeit, nicht mit dem Vater. Sie sagt: „Lass mich mit den Jungfrauen bleiben“, denn die Jungfrauen, ihre Freundinnen, würden alle eines Tages heiraten, sie aber nicht mehr. Sie sollten mit ihr weinen.
Die bleibende Jungfräulichkeit war für eine Frau der damaligen Zeit ein sehr großes Opfer. Die Natur und Gott hatten ja gesagt, dass Israel fruchtbar sein und viele Kinder haben solle. Nun sollte diese Frau keinen Mann bekommen und keine Kinder haben. Das war für eine Frau damals so gut wie der Tod. Es bedeutete, ohne Kinder sterben zu müssen. Das war eine tiefe Demütigung. Deshalb ist es verständlich, dass man alljährlich die Jungfräulichkeit dieser Tochter beweinte und dass dies zur Sitte in Israel wurde. Sie war ja auch die einzige Tochter.
Sechstens: Menschenopfer. Wenn es wirklich ein Menschenopfer gewesen wäre, das Yahweh dargebracht wurde – also der einzig einmalige Fall in der ganzen Geschichte Israels –, dann hätten wir unbedingt eine Bewertung des inspirierten Schreibers erwartet. Das heißt, wir hätten einen Satz erwartet, der zeigt, wie schlimm diese Gräueltat war, die hier begangen wurde. Irgendetwas.
Aber im Gegenteil: Es wird so einfach lobend dargestellt. Er hat sein Gelübde gehalten und alles getan, was er dem Herrn versprochen hatte. Das wird eher positiv dargestellt, jedenfalls nicht negativ. Doch der Schreiber hätte die Pflicht gehabt, hier anzudeuten, wie schlimm diese Tat war. So wie es in Richtern Kapitel 17 bis 21 immer wieder gezeigt wird, wie böse und schlimm dort gehandelt wurde oder welche Gräueltaten geschahen.
Hier lesen wir nichts davon.
Diese Argumente führen mich zu dem Schluss, dass es hier nicht darum ging, die Tochter zu schlachten, sondern dass die Tochter für ihr ganzes Leben dem Dienst Jahwes geweiht wurde – als ledige Frau. So blieb sie, ähnlich wie Samuel, der auch dem Herrn geweiht und „geopfert“ wurde.
Das Wort „Opfern“ muss übrigens nicht ein Blutopfer sein. Das Wort, das für „opfern“ verwendet wird, heißt wörtlich „aufsteigen“. Das Wort „olah“ im Hebräischen, das bei uns mit Brandopfer übersetzt wird, bedeutet eigentlich Ganzopfer. Alles steigt zu Gott auf, als guter Geruch, sozusagen der Rauch des Opfers, der dem Herrn wohlgefällig ist.
In diesem Wort steckt nicht die Ermordung des Opfers. Es ist einfach der Ausdruck für ein Ganzopfer, das ganz dem Herrn geweiht und gegeben wird. Es gehört ihm als lieblicher Geruch.
„Dem Herrn geben“ heißt, dass es jetzt dem Herrn gehört. Es gehört nicht mehr zum Haus, auch wenn es der beste Knecht des Hauses ist. Man gibt es ab, sozusagen. Es war etwas, das etwas kostete. Wahrscheinlich waren es seine besten Leute, die ihn empfangen hätten. Er hätte sich vorstellen können, seinen besten Hausverwalter, den Höchsten, zu geben oder so. Und das Opfer gibt er dem Herrn. Damit hat er ihn für sich verloren, aber dem Herrn gegeben, in diesem Sinne.
Bei der Tochter ist es ähnlich. Wenn sie heiratet, hat sie natürlich einen anderen Dienst: den Dienst des Hauses, sie dient dem Ehemann und der Familie. Dann kann sie nicht mehr ganz dem Herrn geweiht sein.
Samuel hingegen, wenn er dem natürlichen Leben nachgegangen wäre, dann wäre das etwas anderes gewesen. Samuel war für den Tempeldienst und den Dienst Gottes geweiht, wo er ganz dem Herrn mit Eli diente – als Priester, eigentlich als hoher Priester, und natürlich auch als Prophet. Das war seine Aufgabe. Dort war es kein Problem, eine Familie zu haben. Allerdings hat er seine Kinder vernachlässigt, aber er hat sein ganzes Leben dem Dienst des Herrn gewidmet. Da war es kein Problem, nebenbei verheiratet zu sein.
Für eine Frau, eine Jungfrau, die jetzt heiraten würde, zum Beispiel als Tempeldienerin, wäre das anders. Sie könnte nicht mehr ganz dem Herrn dienen. Das lesen wir auch in 1. Korinther 7. Vielleicht ist das hier eine gute Parallele. Dort finden wir den Gedanken der Jungfräulichkeit um Christi willen.
Es gibt Menschen, die heiraten, nicht um Christi willen, sondern weil sie sagen: „Dann kann ich unabgelenkt dem Herrn dienen.“ Das steht in 1. Korinther 7, Vers 36. Dort spricht Paulus die Väter an, die auch etwas über ihre Töchter zu sagen hatten. Er meint, wenn jemand ungeziemend an seiner Jungfrau, also seiner Tochter, handelt, wenn sie über die Reife hinauskommt, dann sündigt er nicht, wenn er sie heiraten lässt.
Aber der Vater, der im Herzen feststeht und keine Notwendigkeit hat, aber die Vollmacht über den eigenen Willen besitzt und beschlossen hat, seine Jungfrau ledig zu behalten, der tut wohl.
Es geht also darum, dass jemand sich entschließt, seine Tochter ledig zu lassen, und die Jungfrau muss natürlich auch mitmachen.
Weiter lesen wir in Vers 32: „Ich will aber, dass ihr ohne Sorge seid. Der Unverheiratete sorgt für die Dinge des Herrn, wie er dem Herrn gefallen wird. Der Verheiratete sorgt für die Dinge der Welt, wie er der Frau gefallen wird.“ Es gibt also einen Unterschied zwischen Frau und Jungfrau.
Die Unverheiratete sorgt für die Dinge des Herrn, damit sie heilig sei am Leib und Geist. Die Verheiratete sorgt für die Dinge der Welt, wie sie dem Mann gefalle. Paulus sagt das zu eurem Nutzen, nicht um euch eine Schlinge zu legen, sondern um zu fördern, was sich geziemt, und damit ihr unabgelenkt für den Herrn da seid.
Hier steht es: „damit ihr unabgelenkt für den Herrn da seid.“ Das ist die ganze Weihe dem Herrn. Man weiht sich dem Herrn und sagt: „Herr, solange du mir die Gabe gibst, ledig zu bleiben, will ich dir als Lediger dienen.“ Das bedeutet in dieser Zeit keine Familie. Es bedeutet aber, dass man viel mehr Energie und Freiraum hat, um dem Herrn zu dienen.
Das ist keine Frage, und die Geschichte hat bewiesen, dass die, die ledig geblieben sind, sich viel mehr und stärker im Werk des Herrn einsetzen konnten als die, die geheiratet haben. Dort gibt es viele Ablenkungen, Familie, Kinder, und die Frau hat den Ehemann, dem sie untergeordnet ist. Sie muss für die Kinder sorgen. Natürlich kann sie dem Herrn auch dienen, aber es ist nicht ohne Ablenkung.
Es ist ein großer Unterschied, ob man ledig oder verheiratet im Dienst für den Herrn ist, wo man wirklich gefordert ist.
Dieser Gedanke wird hier ins Neue Testament hinübergenommen. Im Alten Testament war es eine große Ausnahme, dass eine Frau nicht heiratete. Im Neuen Testament kann es durch die Gnade Jesu Christi oft vorkommen, dass Schwestern sich entscheiden, oder Eltern mit den Töchtern zusammen, dass sie ledig bleiben und auf diese Weise ganz dem Herrn dienen, ohne Ablenkung.
Dieser Gedanke stützt die Auffassung, dass eine Jungfrau, die dem Herrn geweiht ist, keine Familie hat und in besonderer Weise dem Herrn geweiht ist – so wie die Tochter hier dem Herrn geweiht wird.
Was wäre dann anders gewesen? Schwierig zu sagen. Jedenfalls würde er das dem Herrn geben, ohne es auszulösen, also nicht anstelle des Menschen Geld zu geben, sondern das, was er aus seinem Haus gibt.
An die Frau hat er genauso wenig gedacht wie an die Tochter. Die Frau des Hauses bleibt im Haus, sie kommt dem Ehemann nicht entgegen. Nicht einmal die Frau, die ihm entgegenkam, als er tanzte, war draußen. Sie war zu Hause und hat heruntergeschaut beziehungsweise er hat sie von weitem gesehen.
Das war das Letzte, woran er dachte, seine Frau oder seine Tochter schon gar nicht. Ganz sicher aber dachte er an seine Knechte und Mägde. Das ist das Erste, woran man hier denken könnte.
Es gibt vielleicht Argumente dagegen, aber manche sagen, es steht hier klar: Brandopfer, und das heißt Brandopfer, und das kann man nicht anders verstehen. Die anderen Argumente sind mir jedoch zu stark dagegen. Bis jetzt bin ich von einer anderen Auffassung nicht überzeugt.
MacArthur vertritt die Meinung, dass er sie geopfert hat. Hat jemand MacArthur gelesen? Er erwähnt es nur kurz, führt es aber nicht aus.
Sind da noch Beiträge?
Aktiv war nicht Gott schuld daran, dass die Tochter herauskam. Aber die Frage ist, warum ließ der Herr das zu? Der Herr hat es ja vorausgewusst. Warum hat er das zugelassen? Sehen wir die Hand des Herrn dahinter?
Das ist eine gute Frage.
Denken wir daran: Es geht um das Thema Theokratie. Jephtha sollte Haupt werden. Jephtha hatte zwar verstanden, dass der Herr Richter ist – das haben wir schon in Kapitel elf gelesen –, aber der Gedanke, Haupt und Anführer in Israel zu sein, war immer noch in seinem Kopf.
Was lag näher für ihn, als zu denken: „Das ist interessant, wir könnten hier eine Dynastie gründen. Ich bin der Anführer, dann kommt mein Sohn.“ Einen Sohn hatte er leider nicht, aber einen Enkel würde er haben, denn er hatte eine Tochter. Von der Tochter könnte ein Sohn kommen, der ein guter Nachfolger wäre. So könnte er sich eine Dynastie vorstellen.
Jetzt kam diese Tochter, die einzige Hoffnung auf Nachkommenschaft, nicht nur auf Nachkommenschaft, sondern auch auf eine besondere Nachkommenschaft, vielleicht mit einem Königtum oder einer Anführerschaft in Israel. Und jetzt war das gestorben.
Deshalb dieser Schrecken, als gerade sie entgegenkam.
Dann hätte Gott hier einen Riegel vorgeschoben und gesagt: „Nein, Jephtha, so nicht. Wir wollen keine Menschenopfer. Wir wollen kein Königtum in Israel einführen, weder bei Gideon noch bei Abimelech noch bei Jephtha.“
Das wäre eine mögliche Deutung. Wir können nur Vermutungen anstellen, denn es steht nicht geschrieben. Aber es würde zum Gedankengang des Buches passen. Dort sehen wir, dass die Israeliten die Menschen wieder mehr in den Vordergrund rücken und den Herrn als König in den Hintergrund drängen.
Beispiele von Menschenopfern bei den Heiden und die Abgrenzung zu Yahweh
Ich habe Ihnen noch diese Verse versprochen. Hier heißt es, dass die Israeliten ihre Söhne und Töchter durchs Feuer gehen ließen – und zwar für die Götzen, nicht für Jahwe, in 2. Könige 17,17. Dort wird ebenfalls der Ausdruck „durchs Feuer gehen“ verwendet, nicht das Wort „Opfer“ oder „weihen“, wie es bei Jephtha der Fall ist. Ein ganz anderes Wort wird hier genutzt: „durchs Feuer gehen lassen“. Das bedeutet, die Kinder wurden verbrannt. Das taten sie für die Götzen, für die heidnischen Götzen.
Oder in 2. Chronik 28,3 heißt es: „Er räucherte im Tal des Sohnes Hinnoms, der Gehenna, also im Tal Hinnom. Er räucherte und verbrannte seine Söhne im Feuer.“ Dieser König, ich glaube es war Manasse, tat das nach dem Gräuel der Völker, die Jahwe vor den Söhnen Israels vertrieben hatte. Nicht für den Herrn, sondern nach dem Gräuel der Völker.
In Hesekiel 16,20 steht: „Du nahmst deine Söhne und deine Töchter, die du mir geboren hattest, und opfertest sie ihnen zum Brandopfer, den Götzen.“ Im Zusammenhang mit den falschen Göttern haben sie ihre Kinder geopfert, nicht dem Herrn. War es nicht schon schlimm genug mit deiner Hurerei, dass du meine Kinder schlachtetest und sie ihnen durch das Feuer gehen ließest?
In Jeremia 7,31 heißt es: „Sie haben die Höhen des Tophet gebaut, das im Tal des Sohnes Hinnom ist, um ihre Söhne und Töchter im Feuer zu verbrennen. Das habe ich nicht geboten, und es ist mir nicht in den Sinn gekommen.“ Oder in Jeremia 32,35: „Sie haben die Höhen des Baal gebaut, also wieder Götzendienst, die im Tal des Sohnes Hinnom sind, um ihre Söhne und Töchter dem Moloch durchs Feuer gehen zu lassen, nicht dem Herrn. Das habe ich nicht geboten und es ist mir nicht in den Sinn gekommen, solche Gräuel zu verüben.“
In 3. Mose 18,21 steht: „Und von deinem Nachkommen sollst du keinen hingeben, um ihn dem Moloch durchs Feuer gehen zu lassen. Du sollst den Namen Jahwe, deines Gottes, nicht entweihen. Ich bin Jahwe.“
Ich möchte hier nur zeigen: Wenn Menschenopfer dargebracht wurden, wenn Israeliten Menschenopfer brachten, dann taten sie das für die Götzen, nicht für den Herrn.
Jephtha erschrickt, weil er erkennt, dass sein Gelübde ihn kinderlos machen wird. Es wird betont, dass sie seine einzige Tochter war und keinen Nachkommen hatte. Jephtha hatte nicht an so etwas gedacht. So stirbt sein leiser Wunsch nach einer Königsdynastie für sein Haus zugunsten der Theokratie. Das war hier die versteckte Botschaft Gottes an Jephtha: Die Theokratie soll bleiben, nicht die Königsdynastie des Hauses Jephtha.
Es steht geschrieben, dass er keine andere Tochter hatte. Ich weiß nicht, wie alt er war und wie alt seine Frau war, aber offensichtlich gab es keine Hoffnung mehr auf Nachkommenschaft. Und sie hatte keinen Mann erkannt, oder? In Vers 39 wird das wieder betont: Sie hatte noch keinen Mann erkannt, der einen Nachkommen hätte zeugen können. Also keinen Mann, von dem sie ein Kind bekommen hätte, mit dem sie ein Kind hätte haben können.
Konflikt mit den Ephraimitern und die Gefahr von Bruderzwist
Israels Problem zu dieser Zeit war, dass sie zwar die Befreiung wollten, aber die Königsherrschaft Gottes nicht wirklich aufrechterhalten wollten. Das führt uns nun zu Kapitel 12, Vers 1:
Die Männer von Ephraim wurden zusammengerufen und zogen hinab nach Norden. Sie sagten zu Jephtha: „Warum bist du hinübergezogen, um gegen die Söhne Amons zu kämpfen, und hast uns nicht gerufen, damit wir mit dir gehen? Wir werden dein Haus über dir mit Feuer verbrennen.“
Das war natürlich nicht gerade freundlich von den Ephraimitern. Sie waren beleidigt, weil sie nicht zu dem Sieg gerufen worden waren. Sie meinten, Jephtha hätte nicht ohne ihre Erlaubnis in den Krieg ziehen dürfen. Ähnlich war es schon bei Gideon, der ebenfalls mit den Ephraimitern zu tun hatte, die sich damals auch beleidigt fühlten.
Gideon hatte damals diplomatisch und weise mit den Ephraimitern gesprochen. Die Ephraimiter wollten doch gerne für den Herrn kämpfen. Jetzt waren sie zwar sehr eifrig, aber gleichzeitig auch beleidigt und ein wenig streitsüchtig. „Wir verbrennen dein Haus mit Feuer“ – so etwas war natürlich nicht angenehm für Jephtha zu hören.
Ist es erlaubt, ohne die Geschwister in den Krieg zu ziehen? Darf man in den geistlichen Kampf ziehen, ohne die Brüder zu fragen? Beide Seiten haben Fehler gemacht: Jephtha und die Ephraimiter. Jephtha behauptete jedoch, er hätte sie gerufen. In den nächsten Versen lesen wir: „Ihr seid nicht gekommen.“ Es gab einen heftigen Streit zwischen Jephtha, seinem Volk und den Söhnen Ammons. Er rief die Ephraimiter, aber sie retteten ihn nicht aus deren Hand.
Wir müssen also annehmen, dass Jephtha sie tatsächlich gerufen hatte. Er fühlte sich sehr im Recht. Und vermutlich war er es auch, aber seine Art und Weise war nicht richtig. Er sagte: „Als ich sah, dass ihr nicht helfen wolltet ...“ Wie konnte er das sehen? Vielleicht haben sie einfach nicht schnell genug reagiert.
„Als ich sah, dass ihr nicht helfen wolltet, setzte ich mein Leben aufs Spiel und zog gegen die Söhne Amons.“ Und dann fragt er: „Warum seid ihr an diesem Tag gegen mich gezogen?“ Moment mal, Jephtha! Niemand hat gesagt, dass sie kämpfen wollten. Sie hatten nur gedroht, sein Haus anzuzünden. Das war auch nicht schön, aber sie hatten noch nicht von Krieg gesprochen.
Natürlich waren sie verärgert, aber vom Kampf war keine Rede. Sie wollten ihn züchtigen, aber nicht mit Krieg. Hier verlässt Jephtha sein diplomatisches Geschick. Zuvor war er so diplomatisch mit den Ammoniten umgegangen und hatte keinen Krieg angefangen. Doch hier vergisst er das alles und lernt nicht von seinem Verwandten Gideon, der viel weiser war.
Jephtha ist vorschnell, ähnlich wie bei seinem Gelübde, bei dem er ebenfalls zu schnell mit dem Mund war. Er wirft ihnen vor: „Ihr benehmt euch wie die Ammoniter und wollt gegen mich kämpfen.“ Das hatten sie nicht gesagt. Er ist hart und kommt ein bisschen von oben herab. Natürlich waren die anderen streitsüchtig, aber auch er hat nicht richtig gehandelt. Es kommt immer auf den Ton an, wie man miteinander spricht – und das hat er vergessen.
Dann handelt er gleich: Er versammelt alle Männer von Gilead und kämpft gegen Ephraim. Die Männer von Gilead schlagen Ephraim, denn sie sagen: „Flüchtlinge Ephraims seid ihr, Gilead mitten in Ephraim und Manasse.“ Die Ephraimiter waren auch nicht freundlich. Sie hatten sich von ihrem Stamm Ephraim losgerissen. „Was wollt ihr hier eigentlich? Ihr habt selbständig gehandelt, habt euch nicht mit uns zusammengetan? Flüchtlinge seid ihr!“
Beide Seiten haben falsch gehandelt. Wir wollen aus dieser Situation etwas lernen, denn hier entsteht ein schrecklicher Bruderkampf, ein Bruderkrieg. In der Geschichte der Gemeinde Jesu ist es ähnlich: Man tötet die Brüder nicht mit Waffen, aber mit Worten und geistlich.
Wie hätte Jephtha richtig handeln sollen? Er hätte sanft bleiben müssen, nicht von oben herab. Er hätte sich ruhig mit ihnen zusammensetzen und sagen sollen: „Schaut, so sind die Fakten. Wir haben euch gerufen, aber vielleicht konntet ihr aus diesem oder jenem Grund nicht kommen. Jetzt müsst ihr nicht gleich so reagieren. Ich gebe euch eine Entschädigung – nicht mein Haus, aber vielleicht etwas anderes.“ Er hätte sich diplomatisch einigen können.
Doch sie beschuldigen sich gegenseitig. Besser wäre es gewesen, sich zu entschuldigen oder einmal zu oft „Es tut mir leid“ zu sagen als zu wenig. So entsteht dieser Bruderkrieg.
Wie ist das im geistlichen Bereich? Für alles, was ich im Reich Gottes tue, muss ich immer die Geschwister fragen, ob sie mithelfen? Nicht unbedingt. Aber vielleicht sollte ich wenigstens um Gebetsunterstützung bitten, denn wir sind ein Leib in Christus. Dann merken sie: „Wir sind doch gemeinsam, der kocht nicht seine eigene Suppe.“ Das ist das Mindeste.
Man könnte sagen: „Schaut, ich habe das und das vor. Könntet ihr dafür beten? Der Herr führt mich so, und ich sollte diesen Weg gehen. Betet mit.“ Dann wäre alles ganz anders. So entsteht keine Befremdung: „Was macht der jetzt? Will der eigene Wege gehen?“
Die anderen müssen auch lernen, nicht zu schnell eifersüchtig zu sein oder sich einmischen zu wollen. Nicht immer zu glauben, man wisse es besser als die anderen. So entstehen oft viele Unstimmigkeiten unter Christen. Der eine tut etwas, der andere versteht es nicht. Dann redet man nicht miteinander, sondern hinter dem Rücken. Dann entstehen ungute Dinge, und wenn es zum Gespräch kommt, ist man hart und es folgen Vorwürfe.
Das kann in der Ehe genauso passieren. Wir haben Gemeinschaft untereinander, und es ist wichtig, in welchem Ton wir miteinander sprechen. Man sagt nicht zum anderen: „Das ist mir egal, wie du denkst, ich mache, was der Herr mir aufträgt, tschüss!“ So reden wir nicht.
Jephtha steht hier nicht in der Liebe zu seinen Brüdern. Er beginnt den Kampf frontal. Sie kamen mit einem Vorwurf, aber er antwortet mit mächtigem Gegenangriff und Taten. Er zieht herauf und beginnt einen Bruderkrieg.
Hier ist Eigensinn im Spiel. Er fühlt sich in seiner Ehre angekratzt. Das ist meistens der Grund, wenn Streitigkeiten zwischen Christen entstehen. Man fühlt sich in der Ehre verletzt oder meint, man müsse dem anderen zeigen, dass man besser oder mindestens genauso geistlich ist. Das sind fleischliche Wege, nicht im Sinn des Herrn Jesus. Jesus sagt, wir sollen einander dienen.
Gilead nahm Ephraim die Furten des Jordans weg. Die Gileaditen wussten genau, wo die Jordanübergänge waren, und stellten sich dort auf. Wenn ein Flüchtling von Ephraim sagte: „Lass mich hinübergehen“, fragten die Männer von Gilead: „Bist du ein Ephraimiter?“ Wenn er „Nein“ sagte, forderten sie ihn auf, „Shibboleth“ zu sagen.
Sagte er „Shibboleth“ falsch aus, war er ein Ephraimiter. Dann ergriffen sie ihn und schlachteten ihn an den Furten des Jordans. In jener Zeit fielen von Ephraim zweiundvierzigtausend. Man muss sich die Augen reiben, um das nochmals zu lesen: Zweiundvierzigtausend! Und es ist kein Abschreibfehler, das steht tatsächlich so.
Jephtha richtete Israel sechs Jahre. Er starb und wurde in einer der Städte Gileads begraben, ohne dass gesagt wird, wo genau. Hier kämpft Bruder gegen Bruder.
Wir erinnern uns an Ehud, der ebenfalls an den Furten des Jordans Feinde abschlachtete. Aber Ehud tötete die Feinde, während Jephtha die Brüder bekämpfte.
Lektionen aus dem Bruderzwist und Abschluss
Die Lektion, die ich mir hier aufgeschrieben habe: Auch wir geraten manchmal in diese schreckliche Verwirrung und bekämpfen einander, weil wir nicht das richtige Schibbolet aussprechen können. Da geht es manchmal um ganz Kleinigkeiten.
Wir sagen etwas Verschiedenes, meinen aber dasselbe. Oder es geht um ein paar Kleinigkeiten, die der eine so ausdrückt und der andere anders, und dann sind die Ergebnisse schrecklich. Wegen einem Schibbolet bringt man ihn um. Natürlich hier im übertragenen Sinne. Ihr versteht mich, es geht hier um eine Anwendung.
Soweit Jephtha, also der gute Anfang von Jephtha, aber ein schlechtes, trauriges Ende. Gottes Volk wird dezimiert.
Da wollen wir hier eine Pause machen. Wir wollen wieder dem Herrn danken. Möchte jemand uns im Gebet leiten?
Diener zu sein, nicht Herrscher, wieder mit uns und dir zu werden. Amen. Amen.