Ich heiße Yasser und wurde im Sudan geboren. Ich bin in einer sehr, sehr extremistischen islamischen Familie aufgewachsen. Ich komme aus einer sehr großen Familie. Im Jahr 1990 bin ich zum Glauben gekommen – oder besser gesagt, Jesus ist mir begegnet und hat mein Leben verändert.
1995 musste ich das Land verlassen, weil ich Christ geworden bin. Seitdem habe ich meine Familie nicht mehr gesehen.
Heute, wenn du hier sitzt und weißt, wohin du gehörst und welche Familie du hast, nimm dir einen Moment und sage zu Jesus Christus: Ich danke dir dafür.
Ich musste den Sudan verlassen. 1995 ging ich nach Kenia. Dort habe ich nicht nur mein Studium abgeschlossen, sondern auch meine schwäbische Frau kennengelernt.
Ihre Geschichte verlief etwas anders. 1992 war sie bei Yumiko, damals noch auf dem Killesberg. Dort hörte sie jemanden – Peter Wagner aus Österreich – der einen Vortrag zum Thema Mission hielt. Gott hat sie 1992 angesprochen. An diesem Tag entschied sie sich, in die Mission zu gehen. Ich bin sehr dankbar, dass sie diese Entscheidung getroffen hat.
Dann kam sie nach Kenia. Dort haben wir uns kennengelernt und getroffen, wir haben geheiratet, und danach sind wir nach Deutschland gekommen.
Als ich nach Deutschland kam, musste ich nicht nur eine neue Kultur kennenlernen, sondern auch eine sehr schwierige Sprache, nämlich Deutsch. Später kam dann noch Schwäbisch hinzu.
Ich besuchte eine Sprachschule, damals in Stuttgart, und fuhr jeden Tag mit der S-Bahn von Crontal nach Stuttgart. Die Fahrt dauerte genau 13 Minuten – nicht 14, nicht 18, sondern genau 13 Minuten. Das hat mich fasziniert. Jeden Tag saß ich in der S-Bahn und schaute auf meine Uhr. Nach genau 13 Minuten kam ich am Stuttgarter Hauptbahnhof an. Das war noch vor Stuttgart 21.
Da dachte ich mir: Was kann ich in dieser Zeit tun? Damals sprach ich die Sprache kaum und kannte die Kultur auch nicht wirklich. Deshalb hatte ich eine Idee: Ich bestellte Traktate auf Deutsch. Jeden Tag, wenn ich mit der S-Bahn fuhr, setzte ich mich nicht alleine hin, sondern suchte immer Plätze, wo schon Menschen saßen – am liebsten in der Mitte.
Die Deutschen hingegen suchten sich oft Plätze, wo niemand war, und setzten sich dorthin. Ich aber setzte mich immer dorthin, wo Menschen waren. Dann nahm ich meine Traktate aus der Tasche und fragte die Person neben mir: „Ich bin Ausländer und spreche kaum Deutsch. Können Sie mir helfen, diese Traktate vorzulesen?“
In der Regel waren die Menschen sehr freundlich und lasen mir die Traktate auf Deutsch vor. Die Deutschen machen oft ein Phänomen daraus, wenn sie mit Ausländern sprechen: Sie reden meist sehr laut. Ich weiß nicht warum. Aber während dieser S-Bahn-Fahrt freute es mich sehr, dass der Mensch neben mir die Traktate so laut vorlas.
Als ich dann am Stuttgarter Hauptbahnhof ankam, fragte ich ihn, ob ihm das gefallen habe. Er sagte ja. Daraufhin sagte ich: „Sie können das Traktat behalten, ich habe noch mehr in meiner Tasche.“
Jesus ist mir begegnet, und deshalb bin ich heute Morgen hier. Nicht, weil ich irgendetwas besser weiß als ihr, sondern weil Christus mein Leben verändert hat.
Ich habe meine Familie und die Familie meiner Frau im Schwäbischen Alb besucht. Obwohl ich dort einen Monat lang eine Sprachschule besucht habe, freute ich mich besonders, dass die Leute in diesem kleinen Dorf im Schwäbischen Alb auf mich zukamen und mit mir redeten.
Einmal kam ein älterer Herr und sprach zehn Minuten lang mit mir. Ich verstand kein einziges Wort. Er sah, dass ich verzweifelt war, schaute mir in die Augen und sagte: „Una, Verstorch!“ Ich wusste nicht, was dieses Wort bedeutete. Zu Hause nahm ich mein Wörterbuch, um „Verstorch“ nachzuschlagen. Ich blätterte von A bis Z, fand das Wort aber nicht.
Dann kam mein Schwager und erklärte mir, dass dieses Wort gar nicht im Wörterbuch steht. Seitdem kann ich ein bisschen Schwäbisch sprechen. Ich kann sagen, wo Goschna, Hanoi, der Hanne und solche Sachen sind.
Jesus begegnet uns, und er möchte, dass auch wir Menschen begegnen. Er begegnete mir damals in Khartum und meiner Frau hier in Stuttgart. Und er brachte uns zusammen.
Was ich damit sagen möchte: Ich wünsche mir, dass dieser Tag für dich nicht nur ein Ausflug ist. Vielleicht wurdest du aus irgendeinem Grund mitgeschleppt. Aber dieser Tag soll etwas Besonderes sein – für dich, für mich, für uns alle. Denn Jesus möchte uns begegnen. Er will uns begegnen und uns begleiten, damit wir wissen, wer Jesus Christus ist und was er für uns tun möchte.
Christen in Bedrängnis – Menschen in der Verfolgung
Christen weltweit sind die größte Gruppe von Menschen, die unter Verfolgung leiden. Laut Opendoors lebten im Jahr 2022 etwa 360 Millionen Christen in Ländern, in denen sie Bedrängnis und Verfolgung ausgesetzt waren.
In diesem Jahr wurden etwa 5 Christen ermordet, mehr als 6 verhaftet oder inhaftiert, und über 4 entführt. Diese Zahlen beziehen sich nur auf ein Jahr.
Darüber hinaus wurden mehr als 5 Kirchen und andere religiöse Einrichtungen zerstört. Dies geschah beispielsweise durch Boko Haram in Nigeria, al-Shabab in Somalia oder den IS in Syrien.
Die meisten Christen in diesen Ländern haben nicht das Privileg, friedlich in einer Kirche zu sitzen, zu beten und danach einfach nach Hause zu gehen, ohne verfolgt zu werden.
Die Bibelstelle, die wir für heute Morgen ausgewählt haben, stammt aus dem Römerbrief 8: „Um deines Willen werden wir getötet, den ganzen Tag.“
Ich war einmal im Irak, nachdem der IS Mossul übernommen hatte. Viele Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, darunter viele Christen, insbesondere orientalische Christen. Ich besuchte damals einen Pastor in Kurdistan, der einen Anruf von einer Familie erhalten hatte, die auf der Flucht war.
Die Familie bat ihn, zu ihnen zu kommen und ihnen zu helfen, weil die Frau im neunten Monat schwanger war und nicht mehr laufen konnte. Sie war zusammengebrochen. Die Familie befand sich irgendwo in der Wüste im Nordirak und bat den Pastor, ihnen zu helfen.
Der Pastor fragte mich, ob ich ihn begleiten möchte. Er sagte mir, dass wir durch IS-Gebiete fahren müssten, um die Familie zu erreichen. Ich fuhr mit ihm und wir durchquerten die IS-Gebiete. Nach einer langen Fahrt kamen wir an einem Ort an, an dem wir die Familie unter einem Baum in der Wüste des Nordirak trafen.
Die Frau lag flach unter dem Baum, ihre drei Kinder hatten sich um sie versammelt, und auch ihr Mann war dort. Leider kamen wir zu spät – sie war bereits gestorben. Ich sah ihr Gesicht an und werde es nie wieder vergessen. Sie hatte ihre rechte Hand auf ihrer Brust und hielt das Kreuz fest, das sie um den Hals getragen hatte, als sie starb.
Doch sie hatte ein Kind zur Welt gebracht. Das Kind schrie, während seine Mutter tot war. Das war einer dieser Momente, in denen ich keine Worte fand. Gott wollte, dass ich in einem solchen Moment schweige.
Inmitten dieses Schweigens kam eine Botschaft von dem Mann der Frau, die mich sehr überraschte. Trotz der schrecklichen Situation begann dieser Mann etwas zu tun, das für mich sehr merkwürdig war: Er fing an, ein Lied auf Englisch zu singen: „In Christ alone my hope is found.“
Auf Deutsch bedeutet das: „In Christus ist mein ganzer Halt, er ist mein Licht, mein Heil, mein Lied, der Eckstein und der feste Grund, sicherer Halt im Sturm und Wind.“
Heute Morgen hat Gott mich an diese Frau und diese Familie erinnert, als wir dieses Lied gesungen haben. Ich hoffe, dass wir heute Morgen sagen können: Hier und gerade hier in Christus ist mein ganzer Halt.
Wir werden diese Frau eines Tages im Himmel treffen und begegnen. Welche Geschichte würden wir ihr dann erzählen? Ich würde ihr sagen: Ich habe versucht, danach zu leben, was es bedeutet, in Christus meinen ganzen Halt zu finden.
Ich hoffe heute besonders, dass die jungen Leute unter uns verstehen: Es gibt nichts, was es wert ist, wofür wir leben sollten – außer Jesus Christus. Wir sollen ihm mit ganzem Herzen nachfolgen.
Paulus sagt im Römerbrief 8,24: „Denn wir sind auf Hoffnung gerettet. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?“ Wir sind gerettet. Das ist eine feste Sache, eine sichere Tatsache. Das Heil in Jesus Christus ist sicher. Diese Sicherheit gründet sich nicht auf uns, sondern auf die Tat Jesu Christi am Kreuz.
Wir leben als Gerettete, doch noch in der Welt. Noch sind wir nicht am Ufer, noch nicht am Rettungsseil der Liebe, mitten im Sturm der Zeit. Es heißt: „auf Hoffnung hin“. Gerade die Rettungstat Jesu stellt uns in die Erwartung und gibt uns Aussicht. Diese Erwartung und Aussicht – das ist die Hoffnung, die uns als Christen prägt, auch als Christen in Bedrängnis.
Doch Hoffnung bedeutet, dass wir noch nicht da sind. Das ist ihr Wesen: Sie ist nicht sichtbar im Sinne von etwas Materiellem, das wir sehen, tasten oder fassen können. Wir warten nicht einfach auf eine Veränderung dieser Welt. Wir warten nicht darauf, dass diese Welt schöner wird, dass Kriege zu Ende gehen oder dass das Klima sich bessert. Wir warten nicht auf eine ewige Dauer und Beständigkeit dieser Welt.
Wir warten auf Gottes neue Welt. Eine Welt, die unsere Sinne und Verstand weit übersteigt. Nicht etwas Besseres, sondern etwas völlig Neues.
Deshalb sollen wir uns zwar für das Klima und viele andere Dinge einsetzen. Aber vor allem sollen wir uns dafür einsetzen, dass Menschen gerettet werden, dass sie zu Jesus Christus kommen und ihr Leben verändert wird. So wie bei mir: Ich war ein fanatischer Muslim. Heute kann ich hier stehen und sagen: Ich danke Jesus Christus, der mein Leben verändert hat. Weil jemand den Mut hatte, zu mir zu kommen, in meinen Elendskarton, und zu sagen: „Jesus Christus liebt dich!“
Der Grund christlicher Hoffnung ist Gottes Handeln in Jesus Christus – in seinem Tod und in seiner Auferstehung. Ziel christlicher Hoffnung sind Gottes Verheißungen, die er uns allezeit gegeben hat, wie er selbst sagte.
Der Inhalt christlicher Hoffnung ist die Auferstehung von den Toten, das ewige Leben und damit Gottes ewiges Leben, das er uns schenken möchte.
Im Römerbrief heißt es: „Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auferweckt wurde.“ Das Urteil ist gesprochen. Wer will uns noch verurteilen, nachdem der Richter uns gerecht gesprochen hat? Denn das Urteil ist in einem anderen, an unserem Statt, vollzogen worden – an Christus. Und er ist gestorben, ja noch mehr.
Der Tod hat gerade nicht das letzte Wort in unserem Leben. Meine Familie hat mich für tot erklärt, aber Jesus Christus hat mich lebendig gemacht. Das ist die Geschichte vieler Menschen, die Verfolgung erfahren.
Jesus ist auferweckt und tritt jetzt als der lebendige Herr vor Gott für uns ein. Er ist unser Anwalt und unser Fürsprecher. Jesus ist nicht gegen uns, sondern für uns – so wie Gott selbst für uns ist. Deshalb dürfen wir Hoffnung haben.
Darum sollen wir die Botschaft von Jesus Christus weitergeben: Gott spricht uns frei, und deshalb kann uns niemand verdammen. Was uns jetzt anklagt oder verurteilen will, hat keine Chance mehr. Gott hat uns freigesprochen.
Jesus Christus hat das Urteil auf sich genommen. Wir sind frei in Christus. Wer uns anklagen will, muss Gott selbst anklagen. Doch Gott ist für uns. Er hat seinen Sohn gesandt, damit wir ein Leben mit ihm haben können.
Darum sagte Paulus: Was könnte uns von Christus und seiner Liebe trennen? Leiden oder Angst, Verfolgung, Hunger, Armut oder Schwert?
Vor was haben wir Angst? Oft leben wir in einem Kompromiss. Häufig zeigen wir nicht, woran wir wirklich glauben und was uns ausmacht. Wir sitzen mit unseren Kollegen, Kumpeln und Freunden zusammen. Sie machen Witze über alles – auch über unseren christlichen Glauben. Und wir schweigen, weil wir nicht ausgegrenzt werden wollen und den anderen Menschen gefallen möchten.
Als Christen müssen wir bereit sein, Jesus Christus radikal nachzufolgen. Viele Menschen sprechen laut und deutlich über ihre Überzeugungen. Doch die Menschen, die in diesem Land oft schweigen, sind wir Christen, weil wir Angst haben.
Darum sagt Paulus das und darum können wir von den Geschwistern lernen, die Verfolgung erleben. Sie wollen ein Leben führen, das kompromisslos ist – und das kostet etwas.
Wenn wir denken, dass unser Christsein uns nichts kosten soll, dann irren wir uns. Paulus sagte: „Und weil wir zu dir gehören, werden wir den ganzen Tag getötet?“
Im Alten Testament gab es jemanden namens Nehemiah. Er erzählt uns eine Geschichte in Nehemiah Kapitel 1, Verse 1 bis 4. Dort berichtet er, dass er sich in der Festung Susa befand. Diese Festung lag im heutigen Iran, wo Christen heute in Bedrängnis leben.
Eines Tages kam Hananiah, einer seiner Brüder, mit einigen Männern aus Judäa zu ihm. Nehemiah saß also in dieser Festung, sein Leben war geordnet und alles schien sicher – ähnlich wie bei vielen von uns. Doch dann veränderte sich seine Situation, als einer seiner Brüder zu ihm kam.
In unserer Kultur ist es üblich, dass wir, wenn Menschen zu uns kommen, als erstes fragen: Wie geht es der Familie? Wie geht es der Gemeinde? Und wie geht es den Menschen dort? Nehemiah fragte, als er noch in der Festung war, ob es ihnen dort noch gut gehe.
Nehemiah erkannte die Größe Gottes an und betete aus Liebe und Treue zu Gott. Ich möchte jetzt ebenfalls einen Moment nehmen, um für diese Menschen zu beten. Für Menschen in Bedrängnis, damit der Herr an ihrer Seite steht, sie ermutigt und ihnen Trost gibt.
Lasst uns in der Stille beten. Bitte tue dies in deinem Herzen, für Menschen in Not, für diejenigen, denen es nicht gut geht – so wie dir, mir und uns allen. Vor allem aber frage dich: Herr Jesus, was willst du mir mit dieser Botschaft sagen?
Ich danke dir, Herr, dass du deine Gemeinde baust. Ich danke dir für die Konvertiten, für die orientalischen Christen, für die Einheimischen. Während wir hier in äußerem Frieden sitzen, erleben viele große Bedrängnis. Manche sind im Gefängnis. Herr, gib ihnen Trost und hilf ihnen, dass sie spüren, dass du da bist, Herr Jesus.
Ich danke dir, Herr. Amen.
Und weil wir zu dir gehören, Herr, werden wir den ganzen Tag getötet. Hier spricht Paulus von einem Leiden, das nicht daraus entsteht, dass er kriminell war oder ist, sondern weil er Jesus Christus nachfolgt.
Nachfolge bedeutet: Hinter Jesus her führt der Jesusweg, und das ist der Leidensweg. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass unser Christsein uns nichts kosten soll oder darf. Die Gemeinschaft mit Christus ist auch gekennzeichnet von Leidensgemeinschaft.
Menschen, die Verfolgung erleben – oft, wenn ich die Geschwister besuche, sagen sie: „Bete für uns, aber bete nicht, dass die Bedrückung aufhört, dass die Verfolgung endet, sondern dass wir standhaft im Zeugnis für Jesus Christus bleiben.“ Im aussichtslosen Leiden ganzes Vertrauen zu haben, macht uns unbeweglich und fest gegründet in den Stürmen der Anfechtungen dieser Welt und der Verfolgung.
Die Frage, die ich uns allen am Ende stellen möchte, und ich bitte euch, diese Frage zu bedenken, lautet: Wie viel ist mir Jesus wert? Er hat dir und mir sein Leben gegeben. Paulus sagte, für ihn war Jesus alles wert.
Die Gemeinde und die Verfolgung setzen einen höheren Preis, weil Jesus für sie alles wert ist. Und für uns hier in diesem Land, in unserem Leben, in unseren Problemen und in unserem Elend sind es oft die Kompromisse, die wir tagtäglich eingehen, wo wir nicht fest sind und manchmal Jesus Christus nicht konsequent nachfolgen wollen.
Deswegen – bei dir in der Schule, bei dir auf der Arbeit und bei dir zu Hause: Missionare sind nicht nur die, die ins Ausland gehen oder zu uns gekommen sind. Morgen, wenn du in dein Büro gehst, wenn du in die Schule gehst oder deine Freunde triffst, bist auch du ein Missionar.
Merken die Menschen etwas Besonderes an uns? Und wenn sie es merken, sind wir auch bereit, darüber zu reden und dafür einzustehen? Wenn wir Ängste und Zweifel haben, dann denke bitte an die Christen, die in Bedrängnis sind.
Ich spreche von Menschen in Bedrängnis nicht, damit wir Mitleid mit ihnen haben, sondern damit jede und jeder von uns diese Frage stellen kann: Herr, wie kann ich dich als Christ bezeugen und keine Angst haben?
Diese Frage hoffe ich, dass wir heute beantworten können, wenn wir nach Hause gehen. Christ sein soll uns etwas kosten dürfen und auch kosten. Und in dieser Bedrängnis möchte Gott mit uns sein und bei uns bleiben.
Am Ende möchte ich euch eine Geschichte vorlesen. Es ist meine Geschichte, eine Erfahrung, die ich immer noch nicht frei erzählen kann.
Nachdem ich zum Glauben gekommen war, sagte meine Familie nicht nur zu mir: „Du bist nicht mehr unser Sohn.“ Ich musste mein Zuhause verlassen. Kurz darauf wurde ich festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Ich möchte euch von den Eindrücken erzählen, die damals in meinem Kopf waren. Danach beten wir zusammen.
Sieben Wochen lang war ich im sogenannten Geisterhaus, einem schrecklichen Ort im Gefängnis. Eines Tages stürmten die Beamten unser Büro und nahmen mich fest. Das Einzige, was ich schnell greifen konnte, waren meine Bibel und ein Handtuch. Dieses Handtuch war ein Geschenk der christlichen Gruppe aus Deutschland, aus Gummeringen, die uns besucht hatte. Darauf stand auf Englisch: „Der Herr ist mein Licht“. Diese Worte sollten mir später noch sehr wichtig werden.
Die Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter brachten mich auf das Revier, wo die Folter begann. Sie ließen mich stundenlang auf dem Innenhof in der prallen Sonne stehen, mit dem Gesicht zur Hofmauer. Immer wieder stießen die Beamten mir ihre Waffen in den Rücken und beschimpften mich aufs Übelste.
Doch das genügte ihnen nicht. „Wir können dich jetzt einfach umbringen. Für deine Familie bist du sowieso schon tot. Niemand wird dich vermissen“, drohten sie mir. „Kehre zum Islam zurück, und wir lassen dich frei“, lautete ihr Angebot. Ich schwieg. Ich war nicht bereit, meinen christlichen Glauben aufzugeben, obwohl ich damals noch nicht viel davon verstand.
Also brachten sie mich ins Geisterhaus. Schon draußen vor der Tür hörte ich Menschen schreien und vor Schmerzen stöhnen. Innen bot sich mir ein Bild des Grauens: Beamte schlugen mit dicken Wasserschläuchen auf Gefangene ein. Nackte Menschen waren an die Gitterstäbe ihrer Zelle gefesselt. Andere waren über den ganzen Korridor verteilt und erhielten in regelmäßigen Abständen Elektroschocks.
Im Geisterhaus wurde ich ein zweites Mal verhört. Kein Essen, kein Trinken, dafür immer wieder dieselben Fragen und Beleidigungen, die darauf abzielten, mich zu zerstören. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass sie mich sicherlich freilassen würden, wenn sie merkten, dass ich tatsächlich keine Informationen für sie hatte.
Doch ich sollte mich irren. Nach stundenlangen Befragungen brachten sie mich ins Kellergeschoss. Auch dort waren Schreie zu hören. Hinzu kam ein Gestank, bei dem mir übel wurde. Die Beamten führten mich einen langen Flur entlang. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, blickte ich durch die Gitter in den Zellen rechts und links von mir.
Schnell erkannte ich, woher der unerträgliche Gestank kam: In den Zellen lagen Leichen von Menschen, die tot waren. Ich weiß nicht, wie lange sie schon tot waren. Mich sperrten sie in eine Zelle mit zwei Sudanesen, die nur noch ins Leere starrten. Sie waren nicht ansprechbar, innerlich so zerbrochen, dass es ihnen die Sprache geraubt hatte.
Einige Tage später wurde ich in eine Einzelzelle gesperrt. Warum, wusste ich nicht. Es war ein kleiner Raum, dessen Boden und Wände aus Beton bestanden. Ein Bett gab es nicht. Auf dem harten Boden konnte ich immer nur kurze Zeit schlafen, bevor ich vor Schmerzen aufwachte.
In der Zelle kam kein Tageslicht herein. Sie war so dunkel, dass ich nicht einmal in meiner Bibel lesen konnte. Ich verlor jegliches Gefühl für die Zeit und wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Umso dankbarer war ich, dass ich bei der Verhaftung neben meiner Bibel auch das Handtuch hatte mitnehmen können. Ich nutzte es als Kopfkissen, Decke oder Sitzkissen.
„Der Herr ist mein Licht“ – diese Worte bekamen für mich in dieser dunklen Zeit eine völlig neue Bedeutung. Sie wurden zu Hoffnungsworten. Nur einmal am Tag durfte ich die Zelle verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Essen gab es nur, wenn die Gefängniswärter gnädig waren. Oft öffneten sie die Luke meiner Zellentür und stellten das Essen in unerreichbarer Entfernung auf den Gang.
Manchmal dauerte es Stunden oder sogar Tage, bis sie mir durch die Luke das Essen in die Zelle schoben. Wie gut selbst teilweise vergammeltes Essen schmeckt, wenn man so lange hungrig darauf warten musste!
Ich versuchte, in meiner inneren und äußeren Dunkelheit das Licht Gottes zu sehen. Trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen ich so sehr verzweifelte, dass ich befürchtete, entweder völlig durchzudrehen oder auch zu verstummen, wie die Sudanesen, mit denen ich die Zelle geteilt hatte.
Ich schrie zu Gott oder murmelte Bibelverse, die ich auswendig gelernt hatte, für mich hin. Wenn ich so depressiv war, klammerte ich mich an das Handtuch, wie jemand, der ertrinkt, an einem Rettungsseil.
„Warum tu ich mir das alles an? Womit habe ich das verdient?“, fragte ich mich in diesen Momenten. „Lohnt es sich wirklich, dies alles nur wegen meines Glaubens an Jesus auf mich zu nehmen?“
Für mich fühlte es sich wie ein Wunder an, dass ich in diesen Momenten die Gegenwart Gottes ganz intensiv spürte. Ja, ich hatte sogar den Eindruck, dass Jesus selbst zu mir in dieses Kellerloch kam, um mich zu trösten und zu umarmen.
Nur so konnte ich weiter durchhalten, weil ich wusste: Nicht die anderen oder die Situationen definieren mich, sondern ich folgte dem, der von sich sagte, dass er das Licht der Welt ist.
Lass uns beten: Wie viel ist mir Jesus wert, auch die Drohung des Kreuzestodes?
Ein Christ erlebt Leiden, weil er zu Jesus gehört. Doch dieses Leiden füllt Gott mit Segen. Er wirkt Bewahrung, Vertrauen und Liebe. Durch seinen rettenden Geist lehrt er uns das Loben und dass wir zu ihm kommen dürfen. In diesem Vertrauen überwinden wir weit durch Jesus Christus.
Wer kann uns von seiner Liebe scheiden? Diese Frage wollen wir heute im Gebet beantworten: Wie viel ist mir Jesus wert?
Herr Jesus Christus, ich danke dir, dass wir zu dir kommen können. Wenn du ihn heute noch nicht kennst und hier sitzt, ohne zu wissen, wo du stehst, dann sage zu Jesus: Ich möchte heute mit dir fest machen und kompromisslos dir nachfolgen.
Und wenn du ihn seit vielen Jahren kennst, dann sage ihm: Herr, ich möchte das mit dir ernst machen, und du bist mir alles wert. Ich gebe dir alles, Herr Jesus Christus.
Hilf uns, Herr Jesus Christus, dass wir nicht nur an die Menschen in Bedrängnis denken, sondern für sie beten und einfach zu dir stehen.
Ich bitte dich, Herr Jesus Christus, für unsere Geschwister, die leiden müssen, für Menschen auf der Flucht, für Menschen, denen es nicht gut geht. Ich sage zu dir, Herr: Erbarme dich über sie und über uns.
Ich danke dir, Herr, dass du mit uns und um uns gehst. Hilf uns, Herr Jesus Christus, diesen Tag einfach zu sagen: Herr, sprich zu uns. Wir wollen nicht nur hören, sondern auch tun, was du uns sagst.
In deinem Namen beten wir, Herr. Amen.