Einführung: Das Wort Gottes als Grundlage des Glaubens
Unser Predigttext steht heute in Lukas 13, Verse 1 bis 9.
Wir haben jetzt in unseren neuen Gesamtbuchschränken Bibeln aufgestellt. Bitte machen Sie davon Gebrauch. Wir wollen das Wort Gottes hören, nicht nur das Wort eines Predigers. Es ist wichtig, dass Gott durch sein Wort zu uns spricht.
Und wenn die vorhandenen Bibeln nicht ausreichen, dann mache ich einen großen Luftsprung vor Freude. Dann schaffen wir noch einmal Bibeln an.
Es wäre schön, wenn Sie alle eine Bibel in der Hand hätten während des Gottesdienstes. Wenn Sie Ihre eigene Bibel nicht mitbringen können, dann nehmen Sie einfach die, die dort ausgestellt sind.
Die Realität des Leidens und die Aufforderung zur Umkehr
Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. Jesus antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer schwerer gesündigt haben als alle anderen Galiläer, weil sie das erlitten haben? Ich sage euch: Nein! Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen.
Oder meint ihr, dass die achtzehn Menschen, auf die der Turm in Siloah fiel und die er erschlug, schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen, die in Jerusalem wohnen? Auch hier sage ich euch: Nein! Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen.
Es ist gut, dass in der neuen Luther-Übersetzung anstelle von „Buse“ das Wort „umkehren“ verwendet wird. Das ist ein großer Fortschritt.
Jesus sagte ihnen aber dieses Gleichnis: Es hatte jemand einen Feigenbaum, der war in seinem Weinberg gepflanzt. Er kam und suchte Frucht daran, fand aber keine. Da sagte er zu dem Weingärtner: „Siehe, ich komme nun schon drei Jahre und suche Frucht an diesem Feigenbaum und finde keine. Hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?“
Der Weingärtner aber antwortete ihm: „Herr, lass ihn noch dieses Jahr stehen. Ich will um ihn herum die Erde umgraben und düngen. Vielleicht bringt er dann doch Frucht. Wenn aber nicht, kannst du ihn abhauen.“
Herr, hau uns noch nicht ab! Amen!
Gleichnis und Lebensrealität: Die Herausforderung der Fruchtlosigkeit
Es ist in einem kleinen Hotel passiert. Dort gab es einen Nachtportier für die spät eintreffenden Gäste. Da es ein kleines Hotel war, blieb es nachts meist ruhig und still.
Eines Abends kam ein Gast. Es war schon spät in der Nacht, etwa zwölf Uhr. Das Haus war verriegelt, und der Gast klopfte an die Tür. Von innen hörte er den Nachtportier rufen: „Ich komme!“ Der Gast wartete draußen vor der Tür zwei, drei Minuten, dann fünf Minuten, schließlich zehn Minuten. Doch es kam niemand.
Er klopfte noch einmal an die Tür und hörte wieder den Ruf von innen: „Ich komme!“ Nun dachte er, es sei ja gut. Doch nach weiteren fünf Minuten verlor er die Geduld. Er fragte sich, was los sei. Schließlich trommelte er mit den Fäusten gegen die Tür und schrie: „Machen Sie auf! Ich bin hier ausgesperrt. Was ist das für ein Betrieb, was ist das für ein Laden? Ist das hier kein Hotel? Sind wir nicht in einer Weltstadt?“
Dann kam der Nachtportier ganz aufgeregt heraus. Der Gast schimpfte und brüllte: „Was soll ich denn tun? Ich war doch draußen. Haben Sie mich nicht gehört? Dann rufen Sie noch: ‚Ich komme!‘“
Der Nachtportier antwortete: „Sie müssen entschuldigen, das ist bei mir eine Berufskrankheit. Wenn ich einschlafe, rufe ich im Schlaf ‚Ich komme!‘, aber ich schlafe einfach weiter.“
Man musste ihm das nachsehen, denn der arme Mann hatte sich so an seinen Beruf gewöhnt, dass er im Schlaf rufen konnte: „Ich komme!“, aber tatsächlich kam er nicht.
Das ist die Not der Christen, nicht nur am Bußtag: Über uns liegt oft eine solche Schläfrigkeit. Wir sind alle sehr müde. Wir kennen es schon lange, dass andere klopfen und dass unser Herr an der Tür klopft. Dann kann man im Schlaf antworten: „Herr, ich komme, ich komme, ich komme!“ – und man kommt gar nicht.
Das Furchtbare unseres Christenlebens im zwanzigsten Jahrhundert ist, dass es keine wirkliche Entscheidung mehr gibt, die unser Leben ganz umstellt. Ob man das in der Konfirmation sagt: „Ich komme!“, oder vor dem Traualtar, oder einmal in einem Gespräch mit einem Menschen, der sich um einen bemüht – man sagt: „Doch, doch, ich will das schon ernst machen!“ Das ist aber oft nur ein Wort, das im Schlaf dahingesprochen wird.
Ich wollte Ihnen heute zeigen, dass man sich damit furchtbar selbst betrügt. Damit zieht man ein ewiges Gericht über das eigene Leben herab. Es geht heute am Bußtag darum, wenn wir dieses schreckliche Wort noch einmal aussprechen, um eine Bekehrung, um eine Kehrtwendung, um eine Umänderung unserer gesamten Lebensgewohnheiten.
Es geht um ein Aufstehen und ein Loslaufen, um eine Entscheidung, die uns bis hinein in die alltäglichen Gewohnheiten prägt.
Der Tag der Umkehr: Hoffnung und Wegweisung
Und darum ist dieser Tag ein Tag der Freude, ein Tag der Hoffnung, ein Tag der Wegweisung.
Zuerst ist es heute wichtig, dass wir erkennen: Es geht hinaus aus einer stumpfen Hoffnungslosigkeit. Das hat nichts damit zu tun, dass man heute einfach da sitzt und ein bisschen bedrückt oder traurig ist über das schlechte Leben. Das hat Jesus nie gemeint. Das sollen Sie nicht machen, das hilft Ihnen nichts. Lassen Sie den Unsinn!
Jesus will, dass Sie herausgehen aus einer stumpfen Hoffnungslosigkeit. Die Leute sind damals auf Jesus zugegangen, und das war schon vor 2000 Jahren so wie heute. Damals sprach man über die Alltagsereignisse. Man fragte: Hast du schon gehört von der Geiselnahme in der Moschee von Mekka? So würden wir heute sagen: Hast du schon gehört von den 49, denen jetzt im Iran der Prozess gemacht wird? Das sind die aufregenden Tagesereignisse.
Was sagt ihr denn zu der armen Frau, die in Zürich bei einem Bankraub erschossen wurde? Auch damals gab es Sensationsnachrichten, die Jesus zugetragen wurden – ganz aktuelle Geschichten. Wie konnte das vor zweitausend Jahren anders sein als heute? Sie handeln von Terroristen. Galiläa war ein Terroristennest.
Die schlimmsten Zeloten, diese Freiheitskämpfer, diese Guerillas der damaligen Zeit, hatten ihre Stützpunkte im Bergland von Galiläa. Sie kämpften gegen das Römerjoch. So weit, so gut. Was Pilatus gemacht hat, war furchtbar. Wir wissen den genauen Anlass nicht, aber bei einer ganz friedlichen Prozession von galiläischen Pilgern nach Jerusalem – völlig unschuldige Leute, wahrscheinlich Frauen und Kinder, friedfertige Menschen, die mit dem Terrorismus nichts zu tun hatten – muss er sie überfallen und niedergemacht haben als ein grausames Exempel der römischen Willkürherrschaft.
Das ist ja ein beliebtes Mittel in der Pädagogik. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: Der Lehrer schlägt seinen Schüler und der Schüler weint und fragt: Warum haben Sie mich denn verhauen? Ich habe doch gar nichts gemacht. Dann sagt der Lehrer: Jetzt weißt du wenigstens, wie es ist, wenn du etwas tust. Ganz ähnlich verfahren die Herren dieser Welt. Sie sagen: Wir statuieren ein Exempel, und wir werden die Galiläer schon in Schranken weisen. Die Bevölkerung war aufgebracht, die Unschuldigen hat es getroffen – friedfertige Bürger.
Ich kann nur spekulieren, wir kennen die genauen Ereignisse und den Ablauf nicht. Vielleicht wurden diese Pilger überfallen, als sie schon die Opfertiere zum Tempel hinauftrugen oder führten. Das wäre ganz schlimm, denn dann würde es passen, dass gleichzeitig mit dem Niedermachen unter den Säbeln dieser Soldaten auch die Opfertiere umgekommen sind und sich das Blut dort vermischt hat.
Oder hat Pilatus nicht davor zurückgeschreckt, in das Heiligtum einzudringen und dort die Opfernden niederzumachen, friedliche Beter, nur um die Galiläer zu schockieren und zu unterdrücken? Wenn so etwas passiert, fragt man sich: Jesus, was ist denn mit dem Reich Gottes los? Wie passt das mit einer friedfertigen Bergpredigt zusammen? Das ist doch die Welt, in der wir leben. Wie soll das zusammengehen?
Das Überraschende ist, dass Jesus daran nichts beschönigt. Das ist kein Schock, auch für glaubende Menschen – so furchtbar das ist, was in Auschwitz und Stalingrad geschehen ist. Jesus sagt: Das ist diese Welt, die sich von Gott gelöst hat und in der Gottferne lebt. Hier kann das Böse triumphieren, und Menschen müssen unter dieser Last des Bösen leiden. Furchtbares geschieht in der Welt.
Jesus lässt es stehen und gibt es zu! Ganz ähnlich sagt es Paulus im Römerbrief über die Welt, die unter dem Zorn Gottes steht. Eine Welt, in der das Böse sich immer stärker zeigt und reift wie eine Frucht. Mit jedem Jahr wird klarer, dass diese Welt nicht mehr die heile Welt Gottes ist, sondern eine gefallene, böse Welt.
Die Tränen, die geweint werden, die Krankheiten, die durchlitten werden, die Kriege, die geschehen, und das Unrecht zeigen nur, dass diese Welt unter der Herrschaft des gottlosen Menschen steht.
So kommen also diese Leute zu Jesus und fragen ihn. Jesus diskutiert nicht mit ihnen. Sie hatten erwartet, Jesus mache ein großes Palaver. Doch Jesus lässt den ganzen Ernst unserer leidenden Welt zu. Er sagt nur: Sagt nicht, dass die Opfer schuldiger waren als andere. Das ist ein Irrtum, der immer noch in manchen Köpfen spukt, als ob das, was wir erleiden, verdient wäre. Es ist alles unverdiente Güte, was wir überhaupt haben.
Jesus fragt: Habt ihr in dieser Welt mehr als die Katastrophen? Was soll man mehr haben? Habt ihr den lebendigen Gott hinter eurem Leben, der euch hält, auch wenn solche schrecklichen Dinge passieren? Habt ihr in der Hölle von Stalingrad noch die Geborgenheit bei Gott, sodass ihr sagen könnt: Unter deinem Schirm bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei? Könnt ihr dann noch sagen: Gott ist für mich, wer kann gegen mich sein?
Diese ganze Erörterung über dieses Thema ist bei Jesus nur ein großer Aufruf: Kehrt um aus dieser Welt heraus in die offenen Arme eures Gottes, der euch sucht. In dieser Welt findet ihr keinen Frieden, keine Erlösung, keine Hoffnung und keine Seligkeit. Aber hört ihr den Ruf heute, dass Gott euch ein Angebot macht?
Das ist die Predigt, die uns Gott hält – mit jeder Zeitung und jeder Schreckensnachricht, die uns im Fernsehen entgegentritt. Habt ihr mehr in dieser Welt gefunden? Oder bezaubert euch diese Welt immer noch? Nimmt sie euch gefangen? Oder hört ihr heute mitten in diesem schrecklichen Geschehen, wie Gott der Herr euch sucht und euch mitten in dieser unruhigen Welt Frieden, Heimat und Geborgenheit geben will?
Jesus ergänzt das noch und sagt, er könnte es um ein Erlebnis bereichern und erweitern. Erinnert ihr euch noch an neulich? Wie da unten bei Siloah, an dem Teich, den wir aus der Bibel kennen und den heute noch die Jerusalem-Pilger besichtigen, offenbar ein Turm zusammenfiel. Waren dort Bauarbeiten? Erdbeben? Das wissen wir nicht genau. Aber achtzehn Menschen wurden unter den Trümmern begraben.
Was habt ihr, wenn euer Leben plötzlich zu Ende ist? Was habt ihr, wenn ihr morgen bei einem Verkehrsunfall umkommt? Nicht dass das geschieht – das gehört zu dieser Welt, das Furchtbare. Aber habt ihr dann die offenen Liebesarme eures Herrn, der euch aufnimmt und annimmt? Habt ihr die wunderbare Möglichkeit, umzukehren und herauszukommen aus dem Leben?
Wenn wir heute mitten in unserem bedrängten und schwierigen Leben stehen – und ich weiß, dass viele von Ihnen viele Probleme mit sich bringen – hört ihr die Einladung Jesu: Kommt her zu mir, ich will euch erquicken.
Darum hält sich Jesus nicht bei den Schreckensnachrichten auf. Er sagt: Ich kann euch erquicken mitten in einer unruhigen und tobenden Welt. Ich kann euch Frieden geben.
Sagt ihr jetzt nur schläfrig Ja, ja, ja und geht nach Hause? Oder merkt ihr, dass es um eine Entscheidung fürs ganze Leben geht? Dass ich heute im Glauben festmache, so dass mich bis hinein in meine letzte Todesstunde nichts mehr erschrecken kann, weil ich geborgen und bewahrt bin bei Jesus, meinem Herrn?
Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle umkommen. Darum ruft uns Jesus heraus aus einer stumpfen Hoffnungslosigkeit. Die Welt kennt mehr nicht. Aber Jesus kennt mehr für euer Leben.
Die Dringlichkeit der Umkehr und das Gleichnis vom Feigenbaum
Und nun ein zweiter Gedanke: Es kann so nicht mehr weitergehen. Ich möchte das nicht alles in einen Brei hineinrühren. Wir sollten die verschiedenen Schritte der Aussagen Jesu richtig verstehen.
Nun kommt ein Gleichnis, das er erwähnt. Er vergleicht unser Leben mit einem Baum, einem Baum, der gepflanzt ist. Draußen steht er mächtig in der Landschaft, die Äste ragen hinaus, ebenso die Zweige. Doch da kommt der Herr, dem der Weinberg gehört, und er schaut diesen Baum ganz kritisch an.
Er sagt: „Ja, was ist denn da bloß? Der Baum hat keinen Wert, er ist nutzlos, er bringt keine Frucht. Jetzt steht er schon so lange da und hat noch keine Frucht gebracht, hau ihn ab!“ Das ist ein ganz hartes Wort, und das sollen wir heute Morgen auch hören.
Jesus ist der Meinung, dass unser Leben nicht mehr ist als ein Baum. Wir meinen oft, unser Leben habe von Haus aus Ewigkeitscharakter. Nein, unser Leben ist – wie die Pflanzen durch den Fall – zur Verwesung bestimmt. Es ist ein nichtiges Leben, das wir haben. Und dann kommt Jesus und schaut nach, ob nicht doch noch an diesem Baum eine Frucht zu finden ist.
Es geht alles um diese Frucht, die an diesem Baum sein muss, und es ist keine da. Heute, im zwanzigsten Jahrhundert, verstehen wir unser Leben ganz anders. Man begreift den Sinn seines Lebens eigentlich nur aus sich selbst heraus, ob das Leben Spaß macht oder ob wir Befriedigung darin finden.
Der Baum hat sicher Befriedigung in sich selbst, wenn seine Äste wachsen und die Zweige in die Gegend hinausragen. Aber das müssen Sie begreifen: Das kann man nur aus der Bibel immer wieder hören. Mein Leben ist nutzlos gelebt, auch wenn es mir noch so viel Spaß macht, auch wenn ich noch so glücklich dabei bin.
Nach Frucht fragt der Herr des Weinbergs: Wo ist die Frucht? Und wissen Sie, wie viel Geduld Gott schon mit Ihrem Leben geübt hat? „Drei Jahre“, sagt der Herr, „probier ich es nun schon.“ Ich meine, dass Jesus sich da besonders an gläubige Menschen richtet und sie anspricht: „Jetzt mache ich doch schon so lange mit dir herum, und dir gefällt es immer noch, den Trost zu hören. Ich will doch Frucht haben!“
Frucht ist etwas, womit der Herr arbeiten kann, damit für ihn etwas herauskommt und er etwas davon hat. Was hat er denn in den drei Jahren gemacht? Der Herr des Weinbergs hat viel gearbeitet, investiert und probiert. Das hat ihn viel Schweiß gekostet. Wer einen Garten hat, weiß, wie viel Arbeit es ist, bis die Pflanzen richtig gedeihen.
Das ist Christen selten bewusst. Und ich kann Ihnen heute das Unbequeme nicht ersparen, das auch Jesus bekräftigt: Auch ein noch so frommes Leben ist nutzlos gelebt und zieht den Zorn Gottes herbei, wenn keine Frucht daraus hervorgeht. Und wenn Sie noch so schöne Bibelworte hersagen – Frucht muss doch herauskommen. Es taugt nichts, wenn keine Frucht da ist.
Dann möchte ich noch darüber nachdenken, was denn alles vom Herrn des Weinbergs in den drei Jahren ausprobiert wurde. Sicher hat er manche Mittel eingesetzt, vielleicht gespritzt oder den Baum noch einmal beschnitten, damit er besser Frucht bringen kann. Verstehen Sie die vielen Ereignisse in Ihrem Leben? Können Sie sie deuten?
Etwa wenn Gott Krankheit geschickt hat, hatte er dann nicht nur den Sinn, Sie durch diese Sache näher auf das Wichtigste hinzutreiben, damit Ihr Leben Frucht bringt? Oder wenn Sie durch schwere Nöte hindurchgegangen sind? Das ist ja so ein Beackern, ein Aufgraben des Bodens um den Baum, ein erneutes Beschneiden, damit er Frucht bringt.
Und dann sagt der Herr: „Was hindert er das Land? Er steht nur da, laugt den Boden aus und nimmt die Kraft weg.“ Und dann steht dieser Baum einem anderen im Wege, der Frucht bringen könnte.
Steht nicht über unserer ganzen europäischen Christenheit die Not, dass Gott sagt: „Sie hindern das Land. Sie wachsen nur noch still vor sich hin.“ Wenn das die fernen Völker in der Dritten Welt wären, würden sie wahrscheinlich blühen und Frucht bringen. Aber diese hier ziehen das Evangelium nur an sich, und dabei kommt nichts heraus.
„Was hindert er das Land? Hau ihn ab!“ Das ist ein Wort, das Jesus bekräftigt hat. Er ist dafür, ihn abzuhauen. Es gibt absterbenden Glauben, und es gibt so viel sterbendes Glaubensleben um uns herum. Das ist ein erschütterndes Mahnzeichen: Es gibt Menschen, die den Glauben verloren haben, wie man einen Gegenstand verliert.
„Hau ihn ab“, sagt der Herr. „Es hat doch keinen Wert.“
Die Bedeutung des Lebens und die Forderung nach Frucht
Ein Baum ist ein wunderbares Werk, darüber wollen wir nachdenken. Wer ein wenig in die Geheimnisse der Natur eindringt und davon etwas versteht, der kann nur erstaunen, wie wunderbar Gott einen solchen Baum geschaffen hat.
Es ist völlig unnatürlich, unorganisch oder gar nicht zu erwarten, dass dieser Baum keine Frucht bringt. Wir meinen oft, die Frucht sei das Besondere. Wenn wir einmal eine kleine Frucht für Gott bringen, fühlen wir uns, als hätten wir etwas Außerordentliches getan. Der Herr sieht das ganz anders.
Zu welchem Zweck hat er uns die Körperkräfte gegeben, die Gaben von Zeit und Gesundheit? Warum hat er uns Empfindungen und die Kraft des Denkens geschenkt? Damit wir Frucht bringen. Wir denken oft, das sei zuerst unser Besitz. Dann könnte ab und zu, vielleicht mal sonntags oder zwischendurch, für Gott etwas übrig bleiben.
Hau ihn ab, es hat doch keinen Wert, es ist umsonst gegeben. Wenn heute so viele junge Leute hier in der Kirche sind, möchte ich auch für die sprechen, die alt sind oder die im Krankenbett an unserem Gottesdienst teilnehmen. Wie sehnen sie sich! Unsere Gelähmten: Noch einmal wollte ich deine Füße haben. Was würde ich mit deinen Füßen tun?
Könnt ihr euch vorstellen, wie ein alter Mensch euch heute so zuruft? Wenn ich an deiner Stelle diese Gaben eines Baumes hätte wie du, wenn ich noch einmal so viel Jugendkraft hätte wie du, ich würde ja Frucht bringen wollen für den Herrn. Hau ihn ab, es hat doch keinen Wert, der stört nur, der Baum blockiert die anderen, er nimmt den anderen das Licht weg.
Wenn unser Herr ausrottet, ausjätet, abhauen oder absägt, dann ist das nicht nur eine Willkür von ihm. Er tut das, damit die anderen Bäume umso besser wachsen können.
Das ist ein erschütterndes Geschehen um uns herum, wenn wir sehen, dass Kirchengemeinden absterben, Gottesdienste sich entleeren, Glaubensleben aufhört und Menschen am Glauben irre werden. Rühme dich nicht und zieh nicht stolz hinüber, sondern sieh dieses Mahnzeichen: Es kann so nicht mehr weitergehen.
Frucht will der Herr. Er wartet auf Frucht.
Die Fürsorge des Weingärtners und die letzte Chance zur Umkehr
Noch ein letztes Mal wollen wir am Bustag auf den schauen, der für uns betet. In diesem Gleichnis Jesu fehlt der Blick auf den Weingärtner, der etwas tut, was in unserer Welt sicher kaum vorstellbar ist. Wenn der Herr sagt, der Baum hat drei Jahre keine Frucht getragen, gibt es eigentlich keine Chance mehr, dass er noch Frucht bringt. Doch dieser Weingärtner sagt: „Ich will es noch einmal probieren.“
Selten ist ein Satz in der Bibel so missverstanden worden wie dieser. Viele haben gedacht, das bedeutet, dass die Frist Jahr um Jahr verlängert wird. Das ist wie bei einer Versicherung: Wenn man sie nicht kündigt, läuft sie einfach weiter. Aber Jesus meinte es wirklich so, wie er es sagte. Wer sich mit Kirchengeschichte auskennt, weiß, dass Jesus diese Frist meist nicht mehr verlängert hat – ein Jahr noch.
Bei meinen Hausbesuchen treffe ich viele Menschen, die völlig fern von Gott leben. Fast alle können mir jedoch von einer lieben Tante erzählen, die vielleicht Diakonisse war, oder von einem Onkel, der in der Mission tätig war, vom Kindergottesdienst oder von anderen Eindrücken. Diese Erinnerungen stehen hinter ihnen, doch sie können nicht mehr anknüpfen. Das ist ein bitterernstes Wort.
„Lasst ihn noch dieses Jahr, ein viertes“, heißt es im Gleichnis. Doch dann folgt der Satz: „Aber dann hau ihn ab!“ Jesus bemüht sich also noch einmal um uns, doch danach nicht mehr. Wenn keine Frucht kommt, dann soll man ihn lassen.
Ich erinnere mich noch an meine Jugendkreiszeit. Wir besuchten im ersten Jahr unsere Konfirmanden und saßen dann oft über Listen, um zu entscheiden, wen wir streichen sollten. Sollten wir noch ein zweites Jahr versuchen, sie zu besuchen und einzuladen? Hat das Wort Gottes überhaupt noch Sinn? Es fiel schwer, denn es gibt kaum noch eine Gelegenheit, bei der Menschen so persönlich eingeladen werden wie hier. Persönliche Einladungen sind selten geworden.
Ich möchte heute nur auf Sie schauen, denn Sie merken: Sie haben eine Zeit und eine Stunde. Es ist nicht wie bei einem verschlafenen Nachtportier im Hotel, bei dem man einfach rufen kann und ein „Ja, ja“ bekommt. Hier sagt der Herr: „Ich bemühe mich noch einmal um ihn.“ Und es kostet ihn noch einmal Schweiß.
Bitte schauen Sie auf den, der da für Sie bittet, der die Wundmale an seinen Händen trägt und sagt: „Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich bin den Weg des bittersten Leidens gegangen, um für dich einzustehen.“ Verstehen Sie nicht, dass es jetzt heißt: Frucht bringen? Jetzt ist der Zeitpunkt da, an dem es anders werden muss. Ich will eine Änderung, sonst hat es keinen Wert. „Hau ihn ab!“ Jesus will keine dürren Bäume mit Ästen ohne Früchte in die Ewigkeit mitnehmen. Er will Bäume, die Frucht bringen.
Darum bittet er und gibt eine kurze Zeit zur Umkehr. Es ist ein schwerer Weg, wenn ein Baum plötzlich Frucht bringen soll, der jahrelang keine Frucht getragen hat. Sie wissen doch, wie das geht.
Da vermischen sich die Bilder. An anderer Stelle spricht Jesus vom Weinstock und davon, dass wir in ihn hineingepflanzt werden. Es geht also nicht nur darum, dass der Weingärtner um den Feigenbaum herumläuft und ihm noch einmal frische Nahrung gibt. Er sagt vielmehr: „Es geht noch viel wunderbarer. Ich will in deinem Leben die Kraft sein, die diese Frucht hervorbringt.“
Öffnen Sie sich heute für ihn. Dann sagen Sie nicht nur „Ja, ja“, sondern er fordert Ihr entschlossenes Zugreifen. Dann können Sie so sagen, wie wir es gerne mit jungen Leuten in einem Lied singen: „Brich mit dem Vergangenen, sprich zu Gott: Ich will!“ Machen Sie daraus eine entschlossene Entscheidung und sagen Sie: „Ich stelle mein ganzes Leben ihm zur Verfügung. Ich will, dass Jesus darin herrscht und dass seine Kraft in meinem Leben zum Zuge kommt. Ich will mich dir nicht mehr widersetzen.“
Es ist zu groß, dass unser kleines, begrenztes, schwaches irdisches Leben – das doch kein bedeutendes Leben ist – von Gott gebraucht wird, um heute schon Frucht zu bringen. Denken Sie daran: Gott will, dass Sie Montag, Dienstag und an allen Tagen Frucht bringen – in den alltäglichen Verrichtungen.
Gott ist es nicht zu wenig, durch Ihr Leben zu handeln. Er will große Dinge tun. Ergreifen Sie ihn und fassen Sie ihn an! Er will Sie haben, weil er für Sie gestorben ist.
„Mach in mir, deinem Geiste, Raum, dass ich dir wert ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blumen und Pflanze möge bleiben.“ Amen.