Herr Präsident! Wir haben gestern im Schnelldurchgang Matthäus 5,38 und die folgenden Verse überflogen. Genau dort möchte ich heute ansetzen. Wir planen außerdem, noch einen Abschnitt aus Kapitel 6 zu behandeln. Ich beginne also ohne weitere Einleitung. Ist das in Ordnung?
Wir sind bei dem vierten Wort Jesu in der Bergpredigt. Es heißt in Vers 38: „Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Auge um Auge und Zahn um Zahn.“ Hier zitiert der Herr Jesus das Gesetz des Mose. Es gibt drei oder vier Stellen, an denen dies vorkommt. Ihr könnt das am Rand eurer Bibel im Parallelstellenverzeichnis nachschauen, dort ist vermerkt, wo diese Stellen stehen.
In Vers 39 sagt Jesus: „Aber ich sage euch ...“ Den Herrn Jesus habe ich gestern so erklärt, dass er hier nicht das Gesetz korrigiert, sondern offensichtlich einen falschen Umgang mit dieser Gesetzesstelle. Er zeigt, dass es um mehr geht. Der Sinn des Gesetzes ist viel tiefer, und es geht um Liebe. Das haben wir bereits in den anderen Stellen gesehen, die wir schon gelesen haben.
In Matthäus 5,21 und den folgenden Versen geht es um Liebe und um die Beziehung untereinander – hier in diesen ersten fünf Worten um die Beziehung von Bruder zu Bruder. Der Herr Jesus lehrt seine Jünger, dass sie dem Bösen keinen Widerstand leisten sollen. Er sagt hier: „Leistet dem Bösen keinen Widerstand.“
Dann kommt das Bild mit der anderen Wange. Der Herr Jesus erwartet von seinen Jüngern, dass sie keinen Widerstand leisten, sondern lernen, Übles zu erdulden. Das wird hier ganz klar.
Auch Paulus hat genauso gedacht. Er war ja ein Schüler des Herrn Jesus. In Römer 12,17 sagt er: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.“
Die tiefere Bedeutung von "Auge um Auge" und das Ertragen von Übel
Aber es ist wichtig, dass wir etwas tiefer schauen. Was will der Herr Jesus zeigen? Er sagt: Schau, wenn es Widerwärtigkeiten gibt oder böse Menschen, die gegen dich arbeiten, dann ist es der Herr, der diese geschickt hat. Das vergisst man oft, gerade wenn man mit schwierigen Leuten zu tun hat.
Der Herr hat alles in der Hand. Der Herr, der diese Bergpredigt spricht, ist nicht nur Gesetzgeber, sondern auch derjenige, der die Widersacher in seiner Hand hält. Er möchte, dass seine Jünger lernen, richtig zu reagieren, damit sie ein Licht sind und dieses Licht vor den Menschen leuchten lassen. So sollen die Menschen die guten Taten sehen.
Einige von uns waren heute bei den Moslems in der Moschee. Das war für mich sehr aufschlussreich, weil ich jetzt gemerkt habe, wie fleischlich diese Religion ist. Er hat uns erklärt, dass es bei den Moslems so ist, dass ein Engel auf der linken Schulter immer die bösen Taten aufschreibt und ein Engel auf der rechten Schulter die guten Taten. Vor dem Gericht werden dann die beiden Bücher aufgeschlagen, und man schaut, welches Buch dicker ist.
Wenn du mehr gute Taten hast als schlechte, ist das wunderbar, sonst schlecht für dich. Wobei es immer noch auf das Erbarmen Allahs ankommt, nicht auf das Erbarmen Gottes. Denn der Allerhöchste, Allah, ist ein Herrscher, der immer tut, was er will. Letztlich kann kein Moslem wissen, wie es ihm ergehen wird, auch wenn er viele gute Werke getan hat. Er ist immer abhängig von der Souveränität und dem eigenen Willen Allahs.
Das Evangelium ist komplett anders. Als ich heute einen dieser Vertreter dort so feurig reden hörte, dachte ich: Wenn wir diesen gewinnen könnten, würde er wahrscheinlich hundertprozentig mit dem Herrn gehen, wenn er das Evangelium wirklich versteht. Wenn er für so eine fleischliche, sinnlose Religion sein Leben aufopfern will, wie viel mehr würde er für den Herrn Jesus leben, wenn er den Herrn der Herrlichkeit erkennt.
Wir sollten beten, dass der Herr uns Zugang zu solchen Menschen schenkt. Es waren junge Leute dort, zwei junge Männer und ein älterer Mann, der Lehrer dort. Er ist kein Imam. Jedenfalls sind mir besonders die zwei jungen Männer sehr zu Herzen gegangen. Wir sollten beten, dass der Herr uns einen Zugang schenkt.
Das Evangelium ist ganz anders. Keinen Widerstand leisten – das kennen die Moslems nicht. Die Moslems dürfen sich verteidigen, hat man uns erklärt. Sie wussten, dass Christen das nicht tun. Einige Lehren des Christentums besagen, dass Christen alles erdulden müssen. Aber das können sie nur durch die Gnade Jesu Christi.
Der Herr Jesus möchte dies in seinen Jüngern entwickeln. Lasst euch also demütigen, sagt der Herr einmal. Ich weiß nicht genau, wo ich den Bibelvers habe, vielleicht finde ich ihn noch. Er heißt: „Unter der mächtigen Hand Gottes lasst euch demütigen, damit er euch erhöhe zur rechten Zeit, nachdem ihr eure ganze Sorge auf ihn geworfen habt, weil ihm an euch gelegen ist“ (1. Petrus 5,6-7).
Der Herr der Herrlichkeit ist bekümmert um die, die Widerwärtigkeiten ertragen, die geschlagen werden und sich nicht wehren. Ich denke an einen Bruder in Moldawien. Er erzählte, dass er früher ein Schlägertyp war, sich zu Christus bekehrt hat und dann zur Taufe ging. Der orthodoxe Priester kam mit einer Schar, um die Taufe zu stören, die Taufe der Christen.
Da stand er im Wasser und sagte: „Herr, halt mich, Herr, halt mich, sonst haue ich sie zusammen.“ Aber der Herr gab ihm Gnade, hielt ihn zurück, und sie wehrten sich nicht. Das war ein großer Sieg. Heute ist er einer der Ältesten einer blühenden Gemeinde. Er erzählte von seiner Jugend, als er sich bekehrte. Heute hat er elf Kinder, die alle mit dem Herrn leben. Er ist ein treuer Mann Gottes.
Und der Herr bewirkt das, nicht wir.
Die Bereitschaft zum Ertragen von Unrecht und zur Nachgiebigkeit
Dem, der dich auf die rechte Wange schlagen wird, dem kehre auch die andere zu. Das bedeutet, bereit zu sein, Unrecht zu erleiden – und wenn nötig, sogar zusätzliches Unrecht. Es heißt nicht, das Unrecht herauszufordern, sondern einfach diese Bereitschaft zu zeigen, so wie der Herr Jesus es getan hat. Er hat Unrecht erlitten und sogar zusätzliches Unrecht auf sich genommen.
Hier geht es also um die eigene Ehre. Schon das Schlagen auf die Wange ist eine große Entehrung, besonders wenn es mit der Rückhand geschieht.
Und dem, der mit dir rechten will und dein Leibhemd nehmen möchte, überlass auch den Mantel. Hier geht es um eine Situation, in der man einem anderen hilflos ausgeliefert ist. Es ist ungerecht – einfach ungerecht. Der Herr hat uns ein Gerechtigkeitsempfinden in unser Innerstes gelegt, und wir empfinden es als furchtbar, wenn Ungerechtigkeit geschieht. Aber der Herr sagt: Denk daran, eines Tages wird Gerechtigkeit herrschen. Nicht jetzt sollst du dir selbst Gerechtigkeit schaffen, sondern eines Tages wird er eingreifen.
Wenn also jemand mit dir rechten will und dein Leibhemd nehmen möchte, überlass ihm auch den Mantel. Dulden, dulden – und das sogar als Gelegenheit sehen, ihm noch mehr zu geben.
Hier geht es um Besitz. Wenn jemand etwas von dir fordert, dann lass es geschehen. Ich erinnere mich an eine Situation in Rumänien, als ich einen Spaziergang machte. Da kam ein Zigeuner, der war ein bisschen sonderbar. Plötzlich nahm er mir mein Unterhemd, das ich gerade trug, und zog daran. Da dachte ich: Wenn dir jemand dein Unterhemd nehmen will, lass es los. Also ließ ich es los. Nach ein paar Minuten kam sein Vater mit ihm zurück. Der war schon ein ausgewachsener Mann. Er bat um Vergebung dafür, dass der Junge mir das weggenommen hatte.
„Wie er mir tat, so tue ich ihm nicht“, sagt Sprüche 24,29. „Ich vergelte dem Mann nicht nach seinem Tun.“ Das haben wir gestern gelesen.
Und wenn ich zu einem Dienst genötigt werde, für eine Meile zu gehen, dann gehe zwei mit ihm. Das Wort „nötigen“ bedeutet hier, zu etwas zu zwingen, zu einem Dienst. Es ist nicht gemeint, dass dich jemand einfach so zwingt, mit ihm zu gehen, weil ihm langweilig ist. Sondern es bedeutet, dass dich jemand zwingt, ihm etwas zu tragen. Zum Beispiel: Er nimmt deinen Koffer und sagt, du musst ihn jetzt tragen. Damals gab es nicht unbedingt Träger, und so etwas konnte schon passieren.
Wenn dich also jemand nötigt, eine Meile (etwa 1,6 Kilometer) mitzugehen, dann gehe zwei Meilen mit ihm. Es geht hier um Freiheit. Wenn unsere Freiheit beschnitten wird, dann sollen wir bereit sein, das anzunehmen. Aus der Not wird eine Gelegenheit für den Herrn. Dann sagen wir: Gut, komm, ich schenke dir noch etwas, ich gebe dir jetzt noch etwas dazu, ich trage es dir, ich mache das jetzt auch noch. Das hinterlässt oft ein erstauntes Gesicht.
Der Herr sagt: Das ist eine Gelegenheit, Licht zu sein. Dem, der dich bittet, gib. Nun folgt der allgemeine Grundsatz: Dem, der dich bittet, gib. Grundsätzlich sei bereit zu geben. Und dem, der von dir borgen will, wende dich nicht ab.
Aber wenn mir jemand etwas borgen will, stellt sich immer die Frage: Gibt er es auch zurück oder nicht? Was ist, wenn er es nicht zurückgibt? Da sagt der Herr Jesus: Dann sei innerlich bereit und lass es los. Grundsätzlich heißt es, bereitwillig zu schauen, wie man anderen dienen und helfen kann.
Dabei müssen wir aber vorsichtig sein, dass wir das nicht eins zu eins nehmen. Wir können nicht jedem Bettler alles geben, was er erbittet. Wenn du in Rumänien bist und anfängst, alles zu verteilen, was du hast, dann lassen sie dich nicht mehr los. Am Ende wirst du vielleicht sogar verletzt, wenn nicht jeder etwas bekommt. Deshalb ist Weisheit gefragt.
In Cluj, einer großen Stadt, gibt es einen Misthaufen, dort wohnen viele Zigeuner. Einmal fuhr ich mit einem Bruder, Emil Horvath, durch die Stadt. Er sagte: Nicht stehenbleiben und nichts aus dem Auto werfen. Höchstens, wenn du sicher bist, dass du weiterfahren kannst, dann kannst du etwas rauswerfen. Sonst versperren sie dir den Weg und du kommst nicht mehr weiter.
Man muss also Weisheit haben, wo man geben kann und wo nicht. Einem einzelnen Zigeuner kann man schon mal eine Banane geben oder etwas Ähnliches. Aber Geld würde ich nicht geben, denn das wird oft an die Eltern weitergegeben, die es dann vertrinken lassen. Die Kinder müssen für die Eltern Geld sammeln.
Manchmal binden sie sich ein Bein hoch, lassen die Hose runter, damit es aussieht, als ob sie behindert und arm sind. Dann stehen sie an der Ampel und halten die Autos an, um zu betteln. Ein Bruder hat einmal einem solchen Kind gesagt: Zeig mir mal dein Bein. Da war es hochgebunden. Das Geld, das sie einsammeln, müssen sie abliefern, und es wird dann vertrunken.
Weisheit und Liebe müssen Hand in Hand gehen. Man darf nicht töricht in der Liebe sein, sondern auch weise. Einem Bettler kann man zu essen geben, das ist klar. Der Herr gibt uns die nötige Weisheit.
Die Liebe als Grundlage des Handelns und Parallelen zu früheren Worten Jesu
In diesen vier Beispielen geht es letztlich um Liebe. Wenn ich das mit dem zweiten Wort vergleiche – ihr seht es hier in der Gliederung –, dann ging es dort ums Auge, genauer gesagt ums rechte Auge, und um die Hand. Hier, beim vierten Wort, geht es ebenfalls um das Auge, Auge um Auge, und um die rechte Wange. Dabei lassen sich einige Parallelen erkennen.
Ich habe gestern schon kurz erwähnt: Wenn es um dich selbst geht, dann reiß dir lieber ein eigenes Auge aus. Sei radikal, was Sünde oder Verführung zur Sünde betrifft. Wir sollten die Dinge entfernen, die uns zur Sünde verleiten. In diesem Punkt müssen wir konsequent sein.
Wenn aber jemand anderem dir das Auge ausreißt, sollst du ihm nicht ebenfalls das Auge ausreißen, nur weil er es bei dir getan hat. Es gilt also nicht das Prinzip: „Du hast mir das Auge ausgerissen, also reiße ich dir deines aus.“ Nein, so ist es nicht. Genau hier sehen wir, dass es nicht so läuft, wie es die Juden sich vorgestellt haben.
Wenn zum Beispiel ein Bruder meine Gitarre kaputt macht und sie nicht ersetzen will, was soll ich dann tun? Soll ich vor Gericht gehen? Oder soll ich ihn unter Druck setzen oder gar drohen, falls er die Gitarre nicht ersetzt? Oder wenn er ein Buch nur so zurückgibt, dass es zerfetzt ist? Das ist schwierig. Ich muss lernen, das hinzunehmen, ohne beleidigt zu sein. Das ist meine Verantwortung.
Was ist, wenn der Bruder ein Haus vor meinem Haus baut und mir dadurch den Schatten wegnimmt? Soll ich dann vor Gericht gehen? Entschuldigung, ich meinte, er nimmt mir die Sonne weg, und ich habe nur Schatten. Das war ein Versprecher. Was soll ich in so einem Fall tun? Soll ich vor Gericht gehen? Oder wie soll ich reagieren? Vielleicht brauche ich den Schatten, vielleicht gibt es viele heiße Sommer, und dann bin ich dankbar für den Schatten.
Es ist also nie der Weg, dass ich für mein Recht kämpfe, wenn es um mich selbst geht. Wir haben gesagt: Nein, so nicht.
Wenn die Schwester ins Wort fällt, darf ich ihr dann ins Wort fallen, während sie spricht? Natürlich nicht. Das ist die praktische Anwendung für unser Leben, oder?
Die Liebe zum Feind als Ausdruck vollkommener Nachfolge
Ja, das fünfte Wort: das Verhalten zum Feind. Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Aber ich sage euch: Liebt eure Feinde oder liebt eure Feinde. Wie soll ich die Feinde lieben? Das sagt der Herr Jesus jetzt im Folgenden.
Hier geht es um Liebe. Der Herr Jesus erwartet, dass seine Jünger wirklich so vollkommen sind, dass sie sogar den Feind lieben. Das erwartet er hier, oder? Sonst würde er es nicht sagen.
Wie soll ich das machen? Es geht zuerst um die Einstellung. Der Herr Jesus arbeitet immer zuerst an der Einstellung. Die Kraft liefert er dann schon, aber zuerst muss die Einstellung und die Bereitschaft da sein. Wenn von vornherein die Bereitschaft nicht da ist und man sagt: Nein, sowas lasse ich mir nicht bieten, dann sind wir jetzt bitte ganz woanders. Wir sind bei Vers 43 bis 47, danke für den Hinweis, ich habe da einen Fehler bei der Folie gehabt. Vers 43 bis 47 sind wir.
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde! Wie soll ich das tun? Segnet die, die euch fluchen. Was heißt segnen? Oft beten wir oder sprechen Worte, über die wir zu wenig nachgedacht haben. Segnen heißt eigentlich nichts anderes, als jemandem das Leben zu wünschen. Fluchen ist das Gegenteil, oder? Da wünscht man jemandem das Verderben und den Tod, dass er möglichst bald stirbt. Man schickt ihn auf den Weg des Todes, dass er möglichst bald in die Hölle kommt oder so etwas. Das ist Fluchen, ja?
Segnen ist das Gegenteil. Man wünscht ihm, dass er möglichst lange lebt. Er ist ein Feind. Wir wünschen uns meistens, wenn wir einen Feind haben, dass er möglichst bald stirbt, oder? Das ist das Natürliche. Und er sagt: Bete dafür, dass er recht lang gesund bleibt, fit ist, dass es ihm gut geht, dass sein Beruf gut läuft, dass er Karriere macht und so weiter. Bete, dass er den größten Segen bekommt. Das wäre, dass er auch den Herrn kennenlernt. Das verstehen wir dann schon.
Segnen also: Ich soll für das beten, was das Leben von ihm fördert. Tut wohl denen, die euch hassen! Tut wohl denen, die euch hassen! Ich soll ihn nicht zurückhassen. Wenn er mich hasst, soll ich nicht hassen. Wenn der Bruder mich hasst, schreibt Johannes auch darüber. Johannes sagt: Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder. Und ihr wisst, dass kein Menschenmörder ewiges Leben in sich hat. Es wohnt nicht in ihm.
An diesem haben wir die Liebe erkannt, dass er seine Seele, sein Leben für uns hingab, und wir sind es schuldig, die Seele oder das Leben für die Brüder hinzugeben. Also segnet, ihr seid nicht Fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beleidigen und euch verfolgen, auf dass ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist.
Was sagt der Herr Jesus hier? Er sagt: Schau, wenn du das tust, dann wirst du so werden wie der Vater. Das heißt in der Praxis: Die Familienähnlichkeit kommt zutage. Die Kinder sind wie der Vater oder die Mutter. Das merkt man. Sie handeln so ähnlich, sie sehen so ähnlich aus. Und wenn das Kind Gottes so handeln soll wie der Vater, dann werden die Leute in praktischer Hinsicht merken: Er handelt wie Gott, er benimmt sich wie Gott.
Denn was macht Gott? Gott macht es auch so, oder? Gott macht es auch so. Warum sollen wir also in Liebe handeln? Weil der Vater ebenso handelt, auch denen gegenüber, die ihn nicht lieben. Auf die lässt er die Sonne scheinen, auf die lässt er regnen. Und wenn sie ihm den Rücken kehren, dann lässt er die Sonne auf ihrem Rücken scheinen. So ist Gott.
Nicht für alle Ewigkeit, aber jedenfalls jetzt. Eines Tages gibt es die Abrechnung, das ist klar. Aber Gott, das ist die Art Gottes, und wir sollen die Art Gottes darstellen.
Und was heißt es hier noch? Weil das etwas Ungewöhnliches ist, und ein ungewöhnliches Handeln wird Lohn einbringen. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Ja, das kann jeder. Aber das ist etwas Besonderes: Wenn ich jemanden liebe, der mich hasst, das bringt Lohn ein, einen besonderen Lohn.
Und drittens, weil uns das von den Heiden und Sündern unterscheidet. Das können die Muslime nicht. Sie kennen nicht einen Gott der Liebe. Das kommt im Koran nicht vor. Da heißt es zwar Gott der Allerbarmer, aber sie kennen nicht wirklich den Gott der Liebe, der den Einzelnen persönlich liebt.
Das kam heute so deutlich zum Ausdruck. Da sieht man, sie müssen so, man merkt, es ist eine reine Form. Du musst dich waschen, und zwar genau dreimal so und dreimal so. Er hat uns genau beschrieben, wie man sich waschen muss: dreimal so und dreimal so und dann auch mit den Füßen. Und dann erst kann man Gott nahen, Schuhe ausziehen und da hineingehen.
Oder wenn er persönlich betet, muss er das auch vorher machen. Oder wenn er sonst betet, muss er so beten. Zwischendurch darf er auch beten, es ist erlaubt, aber er muss nicht. Er muss nicht, aber er darf beten. Er muss so beten. Also ganz streng nach Formen.
Echte Liebe hervorbringen können sie nicht, weil sie einen Gott der Liebe nicht kennen. Sie haben hohe Maßstäbe, das ist richtig, weil die sind zum Teil aus der Bibel übernommen. Mohammed kannte ja die Bibel, also das Alte Testament. Er hatte auch Kontakt mit koptischen Christen in Ägypten. Mohammed war schon im Bilde über die christliche Lehre ein wenig, vor allem über das Judentum.
Und von daher hat er das übernommen. Und das, was er übernommen hat, wirkt sich natürlich positiv aus, klar. Also von den Heiden und den Sündern unterscheidet uns das, wenn wir so handeln.
Die praktische Anwendung der Feindesliebe und der Ruf zur Vollkommenheit
Hier sehen wir übrigens wieder eine Parallele zwischen dem ersten und dem fünften Wort. Wenn ihr euch zurückerinnert: Im ersten Wort, in Vers 21 bis 26, ging es ebenfalls um das Verhalten gegenüber dem Bruder. Es wurde gefragt, wie man reagieren soll, wenn man dem Bruder etwas Schlechtes getan hat und dieser nun zornig oder vielleicht sogar verbittert ist.
Das Thema war letztlich die Liebe: Geh schnell und versöhne dich mit deinem Bruder. Hier aber stellt sich die Frage: Was soll ich tun, wenn der Bruder zum Feind wird? Oder wenn der, der mir zum Feind geworden ist, ein Bruder war oder noch ist? Gibt es so etwas im Christentum, dass ein Bruder zum Feind wird? Realistisch betrachtet, gibt es das leider in der Praxis.
Was soll ich dann tun? Das wird im fünften Wort deutlich beschrieben. „Da kann ich also nicht ihn hassen“, sagt der Herr, „sondern segnen.“ Das ist die Art Jesu Christi.
Übrigens kann man das, was wir hier lesen, auch auf die Ehe anwenden. Mein Bruder hat das mal erzählt, ich glaube, es war Gene Gibson. Ein Christ hatte große Mühe mit seiner Frau und sagte: „Ich kann sie nicht lieben, wie Jesus Christus die Gemeinde geliebt hat. Ich kann das nicht.“ Man sagt dann: „Ja, dann lieb sie eben, wie man den Nächsten liebt. Du musst sie ja nicht so sehr lieben wie Christus die Gemeinde. Wenn du das nicht kannst, dann lieb sie erst einmal wie deinen Nächsten.“
„Ja, aber sie ist so böse im Atem, sie bedroht mich manchmal und so weiter.“ „Na gut, dann sei bereit, die Widerwärtigkeiten zu ertragen und auch das zusätzliche Unrecht zu ertragen. Geh die zweite Meile mit ihr.“
„Ja, aber das hilft auch nicht, sie ist manchmal richtig feindlich gesinnt, sie motiviert mich zum Feind.“ „Ja, dann liebe deine Feinde. Dann liebe sie, wie man die Feinde liebt.“
„Handelt so oder seid ihr also vollkommen, gleichwie auch euer Vater, der in den Himmeln ist, vollkommen ist.“ Vollkommen heißt ganz, untadelig. Das griechische Wort kommt wahrscheinlich aus dem Aramäischen, denn der Herr Jesus sprach hier wahrscheinlich aramäisch. Das griechische Wort ist eine Übersetzung. Es hängt mit dem Wort „untadelig“ zusammen, also ganz, nicht teilweise oder halb, sondern ganz.
Das ist gemeint: Seid wirklich ganz hingegeben, ganz wie der Vater, der in den Himmeln ist.
Wie kann ich das erreichen, so ein hoher Maßstab? Zuerst geht es um die Bereitwilligkeit: Will ich das überhaupt? Die Kraft dazu wird der Herr Jesus später liefern. Man ist ganz auf den Herrn angewiesen und sagt: „Herr, das ist ja unmöglich zu leben. Ein Christenleben ist unmöglich zu leben.“ Dann antwortet der Herr: „Genau das ist es. Ein Christenleben ist ein Leben, das unmöglich zu leben ist. Nur Christus kann das Christenleben leben.“
Das hat mir sehr geholfen. Ich habe das Buch gelesen, ich glaube, es war Ian Thomas, der schrieb: „Das Christenleben kann eigentlich nur Christus leben.“ So wie Gott es sich vorstellt, kann es nur Christus leben. Deshalb hat Gott uns Christus gegeben. Deshalb kommt Christus zu Pfingsten im Heiligen Geist. Jetzt ist Christus bei mir, wohnt in mir, wenn ich mich bekehrt habe, und jetzt soll er zum Zug kommen.
Ich habe gesagt: Jesus Christus verkündigt eigentlich sich selbst, denn so vollkommen wie der Vater ist nur Christus. Das befreit mich innerlich von diesem Druck und wirft mich ganz auf den Herrn. Dann sagt der Herr: „Jetzt hast du es verstanden. Dieses Leben kann nur ich leben, ich durch dich.“
Es ist so anders als das muslimische Leben, das ist wie Tag und Nacht. Die geschenkte Gerechtigkeit Jesu Christi in mir wirkt sich aus und verändert mich. Die Gnade verändert mich.
Wo steht das? Im Titusbrief. Dort heißt es: „Es erschien die Gnade Gottes, die allen Menschen Heil bringt, und erzieht uns, damit wir, nachdem wir abgesagt haben das ehrfurchtslose Wesen und die weltlichen Lüste, mit gesundem Sinn, also mit Besonnenheit, mit gesundem Denken und in Gerechtigkeit und mit richtiger Ehrfurcht in der jetzigen Weltzeit leben sollten.“ (Titus 2,11-12)
Noch einmal ein längerer Satz: Es erschien die Gnade Gottes, die allen Menschen Heil bringt, und erzieht uns, das ehrfurchtslose Wesen und die weltlichen Lüste abzusagen. Jetzt sollen wir in Gerechtigkeit, mit Besonnenheit und Ehrfurcht in diesem Zeitalter leben.
Dabei erwarten wir die herrliche Hoffnung, die Erfüllung der Hoffnung, die Wiederkunft Jesu Christi. Das ist die Gnade.
Auf das führt der Herr Jesus seine Jünger hierhin.
Übergang zu den Themen des nächsten Abschnitts der Bergpredigt
Zurück zu Matthäus 5: Das war der letzte Vers dieser Zusammenfassung in Matthäus 5. Nun wenden wir uns den nächsten sechs Worten zu, die der Herr Jesus Christus in Matthäus 6 bis Kapitel 7, Vers 12, gesagt hat.
Auch hier geht es wieder um häufige Sünden. Ich werde die Folie mit dem Inhalt später noch einmal zeigen und wir kommen noch einmal darauf zurück. Die Themen betreffen erneut häufige Sünden, die ich hier aufgeschrieben habe.
Schon im ersten Teil der Bergpredigt ging es um ganz häufige Sünden wie Zorn, Ehebruch – also auch mit den Augen –, unser Reden, Wahrhaftigkeit im Reden, das Nicht-vergeltensollen und Nächstenliebe beziehungsweise Feindesliebe. Dabei geht es darum, nicht menschlich zu reagieren.
Hier werden fünf ganz zentrale und wichtige Sünden angesprochen. Die erste betrifft die Frömmigkeit: Wir sollen unsere Frömmigkeit nicht vor den Menschen zur Schau stellen. Es geht letztlich um Unechtheit im religiösen Leben, in den religiösen Handlungen wie Geben, Beten und Fasten. Man soll dabei nicht nur scheinheilig sein, sondern wahrhaftig.
Wir merken, dass es hier um die Beziehung zu Gott geht. Man steht vor Gott und nicht vor den Menschen.
Das zweite Thema sind die Schätze. Ab Matthäus 6,19 spricht Jesus davon, sich keine Schätze auf der Erde anzuhäufen. Dabei geht es um Materialismus, Geld, Habsucht und auch um die Vorsorge für die Zukunft. Dieser Abschnitt ist lang und behandelt ein sehr wichtiges Thema.
Das dritte Thema ist das Richten. Oft sieht man zuerst die Fehler bei anderen – vielleicht fast immer, aber zumindest oft. Dabei gibt es ein zweierlei Maß: Bei sich selbst nimmt man es nicht so genau, aber bei anderen wird schnell gerichtet.
Ein Beispiel ist Judas, der seine Schwiegertochter des Ehebruchs bezichtigte. Sie sollte verbrannt werden. Doch er selbst hatte zur gleichen Zeit Ehebruch begangen. Bei ihm zählte das nicht, seine Unsittlichkeit wurde nicht beachtet.
Das vierte Thema ist der falsche Umgang mit geistlichen Perlen. Wir werden noch sehen, was das genau bedeutet.
Das letzte Thema ist wieder das Beten. Jesus sagt: Bittet, bittet, bittet; sucht, sucht, sucht; klopft an, klopft an, klopft an. Vertraut diesem Vater! Er ist ein Vater, kein harter Herr, dem man alles erst abringen muss.
Es sind Sünden, die unsere Beziehung zu Gott betreffen und die der Herr Jesus hier anspricht. Daher sind das sehr wichtige Themen.
Die Warnung vor Heuchelei beim Geben und die innere Haltung
Gehen wir zum Ersten. Achtet darauf, eure Mildtätigkeit oder eure Almosen nicht vor den Menschen zu tun, um euch vor ihnen zur Schau zu stellen.
Hier kann es sein, dass in verschiedenen Übersetzungen unterschiedliche Texte stehen. Wer die Elberfelder Bibel hat, findet etwas anderes als in der Schlachter-Übersetzung, weil im griechischen Text ein Wort variiert. Ob hier „Gerechtigkeit“ oder „Almosen“ steht, ist letztlich dasselbe. Darauf brauchen wir uns nicht zu sehr zu konzentrieren. Achtet darauf, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt oder eure Almosen nicht vor den Menschen gebt – es kommt letztlich auf dasselbe an. Denn es geht um die Gerechtigkeit, um das Almosengeben. Es geht nicht darum, sich zur Schau zu stellen.
Vers 1 sagt: Sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der in den Himmeln ist. Wann immer du also Mildtätigkeit übst oder Almosen gibst, sollst du nicht vor dir herposaunen lassen, wie die Heuchler es in den Synagogen und auf den Straßen tun, damit sie von den Menschen verherrlicht werden. Denn ich sage euch, sie haben ihren Lohn bereits erhalten, indem sie diese Ehre bekommen haben.
Aber du, wenn du Mildtätigkeit übst oder Almosen gibst, soll deine Linke nicht merken, was deine Rechte tut. Deine Mildtätigkeit, deine Almosen, sollen im Verborgenen sein. Und dein Vater, der im Verborgenen zusieht, wird dir im Sichtbaren vergelten.
Diesen Satz finden wir dreimal in diesem Abschnitt: in Vers 3, in Vers 4, dann in Vers 8 und noch einmal in Vers 18. Dein Vater, der dem Verborgenen zusieht, wird es im Sichtbaren vergelten. Es geht um diese drei Dinge: Almosen geben, beten und fasten. Das sind alles religiöse Übungen.
Jetzt stellt sich die Frage: Warum mache ich das? Warum tue ich, was ich tue? Ist es, damit jemand denkt: „Schau, das ist doch eine gute Christin oder ein guter Christ“? Vielleicht denken wir das nur ganz verborgen, aber doch ein bisschen. Es ist grundsätzlich falsch, sich Gedanken darüber zu machen, was andere über uns denken. Es gibt keine Bibelstelle, die uns dazu auffordert, darüber nachzudenken, was andere über uns denken.
Wir sind nicht darauf ausgerichtet, wie wir vor anderen erscheinen. Was denken die? Wobei ich ja gar nicht weiß, was sie denken. Es ist immer nur das, was ich denke, was ich denke, was andere denken. Das ist alles unsicher.
Er sagt: Jegliche Frömmigkeit, jegliche geistliche Betätigung – warum machst du das eigentlich? Machst du stille Zeit, weil es einfach dazugehört und die anderen erwarten, dass man stille Zeit macht? Kommst du in die Gebetsstunde, weil du denkst, was die anderen denken, wenn du jetzt heimgehst?
Es geht um falsches und richtiges Almosen, falsches und richtiges Beten. Vers 5 spricht von den Schriftgelehrten und Pharisäern, und wir werden hier angesprochen. Leider redet Jesus diese Stelle ganz bewusst, weil er weiß, dass wir manchmal auch ein bisschen schriftgelehrter Pharisäer sind.
Betet für die Prediger, das ist mir ein Anliegen. Man ist so leicht ein Pharisäer. „Ja, du predigst wunderbar, aber wo ist dein Handeln?“ Ich habe gelesen in Matthäus 5: Wer diese Dinge tut und sie lehrt, der wird ein Großer genannt werden. Die Reihenfolge ist wichtig: Wer diese Dinge tut und sie lehrt. Wie oft hinken wir beim Tun hinterher? Der Herr weiß, warum er das aufgreift.
Beim Beten ist die Gefahr der Wiederholungen groß. Man kann leicht in Schablonen verfallen und nicht mehr wirklich darüber nachdenken. Gerade beim Beten passiert das oft. Wann immer du betest, sollst du nicht wie die Heuchler sein, die gern in den Synagogen oder an Straßenecken stehen und beten.
Das ist vielleicht nicht unbedingt unser Problem, dass wir an Straßenecken stehen. Aber ein bisschen wollen wir doch, dass der andere Bruder meint, ich bete viel. Manchmal tun wir das, damit andere denken: „Schau, er betet viel.“
Unser Ich ist so verdorben, dass wir gerade religiöse Dinge verwenden, um unser Ich aufzubessern. Aber das Ich, ich meine jetzt das Fleischliche – für das Fleisch kennt Gott nur ein Urteil: den Tod. Das Fleisch gehört ans Kreuz, dort, wo der Herr Jesus hingegangen ist.
Was heißt Fleisch? Fleisch heißt alles, was ich aus eigener Kraft, eigenem Denken und eigener Dynamik tue – aus eigenen Energien. Das ist das Fleischliche. Das können Lüste sein, damit ich Lust habe, oder damit ich von anderen geehrt werde. Das ist Fleisch, wenn ich ganz auf mich selbst konzentriert bin. Und so leicht passiert es.
Der Herr kann uns helfen und will uns helfen. Machen wir es einfach zum Gebetsanliegen: Beten wir, Herr Jesus, hilf, dass das aufgedeckt wird. Meine Frau sagt mir: „Du betest, was du jetzt beim Tischgebet gebetet hast, nur, weil die Kinder da saßen und du ihnen predigen wolltest, während du betest.“ Das stimmt. Ich wollte einfach predigen zu den Kindern beim Tischgebet. Schande! Das Tischgebet darf ich nicht zum Predigen missbrauchen. Durch die Blume sage ich es den Kindern jetzt noch einmal. Nützt sowieso nichts, nebenbei gesagt. Aber man tut es trotzdem. Die Gefahr ist so leicht da.
Wann immer du betest, sollst du nicht wie die Heuchler sein. Wir haben gelesen, Vers 5 in der Mitte: Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Aber du, wann immer du betest, geh in deine Kammer, schließe die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Die Tür schließen – das mag man schon sehr gut sein. Übrigens gehört dazu auch, das Handy auszuschalten, zum Türschließen.
Das ist furchtbar, dass wir tatsächlich dem Handy oder Telefon mehr Aufmerksamkeit schenken. Wenn das läutet, muss alles andere liegen und stehen bleiben. Und die Kinder lernen das: „Aha, das Handy ist das Wichtigste, das hat immer Priorität.“ Das lernen sie von uns. Das darf nicht sein.
Wenn du dann in die Kammer gehst, schließe die Tür, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der im Verborgenen zusieht, wird dir im Sichtbaren vergelten. Er wird hören, er wird da sein, mit seiner Hilfe.
Vers 7 sagt: Wenn ihr betet, plappert nicht wie die Heiden, denn sie meinen, mit vielen Worten werden sie erhört werden. In der katholischen Kirche habe ich gelernt, du musst zehnmal, zehnmal, fünfzehnmal, hundertfünfzigmal den „Gegrüßet seist du Maria“ beten – das ist der Rosenkranz. Hundertfünfzigmal dasselbe sagen, nur der Schlusssatz wird ein bisschen verändert.
Das habe ich früher gemacht. Ich war zehn Jahre alt, lag in meinem Bett, nachdem das Licht ausgemacht wurde, und habe meinen „Gegrüßet seist du Maria“ runtergebetet. So hat es der Pfarrer gelehrt, so muss man es machen. Alles sinnlos, alles sinnlos gewesen. Nebenbei habe ich auch noch zur falschen Person gebetet, nämlich zu Maria statt zu Herrn Jesus.
Sie meinen, mit vielen Worten werden sie erhört werden. Es geht nicht darum, dass ich sage: Jetzt muss ich einfach so lange beten, ich wiederhole mich fünf- oder zehnmal, bis der Herr mich erhört. Der Herr hört sowieso.
Warum will er, dass wir viel beten? Weil er will, dass wir viel in seiner Gegenwart sind. Aber das darf nicht heidnisch verstanden werden und nicht katholisch, als einfach immer wieder dasselbe herunterzubeten. Es heißt, das vor dem Herrn zu bewegen und noch einmal zu bewegen, denn unsere Gedanken sind oft wieder woanders.
Aber es bringt nichts, wenn ich das stereotyp herunterbete. Ein Bruder hat mir gesagt: Wenn du eine Gebetsliste hast – früher habe ich gedacht, jetzt betest du die Gebetsliste einfach durch – und dann habe ich gemerkt, das ist nicht befriedigend: „Herr, segne A, segne B, segne C, segne D.“ Das ist nicht befriedigend.
Was machst du? Er hat gesagt: Lies die Gebetsliste gründlich durch, wiederhole die Namen, dann leg die Gebetsliste weg und bete. Dann hast du die Leute im Kopf, sie sind wieder erfrischend in deinen Gedanken. Jetzt bete.
Gott ist nie für stereotype Sachen, das ist tödlich. Aber wir müssen hier eine Pause machen. Gute Zeit für Pause.
