Du vergibst mir!

Reihe: Unser Vater! (5/6)
Jürg Birnstiel
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Serie | 6 Teile

Unser Vater!

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Reihe: Unser Vater! (5/6)

Matthäus 6,12

Einleitende Gedanken

“Ich habe einen Strick gestohlen!”, bekannte ein Mann seinem Missionar. Am nächsten Tag kam er wieder: “Ich kann einfach keinen Frieden finden - ich habe noch mehr gestohlen.” “Was denn?” “Ja - an dem Strick war noch eine Kuh dran!” Schuld eingestehen fällt niemandem leicht. Je grösser die Schuld ist, desto grösser ist die Scham, sie zu bekennen. Menschen entwickeln ausgeklügelte Systeme, um von den eigenen Verfehlungen abzulenken. Wer z.B. mit 80 km/h statt 50 km/h durch eine Ortschaft rast, empört sich über die Rücksichtslosigkeit dessen, der ihn mit 100 km/h überholt. Wie wunderbar lenkt diese Empörung von der eigenen Geschwindigkeitsüberschreitung ab. Es ist nicht besonders schwierig für uns, jemanden zu finden, der schwerwiegendere Schuld auf sich geladen hat. Damit meinen wir, unsere Verfehlungen rechtfertigen zu können. Dieser Verdrängungsmechanismus, den wir für unsere Schulden gut beherrschen, ist seit dem Sündenfall bekannt. Gott wollte von Eva wissen, warum sie von der verbotenen Frucht ass. Sie antwortet: „Die Schlange ist schuld, sie hat mich zum Essen verführt!“ 1.Mo.3,13. Die Schlange ist verantwortlich. Ich bin nur das Opfer. Auch Adam hatte für Gott eine Antwort bereit, warum er von der verbotenen Frucht ass: „Die Frau, die du mir an die Seite gestellt hast, gab mir davon; da habe ich gegessen.“ 1.Mo.3,12. Die Frau ist verantwortlich! Ich bin nur das Opfer. Die Antwort von Adam ist sogar noch dreister als die Antwort von Eva, denn er weist die Schuld Gott zu: „Du hast mir diese Frau gegeben.“ Anders gesagt: „Hättest du mir diese Frau nicht gegeben, dann wäre es nicht soweit gekommen – du bist eigentlich Schuld an diesem Debakel.“ Dieses Schuldverschiebungskonzept funktioniert bis heute tadellos. Wenn es ernst wird, weigern wir uns, die Verantwortung für unsere Entscheidungen und Handlungen zu übernehme. Wir machen andere für unser Verhalten verantwortlich und zu guter Letzt ist Gott an allem schuld. Warum hilft Gott nicht? Warum erhört er mein Gebet nicht? Warum hat Gott das zugelassen? Wenn Gott schweigt und wir sein Wirken nicht erkennen können, könnte es daran liegen, dass wir durch unser Verhalten zwischen Gott und uns eine Mauer aufgebaut haben. Zum Propheten Jesaja sagt Gott: „Meint ihr, der Arm des HERRN sei zu kurz, um euch zu helfen, oder der HERR sei taub und könne euren Hilferuf nicht hören?“ Jes.59,1. Natürlich kann Gott helfen. Er hat uneingeschränkte Möglichkeiten, um helfend einzugreifen. Das Problem lag nicht bei Gott, sondern bei den Israeliten: „Wie eine Mauer steht eure Schuld zwischen euch und eurem Gott; wegen eurer Vergehen hat er sich von euch abgewandt und hört euch nicht!“ Jes.59,2. Das Verhältnis zu Gott war schwer getrübt. Mit Heuchlern kann Gott eben nicht viel anfangen. Es ist deshalb von grösster Bedeutung, dass wir unsere Schuld nicht auf andere abschieben, sondern dass wir dafür die volle Verantwortung übernehmen und mit Gott ins Reine kommen. Deshalb auch die wichtige Bitte, die Jesus uns lehrt: „Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.“ Mt.6,12. Offensichtlich ist es Jesus klar, dass wir auf dieser Erde sündigen und Vergebung nötig haben. Mit dieser Bitte macht uns Jesus auf zwei Seiten der Vergebung aufmerksam. Auf der einen Seite ist Vergebung ein Geschenk und auf der anderen Seite bestimmen wir das Ausmass der Vergebung. Diese beiden Seiten werden wir jetzt betrachten.

I. Das Geschenk der Vergebung

Schuld ist ein schwerwiegendes Problem, das allgemein unterschätzt wird. Kein Mensch ist in der Lage, sich aus eigener Kraft von seiner Schuld zu befreien. Jesus fragt seine Jünger: „Was könnte ein Mensch als Gegenwert für sein Leben geben?“ Mk.8,37. Die Antwort ist klar: Nichts kann ein Mensch geben. Er kann seine Schuld aus eigener Kraft nicht loswerden. Schuld hat immer etwas mit einem anderen Menschen und mit Gott zu tun. Ich verschulde mich gegenüber Menschen und Gott. Gott kann ich nichts anbieten, was meine Schuld tilgen würde. Ich habe nur eine Chance, dass Gott mir meine Schuld vergibt. Doch Vergebung kann nur dort geschehen, wo die Einsicht von Schuld vorhanden ist. Zum bekannten Pfarrer Ernst Modersohn (1870 – 1948) kam eine Frau zum Gespräch. Sie fühlte sich von seiner Verkündigung angesprochen und wollte sich bekehren. “Warum wollen sie sich bekehren? Haben sie gesündigt?” fragte er sie. “Nein! Ich bin immer eine ordentliche Frau gewesen”, antwortete sie mit einem Unterton der Entrüstung.” Also eine Sünderin sind sie nicht?” “Nein! Was denken sie von mir!” So meint Modersohn: “Dann ist es auch nicht nötig, dass sie sich bekehren.“ Vergebung ist nur dort möglich und nötig, wo Schuld vorhanden ist. Jesus sagte einmal zu den Leuten, die sich für schuldlos hielten und meinten sie seien besser als die anderen Menschen: „Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“ Mt.9,13. Jesus ist nicht für die gekommen, die sich für gerecht halten. Aber wer will schon ein Sünder sein. Wir haben heute für jedes sündige Verhalten eine gute Erklärung gefunden. Menschen haben Probleme, aber keine Schuld! Wenn es Menschen gibt, die trotzdem Schuldgefühle haben, dann müssen sie in die Beratung, damit sie verstehen, dass sie keine Schuld haben und deshalb auch die Schuldgefühle ablegen können. Wie leichtfertig Menschen mit diesem Thema umgehen, zeigen verschiedene Liedtexte. Hier ein Beispiel: „Liebe, Sünde, Leidenschaft, das ist meine Welt. Der liebe Gott weiss, dass ich kein Engel bin so‘n kleiner Teufel steckt doch in jedem drin. Der liebe Gott weiss, dass ich kein Engel bin – das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin!“ (De Höhner) Das ist die Illusion so vieler Menschen. Sie meinen, sie könnten tun und lassen was sie wollen und am Schluss könnten sie mit Gott verhandeln. Aber dieser Gott, den sie sich vorstellen, existiert nicht. Nun, Modersohn, sagt dieser Frau, die sich bekehren wollte folgendes: “Ich gebe Ihnen einen guten Rat. Gehen sie jetzt nach Hause und bitten sie Gott: ‘Herr, zeige mir mein Herz, so wie du es kennst!’ Sagen sie es Gott mit der Bereitschaft, auf ihn zu hören.” Nach zwei Tagen kam diese Frau zurück. Sie sagt: „Ich habe ihren Rat befolgt. Ich hätte nie gedacht, dass ich solche Schulden habe. Mein ganzes Leben ist an mir vorbeigezogen. Gott hat mich an Verhaltensweisen und Gedanken erinnert, die ich längst vergessen hatte. Das ist ganz schrecklich! Glauben sie, dass Gott einer wie mir diese Schulden vergeben wird?” Das geschieht, wenn wir Gott einladen, uns den Spiegel vorzuhalten. Das geschieht, wenn wir aufhören uns selbst zu rechtfertigen und offen werden, auf Gott zu hören. In der Gegenwart Gottes begreifen wir, wie dringend wir Vergebung brauchen. So erging es Jesaja, der bestimmt kein schlechter Mensch war. Doch als Gott ihm begegnet, schreit er auf: „Ich bin verloren! Ich bin unwürdig, den HERRN zu preisen, und lebe unter einem Volk, das genauso unwürdig ist.“ Jes.6,5. Schuld kann unser Leben stark belasten. David, der König Israels, wollte seine grossen Schulden (Ehebruch und Mord) vor Gott verstecken. Das ist zwar unmöglich, aber er versuchte es trotzdem. Später schreibt er über die Auswirkungen dieser Bemühungen: „HERR, erst wollte ich meine Schuld verschweigen; doch davon wurde ich so krank, dass ich von früh bis spät nur stöhnen konnte. Ich spürte deine Hand bei Tag und Nacht; sie drückte mich zu Boden, liess meine Lebenskraft entschwinden wie in der schlimmsten Sommerdürre.“ Ps.32,3-4. Es gibt nur einen Ausweg, der aus einer solchen Situation herausführt. Glücklicherweise hatte David doch noch die richtige Entscheidung getroffen. „Darum entschloss ich mich, dir meine Verfehlungen zu bekennen. Was ich getan hatte, gestand ich dir; ich verschwieg dir meine Schuld nicht länger. Und du - du hast mir alles vergeben!“ Ps.32,5. David hat das Geschenk der Vergebung bekommen. Und weil das nicht nur für David gilt, konnte Modersohn dieser Frau sagen: “Ja, es gibt Gnade und Vergebung für sie.” Er zeigte ihr in der Bibel die Versprechen, die Gott gegeben hat und sagt: “Vorgestern konnte Jesus nichts mit ihnen anfangen, denn Jesus ist gekommen, um Sünder zu retten.“ Egal, welche Schuld du mit dir herumträgst. Warte nicht länger. Komm zu Gott und bekenne deine Schuld. Sag einfach, was du falsch gemacht hast. Jesus ist für deine Schuld am Kreuz gestorben. Paulus erklärt: „Gott hat Christus, der ohne Sünde war, an unserer Stelle als Sünder verurteilt, damit wir durch ihn vor Gott als gerecht bestehen können.“ 2.Kor.5,21. Vielleicht geht es dir wie dieser Frau, die zu Modersohn ging. Du denkst, mag ja sein, etwas Schuld werde ich schon haben, aber das hat ja jeder Mensch. Gott kann mit mir doch ganz zufrieden sein. Dann bitte Gott darum, dass er dir die Augen für dich selbst öffnet. Mit der Bitte, die Jesus seine Jünger lehrt, sagt uns Jesus, dass die Vergebung unserer Schuld möglich ist. Gott kann uns vergeben. So bitte Gott: „Und vergib uns unsere Schulden.“ Mt.6,12. Vergib mir meine Schulden. Was für ein Geschenk, dass wir den Vater darum bitten dürfen.

II. Das Ausmass der Vergebung

Was unsere Aufmerksamkeit besonders wecken sollte, ist der zweite Teil dieser Bitte. „Und vergibt uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.“ Mt.6,12. Jesus bringt die Vergebung unserer Schuld in Verbindung mit unserer Bereitschaft, denen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind. Jesus macht uns darauf aufmerksam, dass das Ausmass der Vergebung unserer Schuld sehr eng damit verbunden ist, wie wir Menschen vergeben, die an uns schuldig geworden sind. Übrigens ein allgemeines biblisches Prinzip. In einem anderen Zusammenhang sagt Jesus: „Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Mass, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden.“ Mt 7,2. Jesus erzählte eine Geschichte über die Vergebung, die sehr eindrücklich ist. Ein Mann hatte gegenüber seinem Herrn eine riesengrosse Schuld. Dieser Herr forderte nun das Geld zurück, doch der Mann jammerte und flehte, so dass ihm sein Herr die ganze Schuld bedingungslos erlassen hat. Erleichtert und fröhlich machte sich der Mann auf den Heimweg. Unterwegs begegnet er einem seiner Sklaven, der ihm einen kleinen Betrag schuldete. Er forderte sein Geld erbarmungslos zurück. Er verprügelte seinen Sklaven und liess ihn ins Gefängnis werfen, weil dieser nicht in der Lage war, seine Schuld zu begleichen. Als der Herr von diesem Vorfall hörte, wurde er zornig und forderte die ganze Schuld zurück. „Voller Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm alles zurückgezahlt hätte, was er ihm schuldig war.“ Mt.18,34. Jesus wendet diese Erzählung auf seine Zuhörer an, indem er sagt: „So wird auch mein Vater im Himmel jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von Herzen vergibt.“ Mt.18,35. Vergebung war Jesus enorm wichtig, denn gleich als nächstes – nach dem „Unser Vater“ – greift er diesen Punkt nochmals auf und schärft seinen Jüngern ein: „Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, wird euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ Mt.6,14-15. Gott erwartet von uns, dass wir das Geschenk der Vergebung weitergeben. Aber nicht nur das. Jesus sagt damit auch, dass wir selber bestimmen, wie gross die Vergebung unserer Schuld sein wird. Diese Seite der Vergebung schauen wir nicht so gern an, denn es fällt uns oft sehr schwer, jemandem zu vergeben, der an uns schuldig geworden. Wir würden uns lieber rächen und den anderen bestrafen. Aber Gott will, dass wir einander vergeben, so wie er uns vergeben hat. Er will, dass wir den Schmerz, der uns zugefügt wurde ertragen und auf Rache verzichten. Paulus schreibt das auch den Kolossern: „Geht nachsichtig miteinander um und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Genauso, wie der Herr euch vergeben hat, sollt auch ihr einander vergeben.“ Kol.3,13. Überlege, ob du mit einem Menschen unversöhnt bist, der sich dir gegenüber schuldig gemacht hat und der sein Verhalten dir gegenüber bereut. Zögere nicht, ihm zu vergeben, so wie Gott dir vergeben hat. Nimm die Bitte des „Unser Vaters“ ernst: „Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.“ Mt 6,12

Schlussgedanke

Lernen wir unsere Sünden, unsere Schulden klar zu bekennen. Warte nicht, denn vor Gott kannst du sowieso nichts verbergen. Wer wartet verschwendet nur wertvolle Zeit. Ein bedeutender Geschäftsmann erzählte einem Seelsorger, er sei schon seit dreizehn Jahre Christ, aber vor acht Jahren hätte er zwei ausserordentlich schwere Sünden begangen. Sein Gewissen hätte ihm gar keine Ruhe gelassen. Jetzt möchte er die Sache endlich bereinigen. Acht Jahre hätte ihn diese Schulde geplagt und die Beziehung zu Gott massiv beeinträchtigt. Nun wolle er diese Schuld vor Gott und den Menschen, die davon betroffen sind, in Ordnung bringen. Als er seine Schuld bekannte, wurde er von grosser Freude ergriffen. Dem Seelsorger sagte er, er könne sich gar keine Vorstellung davon machen, wie gross seine Erleichterung jetzt sei. Endlich ist er die Schuld los, die er acht Jahre lang mit sich herumgetragen hatte. Jeder von uns kann diese Freude erleben, wenn er seine Last bei Gott ablegt und seine Schuld bekennt. In den Sprüchen steht: „Menschen, die ihre Verfehlungen verheimlichen, haben keinen Erfolg im Leben; aber alle, die ihr Unrecht bekennen und aufgeben, finden Gottes Erbarmen.“ Spr.28,13. Unser Vater vergibt gern, deshalb können wir ihn bitten: „Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.“ Mt 6,12