Einführung: Die Erschütterung durch den Wochenspruch
Wenn ich diese freundliche Einladung erhalte, beschäftige ich mich natürlich wochenlang damit, was ich hier predigen soll. Dabei bin ich einfach am Wochenspruch hängen geblieben. Er hat mich so erschüttert und an mir gearbeitet, dass ich das Gefühl hatte, in der vergangenen Nacht keinen einzigen Augenblick geschlafen zu haben. So sehr hat mich beschäftigt, was dort steht.
Der Wochenspruch heute, am elften Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest, lautet: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade.“ Das steht in 1. Petrus 5,5. In diesem Vers wird auch gesagt: „Alle miteinander haltet fest an der Demut.“
In den weiteren Versen heißt es dann: „Seid nüchtern und wacht!“ Das passt zu dem Lied, das wir gerade gesungen haben, denn „euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“
Es gibt dumme Christen, die sagen, es gibt doch gar keinen Teufel. Sie wissen oft gar nicht mehr, wo er sie im Besitz hat.
Man kennt es ja: Jedes Jahr legt eine Kommission das Wort des Jahres fest. Es ist spannend, was sie wohl für 2011 wählen wird. In der Vergangenheit waren das schon bemerkenswerte Worte, die sie als typisch für unsere Jahre herausgestellt haben. Da war es die „Ellbogengesellschaft“, da war es der „Wutbürger“ und da war es die „Abwrackprämie“.
Die Zeit und das Management des Erfolgs
Wenn ich ein Wort wählen müsste für unsere ganze Zeit, die letzten 50, 60 Jahre, in denen wir leben – wissen Sie, was ich wählen würde? Als typischer Manager.
Wir haben ja diese tollen Manager. Das sind nervenstarke Schaffer, tolle Leute, erfolgreiche Menschen, Erfolgstypen, Führungskräfte, die auf allen Gebieten planen, die Dinge in Gang setzen, durchführen und zum Erfolg führen.
Wenn sie es nicht zum Erfolg führen, dann werden sie gekickt, das ist klar. Sonst werden sie hoch dotiert. Und das macht man auf allen Gebieten – in der Wirtschaft, in der Politik, in der Wissenschaft, in der Forschung, im Erziehungswesen.
Die Arbeitslosigkeit wird gemanagt, im Grundwasser wird gemanagt, überall wird gemanagt. Der Hunger der Welt wird gemanagt. Und die Krisen werden gemanagt, sogar die Schulden werden bei uns erfolgreich gemanagt, offenbar – auch wenn sie immer größer werden.
Das gehört dazu zum Management unserer Zeit. Und dazu gehört, dass man erfolgreich ist, dass man sich feiern lässt, dass man sich gut bezahlen lässt, dass man in aller Munde ist. Nur keine Schwächen zeigen, nur die Besten, nur die Stärksten sind oben.
Sogar die Sachen des Reiches Gottes werden heutzutage gemanagt und den Bedürfnissen des Menschen von heute angepasst.
Bloß ein Wort passt in dieses Management nicht hinein. Das ist wie die Faust aufs Auge: Meine eigene Begrenztheit und Schwäche – die passen nicht hinein.
Der Stolz des Menschen und die Botschaft der Demut
Es ist nicht neu, dass der Mensch sich alles zutraut. Wir können alles, sagen die Schwaben humorvoll – außer Hochdeutsch –, aber wir können alles, wir machen alles.
In der Zeit der Aufklärung brach dieses Selbstvertrauen besonders durch. Ein sehr bescheidener Mann, Matthias Claudius, wurde von Herter als das größte Genie seiner Zeit bezeichnet. Dennoch hatte er, soweit ich weiß, nur ein paar Hundert Anhänger, die seine Schriften lasen. Trotzdem stellte er genau das Wesentliche heraus.
Matthias Claudius, der Wandsbecker Bote, schenkte uns ein Lied, das heute aktueller ist denn je: „Wir Stolzen, Menschenkinder, sind eitel, arme Sünder und wissen gar nicht viel. Wir spinnen Luftgespinste und suchen viele Künste und kommen weiter von dem Ziel.“
Übrigens war dies das einzige Lied von Matthias Claudius, das in das Gesangbuch von Klauchau aufgenommen wurde. Natürlich haben die Redaktoren des Gesangbuchs es umgedichtet, denn sie konnten die ursprüngliche Form nicht ertragen. Statt „sind eitel, arme Sünder“ sagten sie nun „wir fehlen mehr und minder“. Das heißt, wir fehlen alle ein bisschen, mehr oder minder – eher mehr als minder, aber das ist klar.
Dennoch hat Matthias Claudius den Nagel auf den Kopf getroffen: Wir sind mit unserem ganzen Leben, mit unserem ganzen Können vor Gott sündige Menschen, von ihm getrennte Leute, die das Ziel nicht erreichen und in allem tausendfach verfehlen.
Die Warnung des Petrus vor Hochmut
Darum hat uns Petrus in seinem Brief geschrieben. Er richtete sich an die kleinen asiatischen Gemeinden, also in die heutige Türkei. Dort gab es viele Christengemeinden. In diesem Brief zieht er die Bilanz seines Lebens, das, was ihm als Apostel besonders am Herzen lag. Er warnt eindringlich vor Hochmut, Stolz, Selbstanbetung und der Verwirklichung des eigenen Ichs.
Man weiß, wie jung Petrus war. Er war ein Mann, wie wir alle es in unserer Jugend sind: forsch und überzeugt, dass man die Dinge nicht einfach so hinnehmen muss. Er sagte: „Herr Jesus, wenn du jemanden brauchst, ich bin da. Ich schreibe deine Sache, und du kannst auf mich bauen.“ Doch Jesus warnte ihn: „Pass auf, ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du schon gefallen sein.“
Jesus sagte zu ihm: „Mach doch nicht so ein großes Maul!“ Ein anderes Mal, als Petrus meinte, Jesus müsse nicht sterben, sagte Jesus: „Geh weg, Satan! Du merkst gar nicht, dass du nicht göttlich redest, sondern menschlich, fleischlich.“ Beim Abschied sagte Jesus zu Petrus: „Es wird der Tag kommen, da wird ein anderer dich gürten und führen, wohin du nicht willst.“
Petrus war selbstsicher, erfolgreich, selbstbewusst und von der Welt geachtet. Aber wie war es wirklich? Sie hatten doch eigentlich den Weg mit Jesus begonnen. Erinnern Sie sich an den Fischfang? Ich durfte gerade bei Ihnen darüber predigen, Lukas 5. Eigentlich hätte Petrus aussteigen müssen. Er dachte: „Herr Jesus, schau mal, wenn ich die Netze auswerfe und du mir den Segen gibst, dann funktioniert alles.“ Doch Petrus stieg aus, warf die Netze auf den Boden und sagte: „Herr, geh weg, ich bin ein sündiger Mensch.“
Er hat erkannt: Alles, was in seinem Leben ist, kommt von Gott. Es ist ein Wunder seiner Güte und Gnade. Weil das seine Lebensbilanz war, schreibt Simon Petrus diesen kleinen asiatischen Gemeinden. Er hat es selbst schmerzhaft erlebt. Selbst in der kleinen Runde, wo es eigentlich noch gar nicht gefährlich war, wo die Macht nur sagte: „Du warst doch auch mit Jesus von Nazareth“, da hat er Jesus verleugnet.
Nicht einmal da hat er durchgehalten. Das ist erschütternd: Gott kann stolze Christen, Jesusnachfolger, demütigen, demontieren und in ihrer falschen Sicherheit überführen.
Die Bedeutung von Demütigung im Glaubensleben
Und jetzt möchte ich einfach ein Wort sagen. Ich freue mich immer an den jungen Leuten. Ich könnte mit euch weinen, weil ich weiß, wie viel Demütigung Gott euch noch zumutet. Und die Älteren können es euch erzählen: Wir alle haben viele Demütigungen erlebt, aber sie sind uns zum Heil geworden.
Da hat uns Gott heruntergeholt. Da sind Dinge in unserem Leben missraten, obwohl wir gebetet haben. Da wurden uns Berufswege verschlossen. Da kamen schwere Krankheiten, die uns lange lahmgelegt haben. Da war Verrat von Freunden, Enttäuschungen, Mischerfolg – und Gott hat das zugelassen.
Darum ist mein erster Punkt: Wir können alle am lebendigen Gott schrecklich zerschellen. Da steht ja: Gott widersteht den Hochmütigen. Es ist ein großes Missverständnis heute, als ob das Wort Gottes immer nur Seelentrost wäre. Das Wort Gottes erschüttert.
Das haben schon die Väter festgehalten. Dadurch, dass es uns trifft, erschüttert es uns. Erst wenn wir erschüttert und getroffen sind, wenn wir erzittern, können wir auch den Trost vernehmen. Es geht nicht anders. Es geht nicht mit Witzchen, sondern man muss das tiefer sehen.
Sie wissen, wie das ist, wenn ein großes Schiff auf einen Felsen fährt. Das ist furchtbar – eine Schiffskatastrophe, das Schiff läuft auf Grund, und dann ist das Leck geschlagen. Gott kann uns zerschellen lassen, am Felsen.
Warum lässt Gott das zu? Weil wir Menschen alle von Natur aus diesen verrückten Virus haben. Das ist das Schlimmste. Schlimmer als Ebola, Vogelgrippe und all die anderen Krankheiten, die sich später doch als bloße Flops herausgestellt haben.
Dieser eine Virus aber ist ein ganz schlimmer Krankheitsvirus: Wir überschätzen uns selbst maßlos. Und das ist heute die Krankheit der Christenheit. Jeder meint, wir sind ganz toll und ganz wunderbar. Unsere Gemeinde ist super, da kann man bloß noch ein Pressehaus einrichten, damit die ganze Welt die Schönheiten erfährt, wie toll wir das alles machen.
Und seit Kindertagen haben wir das: Wir sind stolze Leute. Vielleicht denken wir sonst, wir sind doch gar nicht so stolz, doch wir sind stolz. Wir sind auch darin stolz, dass wir uns über andere erheben. Nicht bloß wie dieser Pharisäer, der sagt: Ich bin ja nicht so wie dieser Zöllner. Sondern das gehört ja immer dazu, dass man sich mit anderen vergleichen muss und sagen kann: Ich bin doch erfolgreich, besser, wirksamer, ich tue doch mehr.
Denn den Ehrgeiz braucht man in der Welt, wenn man etwas erreichen will. Da muss man sich anstrengen, da muss man gute Noten bringen, da muss man Treppchen erreichen, da muss man Ehre haben. Aber bei Gott gilt nichts davon.
Und das ist ein Unterschied zwischen dem, was in der Welt gilt – übrigens von den Tagen der ersten Menschen bis heute. Das wird in den letzten Tagen vor der Wiederkunft Jesu noch am allerschlimmsten werden, in der Herrschaft des Antichristen, der sich noch einmal alles anmaßt und alles mit Ehrgeiz lösen will.
Gott lässt das bei seinen Leuten nicht zu. Gott kann seine Leute demütigen. Sie müssen einmal durch die Bibel folgen, es ist ein Thema, das überall in der Bibel vorkommt, aber kaum gepredigt wird.
Beispiele biblischer Hochmut und Demut
Wenn man Hesekiel Kapitel 27 und 28 liest, wird dort über die Weltstadt Tyrus gesprochen. Für mich war es sehr eindrücklich, vor vielen Jahren an dem Ort zu stehen, wo einst die Stadt Tyrus war – eine riesige Weltstadt, die Israel große Not bereitet hat.
Gott hat angekündigt, dass er diese Stadt Tyrus zerstören wird. Das geschieht anders als bei Sidon. Sidon wurde wieder aufgebaut, genau dort, auf den Trümmern der alten Stadt. Heute kann man dort durch die Basare laufen. Tyrus hingegen wurde, wie es in Hesekiel 27 beschrieben ist, nie mehr an derselben Stelle aufgebaut, sondern an einem ganz anderen Ort.
Dort stehen heute Fischer und spannen ihre Netze aus. Dass die Bibel in solchen Details buchstäblich recht hat, verschlägt einem den Atem. Die Fischer stehen genau an der Stelle, wo die Ruinen des alten Tyrus liegen. Ähnlich kennen wir das nur noch von Korazin, Bezaida und Kapernaum, wie Jesus es gesagt hat.
In Hesekiel 28 steht: „Weil sich dein Herz überhebt, weil du so schön bist... Darum will ich dich zu Boden stürzen.“ Das verstehen wir auch bei einer Stadt. Ganz ähnlich kennen wir das von Babel. Die Trümmer des alten Babel haben wir immer wieder im Irak gesehen.
Dann erinnern uns die Worte des Dichters im Buch Hiob an Jehova, der sagt: „Dir spreche ich auf ewig, ich bin der König von Babylon.“ Paulus beschreibt diese Not, und Petrus sagt, dass dieser Hochmut auch in den Christen wirkt – dieser Hochmut, diese Selbstüberheblichkeit, das Sich-Erhaben-Denken über andere.
Meinen Sie, ich sei davon frei? Ganz und gar nicht. Ich sage ja, darum hat Gott an mir gearbeitet. Es tut auch gut, wenn man wieder sieht, wie Anbetung seiner selbst, Selbstverwirklichung und Vergötzung des eigenen Ichs heute die Triebfeder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind.
Das war bei den alten Babyloniern so, bei den alten Griechen, bei den Hellenisten, bei den Römern und besonders bei den römischen Tyrannen, den Diktatoren und Cäsaren. Da gab es den Augustus, und später den Domitian, den größten Christenverfolger, der Johannes nach Patmos schickte und viele andere.
Es gibt viel Hochmut in dieser Welt: gottlosen Hochmut, intellektuellen Hochmut und rassistischen Hochmut. Alle kämpfen dagegen an. Aber es gibt auch frommen Hochmut und geistlichen Hochmut. Das müssen wir einfach erkennen.
Beim geistlichen Hochmut sind wir aufgeblasen und vergessen den lebendigen Gott. Jesus sagt in Lukas 16, Vers 15: „Was hoch ist in der Welt, das ist dem Herrn ein Gräuel.“ Ich habe selten gehört, dass darüber gepredigt wird. Jesus kann mit Hochmut nicht arbeiten.
Warum schreibt Petrus das noch in seinem Brief? Weil er es der Gemeinde sagt. In diesen Versen geht es um die Christenheit. Die Christenheit zerfällt wegen menschlichem Hochmut.
Johannes schreibt im dritten Brief des Johannes, dass Diotrephes hochgehalten sein will. Deshalb widersprach er dem Apostel und erkannte Johannes nicht an. Das ist eine Not – menschliche Eitelkeit, menschlicher Hochmut.
Der Weg zur Demut
Aber wie wird man eigentlich demütig? Ludwig Hofacker hat dazu eine großartige Predigt über den gesamten Abschnitt gehalten. Er sagt, das größte Wunder in der Welt überhaupt und in der ganzen Bibel, größer als jede Auferstehung, ist, wenn ein Mensch sein Sündersein begreift.
Das größte Wunder ist, wenn er erkennt: „Ich kann ohne Gottes Gnade gar nichts, ich bin von ihm durch und durch abhängig.“ Wenn er seine eigene Niedrigkeit überhaupt erst einmal wahrnehmen kann.
Sie können in der Weltliteratur forschen und alles durchsuchen – so etwas gibt es nirgendwo so deutlich ausgesprochen wie im Wort Gottes.
Ja, es geht sogar so weit, dass man, wenn man ein wenig googelt, merkt, dass Demut überhaupt ein christlicher Sittenbegriff ist. Bei anderen Kulturen ist das anders: Dort muss man Selbstvertrauen aufbauen. Man sagt: „Wir coachen dich. Du wirst erfolgreich, und das schaffen wir.“ Man redet es sich ein, man stellt sich vor den Spiegel und sagt: „Ich bin der Beste.“ So soll man Selbstvertrauen gewinnen. Aber Gott hat das nicht als Wert anerkannt.
Darum ist es wichtig, dass wir das erkennen: Den Demütigen gibt Gott Gnade, aber stolze Menschen kann er zerbrechen.
In den Sprüchen Salomos steht: „Ein stolzes Herz ist dem Herrn ein Gräuel und wird gewiss nicht ungestraft bleiben.“ Oder im Jakobusbrief heißt es: „Der Geist Gottes wird den Stolz nicht ungestraft durchgehen lassen.“
Dann denkt man an den Apostel Paulus, der ein großer Mann war. Ich kenne keinen christlichen Arbeiter, der als Missionar so erfolgreich war wie er.
Paulus spricht sogar vom Rühmen. Er sagt: „Ich könnte mich eigentlich rühmen.“ Doch er diente mit Furcht und Zittern, weil er wusste: „Alle meine Gaben garantieren überhaupt nichts, und all meine Gaben sind nur Gnadengeschenke Gottes.“
Vor seinen Evangelisationen fragte er: „Bin ich dazu tüchtig?“ Keiner von uns ist aus sich selbst tüchtig für den Dienst.
Darum ist es gut, wenn man Bammel hat und sagt: „Ich kann das alles nicht, ich kann nicht für den Herrn wirken.“ Aber das ist genauso wichtig, wie es auch Petrus erfahren hat.
Wenn Sie seinen Brief kennen, wissen Sie, dass das seine Botschaft war: Gerade wenn du dich im Licht von Jesus richtig erkennst, dann blicke auf Jesus!
Es ist eine herrliche Sache, Buße zu tun. Buße heißt ja nicht nur, den Kopf hängen zu lassen, sondern Buße heißt umkehren, Christus erkennen und ergreifen.
Er gibt dem Demütigen Gnade im Übermaß, und das ist das Allergrößte: Er schenkt sich selbst und gibt sich. Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht den Balken im eigenen Auge übersehen und uns an den Splittern im Auge des anderen aufhalten.
Das war der erste Punkt. Man kann schrecklich aufs Riff laufen, aber Jesus war ganz anders.
Jesus als Vorbild der Demut
Bei Jesus ist Demut sein Kennzeichen; er war von Herzen demütig. Auch bei Mose steht geschrieben: Niemand war so demütig wie Mose – ausgerechnet er, der Adoptivsohn der Tochter Pharaos war. Er stammte aus dem besten Stall Ägyptens, hatte alle Verbindungen, eine diplomatische Ausbildung und war wissenschaftlich trainiert. Und trotzdem war er der demütigste von allen.
Es ist interessant, dass Gott gerade solche Menschen gebrauchen kann: demütige Leute, die sich Gott zur Verfügung stellen und sagen: „Nimm mich, ich gebe mich dir.“ Als wir einst das Werk, das die Fachkräfte international gegründet haben, mit einem Infoprospekt bewarben, schrieb ich einen Text. Darin äußerte ich die Sorge, dass viele junge Leute kommen könnten, die sagen: „Hoppla, jetzt komme ich, an mir wird die ganze Welt genesen.“ Solche neunmalklugen Menschen meinen, sie wüssten genau, was in der Dritten Welt falsch läuft. Sie wollen die Afrikaner zurechtweisen und ihnen Oberlehre erteilen – sie glauben, alles besser zu wissen.
Deshalb schrieben wir in den Prospekt, dass es demütige Leute sein müssen. Aber damit hatten wir nicht gerechnet: Diese Aussage führte zusammen mit anderen Anfragen zu einer Anfrage im Bundestag, damals von der Opposition. Man wollte wissen, was das mit der Demut auf sich habe. Es müssten doch tüchtige Leute sein, die an sich selbst glauben. Ich weiß nicht mehr genau, was damals herausgenommen wurde, um des Friedenswillens sicherzugehen, aber es war ein Fehler.
Denn es müssen demütige Leute sein, weil Gott nicht anders arbeiten kann als mit Menschen, die sich von ihm fortwährend korrigieren lassen. Menschen, die auf ihre Mitbrüder hören und auch das Wort des Mitarbeiters neben ihnen akzeptieren.
Sie kennen ja die Redewendung, dass Demut in Deutschland als „Hundetugend“ gilt. Das wurde nicht nur von Heinrich Heine gesagt, sondern auch von Friedrich Nietzsche. Und das zeigte sich auch in der unzähligen Geschichte des Dritten Reiches. Aber zum Glück steht es trotz allem noch in der Bibel: Wir sollen uns vor dem lebendigen Gott demütigen, nicht vor Menschen.
Vor Menschen soll man sich nicht demütigen – wir sind nicht die Knechte der Menschen. Vor Gott sollen wir uns demütigen und wissen, wer wir sind. Das ist so herrlich, wenn man das einmal sieht: Dass ich ihn in allem brauche und gar nicht viel aus eigener Kraft tun kann. Wie Jakob sagte: „Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir erwiesen hast.“ Das war der große Jakob, Stammvater des Glaubens.
Auch Abraham betete: „Ich habe mich unterwunden, mit dir zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin.“ Abraham wusste, obwohl er der Fürst des Glaubens war, wie gering er vor Gott war.
David, der eine sehr unglückliche Ehe mit Michal hatte, die ihn oft verspottete, sagte: „Der König hat sich wiederholt blamiert vor dem Volk.“ Doch David antwortete seiner Frau: „Ich will noch viel geringer werden.“ Ihm ging es nicht um Ehre vor Menschen, sondern darum, dass Gott sein Leben gebrauchen kann.
Und was hat dieser David mit Gott gefochten und erstritten? Nicht nur beim Kampf gegen Goliath. Was für ein Mann des Glaubens er war! Aus der Demut heraus wurde er stark und mutig, weil er die Verheißungen des Glaubens angenommen hat.
Die Kraft der Lammesart und die Gnade Gottes
Ich finde es auch schön, dass das Lied „Liebe“ von Helga Winkel, der Eidlinger Diakonisse, im Gesangbuch steht. „Herr, wenn mich festhält deine starke Hand“ – aber hier haben es die Redaktoren wieder nicht ausgehalten und etwas im Gesangbuch verändert.
Sinnigerweise geschah das ohne Rücksprache mit der Dichterin, die ja in Kohlberg im Altersheim lebt. Ein kurzer Anruf hätte nicht einmal zwei Cent gekostet. Sie hat ja gedichtet: „Präg tief in mich, Herr, deine Lammesart!“ Wahrscheinlich wurde dieser Ausdruck als ein Wort empfunden, das nicht in die feministische Theologie passt – die „Lammesart“. Wir sind doch stolze Leute!
Daraufhin wurde daraus gemacht: „Herr, präg tief in mich deines Leidens Sinn.“ Nun, der Sinn des Leidens von Jesus ist gut. Ich kann jedem nur raten: Wenn wir später diesen Vers singen, singen Sie ruhig die ursprüngliche Version „Präg tief in mich, Herr, deine Lammesart“. Denn das gilt auch für Männer.
Jesus kann uns nur gebraucht werden, nicht als wild reißender Löwe. Er sendet uns wie Schafe mitten unter die Wölfe. Aber mit der Lammesart können wir nur siegen – in der Schwachheit des Lammes, aber in der Kraft von Jesus und in der Fülle seiner Gnade. Und das ist so groß.
Darum ist es jetzt so wichtig: Gib Jesus in deinem Leben Raum, lass Jesus in dein Leben ein. Er muss deine Stärke, deine Kraft sein. Er muss dich erfüllen – das ist hier versprochen: „Den Demütigen gibt er Gnade.“ Wahrscheinlich haben wir dieses Wort „Gnade“ immer nur ein bisschen verstanden, so ein bisschen „naja, Jesus ist geduldig mit mir und gnädig“.
Nein! Schön, dass in der Jahreslosung für nächstes Jahr steht, dass sich die Kraft Gottes und seine Gnade in meiner Schwachheit vollenden. Genau dort will Jesus Raum haben. Er hat die Schwächsten zu den größten Zeugen gemacht und durch die Schwächsten die größten Wunder gewirkt – wenn man in seiner Gnade bleibt, in seiner Gnade beginnt und mit seiner Gnade aufhört.
Das gilt auch für unsere Gemeinden und für alles, was wir anpacken. Auch wenn viel „Fleisch“ darin ist, lohnt es sich, weil die Gnade da ist. Der Einsatz lohnt sich. Und wir dürfen in aller Schwachheit und Ärmlichkeit wissen, dass nicht große Menschenmacht uns trägt.
Die Christenheit hatte auch nie Geld als Problem, auch nie menschliche Fürsprache oder eine Armee in der Welt oder die Fürsprache von Politikern. Auch wenn wir evangelisieren, brauchen wir keine Anleihen an der Welt. Entscheidend ist, dass Jesus uns in seiner Güte und Gnade nahe ist.
Die Verheißung der Gnade und der Frieden des Herzens
In der Offenbarung wird die Geschichte von Laodizea erzählt, einer Gemeinde, die sagte: „Ich bin reich, ich habe genug, ich brauche nichts.“ Doch sie wusste nicht, dass sie elend und jämmerlich, arm, blind und bloß war.
Deshalb ist es so großartig, dass uns diese Verheißung gilt: Gnade, Gnade! Pack zu, deck dich ein und nimm sie in ihrer ganzen Fülle, gerade was dich heute quält. Man könnte meinen, Gott hätte gern in eure Herzen geschaut, um zu sehen, wie viel Jammer und Leid darin steckt. Er gibt Gnade in Fülle, so viel, dass du sie gar nicht fassen kannst.
Weiterhin gibt es große Zusagen: Er krönt uns mit Gnade und Barmherzigkeit. Er macht aus uns Menschen, die er für würdig hält, seine Kinder zu sein. Er macht uns zu Söhnen Gottes. Er gibt uns Aufträge in der Welt und gebraucht uns, damit wir Einfluss nehmen können.
Was schenkt er uns alles in Familie und Beruf an Erfolg? Wir können nur staunend sagen: Ja, du hast es gemacht. Und wenn du mich demütigst, machst du mich groß. So entdecke ich dich immer wieder neu.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf David zurückkommen. Es gibt einen wunderschönen Psalm, den ich für den schönsten Urlaubspsalm halte. Einige von Ihnen sind gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt. Dort schreibt David im Psalm 131:
„Herr, mein Herz ist nicht hochmütig, und meine Augen sind nicht stolz,
ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind.
Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter,
wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.“
Das ist der größte Frieden, den Jesus schenkt: dass ich ganz still werden kann. Ich beschäftige mich nicht mehr mit Dingen, die ich nicht verstehe und nicht lösen kann – weder mit Weltproblemen noch mit Schwierigkeiten oder Problemen meines Lebens.
Ich gehe nicht mehr umher, sondern mir ist es wie einem entwöhnten Kind, das bei seiner Mutter liegt. Es braucht keine Muttermilch mehr, ist aber geborgen im Schoß der Mutter und sagt: „Ja“ zu Gottes Wegen. „Herr, du führst mich, und ich bin dein.“
David ist entwöhnt von seinen heißen Sehnsüchten und Wünschen und sagt: „Ich, Herr, du hast mich lieb, gebrauche mich.“ Und das ist wunderbar. Jeder Tag wird ein Segenstag mit dir sein.
Ich brauche nicht mehr zu leisten, als ich kann. Das gilt jetzt auch für die Älteren, für die es schwer ist, immer mehr von ihrer Körperkraft und Wirkungskraft abzugeben. Doch der Herr sagt: „Lasst es genug sein! Meine Gnade ist da.“ Sie vollendet sich in deiner Schwäche.
Du darfst noch viel für den Herrn wirken, und dein Leben wird voller Frucht sein. Das ist das Allerschönste: wenn wir Frucht tragen dürfen.
Schluss: Vertrauen auf Gottes Kraft statt auf eigenes Selbstvertrauen
Und das ist mir zum Schluss ganz wichtig noch einmal zu sagen – nicht, dass jemand meint, ihm werde sein Selbstvertrauen genommen. Ganz im Gegenteil. Im Glauben gibt es keinen Burn-out mehr, weil man auf den Herrn vertraut, dessen Quelle unerschöpflich ist. Er gibt ununterbrochen, und gerade in meiner Schwachheit darf ich nehmen und nehmen – in Fülle.
Er schenkt mir dieses mutige Vertrauen in ihn, nicht mehr auf mein eigenes Selbstvertrauen. So sind wir auch nicht mehr enttäuscht von unserem Versagen und unserer Sünde. Wir brauchen einen Herrn, an den wir uns klammern können. Mit ihm kann ich über Mauern springen und Großes tun, wenn er mich ruft. Das ist etwas Wunderbares.
Petrus schließt diesen Abschnitt, diese wenigen Verse, mit einem ganz wunderbaren Segenswort ab. Er sagt nämlich: Der Herr wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, ausrüsten, stärken, kräftigen und auf einen festen Grund stellen.
Dann heißt es noch einmal: Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Mensch, das ist eine Sache, das ist eine Zuversicht, das ist ein Standpunkt und ein Felsen. Dieser Felsen ist größer als all der löchrige, hochmütige Stolz, auf den ich mich sonst verlassen habe.
Der Herr sorgt für dich. Lass ihn sorgen und halte dich ganz fest an ihn! Amen.
