Ermutigung durch Gemeinschaft und Einführung in Nehemia Kapitel 2
Ja, schönen guten Morgen, ihr Lieben! Ich habe eben gerade in der ersten Reihe gestanden und dabei gedacht: Ich bin noch nicht einmal 24 Stunden unter euch und bin schon total ermutigt.
Es ist so schön, mit euch nicht nur hier in diesen gemeinschaftlichen Versammlungen Gott zu loben, sondern auch zu hören, wie er euch geführt hat. Wie die Gemeinde FEG München Mitte für viele zu einem ganz persönlichen Segen geworden ist, zu einer neuen Hingabe an Jesus geführt hat – das hat mein Herz sehr erfreut.
Wir machen heute Morgen weiter im Buch Nehemia und sind nun im Kapitel 2. Ihr habt eure Bibeln dabei, und wir lesen Nehemia Kapitel 2 von Vers 1 bis Vers 8.
An dieser Stelle sei schon der Hinweis gegeben, dass wir heute Abend einen Sprung zu Kapitel 3 machen. Damit ihr den vollen Zusammenhang habt, ermutige ich euch, vielleicht im Laufe des Tages den restlichen Teil von Kapitel 2 zu lesen, damit ihr den Kontext auch mitbekommt.
Heute Morgen also nun Kapitel 2, Vers 1:
Es geschah aber im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta, als Wein vor ihm stand. Da nahm ich den Wein und gab ihn dem König. Ich war aber zuvor nie traurig vor ihm gewesen.
Da sprach der König zu mir: „Warum siehst du so traurig aus? Du bist doch nicht krank?“
Ich antwortete: „Es ist nichts anderes als ein betrübtes Herz.“
Da fürchtete ich mich sehr und sprach zu dem König: „Der König lebe ewig! Warum sollte ich nicht traurig aussehen, da doch die Stadt, wo die Grabstätte meiner Väter ist, in Trümmern liegt und ihre Tore vom Feuer verzerrt sind?“
Da sprach der König zu mir: „Was erbittest du denn?“
Da flehte ich zu dem Gott des Himmels, und dann sagte ich zu dem König: „Wenn es dem König gefällt und dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so sende mich nach Juda zu der Stadt, wo meine Väter begraben liegen, damit ich sie wieder aufbaue.“
Da sprach der König zu mir, während die Königin neben ihm saß: „Wie lange wird die Reise dauern, und wann wirst du zurückkommen?“
Und es gefiel dem König, mich hinzusenden, nachdem ich ihm eine bestimmte Zeit genannt hatte.
Ich sprach zu dem König: „Wenn es dem König gefällt, so gebe man mir Briefe an die Statthalter jenseits des Stromes, damit sie mich durchziehen lassen, bis ich nach Juda komme. Auch einen Brief an Asaph, den Forstmeister des Königs, dass er mir Holz gibt, damit ich die Tore des Tempelbezirks, der zum Haus Gottes gehört, aus Balken zimmern kann – und für die Stadtmauer und für das Haus, in das ich ziehen soll.“
Und der König gab sie mir, weil die gute Hand meines Gottes über mir war. Amen.
Hintergrund und Bedeutung der Situation Nehemias
Noch einmal zur Erinnerung und für alle, die heute Morgen neu dazugekommen sind: Nehemiah war Mundschenk am Hof des persischen Königs. Eine Delegation aus Juda kam, und Nehemiah fragte nach dem Zustand der Stadt und auch der Bewohner.
Er hörte, dass sie in großer Mühe waren, sehr bedrückt und bedrängt. Die Stadtmauern waren niedergerissen, und das machte Nehemiah sehr traurig. Doch nicht nur die äußeren Umstände bedrückten sein Herz. Vor allem war es die Tatsache, dass der Ort, an dem Gott angebetet werden sollte, nicht in dem Zustand war, wie er sein sollte.
Der ewige Gott, der beschlossen hatte, in Jerusalem zu wohnen und dort eine Begegnung mit ihm möglich zu machen, konnte nicht angemessen angebetet werden, weil die Stadt keine eigene Schutzmauer hatte. Diese war nämlich von Nebukadnezar viele Jahre zuvor zerstört worden. Es gab zwar Wiederaufbaumaßnahmen des Tempels, aber die Stadtmauer war noch nicht vorhanden.
Und es war, wie gesagt, nicht irgendeine Stadt, sondern Jerusalem – Gottes Stadt. All das betrübte Nehemiah so sehr, dass er weinte und sehr bedrückt war. Er trug etliche Tage Leid darüber. Darüber sprachen wir gestern Abend. Er betete fünf Monate lang und brachte dieses Anliegen Tag und Nacht vor Gottes Thron.
Nun, in Kapitel zwei geht die Geschichte weiter. Ich möchte heute Morgen drei Gedanken aus diesem Kapitel in unsere Mitte legen. Diese mögen auf den ersten Blick gar nicht so viel miteinander zu tun haben, doch es sind geistliche Wahrheiten, die uns hier begegnen.
Das Erste ist: Wir sehen, dass Gottes Zeitplan vollkommen ist. Das Zweite ist: Wir sehen die Loyalität Nehemias zur Gemeinde. Und drittens sehen wir ein spontanes Gebet und seine Kraft.
Gottes präziser Zeitplan und Nehemias Lage
Erstens: Gottes Zeitplan ist vollkommen. Es ist hilfreich, wenn wir versuchen, uns ein Stück weit in Nehemia hineinzuversetzen. Zu dem Moment, als er vor den König gerufen wird, war er sich überhaupt nicht sicher, wie die ganze Sache ausgehen würde.
Wir schauen die Geschichte nun von hinten an, aber er hatte nicht die Sicht der Dinge, die wir jetzt haben. Sicherlich gab es auch Fragen in seinem Herzen: Gibt es wirklich Hoffnung für Jerusalem? Lohnt es sich, für diese Sache das Leben zu riskieren? Macht es Sinn, weiter zu beten? Welche Rolle hat Gott für mich in dieser Sache vorgesehen?
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass er in einer wirklich schwierigen Lage war. Auf der einen Seite kannte er die Not Jerusalems und sein Herz war bedrückt. Auf der anderen Seite stand die Tatsache, dass er nichts daran ändern konnte. Es lag wirklich nicht in seiner Hand. Er hätte es gern getan, aber er konnte nicht.
Nehemia war – das dürfen wir nicht vergessen – Diener. Ja, wir können sogar sagen, er war Sklave am Königshof. Der König war einer der einflussreichsten Männer der damaligen Zeit, und Nehemia hatte keine Chance, einfach hinzugehen und zu kündigen. Er konnte nicht sagen: "Hier ist mein Schreiben, ich gehe." Das hätte den König sehr an Nehemias Charakter zweifeln lassen.
Was ist mit dem? Das ist mein Eigentum, mein Leibeigener, der kann nicht gehen. Wir wissen nicht, wo das geendet hätte. Es hätte zu Gefängnisstrafe oder sogar zum Tod führen können. Das Vertrauen wäre dadurch komplett zerstört worden. Wenn der König an der Zuverlässigkeit seines Mundschenks Zweifel bekam, war wirklich Gefahr im Verzug.
Ohne die Erlaubnis des Königs hatte Nehemia keine Chance zu handeln. Für dich – und auch für mich – mag deine Lebenssituation ganz anders sein. Doch es gibt Ähnlichkeiten und Parallelen. Auch du spürst vielleicht in diesen Tagen schwere Bürden und Lasten und siehst, wie Nehemia keinen Ausweg hatte.
Es scheint zumindest vordergründig kein offensichtlicher Weg zur Veränderung deines Umstands erkennbar zu sein. Du spürst, dass dir im Moment nichts anderes übrigbleibt als zu beten. Und das ist gut. Das haben wir gestern gesagt: Es ist gut zu beten.
Aber ich glaube, die innere Haltung, die wir beim Gebet in dieser Situation einnehmen sollen, ist dennoch eine Haltung des Glaubens. Auch wenn wir an die geistliche Situation in unserem Land denken, ziehen wir die Parallele: Was damals Jerusalem war, ist heute die Gemeinde.
Wir sehen, wie damals die Mauern Jerusalems zerstört waren, und heute liegt die Gemeinde in unserem Land, in Europa, oft darnieder. Oft stehen wir davor und fragen uns: Was können wir tun? Ja, wir wollen beten, aber wir wollen mit Glauben beten.
Wir wollen unserem lebendigen Gott zutrauen, dass er in der Lage ist, die niedergerissenen geistlichen Mauern in unserem Land wieder aufzubauen. Wir wollen ihm vertrauen, dass er durch seinen Geist eine Erweckung in unserem Land senden kann. Wir wollen ihm zutrauen, dass die Kirchen in unseren Dörfern – wo überall ein Turm zu sehen ist – wieder gefüllt werden, weil Menschen vorne auf der Kanzel stehen und das lebendige Wort Gottes verkündigen.
Wir wollen Gott im Glauben vertrauen, dass er die niedergerissenen Mauern wieder aufbauen kann. Bei Nehemia geschahen Dinge, die er nicht für möglich gehalten hatte. Es liest sich dann wie folgt:
Vers 1: "Es geschah aber im Monat Nisan." Mehr fiel nicht. Und dann bekommt die ganze Geschichte einen Wendepunkt. Es geschah aber im Monat Nisan. Das war der perfekte Augenblick, denn er war von Gott angeordnet.
Gottes Zeitplan ist immer präzise – immer präzise. So bezeugt es die ganze Heilige Schrift. Wir sehen es auch schon an der Schöpfung, wie präzise Gottes Zeitplan ist. Die Erde dreht sich sehr präzise, die Sonne geht sehr präzise auf – nicht heute mal so und morgen mal so.
In der ganzen Heiligen Schrift finden wir immer wieder Hinweise darauf, dass Gott präzise arbeitet. Mit anderen Worten: Er hält die Dinge in seiner Hand und hat einen Plan. Dort finden wir Ausdrücke wie "bestimmte Zeit" (3. Mose 23,4) oder "festgesetzte Zeit", ganz bekannt aus Galater 4,4: "Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn."
Jesus selbst auf dem Weg zum Kreuz sagte oft: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Und als sie gekommen war, ging er an das Kreuz. Gott überlässt nichts dem Zufall. Er hat festgesetzte Zeiten. Hier ist es der Monat Nisan – Punkt. Niemand kann daran etwas ändern.
Gott hat sich vorgenommen, Jerusalem wieder aufzubauen, zu seiner Zeit, mit seinen Leuten, nach seinem Plan. Es sind festgesetzte Zeiten, in denen Gott übernatürlich eingreift. Dabei geht er präzise wie ein Uhrwerk vor. Viele Details, die uns heute vielleicht unwichtig erscheinen, webt Gott zu einem großen Ganzen zusammen.
Er führt seine Absichten nach einem zuverlässigen und unfehlbaren Zeitplan aus. Wir wissen nicht wann, wir wissen nicht wie, aber wir wissen, dass Gott zweifelsohne einen guten Plan zu seiner festgesetzten Zeit hat. Alles, was an uns liegt, ist zu glauben und zu vertrauen.
Sein Eingreifen erfolgt oft dann, wenn wir es am wenigsten erwarten und wenn die Not besonders groß ist. Denken wir an das Volk Israel: Wann teilte sich das Rote Meer? Als die Situation ausweglos war, als niemand mehr damit rechnen konnte. Aber Gott tat es – und hier auch bei Nehemia.
Die Bürde und Last über Jerusalems Zerstörung drückte ihn über Monate so schwer, dass er nun vor dem König traurig erschien. Vers 1: "Es geschah aber im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta, als Wein vor ihm stand, da nahm ich den Wein und gab ihn dem König; ich war aber zuvor nie traurig vor ihm gewesen."
Zum ersten Mal erscheint Nehemia sichtbar traurig. Er konnte nicht – und vielleicht wollte er auch nicht – seine Bedrückung länger für sich behalten. Er war am Ende seiner Möglichkeiten angelangt, und doch war die Zeit Gottes gekommen.
Deswegen dürfen wir auch Mut fassen, liebe Geschwister, hinsichtlich unserer persönlichen Nöte, aber auch hinsichtlich der geistlichen Nöte in unserem Land. Rechne auch persönlich, während du betest, glaubensvoll mit Gottes Eingreifen zu seiner Zeit.
Er sagt in Jeremia 1,19: "Sie werden zwar gegen dich kämpfen, aber sie werden dich nicht überwältigen, denn ich bin mit dir, spricht der Herr, um dich zu erretten."
Daran wollen wir festhalten, und das wollen wir glauben.
Treue und Loyalität trotz Widerständen
Wir sehen hier erstens, dass Gottes Zeitplan vollkommen ist. Zweitens erkennen wir eine tiefe Loyalität zu den Brüdern und zur Gemeinde.
Nehemiah ging also vor den König. Dieser bemerkte, dass etwas mit seinem Mundschenk nicht stimmte. In Vers 2 fragt er: „Warum siehst du so traurig aus? Du bist doch nicht krank.“ Nehemiah antwortete, es sei nichts anderes als ein betrübtes Herz.
Als Nehemiah diese Worte hörte, sprang er nicht vor Freude auf und ab. Ganz im Gegenteil: Er sagt, dass er sich sehr fürchtete. Zu dieser Furcht hatte er allen Grund, denn ein persischer König umgab sich mit Prunk und Schmuck, aber nicht mit Bedrückung und Traurigkeit.
Doch das war nicht alles, was ihm Angst machte. Nun war der Moment gekommen, an dem er die Karten auf den Tisch legen sollte. Auch hier ist es hilfreich, wenn wir uns noch einmal vor Augen führen, wie die Gesamtsituation in diesem Moment aussah.
Nehemiah hatte von Gott eine Vision, einen Plan zum Wiederaufbau der Stadt erhalten. Der König, vor dem Nehemiah jetzt stand, war derselbe, der vor einiger Zeit dafür sorgte, dass die begonnenen Arbeiten am Wiederaufbau der Mauer eingestellt wurden.
Es gab bereits einen Versuch – wir lesen davon im Buch Esther – dass Esra die Mauern wieder aufbauen wollte. Doch ein starkes Jerusalem war eine große Bedrohung für die umliegenden Stadtstaaten. Die ersten Rückkehrer aus Babylon, die mit dem Wiederaufbau begannen – nicht nur des Tempels, sondern auch der Stadtmauer –, verursachten eine Aufruhr bei den Regierenden in der Umgebung.
So reichten diese eine Petition beim babylonischen König ein. Diese lautet, wie wir in Esra 4,12 lesen: „Es sei dem König zur Kenntnis gebracht, dass die Juden, die von dir zu uns heraufgezogen waren und nach Jerusalem gekommen sind, die aufrührerische und böse Stadt wieder aufbauen wollen und die Mauern vollenden und die Grundfesten ausbessern wollen. So sei nun dem König zur Kenntnis gebracht, dass, wenn diese Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern vollendet werden, sie keine Steuern, weder Zoll noch Weggeld mehr geben und so das königliche Einkommen schmälern werden.“
Man macht den König also darauf aufmerksam, dass, wenn die Stadt wieder aufgebaut wird und ihre Mauern vollendet sind, ihm aus diesem Grund kein Teil jenseits des Stroms mehr bleiben wird.
Die Antwort des Königs steht in Vers 22 und ist sehr kurz: „Warum sollte der Schaden groß werden zum Nachteil für die Könige?“ Daraufhin verbot er den Wiederaufbau der Mauer.
Vor diesem König steht nun Nehemiah, der eine politische Entscheidung akzeptieren musste, die besagte, dass hier nichts mehr gebaut werden darf. Das bedeutet, Nehemiah steht dort und hat nichts anderes vor, als einen Politikwechsel des mächtigsten Mannes der damaligen Zeit herbeizuführen.
Als der König ihn fragte: „Warum siehst du so traurig aus?“, bekam er natürlich Furcht. Er sagt: „Da fürchtete ich mich sehr.“ Dennoch – und das ist das Faszinierende – blieb er der Sache Gottes und der Gemeinde treu.
Nehemiah war in Sicherheit. Er hatte ein relativ gutes Leben, persönlichen Wohlstand und beruflichen Erfolg. All das hätte sein Feuer für Jesus und die Gemeinde erkalten lassen können. Das sehen wir leider auch in unseren Tagen.
Wir müssen uns immer wieder prüfen, wo wir stehen. Wohlstand, Sicherheit und finanzielle Mittel können uns in Bezug auf Gottes Anliegen träge machen. Doch ein gottesfürchtiger Mensch hat das Wohlergehen der Gemeinde des Herrn stets auf dem Herzen. Auch Nehemiah blieb in diesem Moment dem Herrn treu.
Weder Reichtum noch Sicherheit oder die Feierlaune des Anlasses ließen ihn von seinem Anliegen abbringen. Es war ein großes Fest, bei dem er war. Die Königin war anwesend. In Vers 6 heißt es: „Während die Königin neben ihm saß ...“ Geschichtsforscher sagen, dass es ungewöhnlich war, dass die Königin bei einem Abendessen saß. Daher war es wohl ein besonderer Anlass.
Nehemiah antwortete: „Der König lebe ewig. Warum sollte ich nicht traurig aussehen, da doch die Stadt, wo die Grabstätte meiner Väter ist, in Trümmern liegt und ihre Tore vom Feuer verzerrt sind?“
Viel stand auf dem Spiel, als er das sagte. Er hätte viele Vorteile in Aussicht gehabt, wenn er nichts von Jerusalem erwähnt hätte. Doch die Bürde für Gott, für seine Brüder und Schwestern, für die Gemeinde lastete so schwer auf ihm, dass er mit Gottes Hilfe alles in die Waagschale warf und offen sprach.
Er schämte sich nicht für das Volk Gottes. Er sagte: „Die Stadt, wo die Grabstätte meiner Väter ist, liegt in Trümmern.“ Er stellte sich, wie Ruth, zu seinen Brüdern, die damals sagte: „Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ Welche Gefahren auch auf mich warten, ich stehe zu meinem Gott und zu der Familie Gottes.
Er schämte sich nicht für die Schwächen seiner Brüder in Jerusalem. Genau so wollen auch wir uns nicht schämen für die Schwächen der Gemeinde. Auch nicht für die Schwächen deines Bruders und deiner Schwester, die jetzt rechts und links neben dir sitzen.
Schau nicht nach rechts und links! Dort liegt schon eine tröstende Hand auf dem Nachbarn. Ist das nicht fantastisch? Ich glaube, das ist es, was die Gemeinde Jesu ausmacht.
Wir sind von Gott zusammengestellt worden – nicht nur aus verschiedenen Nationen, wie wir das hier erleben, sondern auch aus verschiedenen Bildungsschichten, Einkommensklassen und kulturellen Hintergründen.
Was Gott mit seiner Gemeinde tut, ist, uns schon ein Bild für den Himmel zu zeigen. Dort werden Menschen aus allen Nationen, Völkern und Stämmen das Lamm Gottes anbeten.
Was wir in der Gemeinde erleben, ist schon Himmel auf Erden: eine Gemeinschaft von Menschen, die menschlich gesehen niemals zueinandergefunden hätten.
Deshalb dürfen und wollen wir nicht auf andere herabschauen, weil sie vermeintlich nicht einen so hohen Stand in der Gesellschaft haben wie wir.
Paulus drückt das so aus: „Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zu Schanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zu Schanden mache, was stark ist. Und was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, auf das sich kein Mensch vor Gott rühme.“
So wollen wir uns auch zur Gemeinde stellen – trotz mancher Schwächen, trotz vieler Dinge, die nicht so laufen, wie wir sie uns vorstellen.
Wir wollen sagen: Es ist die Familie Gottes, und ich bin aus Gnade Teil dieser Familie. Ich will, bildlich gesprochen, vor den König treten und sagen: Ich bin traurig, weil Jerusalems Mauern, die Stadt meiner Väter, am Boden liegen. Ich bin bereit, auch persönliche Vorteile dafür fahren zu lassen.
Hier liegt auch ein Aufruf zur Loyalität zur Gemeinde, die manche Schwächen hat, aber doch die erlöste Schar durch Jesus Christus ist.
Spontanes Gebet in der Krise und seine Bedeutung
Und dann sehen wir drittens ein spontanes Gebet. Das „Was ist mit dir nicht in Ordnung, Nehemia?“, fragt der König. Die Antwort lautet: „Der König lebe ewig. Warum sollte ich nicht traurig aussehen, da doch die Stadt, wo der Begräbnisplatz meiner Väter ist, verwüstet liegt und ihre Tore vom Feuer verzerrt sind?“ Mit anderen Worten: „König, du hast befohlen, dass diese Mauern nicht weiter aufgebaut werden, und deshalb bin ich traurig.“
„Was forderst du von mir?“, fragt der König. „Was forderst du von mir, was willst du eigentlich?“ Da hätte er mal so eine Apple Watch haben sollen, der Nehemia, das Herz, das schlägt, ja, das wäre Vorhofflimmern, aber dann... Aber wirklich, was forderst du von mir? Vers 5, Vers 4, Ende: Da flehte ich zu dem Gott des Himmels.
Wir sehen hier, wie Nehemia wiederum betet. Wir wissen nicht genau, wie viel Zeit zwischen der Frage des Königs und der Antwort Nehemias verging. Aber wir lesen nicht, dass Nehemia in diesem kritischen Moment sagte: „Entschuldigung, Euer Ehren, darf ich einen Augenblick beten gehen?“ Ich glaube auch nicht, dass er minutenlang vor dem König gestanden hat und nichts gesagt hat. Mir fällt es jedenfalls schwer, mir das vorzustellen.
Und doch sagt uns die Schrift, dass Nehemia betete. In diesem entscheidenden Moment hat er ein Gebet blitzschnell wie ein Pfeil abgeschossen. Ist das nicht stark? Wir können beten – Monate, Jahre – wir können auch kurz beten. Wir sind gut ausgestattet. Er konnte jetzt nicht ausführlich beten, so wie er es in Kapitel 1 tat, wie wir es gestern gesehen haben. Er konnte den Herrn nicht lange anflehen, wie er es die Tage und Monate vorher morgens und abends gemacht hat.
In diesem Moment muss das Gebet pointiert kurz sein. Vermutlich war es ein leises, doch äußerst dringendes Gebet, das nun zum Himmel emporschnellte. Es war aufrichtig, es war ernst, es war eilbedürftig und es war still.
Kennst du diese spontanen Gebete? Du arbeitest in deinem Job, plötzlich wird dir eine Entscheidung vorgelegt – vor versammelter Mannschaft. Du musst schnell entscheiden, ein Urteil fällen, aber du hast gar nicht den Überblick, weil du nicht weißt, wie der Ausgang sein wird, wenn du A oder B sagst. Was machst du? Du betest.
Du arbeitest als Arzt und musst aufgrund der Symptome eine Diagnose erstellen. Aber die Dinge liegen nicht immer so klar auf der Hand, und doch kann ein falscher Rückschluss das Leben des Patienten gefährden. Was machst du? Du betest.
Du sitzt als Pastor in der ältesten Sitzung. Auch da, Matthias, gibt es zwei Meinungen, eine Entscheidung muss her. Was machst du? Du betest: „Herr, gib uns Weisheit, hilf uns.“
Ob Kaufmann, Arzt, Lehrer oder Mutter – wenn wir uns nur auf unsere eigenen Fähigkeiten verlassen und nicht Gott, den Allmächtigen, um Weisheit für solche wichtigen Entscheidungen bitten, dann wird diese schwere Bürde nicht von unseren Schultern genommen werden.
Deswegen sollten wir stets bereit sein zu beten: „Herr, hilf mir, ich brauche dich jetzt, ich brauche dich jetzt. Hilf mir, hilf mir, es richtig zu sagen, hilf mir, die richtigen Worte zu finden, schenk mir Erkenntnis in dieser Situation, Herr, ich brauche deine Hilfe.“ Und wenn jemand Hilfe brauchte, dann Nehemia in dieser Situation.
Was können wir aus diesem kurzen Gebet Nehemias ableiten?
A) Kurze Gebete sind nicht weniger wirksam als lange Gebete. Es muss ein kurzes Gebet gewesen sein, denn es gab nicht viel Zeit für ihn. Die Länge ist nicht ausschlaggebend, sondern der Glaube. Wir können auch sagen: die Inbrunst. Der Dieb, der neben Jesus am Kreuz hing, betete ebenfalls sehr kurz: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Jesus antwortet: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Amen.
B) Stille Gebete sind nicht weniger wert als laute Gebete. Nehemia konnte – so zeigt uns der Kontext – nicht laut beten. Das tat er, wenn er allein war oder auch in einer Gebetsversammlung. Dort sind laute Gebete erwünscht, aber nicht vor dem persischen König. Jesus sagt es ja auch: „Und wenn du betest, dann nicht wie die Heuchler. Wenn du aber betest, geh in dein Kämmerlein und schließe deine Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. An deinen Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten.“ Es kommt weder auf die Länge noch auf die Lautstärke an, sondern auf das aufrichtige Rufen unseres Herzens zu Gott.
Deswegen sollte auch niemand von uns sagen, er könne nicht beten, weil er meint, man müsse da so gesalbte, lange, laute Worte finden.
C) Dieses kurze Gebet – oder wir können auch sagen: kurze Gebete – zeigen unsere Herzenshaltung. Nehemia betete spontan, weil er gewohnt war, durch das Gebet regelmäßig mit Gott in Verbindung zu stehen. Es war ein Ausfluss dessen, was er Monate zuvor praktiziert hatte in seiner persönlichen Zeit.
Das nicht zu tun, und bitte, ich brauche als Erstes die Hilfe Gottes dafür. Wenn wir nicht regelmäßig mit Gott in dieser Verbindung stehen, werden wir auch in dem Moment, wo es darauf ankommt, vermutlich gar nicht auf die Idee kommen, ein Gebet zu sprechen.
Aber diese spontanen Gebete zeigen die innere Herzenshaltung, die sich prägt und die geprägt wird durch unser verborgenes Leben mit Gott. Dieser Gebetsreflex, wenn wir es so nennen wollen, der einsetzte, als Nehemia in großer Not war, kam nicht von ungefähr, sondern war Ergebnis eines dauerhaften Lebens mit Gott.
Augustinus, Kirchenvater, hat gesagt: „Wer seinen eigenen Tempel mit sich trägt, mag beten, wann immer es ihm gefällt.“ Wer also von Montag bis Sonntag, sieben Tage die Woche, in der Gegenwart Gottes lebt, der trägt einen Tempel der Anbetung in seinem Herzen. Dann kann er beten, wann immer es ihm gefällt.
Gottes Güte als Grundlage für Erfolg und Vertrauen
Wir sehen, dass dieses kurze, spontane Gebet erhört wurde. Nachdem Nehemiah zu Gott gefleht hatte, lesen wir in Vers 5: „Und dann sagte ich zu dem König: Wenn es dem König gefällt und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so sende mich nach Juda zu der Stadt, wo meine Väter begraben liegen, damit ich sie wieder aufbaue.“
Der König reagierte wohlwollend. In Vers 6 steht: „Er sprach zu mir: Wie lange wird die Reise dauern und wann wirst du zurückkommen?“ Es gefiel dem König, mich hinzusenden, nachdem ich ihm eine bestimmte Zeit genannt hatte.
Es geschah tatsächlich, was unmöglich zu sein schien: Die gesamte Politik des Königs wurde verändert. Nichts deutete auf eine solche Entscheidung hin, denn wozu bräuchte Jerusalem aus Sicht des persischen Königs eine Stadtmauer? Sollte sie sich etwa gegen Persien verteidigen? Der König hätte die Bitte als einen Akt persönlicher Auflehnung interpretieren können, doch Nehemiah erhielt die Erlaubnis.
Er bat sogar noch um Briefe an die Statthalter jenseits des Stromes, damit er durch ihre Gebiete sicher hindurchziehen konnte. Außerdem bat er um einen Brief an den Forstmeister des Königs, damit er Holz für den Aufbau der Tore bekam. Der König stimmte allen Anträgen ohne Abstriche zu. Was für ein Wunder, was für ein Wunder!
Nehemiah hätte nun aus dieser Versammlung mit dem König herausgehen können, mit geschwollener Brust und sagen: „Schaut mal, was ich für ein toller Kerl bin!“ Er hätte prahlen können, dass dies alles nur möglich war, weil er so ein vorbildlicher Diener und eine vertrauenswürdige Person des Königs war. Er hätte auf seine Leistungen verweisen können, die er sich über Jahre hinweg erarbeitet hatte. Aber all das tat er nicht.
Stattdessen schreibt er in Kapitel 2, Vers 8: „Und der König gab mir die Briefe.“ Warum? „Weil die gute Hand meines Gottes über mir war, weil die gute Hand meines Gottes über mir war.“
Gott ist immer gut, immer gut. Jede Mahlzeit, jede Freude, jeder Sonnenstrahl, jede Nachtruhe, jeder Moment der Gesundheit und alles, was unser Leben erhält, kommt aus der guten Hand Gottes. Der Herr ist gütig gegen alle, heißt es im Psalm 145. „An seine Barmherzigkeit waltet über allen seinen Werken, du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“ Das ist die allgemeine Gnade, die Güte Gottes über den Menschen.
Aber es gibt Momente der besonderen Güte Gottes. Wenn der Herr in den Lauf der Geschichte einer Nation oder in das Leben eines Menschen übernatürlich eingreift, um seine Sache voranzubringen, dann ist das eine besondere Güte Gottes.
Das war der Moment, als du den Ruf Gottes in deinem Leben hörtest, als er deinen Namen rief und sagte: „Zachäus, steig vom Baum herab, ich will noch heute in dein Haus einkehren.“ Das war ein Moment ganz besonderer Güte in deinem Leben.
Die Erklärung, dass das Unternehmen gelang, ist ganz einfach. So dürfen auch wir auf die Güte Gottes in unserem Leben reflektieren: „Die gute Hand meines Gottes war über mir“, sagt Nehemiah. Das ist der Grund. Nicht ich bin es, nicht meine Leistung, nicht das, was ich in die Waagschale geworfen habe, was ich erarbeitet habe. Nein, es ist die gute Hand Gottes über mir.
So ist es auch mit dir und mit mir, dass wir heute hier sitzen, nur allein der guten Hand unseres Gottes zu verdanken. Er war es, der uns vor Grundlegung der Welt erwählt hat. Er war es, der uns in der Sünde fand. Er war es, der seinen Sohn am Kreuz von Golgatha bluten ließ zur Vergebung unserer Schuld.
Er war es, der aus Gnade und Barmherzigkeit uns zu sich an sein Herz zog, obwohl wir Feinde Gottes waren. Er war es, der uns mit lauter Güte und Barmherzigkeit überschüttet hat. So wollen auch wir mit Nehemiah sagen: Wir sind hier, nur weil die gute Hand unseres Gottes über uns war.
Wie aber kann die gute Hand Gottes über uns sein? Wie ist das möglich? Nur, weil es einen Moment in der Weltgeschichte gab, an dem Gott der Vater seine gute Hand zurückzog. Während der Zeit des Lebens Jesu auf Erden sagte er immer wieder: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Wir denken an die Taufe, an den Moment, an dem er wohlgefallen hatte.
Da lag die gute Hand Gottes auf Jesus Christus – bis zu dem Tag, als er ans Kreuz ging. Als Jesus die Schuld und Sünde aller auf sich nahm, die an ihn glauben. Als er am Kreuz hing, zog der Vater seine gute Hand zurück und überschüttete seinen Sohn mit dem gerechten Zorn, der für dich und für mich vorgesehen war.
In dem Augenblick dieser größten Not rief Jesus vom Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Ihn hat Gott vor den Augen aller Welt zum Sühneopfer für unsere Schuld gemacht (Römer 3). Durch sein Blut, das er vergossen hat, ist die Sühne geschehen. Und durch den Glauben kommt sie uns zugute.
Nur durch den Glauben an Jesus Christus kann die gute Hand Gottes auch über deinem Leben sein. Dies ist nur möglich, weil Christus den Moment erduldete, als die gute Hand des Vaters sich von ihm entzog. Er rief: „Mein Gott, du hast mich verlassen, warum?“ Die Antwort: Damit die gute Hand Gottes über deinem Leben sein darf, damit die gute Hand Gottes über alle Unternehmungen der Gemeinde Jesu sein darf.
Das Kreuz macht es möglich, und dafür preisen wir unseren Herrn. Amen.
Schlussgebet und Dankbarkeit für Gottes Führung
Vater, wir danken dir für Jesus und dafür, dass du deinen Plan nicht zunichtewerden lässt. Nichts und niemand – weder die Herrscher dieser Welt noch die Gegner des Evangeliums – kann das verhindern.
Ich danke dir, dass auch unser Leben in deiner guten Hand liegt. Ich bete, dass wir dir vertrauen und unser persönliches Leben so mit dir gestalten, dass wir auch in passenden Momenten spontan beten können.
Wenn du dann Erfolg schenkst, Herr, hilf uns, niemals auf uns selbst zu verweisen, sondern zu sagen: Es ist die gute Hand des Herrn. Schenk uns das, darum bitten wir. Amen.