Einführung und Begegnung am Jakobsbrunnen
Unser Predigttext heute handelt davon, wie Jesus Menschen versteht. Er stammt aus Johannes 4, und ich lese von Vers 5 bis Vers 18.
Wenn Sie eine Bibel oder ein Neues Testament dabei haben, ist das immer gut. Das hat mich in Uganda sehr beeindruckt: Dort hat wirklich jeder von den Zehntausenden seine eigene Bibel und liest daraus. Das interessiert sie mehr als Menschenworte.
Jesus kam in eine Stadt Samariens, die Sichar heißt, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Joseph gegeben hatte. Dort war auch Jakobs Brunnen.
Jesus, der müde von der Reise war, setzte sich an den Brunnen. Es war um die sechste Stunde, als eine Frau aus Samarien kam, um Wasser zu schöpfen. Jesus sprach zu ihr: „Gib mir zu trinken!“ Seine Jünger waren nämlich in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen.
Die samaritanische Frau antwortete ihm: „Wie bittest du von mir zu trinken, du, der du ein Jude bist, und ich eine samaritanische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.“
Jesus antwortete ihr: „Wenn du die Gabe Gottes erkennen würdest und wer der ist, der zu dir sagt: ‚Gib mir zu trinken!‘, dann würdest du ihn bitten, und er würde dir lebendiges Wasser geben.“
Die Frau sagte zu ihm: „Herr, du hast nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief. Woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Er und seine Kinder und sein Vieh haben daraus getrunken.“
Jesus antwortete ihr: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird niemals wieder Durst haben. Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer Quelle werden, die ins ewige Leben quillt.“
Die Frau sagte zu ihm: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr herkommen muss, um Wasser zu schöpfen.“
Jesus sprach zu ihr: „Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her!“
Die Frau antwortete: „Ich habe keinen Mann.“
Jesus sagte zu ihr: „Du hast recht gesagt, dass du keinen Mann hast. Fünf Männer hattest du, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Du hast also wahr gesprochen.“
Das Erntedankfest und die Herausforderung des Dankens
Liebe Gemeinde,
das Erntedankfest versteht jeder. Selbst unsere kleinen Kinder haben ein Gespür dafür, dass man mit den natürlichen Gaben die Größe Gottes preist. Wir erfahren die Spuren des lebendigen Gottes in der Schönheit der Welt draußen. Das erleben wir auch in all dem, was wir essen und trinken, und das spüren wir. Schon Kinder merken deutlich, ob das Gebet vor dem Essen von Herzen kommt oder ob es nur eine lästige Angewohnheit ist. Wir nehmen all das, was so selbstverständlich in unsere Hände kommt, als Wunder Gottes wahr. Wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, sondern ein Geschenk unseres Gottes – auch wenn es noch so alltäglich und banal aussieht.
Spätzle, Sauerkraut, Radieschen, Dampfnudeln, Kartoffelbrei – all das und noch vieles mehr, wie Kürbis, Trauben und Brot, sind die ganz alltäglichen Dinge, die Wunder Gottes sind. Über diese wollen wir danken.
Heute wollen wir ein Fest feiern und Loblieder singen. Einmal im Jahr Loblieder singen und danken – da denkt man: Eigentlich nur einmal im Jahr? Ja, wenigstens einmal, wenigstens einmal! Aber warum werden bei uns so wenig Dank- und Loblieder gesungen? Warum ist das nicht eine Melodie, die sich durchs ganze Jahr zieht?
Man muss der Ehrlichkeit halber hinzufügen: Unser Leben ist ein Stück komplizierter. An der Stelle, wo dieser Jakobsbrunnen steht, kann man heute nicht einfach nur Danklieder singen. Dort stehen schwer bewaffnete Armeepatrouillen, und die Menschen, die 1975 am Sicharbrunnen leben, haben Angst. Sie können gar nicht danken, weil sie wissen, dass alles viel bedrohlicher ist.
Die unerfüllte Sehnsucht der Frau am Brunnen
Ich bin froh, dass wir diesen Abschnitt haben – von dieser Frau, die eigentlich alles hat: Essen und Trinken, eine Wohnung, Freunde und ein Leben in Frieden. Es herrscht kein Krieg, alles scheint in Ordnung zu sein.
Doch sie kann nicht danken, sie kann nicht froh sein. Ihr Leben ist von einer großen Wunde geprägt. Über dieser Wunde ist sie verbittert und traurig, enttäuscht und leer.
Ich bin froh, dass wir heute hier kein Fest feiern, bei dem man ein paar Gaben vergibt und sagt: „Das ist Leben.“ Stattdessen erinnert uns unser Gott jetzt daran, dass wir ein Dankfest nur dann feiern können, wenn das Danken aus dem Herzen kommt – aus der Tiefe der Freude.
Diese Frau kann nicht danken, sie kann nicht froh sein. Es tut ihr weh, dass ausgerechnet ein Mann sie anspricht. Ausgerechnet ein Mann! Sie ist zwar von Männern berührt, doch sie hat oft genug erlebt, dass ein Mann sie wieder weggeworfen hat wie einen alten Schuh.
Diese Frau hat viel mehr vom Leben erwartet. Sie hat gehofft, sich gesehnt, gewünscht und geträumt. Jetzt will sie das alles überspielen. Sie würde mit niemandem darüber reden, in keine Sprechstunde gehen, es niemandem sagen. So wie wir uns manchmal abkapseln.
Nicht einmal dem Nebenmann würden wir erzählen, was uns an Traurigkeit und Enttäuschung bewegt – auch heute am Erntedankfest.
„Ach, lass doch“, sagt man sich. „Man muss eben seine Lebenserwartungen zurückschrauben. Das Leben spielt einem eben seine eigenen Dinge anders. Es wird schon werden.“ So sitzt die Frau da.
Jesus erkennt die Sehnsucht und lädt zur Begegnung ein
Ich bin froh, dass heute beim Erntedankfest nicht die gelben Rüben, die Radieschen oder die Kürbisse im Mittelpunkt stehen. Sie sind nur Zeichen für die Gabe Gottes, der uns Leben und volle Erfüllung schenken will. Davon möchte ich heute sprechen: von Jesus, der uns das Leben gibt.
Zuerst möchte ich darauf eingehen, dass Jesus die unerfüllte Sehnsucht sieht und erkennt. Wenn man an der Bushaltestelle steht oder im Wartezimmer eines Arztes sitzt, ergeben sich oft Gespräche, die zunächst vom Wetter handeln. Dann spricht man über das politische Tagesgeschehen, das einen bewegt. So war es auch bei dem Gespräch, das Jesus mit der Frau am Brunnen führte. Es ging zunächst nicht wirklich tief. Sie redete über den Brunnen und den, der ihn gebaut hat. Außerdem sprach sie über die politischen Spannungen ihrer Zeit.
Die Frau drückte ihr Erstaunen aus, dass Jesus mit ihr sprach: „Du bist doch Jude, warum redest du mit mir?“ Zwischen Samaritern und Juden herrschte ein Nationalkonflikt. Plötzlich lenkte Jesus das Gespräch auf ein ganz anderes Thema. Er sagte zu der Frau: „Wenn du erkennen würdest, wer der ist, der mit dir redet, würdest du deine ganze Not jetzt herbringen. Du würdest über etwas ganz anderes sprechen.“
Das ist die große Art Jesu, von der wir lernen können: Er lehnt Diskussionen nicht ab, im Gegenteil, wir dürfen diskutieren. Aber er versteht, dass in solchen Gesprächen oft nur vordergründige Meinungen geäußert werden. Jesus sieht dahinter die Not dieser Frau – ihre Enttäuschung, ihren Schmerz, das, was sie quält und bedrückt.
Wenn wir das erkennen würden, dass hinter oberflächlichen Gesprächen so viel mehr steckt – das, was wir eigentlich sagen wollen, das, was uns wirklich bekümmert und bedrückt – und wenn niemand uns daran hindern könnte, dies zu offenbaren, dann wäre Jesus immer der Seelsorger, der durchdringt und die unerfüllte Sehnsucht erkennt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Frau hätte sagen können: „Ach ja, ich hatte eben eine große Sehnsucht, eine Liebessehnsucht. Aber das darf man sicher nicht haben, das ist hier nicht recht, da sagt Gott sicher Nein dazu.“ Doch das sagt Jesus nicht. Wo Menschen Großes vom Leben erwarten, sagt Jesus nicht Nein. Das ist nicht falsch.
Viele meinen, sie dürften nicht zu viel hoffen, müssten ihre Ansprüche im Leben niedrig halten, um nicht enttäuscht zu werden. Das stimmt nicht. Jesus verurteilt die Frau nicht. Aber ein Fehler wird deutlich: Wir suchen in der Sehnsucht unseres Lebens oft an den falschen Stellen.
Ich denke an die jungen Leute, die mit großer Gier suchen und suchen. Am Montag hatten wir Besuchsdienste und kamen mit einem Paar zurück, das bedrückt war. Sie sagten: „Was ist heute nur los? Wenn wir Neuzugezogene besuchen, wie viele leben einfach ohne Eheschließung zusammen. Was können wir tun?“ Wir sprachen darüber, welche Sehnsucht Menschen haben, wenn sie die letzten guten Ordnungen durchbrechen, nur um Leben zu finden und sich Befriedigung zu verschaffen. Sie sagen: „Dann binde ich mich eben nicht.“ So als läge darin das Glück – eine Liebe zu haben, von der man nicht weiß, ob sie morgen noch besteht.
Das ist die große Enttäuschung vieler Menschen: Sie suchen, haben Sehnsucht, wollen etwas, und in meinem Leben ist es die gleiche Sehnsucht. Sie suchen und suchen.
Jesus sagt: „Ich kenne unerfüllte Sehnsucht. Ihr habt gesucht und alles ausprobiert, aber nichts hat euch satt gemacht.“ Ihr könnt euch an den Dingen der Welt berauschen, doch sie macht nicht satt. Ihr könnt euch an den Gaben erfreuen, die wir hier aufbauen, aber sie machen euch nicht satt. Ihr könnt euch in der Arbeit verlieren, doch sie gibt keine Befriedigung. Ihr könnt Ehrenruhm haben, Freunde gewinnen, alles versuchen – es wird euch nicht satt machen.
Oh Frau, wenn du erkennen würdest, dass ich Quellwasser geben kann, das wahre Befriedigung schenkt!
Jesus versteht unsere Sehnsucht, unsere unerfüllte Sehnsucht.
Das Versprechen eines erfüllten Lebens
Das Zweite: Jesus verspricht erfülltes Leben.
Jesus verspricht ein erfülltes Leben. Dieses Gespräch wirkt so natürlich, wie es uns im Johannesevangelium erzählt wird. Die Frau kann nur schwer verstehen, was Jesus meint. Sie denkt immer wieder nur in materiellen Dingen. Wenn wir ehrlich sind, geht es uns oft genauso: Beim Bibellesen und bei den Angeboten Jesu denken wir sofort daran, wie sich das für uns auszahlt. Sind dann meine körperlichen Schmerzen sofort weg? Habe ich keine Berufssorgen mehr, wenn ich jetzt mit Jesus gehe? Wir können es oft nur materiell verstehen.
Die Frau denkt nur an das „Tischlein deck dich“ und sagt: „Ja, das ist prima, wenn du mir Wasser gibst, dann muss ich nicht mehr laufen.“ Was Jesus eigentlich sagen will, ist: Hör zu!
Auf unseren Plakatsäulen sind in der heißen Jahreszeit immer verlockende Werbungen zu sehen. Zum Beispiel zeigt der Dinkeler ein Bierglas – man könnte auch Saft hineingeben –, das Glas ist beschlagen. Man geht draußen vorbei, verschwitzt und heiß. Ein Tropfen läuft am Glas herunter, und man denkt: Jetzt einen Schluck trinken! Jesus sagt: Was ich dir gebe, ist wie das Trinken aus einem kühlen Trunk, der dich stärkt und erquickt in der Hitze deines Lebens.
Ich habe ein Angebot. Dieses Angebot kann man mit all den anderen Angeboten vergleichen, die es in dieser Welt gibt. Dann fragt die Frau: „Ja, Jesus, wie kriege ich das?“ Jesus antwortet: „Hol mal deinen Mann!“ Sie sagt: „Ich habe doch keinen Mann.“ Jesus sagt: „Doch!“ Hier trifft Jesus die Wunde.
Sie bekommen diesen Trunk, dieses lebendige Quellwasser bei Jesus nur, wenn sie bei ihm anfangen, die wunden Enttäuschungen ihres Lebens, die Schuld und das Versäumte mit ihm durchzusprechen. Sie werden diesen Trunk und diese Erquickung nie begreifen, wenn sie nicht beginnen zu sagen: „Herr Jesus, ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Dort liegt meine Enttäuschung. Ich habe mich an etwas gehängt, und es ist zerbrochen. Ich habe meine Kinder vergöttert, ich habe meine Ehe vergöttert, ich habe alles vergöttert, und es ist zerbrochen.“
Dann sagt Jesus: „Ich gebe mich selbst.“ Er ist dieser Trunk. So wie man ein Glas Saft trinkt, kann man mit ihm einfach in die Enttäuschungen des Lebens hineingehen, ihn annehmen und sagen: „Ich lebe bloß noch für dich. Ich will dich jetzt haben.“
Die persönliche Herausforderung des Glaubens
Vielleicht wissen Sie gar nicht, dass eine Predigt für einen Prediger oft mehr Mühe bereitet, als es nach außen sichtbar ist. Nicht wegen der Worte selbst, sondern weil man das, was man sagt, persönlich aus dem eigenen Leben bezeugen muss. Man soll sich hinter das Gesagte stellen, denn alles andere wäre unecht.
Das merkt man besonders, wenn man einem anderen Trost zusprechen soll, es aber nicht aus tiefster Überzeugung sagen kann. Dann sind die Worte leer.
Vor vielen Jahren war ein junger Vikar in Lüneburg, der auf die Kanzel gehen sollte. Er hatte ein gutes Examen abgelegt und war ein belesener Theologe, der viel wusste. Doch mit dieser Predigt kam er nicht zurecht. Er merkte, dass er das, was er predigen sollte, von seinem eigenen Leben her bezeugen und sagen können musste.
In dieser Nacht fand er zum ersten Mal wirklich hinein in das, was er vorher nur im Kopf hatte. Es war August Hermann Francke, dieser Mann, der später so viel weitergeben konnte. Er erkannte, dass es im Christenglauben nicht um viele Worte geht, sondern darum, ob man Jesus einmal in sein Leben aufgenommen und sein Leben auf ihn gegründet hat.
Er sagte: Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft, wie der Weinstock seinen Reben Lebenssaft zufließt. Ich will alles mit dir durchleben. Du bist da, du umgibst mich, Jesus!
Was hat er dieser Frau angeboten? Um diese Frau standen viele Zeugen, Menschen, die alles stehen ließen und mit Jesus gingen. Sie wurden Apostel und erzählten weiter, was sie in Jesus gefunden hatten.
Jawohl, Radieschen, Kürbis, Tomaten und Kartoffeln sind Zeichen der Liebe Gottes. Aber sie sind nur Vorgeschenke. Das wahre Leben, das erfüllte Leben, die Bewältigung der großen Enttäuschung meines Lebens geschieht nur durch ihn.
Nicht die Gaben machen mich glücklich, nicht die materiellen Dinge erfüllen mein Leben. Eher, wenn ich ihn habe.
Wenn ich nur dich habe, frage ich nicht nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Jesus verwandelt Not in Überfluss
Und noch in letzten Gedanken: Er macht aus Not Überfluss.
Ich habe drei Dinge sagen wollen. Das Erste: Er sieht die unerfüllte Sehnsucht und verspricht erfülltes Leben. Das war das Zweite. Und das Dritte: Er macht aus Not Überfluss.
Da sitzt eine unglückliche Frau am Brunnenrand, die nicht einmal bereit ist, ihre Dinge preiszugeben. Sie werden auch nicht herausrücken. Wir spielen nach außen hin die sicheren Leute. Lassen Sie mich es so sagen: Das, was ich Ihnen hier in all den Predigten sagen will, ist, dass ich in meinem Leben nirgendwo sonst Antwort, Befriedigung, Freude und Geborgenheit fand als allein in Jesus, in dem, der lebt und dem ich mein Leben gegeben habe.
Ich habe Ihnen heute eigentlich von Menschen erzählen wollen, die ihr Leben mit Jesus lebten und aus großer Not kamen – wie diese Frau, die in großer Schuld lebte und diese von Jesus bereinigt bekam. Und da, wo sich plötzlich das ereignet hat, wo sie getrunken haben, wurden sie gleichzeitig ein Brunnen für andere. Da kamen andere zu ihnen, und sie waren solche, die anderen wieder erfülltes Leben weitergeben konnten.
Das lebendige Wasser als Zeichen der Hoffnung in Notzeiten
Nun wollte es die Woche so, dass ich in zwei ganz andere Nöte hingeführt wurde. Deshalb möchte ich das Bild vom Brunnen lebendigen Wassers diesmal anders erklären.
Jesus hat dieses Wort ja noch einmal am Erntedankfest aufgegriffen. Es war das Laubhüttenfest, das in Johannes Kapitel sieben beschrieben wird. Sie feierten sieben Tage lang. Die Menschen wohnten in Hütten, die sie aus Zweigen gebaut hatten. Es war das große Fest, ja man nannte es einfach „das Fest“ – der Höhepunkt des gesamten kirchlichen Lebens in Israel.
Der Höhepunkt war der letzte Tag, der am herrlichsten war. An diesem Tag füllte der Priester am Siloateich eine goldene Kanne mit Wasser und trug sie in einer großen Prozession hinauf. Oben erwartete ihn ein Chor von Trompetern. Dann wurde gesungen, und alle waren froh, als die Kanne mit Wasser ausgegossen wurde. Dieses Wasser war ein Sinnbild für die Sehnsucht des Menschen. Wir brauchen Wasser, und Gott gibt und schenkt uns Wasser. Er gibt uns, was wir brauchen in diesem dürren Land.
Dann wird es plötzlich still. Der Gottesdienst ist vorbei, und die Menschen gehen nach Hause. In diese Stille hinein ruft eine Stimme: „Wer jetzt noch Durst hat, wenn all diese Liturgie, die Form und das Feiern nicht befriedigt hat, der komme zu mir.“
„Ich, Jesus, bin der Trunk, nicht Liturgie, nicht Form, nicht Kirche.“ Dabei ist Jesus nicht gegen die Kirche, denn wir sind Kirche. Aber Kirche kann nicht befriedigen, und Gottesdienst kann nicht befriedigen, wenn man darin nicht Jesus findet und sein Leben an ihn bindet.
„Wer zu mir kommt und trinkt, wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.“ Wer von mir nimmt, wer mich annimmt, der wird in seinem Leben selbst so ein Brunnen werden.
Zeugnis von Leid und Hoffnung
Ich war gestern auf dem Buchenauer Hof bei Sinsheim. Die Ehefrau unseres Bruno Herm, der hier schon mehrfach in unserer Gemeinde übersetzt hat, ist verstorben. Das hat mich sehr berührt.
Der Not möchte ich nun Ausdruck verleihen, wie gestern eine Mitarbeiterin sagte: Wenn eine Mutter von sechs Kindern mit 48 Jahren ganz plötzlich stirbt, und an diesem Tag steht das kleine Kind draußen auf dem Hof und ruft: „Mutti, Mutti, siehst du mich jetzt?“ – weil es weiß, dass die Mutter im Himmel ist. Doch dieses Heimweh des Kindes, das an der Ecke steht und weint, beginnt nach der Beerdigung langsam zu begreifen, was geschehen ist.
Jesus sagt: Wer mich nimmt, der wird ein Brunnen werden. Bei dieser Beerdigung, trotz des großen Schmerzes, war es ein Siegestag Jesu. Wir hatten den geöffneten Himmel über uns. Die beiden ältesten Töchter standen am Sarg und sangen das Lied „Gott wird dich tragen“.
So sieht man, was es bedeutet, ein Brunnen zu sein in einer Welt, in der man Enttäuschungen erlebt, in der alles zerbricht. Es ist ein Kampf, zu sagen: Ich lasse jetzt nicht den Tod die Oberhand gewinnen. Ich weiß, was er mir zerschlagen will. Ich will, dass aus dieser ganzen Not lebendiges Wasser an andere weiterquillt. Ich will doch nicht in meinem Schmerz stehen bleiben, sondern von ihm etwas weitergeben.
Mission und das Weitergeben des lebendigen Wassers
Wir haben diese Woche die Nachricht erhalten, dass in Paraguay das kürzlich angeschaffte Missionsflugzeug der Indianer Pionier Mission abgestürzt ist. Alle sieben Insassen sind tot. Es handelt sich um Missionare der deutschen Indianer Pionier Mission: eine Familie Müller mit Kind aus der Schweiz, eine Schwester aus Hamburg, eine Schwester aus Waltenbuch, einen Piloten aus der Schweiz und einen brasilianischen Mitarbeiter.
Man steht vor einem großen Rätsel. Wir haben für dieses Flugzeug gebetet, und das war so wichtig. Ein Missionar hat mir anschaulich geschildert, wie es war, als sie starteten. Man weiß es ja nicht genau, denn es gibt keinen Überlebenden mehr. Plötzlich kam ein Tropengewitter auf. Die Missionare wollten eine Konferenz zur Zurüstung besuchen. Diese Tropengewitter treten sehr plötzlich auf, ohne Vorankündigung. Sie sind einfach da. Jeder Pilot weiß, dass man in einem solchen Fall so schnell wie möglich zum Heimatflughafen zurückkehren muss. Wahrscheinlich war dieser Weg ihnen abgeschnitten.
Gestern erzählte mir ein Missionar, wie er selbst in Südamerika oft solche Situationen erlebt hat. Er berichtete, wie sie über die Baumwipfel flogen und versuchten, das Gewitter noch zu unterfliegen. Der Pilot saß schweißgebadet im Cockpit und rief: „Betet, betet!“ Doch sie kamen nicht mehr aus dem Gewitter heraus und stürzten ab, weil das Benzin nicht mehr reichte.
Jetzt, am Erntedankfest, hören wir die Ankündigung Jesu: „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Es war vor einigen Jahren in Südamerika, als fünf Missionare ums Leben kamen. Aus diesem Sterben entstand ein Segen: Hunderte junger Menschen meldeten sich freiwillig für den Missionsdienst. Dieser Tod wurde zur Verpflichtung für viele.
Wir wollen in diese Lücke treten. Wie Jesus es macht, weiß ich nicht, aber es ist für uns eine Aufgabe. Ich möchte an diesen beiden Beispielen zeigen, dass gerade dort, wo wir Gottes Gaben nicht mehr in vollem Maße haben, wo etwas vom Leben zerbrochen ist, wir mit Jesus rechnen müssen. Jetzt umso mehr sollen wir suchen: Herr, wie willst du hier lebendiges Wasser geben? Wie willst du das bei den Angehörigen tun?
Wir bitten darum, dass der Tod keine Macht mehr hat, sondern dein Leben durchbricht.
Schlussgedanken: Das lebendige Wasser als Quelle erfüllten Lebens
Und wenn er schon über so viel Jammer in der Welt hinweghelfen kann, wie sollte er es dann nicht auch in deinem Leben tun?
Wenn du die Gabe Gottes erkennen würdest und weißt, wer da zu dir spricht, dann betest du ihn an. Er wird dir lebendiges Wasser geben. So können sie genau dieses erfüllte und volle Leben erfahren.
Dann hätte sich die Ernte des Dankes wirklich gelohnt. Sie wären von den schönen Gaben der Natur zu einem erfüllten, vollen Leben durchgedrungen, das sich heute schon lohnt und in der Ewigkeit erst recht!
Amen!
