
Die verpassten Gelegenheiten im Leben
Der heutige Guterad trägt den Titel „Ergreife die Gelegenheit“.
Einige Leute sind nie rechtzeitig zur Stelle, wenn der Zug abfährt. Sie kommen genau zu dem Zeitpunkt am Bahnhof an, an dem sie sicher sein können, dass es bereits zu spät ist. Dann sagen sie in schläfrigem Ton: „Was, ist der Zug schon fort? Da muss meine Uhr in der Nacht stehen geblieben sein!“
Sie kommen regelmäßig einen Tag nach dem Markt in die Stadt und packen ihre Waren eine Stunde nach Geschäftsschluss aus. Sie machen ihr Heu, wenn die Sonne nicht mehr scheint, und schneiden das Korn, sobald das schöne Wetter vorüber ist.
Sie schreien „Halt!“, wenn der Schuss aus dem Gewehr schon abgefeuert ist, und verschließen die Stalltür, nachdem das Pferd gestohlen wurde. Sie gleichen dem Kuhschwanz, der immer hinten nachhängt.
Unpünktliche Leute entschuldigen sich meistens mit den Worten, dass sie sich nur ein wenig verspätet haben. Doch ein wenig zu spät ist viel zu spät, und „beinahe gewonnen“ bedeutet „ganz verloren“.
Mein Nachbar deckte gemächlich seinen Brunnen zu, nachdem das Kind hineingefallen war. Demnächst wird er den Entschluss fassen, sein Testament zu machen, wenn er die Feder nicht mehr in der Hand halten kann. Er wird versuchen, Buße zu tun, wenn ihm das Bewusstsein zu schwinden beginnt.
Die Gefahr des Aufschiebens und der Trägheit
Diese langsamen Menschen denken, morgen sei besser als heute. Ihre Lebensregel ist ein altes, jedoch auf den Kopf gestelltes Sprichwort: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe getrost auf morgen.
Sie warten immer auf gebratene Tauben, die ihnen in den Mund fliegen sollen, und träumen von einem Glück, das ihnen in den Schoß fallen werde. Dabei wuchert das Unkraut in ihren Furchen, und die Kühe brechen durch die Lücken ihrer Hecken hindurch.
Wenn sich die Fasane nur Salz auf den Schwanz streuen lassen würden, was für einen Schmaus könnten sie dann ihren Familien heimbringen! Solange sich aber alles in der Welt noch immer so schnell bewegt, werden ihre Kleinen schon den Löffel leer in den Mund stecken müssen.
"Lass gut sein", sagen sie, "es kommen bessere Zeiten, warte noch ein wenig länger." Ihre Tauben sind alle auf dem Dach und sind alle außerordentlich fett, wie sie meinen. Es wäre ihnen dies auch sehr zu wünschen, denn bis jetzt haben sie noch keine in der Hand gehabt, nicht einmal einen Spatz.
Die Illusion der unbegrenzten Zeit
Es wird noch etwas zum Vorschein kommen, sagen sie. Doch warum gehen die dummen Menschen nicht selbst hin und bringen es zum Vorschein?
Zeit und Flut warten auf niemanden. Trotzdem treiben sich diese Müssiggänger umher, als gehörten ihnen Zeit und Gelegenheit als unverlierbarer Erdbesitz. Als hätten sie eine bestimmte Lebenszeit gepachtet. Als könnte man sich ein Kaninchengehege voller guter Gelegenheiten anlegen.
Wer den Frühling vergeudet, wird einen mageren Herbst haben. Wer das Eisen nicht schmieden will, wenn es heiß ist, wird das kalte Eisen bald als sehr hart empfinden. Wer nicht will, wenn er kann, wird nicht können, wenn er will.
Die Zeit fährt vorüber wie der Wind. Wer sein Korn mit ihr mahlen will, muss die Mühlenflügel nach ihr richten. Wer den Mund aufsperrt, bis er Brot hat, wird ihn so lange aufsperren, bis er den Tod hat.
Mühe als Voraussetzung für Erfolg
Nichts auf der Welt ist ohne Mühe zu erlangen, außer Armut und Schmutz. Früher pflegte man zu sagen: Der Dumme hat Glück. Heute trifft eher das Gegenteil zu.
Doch niemals, weder in alten noch in anderen Zeiten, wird jemand Glück haben, der die ihm gebotenen guten Gelegenheiten törichterweise verstreichen lässt. Die Hasen laufen nicht den schlafenden Hunden ins Maul.
Wer Zeit hat und auf bessere Zeiten wartet, wird eine Zeit bekommen, die ihm nicht gefällt. Wenn ich einen Menschen finde, der über schlechte Zeiten klagt und jammert, dass er immer Unglück habe, dann denke ich mir gewöhnlich: Die alte Gans hat nicht ordentlich auf den Eiern gesessen. Nun, da sie alle verdorben sind, klagt sie die Vorsehung an, dass keine Jungen herauskommen.
Glück und Fleiß als Schlüssel zum Gelingen
Ich habe niemals an das Glück an sich geglaubt – außer in der Vorstellung, dass ein Mensch sein Glück über den Graben getragen bekommt, wenn er tüchtig springt. Es wird ihm ein Stück Speck in den Topf legen, wenn er fleißig seinen Garten pflegt und sich ein Schwein fett macht.
Ich denke, dass das Glück wenigstens einmal im Leben an jedermanns Tür klopft. Öffnet man die Tür jedoch nicht durch Fleiß, ist es sofort wieder verschwunden. Wer den letzten Zug verpasst und jede Gelegenheit entgleiten lässt, beginnt meistens, sein Schicksal zu beschuldigen, weil es ihn immer in ungünstige Umstände bringt.
„Ich habe doch immer Pech“, sagt er. „Wäre ich Hutmacher, würden bestimmt die Leute ohne Köpfe geboren werden. Würde ich ans Meer gehen, um Wasser zu schöpfen, fände ich es ausgetrocknet.“
Die Verantwortung für das eigene Leben
Jeder Wind ist widrig für ein unvernünftiges Schiff. Weder die Weisen noch die Wohlhabenden können dem helfen, der sich lange geweigert hat, sich selbst zu helfen.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit