Einleitung und Ermutigung zur Freude im Herrn
Paulus schreibt an die Philipper:
Übrigens, meine Brüder, freut euch im Herrn! Es ist mir nicht lästig, euch immer wieder dasselbe zu schreiben. Für euch bedeutet es vielmehr, dass ihr dadurch fest und standhaft werdet.
Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Beschneidung!
Denn wir sind die Beschneidung, die im Geist Gottes dient. Wir rühmen uns in Christus Jesus und vertrauen nicht auf das Fleisch.
Obwohl auch ich Vertrauen auf das Fleisch haben könnte. Wenn jemand meint, auf das Fleisch vertrauen zu können, dann noch mehr ich.
Paulus’ Herkunft und sein früheres Vertrauen auf das Fleisch
Warum zählt er auf: beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern, dem Gesetz nach ein Pharisäer, dem Eifer nach ein Verfolger der Gemeinde, der Gerechtigkeit nach, die im Gesetz ist, untadelig geworden.
Aber was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet. Ja, wirklich, ich achte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen. Um dessen Willen habe ich alles eingebüßt und es für Dreck gehalten.
Damit ich Christus gewinne und in ihm erfunden werde, indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus – die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens.
Um ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde. So hoffe ich, vielleicht irgendwie zur Auferstehung aus den Toten zu gelangen.
Die Geschichte der verlorenen Söhne und die Notwendigkeit der Herzenserneuerung
Soweit. Haben wir noch Plätze, wenn Spans noch kommen? Da sind ja zwei.
Ich denke, wir kennen alle die Geschichte von dem verlorenen Sohn in Lukas 15. Dieser verlorene Sohn hatte noch einen älteren Bruder. Der ältere Bruder war zu Hause geblieben und nicht davon gelaufen wie der Jüngere.
Doch nun frage ich euch: War nur der Jüngere ein verlorener Sohn oder auch der Ältere? Die Geschichte müsste eigentlich „Die Geschichte von den verlorenen Söhnen“ heißen, denn beide waren verloren. Noch besser wäre der Titel „Die Geschichte von der Liebe des Vaters“, denn das würde eigentlich noch mehr zutreffen.
Beide Söhne waren verloren, nicht nur der, der in offenkundiger Sünde sein Geld mit Huren, Spielern und Alkohol verprasst hatte, sondern auch der biedere, gutbürgerliche, anständige und moralisch lebende ältere Sohn, der zu Hause geblieben war.
Wir meinen oft, nur Menschen, die in offenkundiger Sünde leben, seien verloren. Dabei vergessen wir, dass Menschen, die ein anständiges, religiöses Leben führen, innerlich genauso weit weg von Gott sein können wie die offenkundigen Sünder.
Auch der religiöse Mensch, der schon von klein auf betet oder in christliche Kreise geht, braucht die Erneuerung seines Herzens durch Jesus. Das wird unzweifelhaft in der Geschichte von Nikodemus in den Evangelien dargelegt.
Selbst dieser fromme Mann, den Jesus einen Meister in Israel nennt – einen religiösen Experten –, sagt Jesus: „Wenn du nicht von neuem geboren wirst, kannst du nicht ins Reich Gottes kommen.“
Wenn Jesus das der Frau am Jakobsbrunnen gesagt hätte, die schon fünf Männer gehabt hat und jetzt mit einem zusammenlebt, der nicht ihr Mann ist, dann hätten wir gesagt: „Na klar, dieses Luder musste von neuem geboren werden.“
Aber Jesus sagt es dem Frömmsten in Israel, Nikodemus, dem Theologieprofessor.
Ziele der Bibelarbeit: Lernen von Paulus und Bewahrung der ersten Liebe
Und so haben wir heute Morgen in unserer Bibelarbeit ein doppeltes Ziel.
Wir wollen am Beispiel von Saulus von Tarsus lernen, wie auch ein religiöser Mensch wirklich zu Gott finden kann.
Außerdem wollen wir, die wir gläubig sind, lernen, wie wir in der ersten Liebe zu Jesus bleiben können.
Beides wird uns in dem Abschnitt, den wir gelesen haben, wunderbar vor Augen gestellt.
Warnung vor falschen Lehrern und dem Vertrauen auf das Fleisch
Am Anfang dieses dritten Kapitels im Philippabrief warnt Paulus die Christen von Philippi vor „Hunden“. In Vers 2 warnt er vor bösen Arbeitern und vor falscher Beschneidung. Wenn er sagt „Seht auf die Hunde“, meint er damit nicht entlaufene Schäferhunde oder Bernhardiner, sondern Menschen.
Das ist interessant, denn normalerweise bezeichneten die Juden Nichtjuden als Hunde. Diese abfällige Bezeichnung verwendeten die Israeliten oft für alle Nationen, für die Heiden – das waren die Hunde. Nun dreht Paulus den Spieß um und nennt gerade diese Juden „Hunde“, die in die Gemeinden eindrangen und den jungen Christen das alttestamentliche Gesetz aufzwingen wollten.
Sie verlangten, dass das mosaische Gesetz mit seinen 613 Einzelgeboten eingehalten wird. Diese Leute behaupteten, wenn man sich nicht beschneiden lässt, könne man nicht in den Himmel kommen. So einfach sei es nicht – man müsse nicht nur an Jesus glauben. „Wo kommen wir denn da hin?“ Nein, sagten sie, das ganze alttestamentliche Gesetz sei für alle Menschen gültig. Wer Gott gefallen wolle, müsse es halten. Und als Zeichen dafür müsse man sich beschneiden lassen.
Mit dieser Lehre kamen diese falschen Lehrer, diese Irrlehrer, von Juden in die jungen Gemeinden. Auch in Philippi drangen sie ein. Deshalb wird Paulus hier sehr hart. Es ist selten, dass Paulus eine so scharfe Sprache anschlägt: „Seht auf die Hunde! Seht auf!“ heißt so viel wie „Achtet auf“ oder „Passt auf!“
„Passt auf die bösen Arbeiter auf, passt auf die Zerschneidung auf!“ Das ist eine ironische Ausdrucksweise. Wenn sie unbedingt alle beschneiden wollen, sagt Paulus im Galaterbrief, dann sollen sie sich doch lieber selbst zerschneiden lassen. Paulus konnte also auch mal ironisch werden – und zwar an der richtigen Stelle.
Er warnt hier nicht vor ausgebrochenen Sträflingen oder bissigen Hunden, sondern vor Leuten, die den Gläubigen in Philippi einreden wollten, dass sie als Christen noch das alttestamentliche Gesetz halten müssten. Sie wollten die Christen wieder unter das Joch des alttestamentlichen Gesetzes bringen.
Wenn diese Irrlehrer Recht gehabt hätten, dann dürften auch wir heute als Christen kein Schweinefleisch essen. Ob das gesund ist, ist eine ganz andere Frage. Aber wir dürften kein Schweinefleisch essen, wir dürften am Ruhetag nicht mehr als tausend Schritte tun, müssten an bestimmten Tagen im Jahr fasten und dürften keine Kleidung tragen, in der zweierlei Fäden verarbeitet sind – und lauter solche Vorschriften. Das steht in den 613 Einzelgeboten des Fünf-Bücher-Mose.
Ihr versteht also, wie vehement Paulus vor diesen Leuten warnt und sagt: „Passt auf vor diesen Hunden und bösen Arbeitern!“
Geistliche Beschneidung und das Vertrauen auf Christus statt auf Fleisch
Es ist interessant, dass er im nächsten Vers, Vers drei, ihnen vorwirft, sich auf das Fleisch zu verlassen. Er sagt: Wir sind die Beschneidung, die im Geist Gott dient.
Ihr habt sicher auch schon im Römerbrief gelesen, dass der Apostel Paulus dort erklärt, es gebe eine leibliche, äußere, körperliche Beschneidung, bei der ein Stück Haut abgetrennt wird. Daneben gibt es aber auch eine geistliche Beschneidung, bei der am Herzen etwas geschieht – innerlich. Dort wird das Herz beschnitten, etwas wird getrennt, nämlich Fleisch und Geist. Innerlich wird all das durchgestrichen, worauf wir uns von Natur aus gerne verlassen und stützen.
Deshalb sagt Paulus hier: Wir sind die Beschneidung, die im Geist Gott dient. Wir dienen im Geist Gottes. Wir rühmen uns in Christus Jesus. Wir rühmen uns nicht einer äußeren Handlung, egal ob wir beschnitten sind, Stirnlocken tragen oder andere äußerliche Merkmale pflegen. Nein, wir rühmen uns im Geist Gottes und in Christus Jesus.
Dann sagt er weiter: Wir verlassen uns nicht auf das Fleisch, wir vertrauen nicht auf das Fleisch, obwohl auch er Vertrauen auf das Fleisch haben könnte. Das müssen wir jetzt ein wenig näher betrachten und erarbeiten, was es bedeutet, nicht auf das Fleisch zu vertrauen.
Die Bedeutung von „Fleisch“ im biblischen Kontext
Ihr kennt vielleicht diese nette Geschichte: Ein Pfarrer wollte bei seinen Konfirmanden testen, ob sie die Sprache der Bibel und vor allem der Lutherbibel verstehen. Dazu gab er ihnen zur Probe den Vers Römer 8,12. Dort steht: „So sind wir nun, liebe Brüder, nicht Schuldner nach dem Fleisch, dass wir nach dem Fleisch leben.“
Er wollte wissen, was sie darunter verstehen. Die Konfirmanden schrieben ihre Antworten auf Zettel, die er einsammelte. Die originellste Antwort eines Schülers lautete: „Paulus hat seine Schulden beim Metzger bezahlt und möchte in Zukunft als Vegetarier leben.“
Der Vers lautet also: „So sind wir nun, liebe Brüder, nicht Schuldner nach dem Fleisch, dass wir nach dem Fleisch leben.“ Ihr merkt, das ist eine schwierige Begrifflichkeit, die wir erst definieren müssen.
Das hat mit Fleisch im Sinne von Menschlichem oder Tierischem überhaupt nichts zu tun. „Auf Fleisch verlassen“ meint etwas anderes. Fleisch heißt in der ganzen Bibel ein Verlassen auf menschliche Abstammung, auf menschliche Intelligenz, menschliche Kraft und menschliche Leistung.
Fleischvertrauen bedeutet, auf das Vertrauen und die Hoffnung zu setzen, die wir von Natur aus mitbringen: unsere Herkunft, unsere Abstammung, unsere Intelligenz, Kraft, Leistung, Fähigkeiten und Tugenden. All das zusammen bedeutet Fleisch.
Im Gegensatz dazu steht der Geist. Geist ist das, was Gott schenkt, was nicht aus eigener Kraft gewachsen ist, was ich nicht selbst produzieren kann. Ich sage ja immer: Die roten Blutkörperchen in unserem Knochenmark können wir wirklich selbst produzieren. Das kommt von uns, ein gesunder Körper stellt sie her.
Aber geistliche Dinge können wir niemals aus uns selbst heraus bewirken. Was wir hervorbringen, ist Fleisch. Und was daraus entsteht, ist fleischlich. Das ist auch kein Wunder, wenn man so 73 Kilo Fleisch mit sich herumschleppt und ein paar Knochen dazu hat. Da kann nichts anderes herauskommen als Fleisch.
Das meint der Begriff „Fleisch“ vor allem im Neuen Testament, aber auch schon im Alten Testament. Interessant ist, dass dieses Wort „Fleisch“ zum ersten Mal in 1. Mose 6 vorkommt. Dort sagt Gott: „Ich will meinen Geist nicht immerdar im Menschen walten lassen, denn auch er ist Fleisch.“ (1. Mose 6)
In diesem Vers wird der gefallene Mensch nach dem Sündenfall als Fleisch bezeichnet. Fleisch heißt einfach: der natürliche Mensch ohne Gott, ohne das Göttliche, das Gott hineingeben will, ohne Geist in ihm. So, wie er ist, als Gefallener.
Da sind noch ein paar angelernte Sachen, vielleicht noch ein paar Naturbegabungen, ein bisschen Intelligenz, eine Art Software im Kopf und noch ein paar Anlagen. Aber nichts davon ist etwas, was Gott gefallen könnte. Das meint Fleisch.
Praktische Beispiele für das Vertrauen auf Fleisch
Und das sieht im praktischen Leben so aus, wenn Menschen auf das Fleisch vertrauen – wie diese Irrlehrer, die in die Gemeinde von Philippi eindrangen.
Heute kann das zum Beispiel so aussehen: Ein Reicher verlässt sich auf sein Geld, ein Athlet auf seine Körperkraft, ein Mädchen auf seine Schönheit – vielleicht unterstützt durch einige Schönheitsmittel. Ein Intellektueller verlässt sich auf seine Klugheit, ein Frommer auf seine Frömmigkeit. Das ist Fleisch. So zeigt es sich vielleicht ganz praktisch.
Wir haben immer irgendetwas, worauf wir uns verlassen können. Vielleicht ist man nicht besonders intelligent, dann ist man vielleicht sportlich gut oder hat eine hübsche Gestalt. Oder man ist sehr schön, aber dafür nicht so fromm. Vielleicht ist man auch nur fromm – oder wie auch immer. Wir finden immer etwas, bei dem wir meinen: Hier kann ich wirklich glänzen, darauf kann ich mich verlassen und damit kann ich mich rühmen.
William Busch sagte einmal ironisch: Ein junger Mann rühmt sich seiner Kraft, eine hübsche Frau ihrer Schönheit, und ein alter Mensch, der nichts mehr zu rühmen hat, rühmt sich vielleicht nur noch seiner vielen Krankheiten. Aber zu rühmen hat er immer etwas. So ist der Mensch.
Das heißt, auf Fleisch vertrauen heißt, sich auf das Fleisch zu verlassen – auch im Blick auf die Stellung zu Gott. Man sagt dann vielleicht: Lieber Gott, mit mir hast du doch gar keinen so schlechten Fang gemacht. So schlecht wie andere bin ich wirklich nicht. Und schau mal, ich habe keine silbernen Löffel geklaut, ich habe mich immer bemüht, meine Kollegen achten mich alle und so weiter.
Das werden wir nicht so offen aussprechen, aber vielleicht ist es die Grundhaltung in unserem Herzen von Natur aus. Das ist der religiöse Mensch, der sich auf das Fleisch verlässt.
An dieser Stelle stellt sich die Frage an uns: Wenn wir uns selbst so im Spiegel sehen – wo verlasse ich mich eigentlich noch auf das Fleisch? Wo stütze ich mich darauf, wo mache ich das für mich und vielleicht auch vor Gott geltend? Worauf baue ich? Was ist mein Fundament? Wo verlasse ich mich in meinem Leben auf das Fleisch?
Man kann sogar schon gläubig geworden sein und doch gibt es Dinge, auf die man sich immer noch im Fleisch verlässt. Das soll nicht heißen, dass jemand, der an Jesus glaubt, nie mehr mit dem Fleisch zu tun hat. Das wird uns verfolgen, bis sich der Sargdeckel über uns schließt.
Paulus’ eigene Lebensgeschichte als Beispiel für Fleischvertrauen
Und nun wollen wir im Text weitergehen. Paulus spricht nun zu den Lehrern der Juden und sagt: Ihr vertraut auf das Fleisch und verlasst euch darauf. Aber ich will euch etwas sagen: Wenn sich irgendjemand auf das Fleisch verlassen könnte, auf das, was wir da aufgezählt haben, dann wäre ich das.
Jetzt hält er ihnen vor, was er vorzuweisen hatte, als er noch im Judentum lebte. Schauen wir uns das ab Vers 5 an. Er sagt: Beschnitten am achten Tag. Er beginnt mit der Beschneidung, weil das für die Irrlehrer damals das Höchste war. Die erste Frage war: Bist du schon beschnitten? Und damit beginnt Paulus: Beschnitten am achten Tag, wie es das Gebot war.
Ihr erinnert euch sicher, warum am achten Tag beschnitten wurde. Abraham wusste das damals noch nicht, als er den Auftrag von Gott erhielt. Aber die heutige Medizin weiß es: Die Blutgerinnung bei einem Säugling ist am achten Tag am höchsten und funktioniert am schnellsten. Das wusste Abraham nicht, aber Gott, der den Menschen geschaffen hat, wusste es. Er sagte, am achten Tag soll beschnitten werden. Eine großartige medizinische Wahrheit in der Bibel.
Also: Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern. „Vom Geschlecht Israel“ bedeutet, ich gehöre zum auserwählten Volk Gottes. „Vom Stamm Benjamin“ heißt, das war einer der aristokratischen Stämme Israels. Ja, Juda und Benjamin standen ganz oben. Benjamin war der Stamm, aus dem der erste König Israels kam, Saul. Und Paulus trug den Namen Saul von Tarsus.
Benjamin – darauf war man stolz. Auch heute noch ist ein Jude stolz, wenn er seine Abstammung vom Stamm Benjamin nachweisen kann. „Hebräer von Hebräern“ heißt, er gehörte zum Kernjudentum. Er kannte die hebräische Sprache, die hebräischen Schriften und die hebräische Kultur sehr genau.
Das heißt: Hebräer von Hebräern, dem Gesetz nach ein Pharisäer. Er gehörte zur streng orthodoxen Richtung, nicht liberal, sondern zur strengsten Richtung in Israel, den Pharisäern, den Gesetzestreuen.
Und im Eifer war er ein Verfolger der Gemeinde. Ein Eiferer, ein Zelot – im Griechischen jemand, der mit aller Kraft und vollem Einsatz für eine Sache kämpft. In diesem Fall kämpfte er gegen die Gemeinde.
Und in der Gerechtigkeit nach dem Gesetz war er untadelig geworden. Paulus sagt nicht, er sei sündlos gewesen. Wer im Gesetz untadelig war, beging auch Fehler. Aber er brachte sofort für den Fehler ein Opfer dar. Damit blieb er untadelig im Gesetz.
Untadelig im Gesetz bedeutet nicht sündlos, aber er brachte sofort das dafür vorgesehene Opfer dar und blieb so immer in der Gerechtigkeit vor Gott, der alttestamentlichen.
So nennt sich Paulus hier: untadelig im Gesetz. Er sagt, all das könnte er vorweisen. Er könnte sich praktisch brüsten, wenn er wollte, und darauf hat er sich früher auch gebrüstet.
Wer sich heute auf diese Dinge verlässt, die Paulus „Fleisch“ nennt, baut einen wackeligen Turm – so wie wir ihn auf der Folie sehen: Intelligenz, Energie, Frömmigkeit, Kraft, Wissen. Und oben steht man darauf mit Selbstsicherheit.
Das ist eine sehr wackelige Angelegenheit, wenn jemand sein Leben so aufbaut und auf das Fleisch vertraut.
Reflexion über heutige Parallelen zum Fleischvertrauen
Aber jetzt ist für uns wichtig: Was bedeutet das heute? Wir haben bei Paulus gesehen, dass er beschnitten war, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin stammte, ein Hebräer von Hebräern war, ein Pharisäer und das Gesetz untadelig hielt.
An dieser Stelle möchte ich eine kleine Pause machen und jeden bitten, sich ein paar Minuten Gedanken zu machen: Was bedeutet das heute? Wie könnte das heute aussehen?
Paulus rühmte sich damals damit, beschnitten zu sein, vom Geschlecht Israel und vom Stamm Benjamin zu stammen. Was könnte das heute für einen Menschen im zwanzigsten Jahrhundert bedeuten? Worauf verlässt er sich?
Wir sind ja keine Juden. Aber in unserer Kultur, in der wir leben, gibt es entsprechende Dinge, die jeder für sich überlegen kann: Was ist das entsprechende Gegenstück dazu heute? In unserer Zeit, in unserem Leben, vielleicht auch im persönlichen Leben – worauf könnte ich mich verlassen, habe mich verlassen oder verlasse mich noch als Gegenstück dazu?
Wir haben hier die Gegenüberstellung bei Paulus damals: Wenn er sich auf das Fleisch verlassen wollte, dann war ihm wichtig, am achten Tag beschnitten zu sein. Heute gibt es Menschen, die das sehr ernst nehmen und sagen: Ich bin mit sechs oder acht Wochen getauft. Ich bin vom Geschlecht Israel – in unserem Fall heißt das vielleicht: Ich gehöre zu einer bestimmten Kirche oder freikirchlichen religiösen Gruppe. Da bin ich Mitglied, da bin ich eingeschrieben. Ich bin vom Stamm Benjamin – ich habe eine religiöse oder gut christliche Familie, ich komme aus einer Tradition. Meine Großeltern waren schon engagiert.
Hebräer von Hebräern: Ich halte an der Tradition meiner Kirche fest, ich bin nicht liberal, ich bin da ganz im Kern. Nach dem Gesetz ein Pharisäer: Ich gehöre zu einer strengen Richtung, ich nehme es ganz ernst, ich setze mich ein, ich lasse mir meine Religion etwas kosten. Und nach dem Gesetz untadelig: Ich führe ein moralisch einwandfreies Leben.
Wer heute so denkt, der verlässt sich hundertprozentig auf das Fleisch. Das ist Fleisch, auf das Paulus hier verweist: auf Fleisch vertrauen.
Die Nebenwirkung des Fleischvertrauens: Stolz
Und wenn jemand diese Haltung hat, dann wird das nicht ohne Nebenwirkungen bleiben. Ihr wisst alle, dass es bestimmte Medikamente gibt, die so starke Nebenwirkungen haben, dass der Schaden größer ist als der Nutzen. Da könnte uns jetzt Fred mehr darüber sagen.
Und jetzt bitte gut zuhören: Wer dieses Medikament nimmt, wer sich auf das Fleisch verlässt, der wird starke Nebenwirkungen hervorrufen. Die Hauptnebenwirkung beim Verlassen auf das Fleisch heißt Stolz. Wer sich auf das Fleisch verlässt, wird stolz. Stolz ist etwas ganz Schlimmes in Gottes Augen.
Wir sehen das auch beim Apostel Paulus und bei vielen Juden generell, aber auch bei Christen heute oder sogenannten Namenschristen – ganz egal, bei allen Menschen ist Stolz etwas ganz Fatales. Da sagt Gott: „Das brauche ich denn da? Das brauche ich nicht.“
Im Blick auf Paulus: Er gehörte zum Volk Israel, und das ist ein ganz starker Nationalstolz. Es gibt kaum ein Volk auf der Erde, das einen solchen Nationalstolz hat wie die Juden, müssen wir sachlich sagen. Ein sehr starker Nationalstolz kommt daher, dass sie sich als das erwählte Volk aus dem Alten Testament sehen.
Aber auch viele Deutsche sind unheimlich stolz darauf, Deutsche zu sein, oder Schweizer darauf, Schweizer zu sein, oder Amerikaner darauf, Amerikaner zu sein. Das gibt es überall. Aber bei den Juden ist der Nationalstolz besonders ausgeprägt – zum Beispiel beim Stamm Benjamin, auch Familienstolz.
Man muss nicht die Familienchronik bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückverfolgen können. Es reichen schon zwei, drei Generationen, um Familienstolz zu haben. Besonders in manchen Orten, gerade in Dörfern, aber auch manchmal in Städten, gibt es diesen Familienstolz.
Dann gibt es den Bildungsstolz. Das ist der Stolz der Hebräer: „Was habe ich für eine schulische und vielleicht sogar universitäre Ausbildung? Was habe ich für eine Bildung? Was habe ich gelesen? Ich kenne mich aus in Kultur, Literatur, Theater, Kunst und Wissenschaft.“ Das ist Bildungsstolz.
Bitte versteht mich nicht falsch: Es ist nicht generell schlecht, etwas über Kultur und Literatur zu wissen. Auch eine gute Familientradition ist nicht schlecht. Aber schlecht wird es, wenn wir darauf stolz werden. Das meine ich.
Und dann gibt es noch den frommen Stolz der Pharisäer. Das ist wohl das Gräulichste in Gottes Augen. Frommer Stolz! Wir sehen in den Evangelien, wie der Herr Jesus niemanden so hart angefahren hat wie die frommen, stolzen Pharisäer. Wie hat er sie genannt? Otterngezücht, Schlangenbrut, getünchte Gräber und so weiter. Auch Johannes der Täufer hat das deutlich gemacht.
Stolz ist eine ganz schlimme Sache. Das ist die Nebenwirkung, wenn sich Menschen auf das Fleisch verlassen und nicht Gott die Ehre geben. Wenn sie sich nicht Gottes und Christi rühmen, sondern sagen: „Was kann ich dafür, dass ich aus dieser Familie komme? Was kann ich dafür, dass ich diese Intelligenz mitgebracht habe? Was kann ich dafür, dass ich bewahrt geblieben bin vor einem groben Sündenleben?“ Nein, es ist Gottes Gnade gewesen.
Das ist das Gegenstück dazu. Aber von Natur aus sind wir sehr stolz. Wir verlassen uns auf das Fleisch, und das wird deutlich am Stolz. Das ist der Indikator, das Barometer. Jeder Mensch, der sich auf das Fleisch verlässt, wird stolz. Das ist ein Gesetz im Universum, das geht nicht anders.
Sich auf das Fleisch zu verlassen hat zur Folge: Stolz. Wir sehen es hier bei Paulus, wie er das aufzählt. Obwohl es in der Vergangenheit liegt, so ging er früher daher – mit erhobenem Haupt. Er dachte, unter der ganzen Sonne gibt es niemanden wie ihn, so einen frommen, religiösen Juden. Und wahrscheinlich gab es das auch nicht. Aber der Stolz war mit Händen zu greifen.
So gehen wir von Natur auch daher und sagen: „Ja, mit mir hat Gott einen guten Fang gemacht“ und so weiter. Das muss uns aufgezeigt werden.
Stolz ist in Gottes Augen eine ganz gräuliche Sünde. Die Bibel sagt: Der Herr kennt die Stolzen nur von ferne. Ein Mensch, der bei diesem Stolz bleibt, der auf das Fleisch vertraut, wird nicht im Himmel zu finden sein. Gott kennt ihn nur von ferne.
Im Himmel wird es nur solche geben, die stolz waren und ihren Stolz zu Füßen des Kreuzes niedergelegt haben. Aber grundsätzlich wird es keine Stolzen geben, die auf das Fleisch vertrauen.
Paulus’ radikaler Bruch mit seinem früheren Leben
Zum Glück müssen wir an dieser Stelle nicht bei dem Apostel Paulus stehen bleiben. Er fährt fort und schreibt an die Philippianer. Er sagt, dass er diesen Leuten, die eingedrungen sind, durchaus etwas vorhalten könnte. Wenn er das täte, würden sie vor Neid verblassen und verstummen mit ihrem Rühmen auf Fleisch und Vertrauen. Er hätte viel mehr Recht dazu.
Doch dann kommt in Vers 7 ein radikaler Bruch mit der bisherigen religiösen Tradition. Was auch immer ihm früher Gewinn war, worauf er stolz war, was er vorweisen konnte und worum ihn andere beneidet haben – all das hat er um Christi willen für Verlust geachtet. Hier sehen wir die persönliche Gewinn- und Verlustrechnung des Apostels Paulus.
Darüber wüsste Wolfgang mehr zu sagen, doch hier haben wir eine ganz persönliche Bilanz. Paulus sagt, was ihm früher Gewinn war, worauf er sich verlassen hat und was ihm alles bedeutet hat, das hat er für Verlust erklärt. Er hat einen Strich darunter gezogen und erkannt, dass das vor Gott rote Zahlen sind, dass es überhaupt nichts taugt.
Er hat alles für Verlust geachtet – ja, wirklich – um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn, willen. Das ist eine völlige Umwertung aller bisherigen Werte, eine Wende um hundertachtzig Grad, ein radikaler Bruch mit seinem religiösen Vorleben.
Das Bild vom Hund und dem alten Knochen: Loslassen des Alten für das Neue
Wie ist so etwas möglich? Wie kam es bei Paulus zu diesem Bruch? Ich muss es an einem Bild erklären. Schade, dass Klaus nicht da ist.
Wenn man einen Hund hat, der sich an einem alten Knochen festgebissen hat – je älter der Knochen, desto mehr duftet er, und das mögen Hunde sehr. Der Hund hat sich also an seinem Knochen festgebissen. Würde ich versuchen, ihm den Knochen wegzunehmen, würde ich das vermutlich mit blutigen Fingern bezahlen, wenn der Hund richtig erzogen ist.
Deshalb sage ich: Wenn ich zu Klaus oder Philou gehen und ihm den Knochen wegnehmen wollte, würde er sehr ungemütlich werden. Aber angenommen, er hätte schon länger nichts gegessen und ich käme mit ein paar Frankfurter Würstchen oder einem guten Stück Fleisch. Dann könnte es sein, dass er seinen alten Knochen fallen lässt und sich auf das Fleisch stürzt.
Nehmen wir mal an, das wäre ein Hund, der so reagiert. Es gibt vielleicht auch große Knochenfreunde, die sich nicht ablenken lassen würden. Aber in der Regel würde er, glaube ich, nach dem Fleisch schnappen – gerade wenn er Hunger hat.
So ist es auch bei uns: Wir beißen uns so lange am Alten fest, bis uns etwas Besseres, etwas viel Großartigeres angeboten wird.
Die Begegnung mit Christus als Wendepunkt im Leben des Paulus
Und wenn jemand zu Saulus von Tarsus gekommen wäre und gesagt hätte: „Saulus, versuch es doch mal mit einer anderen Religion. Hier, ich habe da etwas gehört von einer alten chinesischen Religion, die gibt es auch schon zweitausend Jahre. Versuch es doch mal damit, oder probiere es mit irgendeiner Astralreligion.“
Da hätte Paulus darüber gelacht. Er hätte gesagt: „Bleib mir vom Hals mit dem Judentum! Das ist die beste Religion auf dem Erdboden. Weg damit, da kannst du mich überhaupt nicht mit locken.“ Paulus wäre von keiner anderen Religion zu beeindrucken gewesen.
Aber als Christus ihm begegnete und er die Person Jesus Christus erkannte, da hat er den alten Knochen sofort fahren lassen. Sofort. Diese in sich geschlossene Welt des religiösen Idealisten Saulus konnte nur von außen aufgerissen und den Todesstoß versetzt werden.
Wir wissen, wo das war. Das war vor Damaskus, vor dieser Stadt, als ihm der auferstandene Christus begegnete. Wir wollen das jetzt nicht noch einmal lesen. Das haben wir vor einigen Monaten sonntags mal in der Gemeinde betrachtet.
Saulus war unterwegs. Er wollte auch im benachbarten Ausland die Christen verhaften, vor die Räte schleifen und unter Umständen töten und vernichten auf diesem Erdboden. Und jetzt begegnet ihm Christus vor Damaskus, der Auferstandene, der lebende Herr.
Keine andere Macht der Welt hätte ihn von seiner festen religiösen Meinung abbringen können. Keine Kirche, keine frommen Menschen, kein Prediger, nicht die beste Predigt, keine Argumente, keine Erfahrung – nur ein einziger konnte diese harte Nuss knacken: das war der lebendige, erhöhte Herr.
Und ich bin sehr froh, dass dieser Herr Jesus Christus auch heute noch Menschen so begegnet, auch religiösen Menschen, die glauben, sie hätten die beste Religion auf der Welt.
Die Härte der Herzen der Selbstgerechten und die dramatischste Bekehrung
Und ich sage euch: Die härtesten Herzen sind nicht die der Zöllner, Dirnen und Sünder, sondern die der in sich selbst Gerechten. Das sind diejenigen, die keinen Retter brauchen und sich auf das Fleisch verlassen – mit der Nebenwirkung Stolz. Das sind die härtesten Herzen.
Vor Damaskus brach bei Paulus alles zusammen, als er Jesus Christus sah. Wir müssen uns vor Augen halten, was das bedeutete. Saulus hörte die Stimme: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Er fragte: „Herr, wer bist du?“ Und die Stimme antwortete: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“
Wir müssen uns in die Gedankenwelt des Saulus versetzen. Er dachte: Jesus war so ein Dahergelaufener aus Nazareth, dem alle nachgelaufen sind. Er hat ein paar Zauberkunststücke vorgeführt, und dann haben sie geglaubt, er sei der Messias. Das konnte nicht sein – aus Nazareth! Saulus dachte, Jesus sei zu Recht am Kreuz hingerichtet worden. Für ihn war Jesus ein Volksverführer, ein Sektierer, ein Irrlehrer, der beseitigt werden musste. „Gut so, Kreuz – das war die richtige Strafe für ihn.“ So dachte er: „Jetzt ist er endlich weg, wie ein Verbrecher hingerichtet.“
Und jetzt begegnet ihm dieser in seinen Augen hingerichtete Verbrecher als der Auferstandene. Da begreift er: Dieser Mann ist der Messias Israels – und noch mehr. Er erkennt, dass dieser Jesus Christus Gott ist.
Später sagt Paulus von sich selbst: „Ich war ein Lästerer, Verfolger und Mörder.“ Er erklärt, dass er nicht Gott im Himmel gelästert hat, sondern den Namen Jesus. Er hat gesagt, Jesus sei ein Verbrecher. Indem er sich als Lästerer bezeichnet, erkennt er: Jesus ist Gott. Lästerung kann man nur Gott gegenüber begehen. Im Griechischen steht dafür das Wort „Blasphemie“, und das kann man nur gegen Gott richten.
So erkennt Paulus: Jesus Christus ist Gott, der Auferstandene, Gott, der Mensch geworden ist. Gott in Menschengestalt. Und diesen hat er gelästert. Außerdem hat er die Kinder und Glieder Jesu getötet, verfolgt und ihnen Schlimmes angetan. Er hat Männer verhaftet, Frauen ihrer Väter und Kinder beraubt sowie Frauen ihrer Ehemänner.
Jetzt wird ihm klar: Sein bisheriger Weg war falsch. Er war kein tadelloser, frommer Mann, sondern ein lästernder Verfolger und Mörder. Eher ein religiöser Eiferer, ein Feind Gottes.
Dramatischer kann es wirklich nicht sein. Das ist die dramatischste Bekehrung in der ganzen Weltgeschichte gewesen, davon bin ich überzeugt.
Die Bedeutung der persönlichen Christusbegegnung heute
Dede Saulus von Tarsus. Der Totgeglaubte steht lebendig vor ihm. Er erkennt ihn. Er hat eine ganz persönliche Christusbegegnung – und das ist der Kern einer echten Bekehrung.
Anders geht es heute auch nicht. Es muss diese ganz persönliche Christusbegegnung erfolgen. Vielleicht nicht vor Damaskus, vielleicht nicht mit einem hellen Licht und einer Stimme vom Himmel, vielleicht ganz schlicht irgendwo. Durch ein Buch, das wir lesen, durch eine Predigt, die wir hören, durch ein Gespräch, das wir mit einem Menschen führen, oder zuhause ganz in der Stille. Aber Christus begegnen – als dem Auferstandenen – und erkennen: Er ist Gott, der Mensch gewordene Gott.
Bei manchen Leuten hat man nämlich den Eindruck, sie sind bloß einem frommen Menschen begegnet. Sie schwärmen in den höchsten Tönen von dem Pfarrer oder Prediger oder einem Christen, den sie kennengelernt haben. Aber Christus? Von Christus schwärmen sie nicht.
Bei manchen hat man den Eindruck, sie sind vielleicht einer Kirche oder religiösen Gemeinschaft begegnet. Sie sprechen immer nur von ihrer religiösen Gruppe und sagen: „Da bei uns ist es am schönsten und am besten.“ Da liegt ein Missverständnis vor. In der Bibel steht: Glaube an den Herrn Jesus, nicht Glaube an die Kirche oder an die Gruppe, sondern an den Herrn Jesus. Denn nicht die Kirche oder Gruppe ist für mich gestorben, sondern allein er.
Und da möchte ich auch an der Stelle kurz zwischenfragen: Wie ist das bei uns? Wie ist das bei dir? Bist du frommen Menschen begegnet? Vielleicht einer frommen Vereinigung? Oder hast du eine persönliche Begegnung gehabt mit dem auferstandenen Jesus Christus?
Die Folgen einer echten Christusbegegnung
In einer solchen Stunde hat nämlich alle Religiosität ein Ende. Man sieht sich und sein Leben in Gottes Licht. Plötzlich verblasst aller Eigenruhm. Man verlässt sich nicht mehr auf das Fleisch, ist nicht mehr stolz auf Herkunft und all die Dinge, die wir eben aufgezählt haben.
Da verblassen die paar guten Werke, die man getan hat. Auch Sakramente, formale Kirchenzugehörigkeit oder sonstige Zugehörigkeiten treten in den Hintergrund. Auf einmal steht Gottes Heiligkeit da, der große gerechte Herrscher, dessen Gebote ich hundert- und tausendfach übertreten habe. Vor ihm bin ich ein Sünder, ein hoffnungslos verlorener Mensch, der mit eigenen Werken, eigener Religiosität und Gerechtigkeit nicht bestehen kann in Gottes Licht.
Ich möchte noch einmal betonen: Das merkt man einem Menschen an, ob er wirklich einmal Christus begegnet ist. Diese Begegnung wird sein Leben verändern. Er kann sich nicht mehr wie früher auf das Fleisch verlassen. Es wird ein radikaler Bruch kommen.
Als ich Jesus vor 15 Jahren begegnet bin, hat er mich gepackt und auf den Boden geworfen – innerlich. Das war zuerst schmerzlich. Meine Selbstherrlichkeit zerbrach. Bis dahin war ich der Herr meines Lebens, stand am Regiepult, am Kommandopult, hielt die Fäden in der Hand und traf alle Entscheidungen selbst, ohne nach rechts oder links zu fragen. Ich war der Herr meines Lebens. Doch dann musste ich vom Thron heruntersteigen.
Aber er hat mir auch vergeben. Er hat meine ganze Schuld um mich angenommen. Er hat mich aufgerichtet und auf die Beine gestellt. Jetzt darf ich ihm mit aufgerichtetem Haupt dienen.
Jesus ist mein Leben geworden, er ist mein Gewinn. Ich möchte sagen: Christus ist die große Liebe meines Lebens geworden. Ich möchte mit Leidenschaft von ihm sprechen. Er ist mein Leben, das, was mir am allermeisten bedeutet. Alles andere kommt weit dahinter – Christus.
Persönliche Zeugnisse und der Wert des Verzichts für Christus
Ich möchte auch mit Paulus sagen: Was mir früher Gewinn war, was mir persönlich viel bedeutete, habe ich um Jesu Willen für Schaden erachtet. Meine sogenannte Freiheit, meine alten Freunde, meine damalige Freundin, der Alkohol, mein nagelneuer Sportwagen, mein großzügiger Lebensstil und all die Dinge – es ist mir nicht schwergefallen, sie aufzugeben. Es war alter Knochen.
Bildlich gesprochen war es nur ein alter, stinkender Knochen gegen das gute Fleisch. Bei Paulus waren es religiöse Dinge, die er loslassen musste, bei mir waren es weltliche Freuden. Ich weiß nicht, was es bei dir war oder ist, was dir am meisten bedeutet – ganz gleich, was es ist. Wer Jesus erkennt als den Auferstandenen, als das Leben, der lässt gerne den Knochen fahren. Denn sonst hat man noch für ein paar Jahre irdischen Genuss. Aber vor dem Richterdrohen Gottes verblasst all das.
Darum frage ich dich: Hat es diesen Bruch in deinem Leben gegeben? Ich sage noch einmal, nicht unbedingt so dramatisch wie bei Saulus von Tarsus, aber dieser Bruch, dieser Schnitt muss erkennbar sein. Denn diesen Bruch vermisst der Herr vielleicht heute im Leben vieler frommer Leute. Man war religiös-christlich. Eines Tages fing man vielleicht durch bestimmte Umstände oder Probleme an zu beten oder einen christlichen Kreis aufzusuchen. Man stellte sein Leben in einigen Dingen um, fluchte nicht mehr, sondern begann vor den Mahlzeiten zu beten. Man versuchte, sich dem allgemeinen christlichen Pegel anzupassen. Man kriegte das vielleicht ganz gut hin. Aber wo ist der Bruch? Wo ist das Erkennen des falschen, christlich-religiösen Weges?
Wo ist die Buße, das heißt die echte Umkehr, bei der auch Stolz, Selbstherrlichkeit und Selbstgerechtigkeit – eben das Fleisch – zerbricht und abgetrennt wird? Wo geschieht die Beschneidung des Herzens? Wo ist die echte biblische Buße? Wo ist das Erkennen der Person Jesu Christi als, wie Paulus sagt, überschwängliche Größe der Erkenntnis Christi Jesu, als das Licht, das alle anderen Lichter überstrahlt? Wo ist das?
Man kann sein altes religiöses Leben nicht einfach steigern, bis es Gott gefällt: noch ein bisschen mehr beten, noch ein bisschen mehr spenden, noch ein bisschen öfter Gottesdienste besuchen. Das beseitigt den Grundschaden nicht. Man kann nur sein Leben unter Jesu Kreuz in den Tod geben und das alte, schmutzige, stinkende Kleid ablegen.
Oder liebäugelst du damit? Denkst du, es war doch nicht so schlecht in Ägypten, wie das Volk Israel meinte? Es war doch nicht ganz so schlecht, mein Leben früher. Da waren doch so viele Annehmlichkeiten, die ich mir heute nicht mehr leisten kann. Wenn das so ist, dann flehe zu Gott, dass er dir die Größe der Erkenntnis Jesu Christi schenken möge. Das ist das Geheimnis.
Wir dürfen beten: Herr, Herr Jesus, offenbar dich mir, damit ich dich in deiner Größe noch klarer, noch tiefer, noch schöner erkenne – deine Schönheit, deine Herrlichkeit, deine Unübertrefflichkeit. Das ist der Weg. Christus-Erkenntnis ist Heilserkenntnis.
Jesus selbst betete im Garten Gethsemane: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus.“ Jesus Christus erkennen bedeutet eine ganz enge Vereinigung mit ihm einzugehen, eine innigste Verbindung. Dieses Wort „erkennen“ wird in der Bibel sogar für den Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau gebraucht – also die engste Gemeinschaft, die zwischen zwei Menschen möglich ist.
Diese enge Vereinigung möchte der Herr mit uns eingehen. Das heißt, ihn erkennen, wirklich ganz zusammenwachsen mit ihm, erkennen, dass er Gott ist und dass man ohne ihn „völlig daneben liegt, mausetot und verloren ist“.
Die Folgen der Erkenntnis Christi für das Leben
Wie anders könnte unser Leben aussehen, wenn wir uns ganz ergreifen lassen und ihn wirklich als unseren Lebensherrn anerkennen.
Wir würden inneren Frieden erfahren, eine Grundgeborgenheit spüren und die Gewissheit des ewigen Lebens gewinnen. Zudem würden wir Freude in der Gemeinschaft der Christen erleben, Hoffnung über den Tod hinaus haben und damit ein sinnerfülltes Leben führen.
Manfred Siebald hat einmal gesungen: „Was könnte Gott aus deinem Leben machen, wenn du ihn nur Herr sein ließest, ganz und gar.“
Nun könnt ihr sagen: Wilfried, warum sagst du uns das? Du weißt doch, dass viele von uns das schon erlebt haben. Und dessen bin ich mir auch ganz sicher, dass viele von uns in den letzten Jahren irgendwann in ihrem Leben genau das so erlebt haben.
Dass sie wirklich nachsprechen können: „Ja, was mir früher Gewinn war, das habe ich um Christi Willen für Verlust geachtet.“
Ich habe das erkannt: Meine persönliche Gewinn- und Verlustrechnung. Mein Leben gehört Jesus, ich liebe ihn und ich vertraue ganz auf ihn.
Die Herausforderung der fortdauernden Nachfolge
Aber wie lange ist es her? Wann war die Stunde deiner Bekehrung? Vor einem Jahr, vor zwei, vor fünf, vor zehn, vor zwanzig oder vor vierzig Jahren? Wann war deine Bekehrung? Kannst du das heute noch sagen?
Schaut mal, Vers 7 und 8: Paulus sagt, was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet. Wann war das? Das war im Jahr 33 nach Christus, vor Damaskus. Das war, als er Jesus begegnete, vor Damaskus.
Wann schreibt er das hier, im Philipperbrief? Im Jahr 60 nach Christus, also 27 Jahre später. Vielleicht waren es 28, das spielt keine Rolle. Fast drei Jahrzehnte später sagt er: Ja, wirklich, ich achte auch heute noch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu willen.
Vorne steht im Vers 7 die Vergangenheitsform: Was mir gewinnbar war, habe ich damals für Verlust geachtet, bei meiner Bekehrung. Und jetzt fährt er in der Gegenwart fort: Ja, wirklich, ich achte auch heute noch alles für Verlust.
Das hat mich einmal sehr, sehr tief bewegt, als ich das hier las und mir klar wurde, was das bedeutet. Dazwischen liegen über 25 Jahre Nachfolge des Apostels unter vielen Leiden und Entbehrungen im römischen Kaiserreich.
Wir wollen jetzt nicht in 2. Korinther 11 lesen, was er alles erlebt hat: dreimal gepeitscht, 39 Hiebe auf den Rücken, einmal gesteinigt, Schiffbruch, wie oft war sein Leben in Gefahr um Christi willen. Das alles liegt dazwischen.
Und jetzt sagt er: Ja, auch heute noch würde ich genau das Gleiche wieder machen. Christus ist mir genauso lieb, ja, er ist mir heute noch lieber als damals in der Stunde meiner Bekehrung. Er bedeutet mir noch mehr. Ich bereue es nicht nach dieser Zeit.
Wisst ihr, wenn mir einer drei Wochen nach seiner Bekehrung sagt: Jesus, das ist spitze! Das Leben mit Jesus, das ist groovy, es gibt nichts Besseres als das – und so weiter, wie sich junge Leute manchmal ausdrücken können –, dann freue ich mich auch. Aber ich denke natürlich im Stillen: Warte du erst mal ab, bis die ersten Stolpersteine hinter dir liegen und die ersten wirklichen Probleme bewältigt sind.
Aber wenn das meine Eltern heute sagen, nach über sechzig Jahren Nachfolge Jesu, oder wenn mir das jemand von euch sagt, der schon fünfundzwanzig oder dreißig Jahre dem Herrn nachfolgt, dann ziehe ich davor meinen Hut. Oder wenn das hier der Apostel Paulus sagt, nach siebenundzwanzig Jahren Nachfolge, dann ist das für mich ein unwahrscheinliches Argument für die Herrlichkeit eines Lebens mit dem Herrn.
Ich achte es noch alles für Schaden.
Ermutigung zur Rückkehr zur ersten Liebe
Ich habe gerade daran gedacht, dass es in diesen Tagen 15 Jahre her sind, seit ich umkehren durfte und den Herrn damals wirklich erleben konnte. In diesen 15 Jahren habe ich viele Menschen erlebt, die sich bekehrt haben. Manchmal habe ich es direkt miterlebt, manchmal aus der Nähe beobachtet. Oft begann es mit großer Freude, Begeisterung, Eifer und vielen guten Vorsätzen. Es war eine ehrliche Liebe zu Jesus, eine echte Hingabe aus ungeteiltem Herzen.
So begann es zum Beispiel auf einer Freizeit, bei einer Evangelisation oder in einem Gespräch, als jemand sein Leben Jesus übergab. Jesus wurde ihm konkurrenzlos wichtig. Doch dann, drei Jahre später, fünf Jahre später, zehn Jahre später oder fünfzehn Jahre später, zeigte sich oft ein laues Mittelmaß. Manchmal wurde die Welt wieder liebgewonnen, wie es Demas tat.
Vielleicht gibt es jemanden unter uns, der heute ehrlich in seinem Herzen sagen muss: „Das ist bei mir genauso.“ Wenn ich zurückblicke, wie brennend ich vor zwei Jahren war, wie hingegeben ich vor fünf Jahren dem Herrn diente, was für ein Anfang das war und wie viel mir der Herr bedeutete. Ich muss sagen, dass er mir verdunkelt wurde. Durch verschiedene Dinge, durch eine schwere Wegführung oder durch eigenes Verschulden, weil ich den inneren Menschen nicht genährt habe und zu wenig Gemeinschaft mit dem Herrn gepflegt habe, wurde mir der Herr kleiner und trat in den Hintergrund.
Wenn jemand das so sagen muss, dann soll er wissen: Jesus, der für dich am Kreuz starb, liebt dich heute mit derselben herzlichen Liebe. Du darfst zurückkommen, einen Neuanfang machen und sagen: „Herr Jesus, ich will dir wieder ganz neu gehören.“ Du darfst ihn wieder zur ersten Liebe machen, früh am Morgen und zum letzten Gedanken in der Nacht. So wie Manfred Siebald in seinem wunderbaren Lied singt: „Nimmst du mich noch einmal an?“
Herr, ich habe so viel getan gegen deinen Willen, gegen deinen Rat. Doch es ist großartig, dass wir zurückkommen dürfen, wenn wir merken, dass wir abgedriftet sind und sich etwas zwischen mich und den Herrn geschoben hat. Wir dürfen das ausräumen, ehrlich sein und sagen: „Herr, meine erste Liebe ist erkaltet. Zünde du mein Herz wieder neu an. Werde du mir wieder groß.“
Ich kann keine Klimmzüge machen, aber gib mir neue Lebenseindrücke von dir. Zeig mir neu, wer du bist, wie einzigartig, herrlich und großartig du bist. Dann wird mein Herz wieder entzündet, und ich kann dir wieder nachfolgen. So dass es mir Freude macht, aber noch viel mehr, dass es dir Freude macht.
Abschluss und Ausblick auf das neue Leben in Christus
Und dazu möchte ich wirklich einladen und Mut machen. Dieses Wort hier hat mich so angesprochen, dass Paulus sagen konnte: Was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi Willen für Verlust geachtet. Das ist der Schnitt bei der Bekehrung.
Aber dann, ja wirklich, achte ich auch heute noch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen. Um dessen Willen habe ich alles eingebüßt. Hoffentlich hast du das nicht einem Menschen zuliebe getan oder einer Gruppe zuliebe oder weiß ich wem zuliebe. Hoffentlich hast du es um dessen Willen getan, um Jesu Willen.
Und ich achte es für Dreck – die alte Lutherübersetzung sagte „für Kurt“, ein noch stärkeres Wort –, damit ich Christus gewinne und in ihm erfunden werde. Da wollen wir dann morgen weitermachen, was das heißt.
Wenn ich Christus so gefunden habe, wenn ich ein neues Leben mit ihm beginnen durfte, dann wollen wir sehen, wie sich das neue Leben gestaltet. Das wird unser Thema morgen sein: das neue Leben mit Jesus aus einer geschenkten Gerechtigkeit heraus. Ein Leben im Wachstum, ein Leben mit einem alles überragenden Ziel. Da wollen wir dann die Fortsetzung machen.
Aber bevor wir das neue Leben anschauen, wäre es wichtig, mit nichts anderem zu vergleichen, damit jeder von uns wirklich Gewissheit hat: Ja, das neue Leben hat bei mir begonnen, der Schnitt ist da. Ich habe aufgehört, auf das Fleisch zu vertrauen – mit der Nebenwirkung Stolz –, sondern ich vertraue ganz auf Jesus Christus und auf seine Gerechtigkeit. Und dann bin ich in ihm, dann werde ich in ihm erfunden.
Und uns, die wir schon einige Jahre nachfolgen, soll diese Frage einfach begleiten: Wie stehe ich heute im Blick auf meine erste Liebe bei der Bekehrung? Bin ich gewachsen, ist das vorwärtsgegangen, größer geworden oder stehen geblieben oder zurückgegangen? Und wenn ja, warum? Da wollen wir uns selbst vor dem Herrn stellen und wissen, dass er es gut mit uns meint und nur das Beste mit uns vorhat.
Damit wir wieder neu, mit ganz brennender Liebe und fröhlich, konsequent und profiliert ihm nachfolgen können. Alles andere hätte keinen Sinn.