Persönliche Vorstellung und geistlicher Hintergrund
Einen gesegneten Abend! Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich komme aus der Schweiz, meine Frau heißt Marlies, und wir haben vier Kinder. Zwei stammen aus Rumänien, einer aus Österreich und einer aus der Schweiz. Wir wohnen seit zwanzig Jahren in der Schweiz. Wie Sie vermutlich bemerkt haben, bin ich kein Schweizer, sondern ein Österreicher.
Vor vielen Jahren, etwa Ende der siebziger Jahre, gab es in Österreich eine kleine Erweckung. Das bedeutet, dass einige Menschen zum Glauben kamen. Erweckung heißt hier nicht Hunderte von Menschen, denn Österreich ist zum Großteil katholisch. Ich selbst war auch katholisch. Man freut sich schon, wenn in einem Ort zehn Leute zum Glauben kommen – das gilt dort als kleine Erweckung.
Damals kamen einige Menschen durch einen Schweizer Missionar zum Glauben. Ich durfte mit 17 Jahren ebenfalls zum Glauben kommen. Im Salzburger Land entstanden einige Gruppen und Kreise von Christen. Ich wollte dem Herrn dienen und überlegte, was ich tun sollte. So entschied ich mich, in die Schweiz zu gehen, um zu studieren. Mein Ziel war es, Griechisch, Hebräisch und Aramäisch zu lernen, was ich auch tat.
Das Studium zog sich länger hin, und ich schloss ein Theologiestudium an, das ich drei Jahre lang absolvierte. Danach kehrte ich nach Österreich zurück. Vierzehn Jahre später zog ich wieder in die Schweiz und studierte noch einmal ein Jahr an der Akademie in Basel weiter. Dort lernte ich Professor Herbert Janssen kennen. Vielleicht kennen Sie seinen Namen. Ich habe gehört, er war bereits in diesen Räumen oder zumindest in dieser Stadt.
Der Herr führte es so, dass ich seit 1999 mit ihm zusammenarbeite. Er wurde damals gefragt, ob er seine Übersetzungen nicht der Nachwelt hinterlassen wolle. Professor Janssen hatte immer wieder die Bibel übersetzt und beim Predigen direkt aus dem Griechischen und Hebräischen übersetzt. Die Leute baten ihn, seine Übersetzungen zu bewahren. Daraufhin sammelte er seine Arbeiten. Ich las diese und fragte ihn, ob man sie nicht verbessern könne. So entstand eine Zusammenarbeit zwischen uns.
Nach zehn Jahren konnten wir das Neue Testament, so wie es hier vorliegt, sowie die Psalmen herausgeben. In zwei Monaten wollen wir eine dritte Auflage mit den Sprüchen veröffentlichen. Unser Anliegen war es, das Wort Gottes möglichst text- und wortgetreu ins Deutsche zu übersetzen. Damit wollten wir den Geschwistern eine praktische Hilfe an die Hand geben.
Ab dem Jahr 2000 reiste ich viel in verschiedene Länder im Osten – nach Rumänien, Ungarn, Moldawien und in die Ukraine. Später öffnete der Herr auch Türen nach Kasachstan und sogar Sibirien, jeweils im Winter. Im Sommer durfte ich russlanddeutsche Gemeinden in Deutschland besuchen. Auf irgendeinem Weg kam ich auch nach Harsewinkel.
Ich bin hier zum ersten Mal. Zwar war ich bereits bei der Aquilakonferenz hier, aber ich kenne Sie noch nicht persönlich. Ich freue mich, dass Sie mich in Ihrer Mitte aufnehmen und dass wir eine Zeit lang Gemeinschaft haben können, um gemeinsam das Wort Gottes zu betrachten.
Einführung in das Buch Daniel und den Traum Nebukadnezars
Das Thema ist allerdings eine ziemlich große Herausforderung: das Buch Daniel. Man kann ja nicht das ganze Buch Daniel in kurzer Zeit durchnehmen. Wir werden uns daher auf die schwierigen Kapitel konzentrieren, das heißt auf Kapitel 2 und die Kapitel 7 bis 12.
Ich werde auch einige Folien zeigen. Deshalb werde ich, wenn Ihnen das recht ist, von dem Tisch da drüben sprechen. Bevor wir das tun, schlagen wir aber zunächst Daniel Kapitel 2 auf.
Daniel war einer der Weggeführten, einer der Edlen, die im Jahr 605 v. Chr. von Nebukadnezar nach Babylon weggeführt wurden. Er kam an den babylonischen Hof und wurde dort in der Lehre der Babylonier sowie in deren Sprache unterwiesen. Dort hat der Herr ihm besonderes Verständnis gegeben.
Es heißt hier in Kapitel 1, Vers 21: Daniel blieb bis zum ersten Jahr des Königs Kyrus. Daniel kam also als junger Mensch nach Babylonien und blieb die ganze babylonische Zeit bis zu dem persischen König Kyrus. Das sind wohl siebzig Jahre.
Wenn man bedenkt, dass er bei der Wegführung vielleicht siebzehn Jahre alt war, dann war er etwa achtzig oder neunzig Jahre alt, als er noch den persischen König Kyrus erlebte. Er lebte mindestens bis ins dritte Jahr des Königs Kyrus, also ist es gut möglich, dass Daniel neunzig Jahre alt wurde.
Lesen wir nun von einem Traum des Königs: In Kapitel 2, Vers 1 heißt es: Im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars hatte dieser einen Traum, durch den sein Geist beunruhigt wurde, und sein Schlaf war dahin.
Hier ist wichtig zu verstehen: Der Schlaf war dahin, nicht der Traum. Früher dachte ich immer, der Traum sei dahin, und der arme König hätte ihn vergessen. Aber das war nicht der Fall. Er wusste sehr wohl, was er geträumt hatte.
Der König befahl, dass die Gelehrten, Beschwörer, Zauberer und Chaldäer gerufen werden sollten, um ihm seinen Traum zu deuten. Sie kamen und traten vor den König.
Dann sagte der König zu ihnen in Vers 3: „Ich habe einen Traum gehabt, und mein Geist ist beunruhigt und aufgewühlt; ich möchte den Traum erkennen.“ Die Chaldäer antworteten auf Aramäisch: „König, lebe ewiglich! Sage deinen Knechten den Traum, so werden wir die Deutung anzeigen.“
In Babel gab es eine Reihe von Zukunfts- und Traumdeutern, die vom König hohe Löhne erhielten. Nun kam der Test, ob sie diese Gehälter auch wirklich verdienten. Der König war sehr beunruhigt und wollte auf Nummer sicher gehen, dass diejenigen, die ihm den Traum deuten, die Wahrheit sagen.
Deshalb sagte der König: „Sagt mir den Traum, dann werden wir die Deutung kundtun.“ Das sollte für die Zauberer und Traumdeuter kein Problem sein, denn sie hatten immer vorgegeben, besondere Beziehungen zur anderen Welt und zu den Götzen zu haben und jeden Traum deuten zu können.
In Vers 5 antwortete der König den Chaldäern: „Die Sache ist von mir fest beschlossen: Wenn ihr mir den Traum und seine Deutung nicht kundtut, sollt ihr in Stücke zerhauen werden, und eure Häuser sollen zum Misthaufen gemacht werden.“
Hier merkt man, dass der König es sehr ernst meinte. Er kannte seine Leute und war sich nicht sicher, ob sie immer die Wahrheit sagen würden. Es ist ja leicht, dem König irgendetwas zu erzählen, denn eine Traumdeutung kann niemand überprüfen.
Doch hier drohte er ihnen mit einer ganz schlimmen Strafe. In Vers 6 sagte er weiter: „Wenn ihr aber den Traum und seine Deutung anzeigt, sollt ihr Geschenke, Gaben und große Ehre von mir empfangen. Darum gebt mir den Traum und seine Deutung.“
Die Chaldäer antworteten zum zweiten Mal: „Der König sage seinen Knechten den Traum, so werden wir die Deutung angeben.“ Der König antwortete: „Ich weiß genau, dass ihr Zeit gewinnen wollt, weil ihr seht, dass von mir das Wort kundgegeben ist: Wenn ihr mir den Traum nicht kundtut, ist dies ein Urteil über euch, denn ihr habt euch vorgenommen, lügenhafte und verderbte Rede von mir zu sprechen, bis die Zeit sich ändere.
Darum sagt mir den Traum, dann werde ich wissen, dass ihr mir die Deutung angeben werdet.“
Nebukadnezar war sehr schlau. Er wusste genau, dass die einzige Möglichkeit zu erfahren, ob sie wirklich übernatürliche Fähigkeiten haben, darin besteht, dass sie die Fähigkeit besitzen, seinen Traum zu kennen, ohne dass er ihn ihnen sagt.
Traumdeuten erfordert übernatürliche Weisheit, und sie hatten immer behauptet: „Kein Problem für uns, König.“ Nun kam es heraus.
Die Chaldäer antworteten vor dem König und sagten: „Kein Mensch auf der Erde kann dem König die Sache anzeigen, denn kein großer und mächtiger König hat jemals eine solche Sache von irgendeinem Gelehrten, Zauberer oder Chaldäer verlangt.
Denn die Sache, die der König verlangt, ist schwer, und es gibt keinen anderen, der sie vor dem König angeben könnte als nur die Götter, deren Wohnung nicht bei Fleisch ist.“
Vorher hatten sie vorgegeben, Träume deuten sei kein Problem, weil sie Beziehungen zu den Göttern hätten. Jetzt sagten sie aber: „O König, noch nie hat jemand so etwas verlangt von seinen Untertanen, einen Traum zu kennen, bevor man ihn deuten kann.
Das kann niemand, denn nur die Götter wissen, was du geträumt hast, und wir haben keine Beziehung zu den Göttern, die sich ja nicht offenbaren. Woher sollen wir dann wissen, was du geträumt hast?“
In Vers 12 heißt es: „Hierüber wurde der König zornig und grimmig. Er befahl, alle Weisen von Babel umzubringen.“
Die Verfügung ging aus, und die Weisen sollten getötet werden. Man suchte auch Daniel und seine Gefährten, um sie zu töten.
Jetzt war es klar: Sie waren alles Lügner und Betrüger. Der König war so zornig über seine Zauberer und Wahrsager, dass er sie alle töten lassen wollte.
Da Daniel und seine Freunde ebenfalls zu diesen vornehmen Weisen in Babylon gehörten, sollten auch sie getötet werden.
Daniel bittet um Gottes Offenbarung und die Bedeutung der göttlichen Weisheit
Vers 14
Da antwortete Daniel mit Verstand und Einsicht dem Ariuch, dem Obersten der Leibwache des Königs, der ausgesandt worden war, um die Weisen von Babel zu töten. Er fragte Ariuch, den Oberbeamten des Königs, warum das strenge Urteil des Königs so sei. Daraufhin teilte Ariuch die Angelegenheit Daniel mit.
Daniel ging daraufhin zum König und bat um eine Frist, damit er dem König die Deutung des Traums mitteilen könne. Anschließend ging Daniel in sein Haus und berichtete seinen Gefährten Hananja, Misael und Asarja von der Sache. Er bat sie, vom Gott des Himmels Barmherzigkeit zu erbitten wegen dieses Geheimnisses, damit Daniel und seine Gefährten nicht mit den üblichen Weisen von Babel umkämen.
Das große Thema, um das es hier geht, ist die Frage: Gibt es einen Gott, der sich offenbart? Gibt es einen Gott, der die Geschichte und die Zukunft offenbart? Viele Menschen, die das Buch Daniel gelesen haben, sagen, es gäbe keinen Gott, der die Zukunft offenbart. Sie behaupten, das Buch Daniel könne man nicht vertrauen. Es sei erst im Nachhinein geschrieben worden, nachdem alles eingetroffen sei, was vorausgesagt wurde. Denn es gebe keine Offenbarung und keinen Gott, der sich offenbart.
Allein Kapitel 2 widerspricht dem. Daniel weiß, dass die Wahrsager nicht das tun können, was verlangt wurde. Aber es gibt einen Gott im Himmel, der sich offenbart. Deshalb wendet sich Daniel an diesen Gott, der sich offenbart.
Vers 19
In einem Nachtgesicht wurde Daniel das Geheimnis offenbart, da betete Daniel zu dem Gott des Himmels. Daniel begann zu sprechen: „Gepriesen sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit! Denn Weisheit und Macht sind sein.“ Die Weisheit und die Macht gehören Gott. Auch die Weisheit, die ich brauche, um zu verstehen, kommt von Gott, und die Kraft, mich ans Ziel zu bringen, ist von Gott.
Macht und Weisheit sind beides Dinge, die Christen dringend brauchen – besonders in einer Zeit wie der unseren. Wir brauchen Weisheit und Kraft. Daniel erinnert uns daran, dass die Quelle der Weisheit und der Macht Gott ist. Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit für die, die verloren gehen; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Er sagt, wir verkündigen Christus denen, die gerufen sind, Juden und Griechen, als Gottes Kraft und Gottes Weisheit (1. Korinther 1,24). Dort liegt die Quelle.
Wie geht es weiter mit Daniel? Daniel betet, er ändert Zeiten und Zeitpunkte, er setzt Könige ab und setzt Könige ein. Daniel preist Gott dafür, dass er der Herr der Geschichte ist. Und wissen Sie, welcher Daniel das ist? Das ist der Daniel, dessen König abgesetzt und nach Babylon verschleppt wurde, und Daniel mit ihm. Daniel preist Gott im Himmel dafür, dass Gott auf dem Thron sitzt und alles lenkt – auch die Geschichte Israels, die Verschleppung Israels und die Absetzung des Königs.
Gott setzt Könige ab und setzt Könige ein. Daniel preist Gott dafür, dass Gott Nebukadnezar eingesetzt hat, und er demütigt sich unter die göttlichen Weisungen.
Wir lesen weiter, wir sind in Daniel 2, Vers 21 in der Mitte:
„Er gibt den Weisen Weisheit und Erkenntnis, denen, die einsichtig sind. Er ist es, der das Tiefe und Verborgene offenbart; er weiß, was in der Finsternis ist, und bei ihm wohnt das Licht.“
Daniel sagt: „Dich, Gott meiner Väter, lobe und rühme ich, dass du mir Weisheit und Kraft gegeben hast und mir nun kundgetan hast, was wir von dir erbeten haben, denn du hast uns die Sache des Königs offenbart.“
Vers 24
Daraufhin ging Daniel zu Ariuch, den der König beauftragt hatte, die Weisen von Babel umzubringen. Daniel sagte zu ihm: „Bring die Weisen von Babel nicht um! Führe mich vor den König, und ich werde ihm die Deutung geben.“
Das war sehr freundlich von Daniel. Er hätte auch sagen können: Diese bösen, okkulten Wahrsager sollen schleunigst umgebracht werden, bringt sie nur weiter um. Aber nein, er sagt: „Bringt sie nicht um!“ Daniel weiß, dass Gott will, dass jeder Mensch gerettet wird. Daniel möchte, dass auch diese Menschen nicht einfach umkommen, sondern die Wahrheit erfahren. „Führe mich vor den König, ich werde ihm die Deutung geben.“
Vers 25
Da führte Ariuch eilends Daniel vor den König und sagte zu ihm: „Ich habe einen Mann unter den Weggeführten von Juda gefunden, der dem König die Deutung kundtun wird.“ Der König, dessen Name Nebukadnezar war, fragte Daniel: „Bist du imstande, den Traum, den ich gesehen habe, und seine Deutung mir kundzutun?“ Der König war offensichtlich ziemlich erstaunt.
Vers 27
Daniel antwortete vor dem König: „Das Geheimnis, das der König verlangt, können Weise, Beschwörer, Gelehrte und Wahrsager nicht angeben. Aber es ist ein Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart. Er tut dem König Nebukadnezar kund, was sein wird in der letzten Zeit der Tage.“
Gott ist ein Gott, der sich offenbart und imstande ist, zu offenbaren. Nebukadnezar fragte: „Bist du imstande?“ Daniel antwortete: „Gott ist imstande, Gott kann, und er möge dem König helfen.“
Es ist ein Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart, und er hat dem König mitgeteilt, was in der letzten Zeit der Tage geschehen wird.
Übrigens: Der Ausdruck „letzte Zeit der Tage“ wird in verschiedenen Bibelübersetzungen unterschiedlich wiedergegeben, zum Beispiel „Ende der Tage“. Er bedeutet jedoch nicht unbedingt das, was wir heute oft darunter verstehen.
Der Ausdruck kann auch mit „Spätzeit der Tage“ übersetzt werden, also die spätere Zeit der Tage. Gemeint ist nicht das Ende der Welt, sondern eine ferne Zukunft. Daniel spricht vom Untergang des babylonischen Reiches, das noch etwa siebzig Jahre entfernt war. Er spricht vom Perserreich, vom Alexandrischen Reich und weiteren fernen Reichen, die noch viele Jahre in der Zukunft liegen – zweihundert oder dreihundert Jahre später, von damals aus gesehen.
Die „letzte Zeit der Tage“ meint also eher eine spätere Zeit, eine ferne Zukunft. Dieser Ausdruck kommt im Alten Testament häufig vor und bezieht sich oft auf spätere geschichtliche Ereignisse. Zum Beispiel im Segen Jakobs in 1. Mose 49, wo Jakob über die spätere Zeit spricht. Er spricht über die Rubeniter, Gaditer, Manasiter, Ephraimiter und Josephiter – über die Stämme Israels und deren Charakter im Land Israel.
Vers 28 in der Mitte
„Dein Traum und die Gesichter deines Hauptes auf deinem Lager waren diese.“
„Dir, König, stiegen auf deinem Lager Gedanken auf, was später nach diesem geschehen werde.“ Das heißt einfach: in der Zukunft. Der König dachte also über die Zukunft seines Königreiches nach. Während er darüber nachdachte, beschäftigten ihn diese Gedanken so sehr, dass er davon träumte. Gott offenbarte ihm in diesem Traum etwas Besonderes.
Vers 29 in der Mitte
„Und der, der die Geheimnisse offenbart, hat dir kundgetan, was geschehen wird.“
Daniel sagt weiter: „Mir aber ist dieses Geheimnis nicht durch Weisheit offenbart worden, die in mir größer wäre als in anderen Menschen, sondern damit man dem König die Deutung kundtut und dir die Gedanken deines Herzens kenntlich werden.“
Deutung des Traumes: Die vier Weltreiche und das ewige Reich Gottes
Vers 31: Du, König, sahst und siehe, ein großes Bild. Dieses Bild war gewaltig, und sein Glanz außergewöhnlich. Es stand vor dir, und sein Aussehen war schrecklich. Das Bild hatte ein Haupt von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren aus Silber, sein Bauch und seine Lenden aus Erz, seine Schenkel aus Eisen und seine Füße teils aus Eisen, teils aus Ton.
Du sahst, bis sich ein Stein löste, nicht durch Hände, also nicht durch Menschenhände. Dieser Stein traf das Bild an seinen Füßen aus Eisen und Ton und zermalmte sie. Gleichzeitig wurden das Eisen, der Ton, das Erz, das Silber und das Gold zermalmt. Sie wurden wie Spreu, die auf der Tenne im Sommer zerstreut wird.
Vers 35: Und der Wind trug sie hinweg, sodass keine Spur von ihnen gefunden wurde. Der Stein, der das Bild schlug, wurde zu einem großen Berg, der die ganze Erde füllte. Das ist der Traum, und seine Deutung wollen wir vor dem König ansagen.
Nun folgt die Deutung.
Vers 37: „Du, König der Könige, dem der Gott des Himmels das Königtum, die Macht, die Gewalt und die Herrlichkeit gegeben hat, und überall, wo Menschen, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in deine Hand gegeben und dich zum Herrscher über sie alle gesetzt. Du bist das Haupt von Gold.“
Daniel betont hier, dass Nebukadnezar seine Königsherrschaft direkt von Gott erhalten hat. Nebukadnezar ist das Haupt dieses Standbildes, das heißt, er ist der Vertreter seines Reiches. Er repräsentiert das Reich; der König steht für das Reich. Du bist das goldene Haupt, das heißt, das Haupt stellt Babylonien dar, das neue babylonische Weltreich.
Übrigens war das ein gewaltiges Reich, das ich gleich auf der Karte zeigen werde. Es entstand, als die Babylonier die Assyrer besiegten. Die Assyrer waren damals eine starke Macht im heutigen Irak und Iran. Dort besiegten die Babylonier die Assyrer und auch die Ägypter. Das war eine gewaltige Schlacht bei Karkemisch im Jahr 605 v. Chr.
So kamen Ägypten und Assyrien in die Hand Babylons, und so entstand das erste große Weltreich. Ich möchte es zeigen. Hier sehen Sie das babylonische Weltreich. Wenn Sie diese lila Karte anschauen, sehen Sie, dass Babylonien hier über all diese Länder herrschte, die wir aus dem Nahen Osten kennen – Israel natürlich auch. In der Mitte links wäre also Israel gewesen, Ägypten ganz unten im Süden. Ägypten wurde eingenommen, ebenso das assyrische Reich ganz oben im Norden und das ganze Zweistromland, also der heutige Irak.
All dies war das babylonische Weltreich, das von 605 bis 539 v. Chr. bestand. Wenn Sie nachrechnen, sind das fast 70 Jahre, nicht genau 70 Jahre. Die Bibel liebt Zahlenspiele, und Zahlen sind oft nicht ganz buchstäblich zu verstehen. Nachgerechnet sind es eigentlich 66 oder 67 Jahre, je nachdem, wie man zählt. Doch die Bibel sagt 70 Jahre. Diese Weissagung werden wir später noch lesen. Merken wir uns jetzt erst einmal: 70 Jahre babylonisches Weltreich.
Nebukadnezar selbst regierte sehr lange, von 605 bis 562 v. Chr., also 43 Jahre. Danach kamen andere an die Reihe, wie Nabonid und dessen Sohn Belsazar. Nabonid war der Schwiegersohn Nebukadnezars, und Belsazar sein Enkel. Unter Belsazar wurde Babylonien zerstört.
Das nächste Reich, das dann kam, war das medo-persische Weltreich, das von 539 bis etwa 334 oder 333 v. Chr. dauerte. Wenn Sie Geschichte in der Schule hatten, wissen Sie noch: 333 v. Chr., bei Issos Schlacht, da besiegte Alexander von Makedonien den letzten persischen König vernichtend – leicht zu merken, 333.
Dieses Reich der Meder und Perser wurde von Alexander dem Großen abgelöst, dessen Reich das griechische Reich war. Aber wir lesen jetzt erst einmal weiter im Text.
Eine kleine Einzelheit noch: Auf der Folie steht unten, es heißt „70 Jahre babylonische Gefangenschaft“. Von 605 bis 538 v. Chr. dauerte diese Zeit, in der die Juden in Knechtschaft waren. Das heißt, sie wurden von Israel nach Babylonien weggeführt und über viele Völker verstreut. Es waren ja 127 Völker im Vielvölkerreich.
Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Juden an einem Tag alle verschleppt wurden. Nein, im Jahr 605 wurden nur 3.000 Juden verschleppt, darunter Daniel und seine Freunde. Das war die Oberschicht, Daniel stammte aus hohem Adel.
Die zweite Wegführung war 597 v. Chr., bei der die Beamtenschaft, viele Soldaten und andere verschleppt wurden – etwa 10.000 Leute. Im Jahr 587 v. Chr., als Jerusalem und der Tempel zerstört wurden, wurde die Masse des Volkes weggeführt. Wahrscheinlich waren es weit mehr als 10.000.
In drei Stufen, später sogar noch einmal 582 v. Chr., gab es eine vierte Wegführung. So wurde das Volk schrittweise nach Babylon verschleppt. Barfuß mussten sie durch den heißen Sand gehen, bis sie ihre Füße nicht mehr spürten, weil sie verbrannt waren. Das ist die sogenannte 70-jährige babylonische Gefangenschaft Israels.
Der letzte Teil der Gefangenschaft dauerte nicht 70 Jahre, sondern nur 40 Jahre. Trotzdem nennt man es die 70-jährige babylonische Gefangenschaft.
Wir betrachten jetzt also gerade Daniel Kapitel 2. Wenn wir noch Zeit finden, schauen wir auch noch ein bisschen weiter, vielleicht morgen. Beide Male geht es um vier Weltreiche, und diese vier Weltreiche sind jetzt die, die uns interessieren.
Hier haben wir also dieses Standbild, das vier Reiche darstellt. Wir haben erfahren, dass das erste, das Haupt von Gold, Nebukadnezars Reich war, also das babylonische Reich.
Hier noch einmal: Das babylonische Reich. Die Karte stimmt nicht ganz, denn das Nildelta gehört auch noch dazu, also Ägypten. Aber gut.
Dann das zweite Reich, das heißt es jetzt: „Und nach dir“ (Vers 39), „wird ein anderes Königreich aufstehen, nach dir.“ Man muss sich vorstellen, was für ein Schock das für den König war. Er dachte, sein Weltreich werde ewig bestehen, aber hier erfährt er, es gibt ein „Nach dir“, o König, ein anderes Reich wird kommen.
Das andere Reich, das erfahren wir später im Danielbuch, war das medo-persische Reich. Das medo-persische Reich, hier grün dargestellt, war ein riesiges Reich. Es erstreckte sich von Makedonien bis fast nach Indien, an den Fluss Indus, nach Ägypten, an den Kaukasus und ans Kaspische Meer.
Also ein riesengroßes Reich, das die Meder und Perser ab 539 v. Chr. nach der Einnahme Babylons beherrschten.
Weiter heißt es in Vers 39: „Nach dir wird ein anderes Reich aufstehen, niedriger als du.“ Übrigens war das medo-persische Reich niedriger als das babylonische Reich.
Warum niedriger? Weil es nicht so stark war in der Macht, obwohl es größer war. Die Staatsmacht war geringer. Wie ist das zu verstehen?
Der König Nebukadnezar war ein absoluter König, der über alles herrschte und alles bestimmen konnte. Man nennt das absolute Monarchie.
Das nächste Reich, das medo-persische Reich, war eine konstitutionelle Monarchie. Das bedeutet, der König hatte nicht alle Macht. Die höchste Macht lag beim Gesetz. Der König musste sich dem Gesetz der Meder und Perser unterordnen, das unwiderruflich war.
Es war also in diesem Sinne niedriger als das babylonische Reich, aber größer an Ausdehnung.
Das dritte Reich war das makedonische Reich. Es heißt hier, wir sind immer noch in Vers 39: „Und ein anderes drittes Königreich von Erz, das über die ganze Erde herrschen wird.“
Das dritte Reich erstreckt sich über die ganze Erde. Der Ausdruck „ganze Erde“ bedeutet einfach die Erde, soweit man sie damals kannte, also die damals bewohnte Welt.
Übrigens war auch das medo-persische Reich über die ganze Erde, wie man in Daniel 6 lesen kann. Dort herrschte Darius „über die ganze Erde“. Auch das babylonische Reich herrschte über die ganze Erde, wie in Daniel 4 steht.
Diese Reiche herrschten also alle über die ganze Erde.
Das makedonische Reich wird hier als drittes Königreich aus Bronze oder Kupfer bezeichnet, das über die ganze Erde herrschen wird.
Jetzt möchte ich Sie bitten, mit mir einen Abstecher nach Daniel Kapitel 11 zu machen, denn um ein richtiges Verständnis dieser vier Reiche zu bekommen, brauchen wir unbedingt einen Vergleich zwischen Daniel 2 und Daniel 11.
Daniel Kapitel 11 behandelt nämlich dasselbe Thema und hilft uns weiter.
Das war für mich eine ganz frische Entdeckung, erst vor Kurzem habe ich erkannt, dass man für das Verständnis von Daniel Kapitel 2 nicht allerlei Wissen braucht, sondern nur das Danielbuch selbst. Das Danielbuch erklärt sich selbst und macht klar, wer die vier Reiche sind.
Wenn Sie mit mir lesen, heißt es in Daniel 11: „Das Königreich Griechenland, ein tapferer König wird aufstehen, und er wird mit großer Macht herrschen und nach seinem Gutdünken handeln.“
Nach dem medo-persischen Reich, das in Daniel 11, Verse 1 und 2 kurz erwähnt wird, kommen einige persische Könige. Danach heißt es, es kommt das Königreich Griechenland.
Dort heißt es, ein tapferer König wird aufstehen, mit großer Macht herrschen und nach seinem Gutdünken handeln.
Die Geschichte sagt uns, wer dieser König ist. Das Danielbuch nennt seinen Namen nicht, aber in Daniel 8, Vers 20, wird der erste König dieses neuen Reiches erwähnt.
Sie brauchen das jetzt nicht aufzuschlagen. Ich will nur sagen: Das Danielbuch hilft uns weiter.
Der erste König dieses Reiches war ein großer König. Vielleicht war er körperlich nicht so groß, aber er war sehr mächtig. Er eroberte in kurzer Zeit das ganze persische Reich.
Dieser Mann hieß Alexander von Makedonien, auch bekannt als Alexander der Große. Ein tapferer König, der mit großer Macht herrschte und nach seinem Gutdünken handelte.
Welches Reich kam nach Alexander dem Großen?
Wir lesen im Text in Daniel Kapitel 2 weiter. Ich habe den Text sogar hier auf der Folie:
„Ein viertes Königreich aber wird stark sein wie Eisen. Deshalb, weil das Eisen alles zermalmt und zerschlägt. Wie das Eisen das alles zertrümmert, wird es alle jene zermalmen und zertrümmern.“
In Daniel 11, Vers 4, können wir mitlesen, was nach Alexander, dem Makedonier, geschieht:
„Und sobald er aufgestanden ist, wird sein Königreich zerbrochen werden und nach den vier Winden des Himmels hin zerteilt werden, aber nicht für seine Hinterbliebenen, also für seinen Sohn und seine Enkelkinder, und nicht entsprechend der Macht, mit der er geherrscht hat. Denn sein Königreich wird zerstört und anderen zuteilwerden, unter Ausschluss von jenen. Es wird mächtig werden der König des Südens und so weiter.“
Jetzt brauchen wir nicht weiterzulesen.
Machen wir hier eine Pause, singen kurz ein Lied, und dann wollen wir fortfahren.
Das geteilte vierte Reich und seine politische Realität
Wir sind immer noch beim Vierten Reich. Was ist das Vierte Reich? Es gibt ganz verschiedene Auffassungen darüber, aber heute wollen wir nicht irgendwelche Meinungen studieren. Wir wollen schauen, was das Wort Gottes eigentlich sagt und ob es Hinweise gibt, die uns zeigen, was das Vierte Reich ist.
Eines ist sicher: Das Dritte Reich wird zerschlagen. Das steht in Daniel 11, Verse 4 und 5. Alexander, der dieses Reich so schnell erobert hat, wird, kaum am Höhepunkt seiner Macht, zerschlagen. Alexander war wohl erfolgreicher als kaum ein anderer in der alten Geschichte. Er errichtete ein riesiges Reich von 3,2 Millionen Quadratkilometern. Seine Soldaten zogen so weit in den Osten, dass sie sagten: „Jetzt gehen wir keinen Schritt mehr weiter, denn irgendwo bricht die Erde ab, und dann fallen wir alle runter. Wir sind am Ende der Welt angelangt.“ Danach zog er wieder zurück und plante, Arabien, Nordafrika, das Reich der Karthager und Libyen einzunehmen. Er wollte die ganze damals bekannte Welt unter eine Macht bringen – unter sich selbst.
In Babylonien feierte er einige Nächte durch und trank viel. Dann bekam er Fieber, und Gott hat ihn in einer einzigen Nacht erlegt. Er starb – der Mann, der seinen Leuten immer zurief: „Besiegt eure Furcht! Und es wird euch nichts besiegen!“ Doch er selbst wurde vom Fieber besiegt. Alexander wollte die ganze Welt erobern, hinterließ aber nur Scherben.
Es heißt: Sobald er aufgestanden ist, wird sein Königreich zertrümmert werden. Beachten Sie die Worte: zertrümmert, nach den vier Himmelsrichtungen zerteilt und zerstört. In Vers 4 steht: „Sein Königreich wird zerstört und anderen zuteilwerden.“ Alexanders Reich bestand nur zwölf Jahre und wurde zerstört, zertrümmert, zerteilt und vernichtet. Das war das Ende des Griechischen Reiches, Phase I, unter Alexander.
Was geschah danach? In Vers 5 lesen wir: „Und es wird mächtig werden der König des Südens.“ Wenn Sie seinen Namen wissen möchten, er hieß Ptolemaios der Erste. Und es wird mächtig werden der König des Südens. Einer seiner Obersten, Seleukos der Erste, der spätere König des Nordens, wird über ihn hinaus mächtig werden und herrschen. Seine Herrschaft wird eine große sein.
Wir erfahren also, dass das Reich Alexanders zerteilt wird. Die zwei wichtigsten Teile sind das Reich des Königs des Südens und das Reich des Königs des Nordens. Die anderen Teile waren weniger bedeutend. Insgesamt gab es vier Reiche. Das Reich von Lysimachos bestand zwanzig Jahre und wurde dann vom König des Nordens eingenommen. Das Reich des Kassandros umfasste die griechische Halbinsel Peloponnes und Achaia – ein kleiner, wenig bedeutender Teil.
Die zwei großen Reiche waren das Reich des Königs des Südens, das ägyptische Reich unter Ptolemaios, und das Reich des Königs des Nordens, das fast so groß war wie Alexanders Reich – das Seleukidenreich. Vielleicht haben Sie davon noch nie gehört. Sie müssen sich das auch nicht merken. Ich möchte nur erklären, was das vierte Königreich, das vierte Weltreich, ist.
Achten wir weiter auf Daniel Kapitel 2, Vers 41: „Und da du die Füße und die Zehen, teils aus Töpferton und teils aus Eisen gesehen hast, bedeutet das, es wird ein geteiltes Königreich sein.“ Beachten Sie, was hier steht: Es wird ein geteiltes Königreich sein – nicht „werden“! Nicht irgendwann in hundert oder fünfhundert Jahren, sondern von Anfang an. Genau wie die Füße dieser Statue von Anfang an geteilt waren, wird auch dieses Reich von Anfang an geteilt sein.
Von der Festigkeit des Eisens wird in ihm sein, weil du Eisen mit lehmigem Ton vermischt gesehen hast. Die Zehen der Füße waren teils aus Eisen und teils aus Ton. Das bedeutet, das Königreich wird großenteils stark sein und teils zerbrechlich. Dass das Eisen mit lehmigem Ton vermischt ist, bedeutet, sie werden sich durch Menschensamen mischen. Aber aneinander haften werden sie nicht, so wie Eisen sich nicht mit Ton vermischt.
Was lernen wir hier? Erstens, dass das Nachfolgereich nach Alexander von Anfang an ein geteiltes Reich ist. Zweitens, dass ein Teil stärker ist als der andere. Der eine Teil ist Eisen, der andere Ton. Eisen ist stärker als Ton.
Welcher Teil war stärker, welcher schwächer? Das Reich des Königs des Südens, das ägyptische, war schwächer. Das Reich des Königs des Nordens, das seleukidische Reich, war stärker.
Wir lernen auch, dass die Teile aus Eisen und Ton waren. Das bedeutet, teils stark, teils zerbrechlich. Und dass sie sich durch Menschensamen mischen werden. Das heißt, es wird versucht, diese zwei Teile des ehemaligen großen Alexanderreiches wieder zu vermischen und zu vereinigen.
Damals hatte man einen klugen Gedanken: Heiratspolitik. Man nahm den Königssohn vom König des Nordens oder die Tochter vom König des Südens und verheiratete sie. Wenn eine Hochzeit geschlossen wurde, gehörten beide Reiche zusammen. So hoffte man, das große, herrliche Alexanderreich wiederherzustellen.
Übrigens: Die Österreicher haben in der Geschichte oft durch Heiratspolitik ihre Reiche vermehrt. Auch sie waren darin sehr klug.
Weiter in Daniel Kapitel 11, Vers 6: „Und nach Ende von Jahren werden sie eine Allianz schließen. Und die Tochter des Königs des Südens wird zum König des Nordens kommen, um eine Ausgleichung zu machen. Aber sie wird die Macht nicht behalten, und seine Macht wird nicht bestehen. Sie wird dahingegeben werden samt ihrem Gefolge und ihrem Vater, der sie unterstützt hat.“
Wenn wir Daniel 11 einfach weiterlesen, erfahren wir von der Heiratspolitik: Die Tochter des Königs des Südens heiratet den Sohn des Königs des Nordens. Man hofft, das Land zu vereinigen, genau wie in Daniel 2 beschrieben. Sie werden sich nach Menschensamen vermischen.
Aber in Daniel 2 lesen wir, dass sie sich nicht vermischen können. Warum? Weil sich Eisen und Ton nicht vermischen. Es wird nicht gelingen. Und das lesen wir auch in Daniel 11, Vers 6: Es wird nicht gelingen.
Die Tochter hieß Berenike, der König des Südens war Ptolemaios der Zweite, der König des Nordens hieß Antiochus der Zweite. Sie verheirateten ihre Kinder. Berenike kam zum König des Nordens, um Frieden zu schaffen. Doch sie behielt die Macht nicht. Das vereinte Reich funktionierte nicht.
Der König des Nordens war bereits verheiratet. Seine Frau hieß Laodike. Er schickte sie weg und heiratete Berenike. Man dachte, jetzt sei das Reich vereint und es gebe ein großes, mächtiges Alexanderreich.
Doch Laodike war eifersüchtig. Sie vergiftete Antiochus den Zweiten. Er starb. Berenike musste um ihr Leben fliehen. Schließlich wurde auch sie getötet. Der Traum vom großen Alexanderreich war zu Ende. Es hat nicht funktioniert, genau wie man Eisen und Ton nicht mischen kann.
Einige Jahre später lesen wir in Daniel 11, Vers 17: „Und er, der König des Nordens – das war jetzt Antiochus der Dritte – wird sein Angesicht darauf richten, mit der Heeresmacht seines ganzen Reiches zu kommen und mit dem König des Südens Frieden zu schließen.“
Er kommt mit einem großen Heer nach Ägypten. Es gibt einen Friedensvertrag mit Ptolemaios V. Die Tochter der königlichen Frauen des Antiochus III. hieß Kleopatra. Im Jahr 193 gab es eine Hochzeit. Kleopatra wird dem König des Südens gegeben.
Doch auch dieser Plan scheitert. Er wollte durch die Heirat das große Alexanderreich wiederherstellen. Kleopatra hielt jedoch nicht zu ihrem Vater, sondern zu ihrem Ehemann. So spalteten sie sich vom Nordreich ab und gründeten wieder ihr Südreich. Der Traum vom vereinigten Reich war vorbei.
Immer wieder versuchte man durch Heiratspolitik, die Reiche durch die Kinder zu vermischen. Doch es funktionierte nicht, genau wie in Daniel 2 beschrieben.
Wenn ich das kurz auf der Karte zeigen darf: Nach Alexanders Tod im Jahr 323 v. Chr. teilten seine Feldherren das Reich unter sich auf. Doch alle waren sehr egoistisch und wollten das Reich allein besitzen. Sie kämpften gegeneinander.
Es gab vier große Feldherren. Ein fünfter war Antigonus. Kasander bekam Griechenland, Lysimachus Makedonien und später Teile der Türkei, Antigonus die heutige Türkei und weitere Länder, Seleukus den größten Teil bis nach Indien, und Ptolemaios Ägypten.
Da Antigonus so stark wurde, fürchteten ihn die anderen vier. Sie verbündeten sich gegen ihn, kämpften und töteten ihn schließlich. Danach wurde das Reich in vier Teile geteilt.
Das große gelbe Reich auf der Karte ist das Reich der Seleukiden. Das dunkelblaue Reich sind die Ptolemäer in Ägypten. Lysimachos herrschte zwanzig Jahre über die Türkei, wurde aber bald vom Seleukidenreich verschlungen. Kassandros blieb in Griechenland, war aber von geringer Bedeutung.
So blieben zwei Reiche übrig: das Reich des Königs des Nordens (Seleukidenreich) und das Reich des Königs des Südens (Ptolemäerreich). Im Jahr 281 v. Chr. sehen wir auf der Karte das rote Seleukidenreich und das grüne Reich des Königs des Südens.
Wenn diese beiden sich vereinen würden, wäre das gesamte Alexanderreich wiederhergestellt. Genau das wollte man durch Heiratspolitik erreichen. Doch es gelang nicht.
Die Herrscher und ihre Nachkommen bekriegten sich jahrzehntelang. Es gab nie Frieden, kein großes Reich. Das vierte Weltreich blieb gespalten bis zu seinem Untergang.
Wann ging es unter? Die Geschichte zeigt, dass das Seleukidenreich ab etwa 180 v. Chr. immer schwächer wurde. Ab 164 v. Chr. zerfiel es immer mehr. Später kamen die Römer im Jahr 63 v. Chr. und nahmen das gesamte Reich ein. Es gab kein Seleukidenreich mehr, sondern nur noch die römische Provinz Syrien.
Das war jetzt Geschichte. Sie dürfen sie gerne vergessen, aber ich wollte Ihnen zeigen, wie sich das historisch entwickelt hat.
Zusammenfassend haben wir vier Reiche:
- Das Babylonische Reich von 605 bis 539 v. Chr.
- Das medopersische Reich von 539 bis etwa 333 v. Chr.
- Das griechisch-makedonische Reich Alexanders, etwa zwölf Jahre von 333 bis 323 v. Chr.
- Nach Alexanders Tod gab es eine Zeit der Kämpfe. Schließlich entstand ein geteiltes Reich: das Reich des Königs des Südens und das Reich des Königs des Nordens. Diese Reiche blieben bis 164 v. Chr. mächtig, zerfielen dann aber mehr und mehr und kamen unter römische Herrschaft. Im Jahr 63 v. Chr. wurde der letzte Rest des Seleukidenreiches von den Römern verschlungen.
Das ewige Reich Gottes und seine Bedeutung für die Geschichte
Jetzt kommt der Höhepunkt. Wir sind ja noch in Daniel Kapitel 2. Darf ich noch mit Ihnen lesen? Daniel 2, Vers 44:
„Aber zur Zeit jener Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört werden wird. Und das Königtum wird keinem anderen Volk überlassen werden. Es selbst wird alle diese Königreiche zermalmen und vernichten. Aber es selbst wird ewiglich bleiben.“
Wie du gesehen hast, wurde ein Stein ohne Hände vom Berge losgerissen. Dieser Stein zermalmte das Eisen, das Erz, den Ton, das Silber und Gold. So hat der große Gott dem König kundgetan, was nach diesem geschehen wird. Der Traum ist gewiss, und seine Deutung ist zuverlässig.
In den Tagen jener Könige – die Könige, das waren vier: Babylon, Babylonien, Medopersien, das Makedonische Reich und das geteilte Reich. Diese vier Könige repräsentieren vier Königreiche.
Also können wir übersetzen: In den Tagen jener Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört werden wird.
Im Traum wurde es so dargestellt, dass ein Stein kam und den ganzen Koloss zerschlug, die ganze Statue. Er schlug an den Füßen an, und wenn man eine Statue an den Füßen trifft – und die Füße sind sowieso wackelig, denn sie bestehen aus Eisen und Ton vermischt – dann fallen die Füße auseinander. Der ganze Koloss fällt nieder, und alles ist kaputt.
Das war der Traum.
Daniel sagt: Das bedeutet, dass der Gott des Himmels in der Zeit jener Könige – Babylonien, Medopersien, Makedonien und das geteilte Reich danach – ein Gericht schicken wird. Er wird diese Königreiche zermalmen, und dann wird er ein Königreich aufrichten, ein ewiges.
Im Traum wird das so dargestellt, dass der Stein den ganzen Koloss mit einem Schlag zerstört.
Nun wissen wir selbst, dass das Babylonische Reich von den Medopersiern zerstört wurde. Das medopersische Reich wurde von den Makedoniern zerstört. Das makedonische Reich ging deshalb unter, weil der König starb. Danach führten die Feldherren gegenseitige Kriege, und schließlich ging das Reich an die Römer über.
Das heißt, in der geschichtlichen Erfüllung wurden diese vier Reiche nacheinander zerstört. Aber Gott war es, der sie zerstörte.
Gott hat Babylon zerstört, Gott hat Medopersien zerstört, Gott hat Alexanders Reich zerstört und Gott hat das geteilte Reich zerstört.
Gott war der, der dahinterstand. Es war der Stein von außen, das heißt, Gott selbst richtet mit übernatürlicher Macht sein Reich auf und zerschlägt vorher alle diese vier Reiche.
Ja, und was kam dann? Dann wurde ein Kind in Bethlehem geboren, ein Kind, ein Nazarener.
Was hat der gemacht? Er ist in Israel herumgegangen und hat gesprochen.
Was hat er gepredigt? Was war seine Botschaft? „Das Königreich der Himmel ist nahe herbeigekommen. Bereitet euch vor, tut Buße, glaubt an das Evangelium!“
Jetzt wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, ein ewiges.
Was war die Hauptbotschaft des Herrn Jesus? Was war das Hauptthema drei Jahre lang mit den Jüngern? Worüber haben sie geredet? Das Thema war das Reich Gottes, das Reich Gottes.
Im Alten Testament wird das Kommen Jesu Christi als Einkommen gesehen. Das Alte Testament gibt uns eine Perspektive, eine verkürzte Perspektive.
Das ist so, als wenn man in Zürich steht und in die Schweizer Berge hineinschaut. Man sieht die Glarner Berge, sieht einen Block und denkt, das ist eine Bergkette.
Wenn man dann mit dem Auto hinfährt und schaut, wo die Bergkette ist, dann findet man keine. Das sind nämlich Berge hintereinander, die von der Ferne so aussehen, als ob sie eine Bergkette wären.
Genauso ist es in der biblischen Prophetie. Wenn man weit in die Zukunft blickt, sieht man Jesus, wie er sein Königreich aufrichtet. Aber man sieht nicht die Täler dazwischen, man sieht eine Bergkette, das vollendete Königreich Jesu Christi.
Das, was hier geoffenbart wird, ist das Reich Gottes. Das kommt nach den vier zerschlagenen Reichen, und alle diese vier Reiche wurden zerschlagen, ehe der Menschensohn Jesus Christus auftrat.
Fünf Lektionen aus Daniel Kapitel 2
Was lernen wir am Ende? Was lernen wir insgesamt? Hier sind fünf Lektionen aus diesen Kapiteln.
Erstens: Wir haben es hier mit einer Folge von vier großen Reichen zu tun. Es gibt also kein kontinuierliches Königreich bis zum Ende, sondern vier Reiche, die nacheinander folgen.
Zweitens: Kein politisches Reich ist stabil. Sie sind groß, kolossal und sehen sogar beeindruckend aus. Zum Beispiel ist das Haupt des Kolosses aus Gold, die Brust aus Silber und so weiter. Diese Reiche sind außergewöhnlich, aber nicht dauerhaft. Manche Menschen in diesen Reichen sind sehr intelligent, doch die Reiche selbst sind nicht stabil. Der ganze Koloss steht auf Füßen, die aus einer Mischung von Eisen und Ton bestehen, und das ist nicht stabil. Wenn man dort nur ein wenig anstößt, stürzt das Ganze zusammen. Das bedeutet, dass die politischen Systeme der damaligen Zeit nicht stabil waren. Wir können daraus auch für heute etwas lernen. Glauben Sie, dass die politischen Systeme heute stabiler sind als die Reiche damals? Nein. Die politischen Systeme sind nicht stabil. Die politischen Staaten, Königreiche und was es sonst gibt, zerfallen alle nacheinander.
Es gab viele weitere Reiche in der Geschichte. Zum Beispiel das Reich von Dschingis Khan, das, wenn ich mich richtig erinnere, im Gebiet der Mongolei oder jedenfalls nördlich von China lag und riesig war. Dann gab es das chinesische Reich, das japanische Reich und in Europa verschiedene Reiche, wie das Reich Karls des Großen und andere. Ist eines dieser Reiche geblieben? Nein, sie sind alle nacheinander zusammengebrochen. Politische Reiche sind nicht stabil.
Drittens: Die Reiche nehmen an Qualität ab. Das erste Reich ist aus Gold, dann folgt Silber, dann Bronze und schließlich Eisen und Ton. Diese Materialien sind wertloser, zum Teil härter, und auch sittlich schlechter. Es ist nicht so, dass es eine lineare Abfolge ist, also immer sukzessive schlechter wird, aber im Großen und Ganzen betrachtet nimmt die Qualität ab. Tatsächlich stellen wir bis heute fest, dass die Reiche schlechter werden und die Herrscher dieser Reiche moralisch nicht besser werden.
Viertens: Keine Herrschaft währt länger, als Gott es zulässt. Er bestimmt die Dauer eines Reiches, seine Ausdehnung und begrenzt die Amtszeit der Könige. Diese vier Reiche werden allesamt zerschlagen, in der Geschichte nacheinander. Im Traum erschien es wie auf einmal, aber in der Geschichte geschah es hintereinander.
Die letzte Lektion lautet: Gottes Reich entwickelt sich nicht aus den politischen Reichen heraus, sondern Gottes Reich kommt von außen. Gott bricht aus der Ewigkeit, aus der jenseitigen Welt, in unsere Welt herein, um sein Königreich aufzurichten. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn sein Reich von dieser Welt gewesen wäre, hätten seine Engel damals gekämpft, als er an Pilatus ausgeliefert wurde. Aber sein Reich ist nicht von dieser Welt. Er baut ein ewiges, ein jenseitiges Reich. Allein die Tatsache, dass es ewig dauert, sollte uns klar machen, dass dieses Reich nicht auf dieser Erde, so wie wir sie heute kennen, aufgerichtet wird.
Schlusswort und Reaktion des Königs Nebukadnezar
Wir schließen mit dem letzten Vers hier in Vers 46: Da fiel der König Nebukadnezar auf sein Angesicht und verneigte sich tief vor Daniel. Er befahl, dass Speisopfer und Rauchwerk dargebracht werden sollten.
Der König antwortete Daniel: „Es ist kein Zweifel, euer Gott ist ein Gott über alle Götter, ein Herr über alle Könige und ein Offenbarer der Geheimnisse. Denn du hast dieses Geheimnis offenbaren können.“
Wir wollen hier schließen. Morgen folgt die Fortsetzung in Kapitel 7. Vielleicht stehen wir zum Gebet auf.
