Dankbarkeit für Gemeinschaft und Fürsorge
Es ist ganz wunderbar, was dieses Haus uns schenkt. Ich bin wieder ganz reich gestärkt durch die schöne Gemeinschaft mit Ihnen in dem wunderbar behaglichen Rahmen. Tragen Sie es auch in Ihre Gemeinden hinaus, was hier auf der langen Steinbacher Höhe so großartig gemacht wird.
Ich möchte auch den leidenden Brüdern, insbesondere Konrad Stroop, noch einmal danken. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Sie das den ganzen Tag über schaffen – die Gespräche und das Mittragen all der Nöte. Es ist doch herrlich, dass es solch eine Station gibt, eine Oase in der Wüste dieser Welt.
Das ist wirklich schön, ich habe es sehr genossen. Ich werde heute Abend noch zurückfahren. Meine Frau wäre gern mitgekommen, aber sie muss morgen zu einer wichtigen ärztlichen Untersuchung. Wahrscheinlich handelt es sich um den Meniskus im Knie. Sie kann kaum noch gehen. Sie war jetzt allein und wurde bereits an der Hand operiert. Sie ist eben im Alter, und dann ist sie allein ein bisschen schlechter dran.
Deshalb nehme ich auch ihre Grüße mit. Sie hat immer wieder gefragt, wie es hier so läuft.
Psalm 118 als Quelle der Ermutigung
Und dann lese ich den Psalm 118. Ich habe immer sehr von allem profitiert, was Sie mir gesagt haben. Darauf höre ich besonders aufmerksam. Ein solcher Austausch ist gut.
Jemand hat mir heute gesagt, sie sei immer froh gewesen, wenn auch die Freude durchgebrochen ist – gerade bei einem Thema, das eine Last darstellt. Und das ist richtig. Das passiert nämlich oft, wenn wir uns mit Problemen beschäftigen.
So wie beim Nebenseminar besteht die Gefahr, dass man zu viel über die dunklen Mächte spricht und nicht genug über den Sieg über diese Mächte. Wir müssen darauf achten, nicht zu viele Beispiele von schweren Lasten zu nennen. Es geht vielmehr um den Triumph: Der Herr hat den stärksten Hebekran, mit dem er alle Lasten wegträgt und niemand sie mehr hervorholen kann.
Wir wissen, dass er alles kann. Deshalb ist es schön, dass wir heute Abend einfach einen Dankpsalm haben. Unser verehrter oberster Lehrer der Evangelikalen ist Martin Luther. Er gilt als unser oberster „Papst“, den wir je hatten. Luther hat gesagt, dass dies der schönste Psalm in der Bibel sei.
Es gibt auch Leute, die in der Bibel die Worte und Verse zählen. Ich kann mir nichts Sinnloseres vorstellen als das. Sie zählen die Verse vorwärts und rückwärts. Einer hat herausgefunden, dass Psalm 118, Vers 8, die Mitte der Bibel sei. Hochinteressant, was man mit stumpfsinnigem Kopf alles finden kann.
Die unendliche Güte Gottes
Wir wollen uns an den herrlichen Worten dieses Textes erfreuen. Wir können zwar nicht den ganzen Psalm lesen, aber die Verse 1 bis 18 möchten wir betrachten:
„Dank dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich. Es sage nun Israel: Seine Güte währet ewiglich. Es sage nun das Haus Aaron: Seine Güte währet ewiglich. Es sagen nun die, die den Herrn fürchten: Seine Güte währet ewiglich.“
Ich muss gestehen, wenn solche Stellen in den Psalmen vorkommen, neige ich manchmal dazu, schnell darüber hinwegzulesen. Man könnte sagen, ich bin ein „Hüpfleser“. Dabei ist das schade.
Vorhin habe ich noch einmal in der schönen Bibliothek das Buch von Martin Luther über diesen Psalm gelesen. Es ist im Sammelband H100 enthalten. Dort sagt Martin Luther, man müsse diese Worte in allen Lebensphasen aussprechen: Die Güte des Herrn ist grenzenlos. Deshalb wird sie wiederholt betont.
Das gilt für das Haus Aaron, für die Kirche mit ihren Traditionen und für die gesamte Christenheit. Es betrifft unser irdisches Leben.
Martin Luther bringt ein schönes Beispiel: Wenn die Sonne scheint – und das haben wir heute alle erlebt – dann erkennt man kaum, wie sehr man die Güte Gottes in solchen Momenten erfährt. Doch oft nehmen wir das als selbstverständlich hin, ohne das gütige Vaterherz Gottes wirklich zu preisen.
Es ist schön, wenn wir das noch einmal auf uns wirken lassen: Er ist freundlich, er meint es gut mit dir. Wisse das heute Abend, auch wenn schwere Dinge auf dich zukommen. Dann lies diese Worte ruhig drei- oder viermal hintereinander, so wie wir es hier getan haben.
Ich kann es mit dem Refrain zusammenfassen: Seine Güte ist ohne Ende, sie ist ewig. Das heißt, sie hört niemals auf. So will er es uns erleben lassen. Wir haben erst ganz wenig davon gekostet.
Umgang mit Angst und Vertrauen auf Gott
Und jetzt kommt das Thema Angst, das uns heute Abend beschäftigt. Angst, die die Seele auffrisst. In meiner Angst rief ich den Herrn an. Der Herr erhörte mich und tröstete mich.
Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht. Was können mir Menschen tun? Der Herr ist mit mir, um mir zu helfen, und ich werde herabsehen auf meine Feinde.
Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen und sich nicht auf Menschen zu verlassen. Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen und sich nicht auf Fürsten zu verlassen.
Alle Heiden umgeben mich, aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren. Sie umgeben mich von allen Seiten, doch im Namen des Herrn will ich sie abwehren. Sie umgeben mich wie Bienen und entbrennen wie ein Feuer in Dornen. Aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren.
Man stößt mich, damit ich fallen soll, aber der Herr hilft mir. Der Herr ist meine Macht, mein Psalm und mein Heil. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten.
Die Rechte des Herrn behält den Sieg, die Rechte des Herrn ist erhöht. Die Rechte des Herrn behält den Sieg. Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.
Der Herr züchtigt mich schwer, aber er gibt mich dem Tode nicht preis.
Es ist jetzt vielleicht unnatürlich, hier einen Einschnitt zu machen. Doch wir müssen uns irgendwo beschränken, denn die Fülle ist so groß, dass wir kurz innehalten müssen.
Persönliche Erfahrungen mit Angst und Glauben
In meiner ersten Gemeinde im Schwarzwald, einer Flüchtlingsgemeinde, war ich der erste ständige Pfarrer dort oben auf der Höhe über Schramberg. Wir hatten eine gekalkte, schlichte Kirche. Ich habe immer bedauert, dass man dort kein Bibelwort an die Wand schrieb.
Ich habe es schon oft erlebt: Die Menschen sind ja alle so lieb, und man denkt, bei ihnen passiert es gar nicht, dass sie nicht richtig zuhören. Aber wenn man dann in der Kirche seine Gedanken schweifen lässt und, wie man so sagt, einschläft oder nickt, dann schweifen die Gedanken ab. Es ist immer gut, wenn noch so ein Bibelwort da ist, an dem man mit den Gedanken hängenbleibt und das man memorieren kann.
In der Gemeinde habe ich vorgeschlagen, einen Wettbewerb zu machen, bei dem jeder seine drei liebsten Bibelworte aufschreiben darf. Ich sagte, es würde mich interessieren, denn es ist ja schwierig zu sagen, was die drei liebsten Bibelworte sind. Man kann sich da gar nicht richtig entscheiden.
Mit großer Mehrheit wurde das Wort gewählt: Jesus spricht: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Es waren viele Heimatvertriebene, die alle erschütternde Erlebnisse erzählten. Eine Frau berichtete zum Beispiel, dass ihr Mann von russischen Soldaten erschossen wurde, als er die Frauen vor der Vergewaltigung schützen wollte.
All diese Menschen hatten große Nöte durchlitten, alles verloren und zurückgelassen. Sie hatten keine Erinnerungen mitgenommen aus Schlesien, Ostpreußen, dem Warthegau und anderen Regionen, aus denen sie stammten. Und dann sagt Jesus: „In der Welt habt ihr Angst?“
Die Natur der Angst und ihre Überwindung durch Jesus
Es ist etwas Merkwürdiges mit der Angst: Man kann sie nicht steuern. Es ist gut gemeint, wenn jemand sagt: Habt keine Angst. Doch die Angst hat uns oft fest im Griff. Sie kommt über uns, und der Körper reagiert bereits. Das Adrenalin wird ausgeschüttet und durchströmt die Blutbahnen. Dann atmet man keuchend – so schlimm ist das bei der Angst.
Wenn man nachts nicht schlafen kann, ist das eigentlich nicht schlimm. Aber wenn man Angst hat, ist das etwas anderes. Wenn Sie Angst haben vor Krankheit, vor Menschen oder davor, was Ihren Kindern und Enkeln zustoßen könnte, dann ist das belastend. Man kann die Angst nicht einfach an- oder ausschalten wie bei einem Lichtschalter. Dort kann man das Licht ausmachen und wieder anknipsen. Wie schön wäre es, wenn man so einen Knopf hätte, mit dem man die Angst an- und ausschalten könnte! Aber so funktioniert es nicht. Die Angst hat uns fest im Griff.
Der Einzige, der unsere Angst wirklich steuern kann – denn manchmal nimmt sie sogar schwere, krankhafte Züge an – ist Jesus, der Herr. Er hat gegen die Angst gekämpft. Es ist das Einzige, was hilft: auf Jesus zu blicken. Das war so schön, dass die Frau mir das heute auch gesagt hat. Das ist das Allerwichtigste.
Morgen nach der Morgenbibel wird sie Ihnen zum Abschluss noch einmal zusprechen. Ich finde das auch so schön. Da sehen Sie, wie viele Impulse Sie weitergeben. Das geht immer zusammen: Jesus, der Herr, der für mich, einen verlorenen und verdammten Menschen, gestorben ist.
Hoffnung über den Tod hinaus
Ich trage einen Leib mit Verfallsdatum, einen verweslichen Leib. Jesus sagt: „Und das Unverwesliche wirst du anziehen.“ Du wirst verwandelt werden ins Bild von Jesus. Du wirst beim Herrn sein alle Zeit. Und da darf ich selbst die Todesangst loslassen.
Jesus sagt, dass man den Tod nicht schmecken wird, wenn man ihn festhält und auf ihn blickt. Das sind lauter herrliche Zusagen, die Sie ausschöpfen und gegen die Angst wissen dürfen.
Noch einmal: Wie wichtig es ist, dass uns andere zur Seite stehen und uns helfen, die Angst zu besiegen. Es ist ganz wunderbar, wenn Sie Freunde haben. Ich wünsche mir das auch für meine Sterbestunde. Dass man mich nicht bloß abschiebt im Krankenhaus ins Bad, wie es dort oft mit Sterbenden geschieht, sondern dass da irgendjemand noch da ist, der betet.
Neulich hat meine Frau bei einer Operation im Marienhospital erlebt, wie eine alte katholische Ruhestandschwester kam und fragte: „Darf ich noch mit hinbeten?“ Das ist doch toll, dass es so etwas gibt! Und sie hat so herrlich aus dem Herzen gebetet.
Jeder hat doch Angst, wenn er das Bewusstsein verliert und in Narkose kommt. Diesen Dienst wollen wir einander tun.
Sitzen Sie nicht zu lange an den Krankenbetten. Sie strapazieren die Kranken. Es geht nicht um die Länge der Zeit. Sie brauchen auch nichts mitbringen. Saft dürfen die meisten wegen ihrer Krankheit nicht trinken, und Blumen ärgern die Schwestern wegen der Pflege.
Aber was Sie tun können: Ich möchte mit ihr beten. Das ist das Herrlichste, was ich tun kann. Und ich sage es nochmal: Mit dem Telefon anrufen, kleine Aufmerksamkeiten machen, Postkärtchen schicken – „Ich bete für dich, das sollst du wissen. Ich bete für dich.“
Das ist das Größte gegen die Angst, weil Jesus wirklich alle Angst verschlingt. Er ist größer als alles, was mich bedrohen mag.
Die Kraft des Singens im Glauben
Sie wissen ja, welches Lied man in der Ewigkeit singt. Bei uns ist das immer eine Sache mit den Musikstilen. Ich wundere mich oft, dass man heute meint, mit der Musik könne man Leute fürs Evangelium „aufwärmen“. Das halte ich für den allerschlimmsten Irrtum, weil die Geschmacksrichtungen bei der Musik so unterschiedlich sind.
Karl Barth liebte Mozart und sagte, Bach sei scheußlich oder etwas Ähnliches. Die Musikrichtungen, selbst bei der klassischen Musik, sind sehr verschieden. Der eine liebt die Kasselruder Spatzen, der andere bevorzugt André Rieu mit seiner Geige und so weiter. Es gibt so viele Geschmacksrichtungen: Der eine will den Rock eher poppig haben, der andere mag es härter.
Ich finde immer wieder, dass bei diesen unterschiedlichen Geschmäckern der Inhalt viel wichtiger ist. Ich interessiere mich überhaupt nicht so sehr dafür, wie die Lieder klingen. Ich weiß auch nicht, wie im Tempel gesungen wurde. Das hat ja noch niemand herausgefunden. Nicht einmal hat man geklärt, was das Wort „Sela“ bei den Psalmen bedeutet.
Aber das Lied Moses wird gesungen. Nun stehen zwei Lieder Moses in der Bibel, aber ich meine ganz bestimmt das Lied „Der Herr ist meine Macht, mein Retter, mein Heiland“. Dort, wo sie durch das Schilfmeer gezogen sind, wo sie aus großer Bedrängnis kamen. Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen: Die Ägypter mit ihren ganzen geschulten Soldaten hinter ihnen her, das war das Felsental, durch das sie gezogen sind, und vor ihnen das Meer.
Das Volk schrie: „Mose, warum hast du uns hierhergeführt?“ Und Mose reckte seinen Arm hoch und sagte: „Der Herr wird für euch streiten.“ Die Erfahrung in der Ewigkeit war so phänomenal, wie Jesus das mit uns gemacht hat. Im Rückblick sagt man: „Das habe ich mir, trotz meines Glaubens, immer noch viel zu kümmerlich vorgestellt. Ich habe viel zu wenig Jesus zugetraut, wie glorreich er alles macht.“
Ich darf mich seiner Führung so bedingungslos anvertrauen. Philipp Friedrich Hiller hat in einem Lied, das mir immer zitiert wurde, den Kummer vom Herzen gesungen. Dort heißt es: „Es jammere, wer nicht glaubt, ich will mich stillen.“
Kennen Sie das schöne Lied? „Es jammere, wer nicht glaubt, ich will mich stillen, mir fällt kein Haar vom Haupt ohne Gottes Willen.“ Und da heißt es weiter: „So weine ich, wenn ich weine, doch noch mit Loben.“ Das Loben schickt sich gerade bei solchen Prüfungen.
Im Himmel wird es erst richtig klingen. Hier auf Erden sind unsere Loblieder nur ein kümmerliches Lob. Aber wie das einmal klingen wird aus dem erfüllten Herzen, das ist ganz wichtig. Wir sollen uns freuen und sagen: Wir können gar nie groß genug denken.
Verständnis und Liebe für die von Angst Gehaltenen
Wir wollen Verständnis und Liebe für alle haben, die von der Angst festgehalten werden. Gleichzeitig wollen wir immer wieder zusprechen: Du darfst die Angst niederlegen und in das Herz Jesu hineinschauen.
Das Erste, was uns in diesem Psalm entgegentritt, ist der Übergang aus der Enge in die Weite. Die Enge hängt mit dem Wort Angst zusammen. In der Bibel wird das Wort bei Jesus immer im Zusammenhang mit Drangsal gebraucht. Das ist ein altmodisches Wort, aber es trifft es sehr gut.
Ich erkläre mir das immer so: Wenn jemand mir den Hals zuschnürt und ich keine Luft mehr bekomme, wenn ich erdrosselt werde – so ist es auch bei der Angst, dass man keine Luft mehr zum Atmen hat. Und wenn man wieder richtig aufatmen kann, ist das eine Befreiung. Es gibt Menschen, die haben Ängste, wenn sie in einen Tunnel hineinfahren oder unter einem Aufzug einsteigen. Diese Angst nennt man in der Fachsprache Klaustrophobie, also Angst vor Enge.
Bei uns wurde am Popscher, wo ich meine Pfarrstelle in Stuttgart hatte, ein Tunnel gebaut. Ich habe immer zu den Tunnelbauern gesagt, die waren Österreicher: Ich will das mal miterleben, wie heute Leute ihr Geld verdienen. Ich wollte eine ganz schwierige Baustelle sehen. Wissen Sie, wir sind heute schon beim Streiken. Aber da habe ich etwas erlebt, bei dem ich nicht tauschen wollte.
Der Ingenieur hat mich in einen Abwasserkanal mitgenommen, der verlegt wurde – ich weiß nicht, wie tief das war, vielleicht 14 Meter unter der Erde. Der Kanal war so eng, dass man auf dem Bauch liegen musste und sich hinten nicht umdrehen konnte. Unter der Straße, 50 Meter tief, hat mich der Ingenieur bis vorne durchkriechen lassen. Über mir war Erde, und es gab kein Umdrehen mehr. Seitdem weiß ich, was Angst sein kann.
In diesem Raum, in dem der Graben für die Abwasserleitung von Hand ausgehoben wurde, konnte ich verstehen, was Enge bedeutet – Enge, in der man nicht atmen kann. Wie herrlich war es, wieder über dem Boden zu sein, draußen und durchatmen zu können.
Jesus-Leute können aufatmen, aber sie kennen die Angst. Es gibt Momente, in denen man durch die Angst hindurchgehen muss, wenn schreckliche Nachrichten kommen. Deshalb ist es so wichtig, dass man ganz schnell wieder den Blick auf Jesus frei hat. Es soll der letzte Gedanke sein, bevor man anästhesiert wird oder ähnliches: der letzte Gedanke Jesus.
Ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bild – hier oder drüben, ganz gleich. Ich will bei dir sein, in deiner Nähe. So kann die Angst dieser Welt mich nicht packen. Die Angst gehört zu dieser Welt.
Das beschreibt Paulus ganz herrlich im Römerbrief Kapitel 8. Das ist das schönste Kapitel in der Bibel über den Heiligen Geist. Die ganze Welt, die Schöpfung, ängstet sich mit dem gefallenen Menschen. Das ist ein Stück dieser Welt.
Wenn ich durch den Wald gehe und die Rehe vor mir wegspringen, brauchen sie doch keine Angst vor mir zu haben – und doch haben sie Angst. Auch die Tiere haben Angst, wenn sie zum Schlachthof gebracht werden. Die ganze Natur ängstet sich. Das ist etwas Erschreckendes, das über dieser Welt liegt.
Die Freiheit der Kinder Gottes ist das Allerschönste. Sie sind die Ersten, die schon Anteil haben an der ewigen Weite.
Psalm 118 als Jesuspsalm und Beispiel für Glauben
Dann ist es ganz richtig, dass dieser Psalm 118 wie kein anderer ein Jesuspsalm ist. Das werden wir bei vielen Auslegungen entdecken.
Wir kennen ja den sehr schweren Psalm 22, der mit den Worten beginnt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Warum wird dieser Psalm als Jesuspsalm bezeichnet? Weil Jesus im Leiden gebetet hat und wir gerade in dieser schrecklichen Not verstehen, was mit den Worten „Gewaltige Stiere haben mich umgeben“ gemeint ist.
Jesus hat auf seinem Leidensweg große Enge erfahren. Seine Freunde verließen ihn, er wurde von einem aus seinem Jüngerkreis verraten – von demjenigen, dem Jesus alles gegeben hatte. Am Ende stirbt Jesus sogar für seine Feinde. Er betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Jesus durchlebt diese Enge, muss sich von Menschen anspucken und von anderen verlachen lassen, die sagen: „Anderen hat er geholfen, aber sich selbst kann er nicht helfen.“ Das ist der Sohn Gottes. Was für eine Enge das war, dass er nicht zurückschlug und den Weg bis zum Letzten ging, den Kelch in Gethsemane trank.
Nun können wir weiter darüber nachdenken, was Enge bei Jesus bedeutet. Seine Familie wandte sich von ihm ab oder wollte ihn zurückholen, weil sie meinten, er spinne. Doch Jesus ging diesen Weg im Gehorsam gegenüber dem Vater.
Dann wurde doch der Ostersieg errungen – schon im Augenblick des Sterbens. Jesus sagt: „Es ist vollbracht.“ Die Sühne ist dargebracht, die Vergebung geschaffen. Das ist für uns der wichtigste Punkt: Ich weiß, er hat mich erlöst, ich bin gerechtfertigt.
Ja, erst dann weicht die Angst, wenn ich weiß, dass alle meine Sünden hinweggetan sind.
Persönliche Erfahrungen mit Tod und Trost
Meine Mutter ist an einem Herzinfarkt gestorben. Wir haben nur einen Anruf erhalten und sind dann sofort losgefahren.
Wir befanden uns gerade mitten in einer Synodalbesprechung am Kirchenparlament. Mein Bruder saß am Steuer, und ich erinnere mich noch genau, wie wir mit viel zu hoher Geschwindigkeit über die Autobahn fuhren, obwohl dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung galt. Als wir ankamen, war meine Mutter bereits tot.
Doch sie hatte einen Zettel hinterlassen. Darauf stand: Meine Mutter hatte immer eine so natürliche Angst vor dem Tod und ihren Sünden. Auf dem Zettel schrieb sie ihre letzten Worte auf: „Das gibt Frieden, wenn die Todesschrecken über uns kommen.“
Wissen Sie, es geht nicht anders. Ich habe immer ein wenig Angst, dass man mir dann die Atemmaske mit Sauerstoff aufsetzt, obwohl wir doch das Beten brauchen. Die Hand, die uns vielleicht noch hält, uns segnet und uns diese Gottesworte sagt: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst aus der Enge in die Weite.“
Wie wird es uns sein? Später singt Philippus: Wenn ich da eintreten darf in die Ewigkeit, dann ist Jesus hindurchgegangen, und deshalb gehen wir hindurch.
Jetzt können wir viele Beispiele aus der Bibel finden, wie es einem Apostel Paulus zumute war, als er dieses schwere Martyrium erlitt und in Haft kam. Sicher war er auch von bitteren Gedanken geplagt. Hatte er Hass? Nein, er liebte sie alle, sogar seine Wärter in diesem schäbigen Gefängnis.
Zwei Jahre war er allein in Caesarea Maritima, dort, wo heute Touristen in Israel hingehen, in dieser römischen Stadt, in die sich sonst kaum Juden verirrt hatten. Dort trat Festus auf und bezeugte das herrliche Evangelium.
Man konnte Paulus nicht in die Enge treiben. Es ist so wichtig, dass wir uns nicht einengen lassen, sondern durch unseren Glauben an Jesus ein weites Leben führen.
In der Angst rief ich den Herrn an: Jesus.
Gottesname und Gnade als Trost in Anfechtungen
Ich darf nochmals sagen: Wenn im Alten Testament „Herr“ steht, ist damit der Gottesname Adonai gemeint. Dieser Name ist wunderbar der Ehrentitel Jesus Kyrios, der Herr, wie es im Neuen Testament heißt. Denn in Jesus zeigt uns Gott seine ganze Güte. Und da darf ich wissen, dass nichts mehr zwischen ihm und uns steht. Er hat uns erlöst, und zwar weil die Gnade gilt.
Wenn es auf ein Stückchen meiner Gerechtigkeit oder meiner Frömmigkeit ankäme, würde kein Mensch selig werden. Wenn es nur um einen Millimeter eigenes Können und Wollen ginge, würde keiner selig. Sonst ist alles Gnade und alles Erbarmen. Das ist der Trost in den großen Anfechtungen ihres Lebens.
Der Herr erhöhte mich und tröstete mich. Ich habe vorher noch einmal in Luther nachgeschaut und dann fast meine ganzen Aufzeichnungen noch einmal umgeworfen. Ich habe aber schon etwas, das ich mir gerade gemerkt habe: Wenn Martin Luther sagt, es bleibt so, dass Gott nicht leibliche Gaben geben will. Diese gibt er uns ja auch oft, aber er will uns vor allem seinen Trost und seine Hilfe geben.
Das ist so wichtig, weil das heute immer wieder ein Streitpunkt ist: Darf ich um ein Wunder bitten? Natürlich darf man bitten, und wir erleben ja so viele Wunder. Aber Martin Luther sagt ja so schön: Es ist nicht Gottes Absicht, uns alle Güter der Welt zu geben. Seine Absicht ist es, uns seinen Trost und seine Hilfe zu geben.
„Ich bin bei dir, fürchte dich nicht.“ Und da ist das auch schon machtvoll, wenn der Herr sagt: „Fürchte dich nicht.“ Wie oft hat Jesus das wieder gesagt: „Warum seid ihr so furchtsam?“ Man müsste sich richtig einmal Zeit nehmen, um zu sehen, wie Jesus das gemacht hat. Er hat es ihnen ja nicht gleich als eine Keule auf den Kopf geschlagen: „Fürchte dich nicht!“ Er hat es erst nachher gesagt: „Warum seid ihr so furchtsam?“
Das ist sozusagen die Nachseelsorge von Jesus, nachdem sie seine Macht erlebt haben. Aber merkt euch das doch: Du brauchst dich nicht zu fürchten. Du darfst das feste Wissen und die Geborgenheit bei mir haben.
Martin Luther in dunklen Stunden und die Reformation
Ja, warum mit Martin Luther? Jetzt muss ich es Ihnen doch noch erzählen. Es war in einer der dunkelsten Stunden von Martin Luther. Er hatte ja verschiedene dunkle Stunden erlebt. 1527 – also zehn Jahre nach dem Thesenanschlag 1517 – war eine besonders schwere Zeit.
1521 war der Reichstag zu Worms, bei dem Luther sagte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Doch 1527 durchlebte er große Todesnöte. Die Pest war in Wittenberg ausgebrochen, sogar im eigenen Haus gab es Pestkranke. Luther wollte nicht fliehen, weil er kein Feigling sein wollte, sondern ein Hirte. Dann wurde sein bester Freund in Passau als Ketzer verbrannt. Das war ein Priester, der zum Bibelglauben in der katholischen Kirche in Passau durchgebrochen war. Luther wollte seinen sterbenden Vater besuchen, doch der Erzbischof dort ließ ihn fangen und im Feuer verbrennen. All das war für Luther eine große Belastung. Sein guter Freund kam ums Leben.
In diesen schweren Anfechtungen, mehrfach auch im Bewusstsein von Leopold XVII, schrieb Luther Gedichte. Darunter „Ein feste Burg ist unser Gott“. Dieses herrliche Lied entstand nach einem Psalm als Triumphgesang. Darin sagt er: „Was können sie mir noch tun?“ Diesen Psalm schrieb er mit dem schönen Konfitemini, einem Wort des Vertrauens, als der Reichstag zu Augsburg stattfand.
Jetzt möchte ich Sie nicht zu lange in die Geschichte einführen. Die Sache der Reformation war immer aussichtslos und verloren. Kaiser Karl V. war ein junger Mann, der mit 17 Jahren die Herrschaft übernommen hatte. Er kam nur selten nach Deutschland, weil er in Portugal residierte. Es war damals ein weiter Weg über schlechte Straßen ohne Verkehrsmittel.
Karl V. hatte sich vorgenommen, die evangelische Bewegung endgültig zu beseitigen. Er konnte es aber nie umsetzen, weil er Krieg mit dem französischen König führte. Er kam nie dazu, den Reichstag zu Worms durchzusetzen, und auch die Reichssache bei Luther verlief schwierig. Luther überlebte diese Zeit, sogar auf der Wartburg. Es hing immer an einem Faden.
Die Fürsten arbeiteten mit dem Kaiser zusammen. Dann sagte Karl V., er werde einen Reichstag in Augsburg einberufen, bei dem alle zusammenkommen sollten. Dort sollte endgültig beschlossen werden, dass der evangelische „Unsinn“ ausgerottet wird. Als alle Fürsten versammelt waren, ließ er die Stadttore von Augsburg verschließen. Niemand durfte mehr hinaus. Alle Fürsten Deutschlands waren versammelt.
Die Evangelischen wollten dem Kaiser wenigstens ihr Bekenntnis vorlegen. Das berühmte Augsburger Bekenntnis, das in unserem Gesangbuch in Württemberg hinten abgedruckt ist, enthält wichtige und gute Inhalte. Sie wollten es dem Kaiser vorlesen. Doch er erlaubte das nur in dem Gasthaus, in dem er logierte.
Der Kanzler verlas das Bekenntnis laut. Dann sagte man, man solle das Fenster öffnen, damit es heißer werde. Der Kaiser entgegnete, es sei gar nicht heiß, denn draußen stand die ganze Bürgerschaft von Augsburg. Zum ersten Mal hörten sie die evangelische Lehre. Der Kanzler las alle Artikel des Augsburger Bekenntnisses vor und sagte dann: „Schluss, ab jetzt nichts mehr.“
Die weiteren Beratungen drehten sich nur noch darum, wie man die evangelische Bewegung verhindern konnte. Doch durch ein Wunder gelang es. Philipp von Hessen, ein durchtriebener Bursche, spielte dabei eine Rolle. Nicht alle Dinge liefen in Marburg glatt. Philipp bat einen Torwächter, ihn kurz hinauszulassen, um nach dem Abendessen noch mit seinem Gaul zu reiten. Der Torwächter sagte, er dürfe niemanden hinauslassen, da der Kaiser es verboten habe. Philipp meinte, er habe nur ein Hemd an und könne nicht durchgehen. Darauf ließ ihn der Wächter für eine halbe Stunde hinaus.
Philipp ritt zwei Tage und zwei Nächte bis nach Marburg und rief seine Armee zu den Waffen. Das war die Rettung des evangelischen Glaubens – kaum zu glauben. Es ging um Spitz und Knopf. Der Kaiser musste den Reichstag von Augsburg abbrechen, weil er plötzlich einen wichtigen Gegner außerhalb hatte.
Luther selbst durfte nicht am Reichstag in Augsburg teilnehmen. Er begab sich an den äußersten Platz von Sachsen, zur festen Coburg in Bayern, bei Sonneburg. Dort befindet sich das Lutherstübchen, das man besichtigen kann. Dort schrieb er in dieser schrecklichen Not eine Auslegung zum 118. Psalm, das schöne Konfitemini.
Melanchthon war der Hauptvertreter der evangelischen Sache. Luther war immer überzeugt, dass Melanchthon faule Kompromisse einging. Das, was viele Verhandlungsführer und Tarifverhandler nicht schaffen, tat Melanchthon gern: faule Kompromisse. Dadurch wurde die Sache der Wahrheit oft verraten.
Luther schrieb ihm Briefe, die Briefe von der Veste Coburg sind hochinteressant. Darin ermutigte er ihn, im Glauben zu bleiben. Das war für Luther wichtig: Die Sache Gottes darf man nicht aufgeben. Er hätte so gern eingegriffen, dem Kaiser die Meinung gesagt, durfte es aber nicht.
In Coburg schrieb er seine Auslegung zum 118. Psalm und das Konfitemini. Er sagte: Wenn ihr auf den Herrn schaut, können sie euch nichts tun. Luther wollte nie eine politische Lösung, so wie Philipp von Hessen sie suchte. Er sagte: Die Sache Gottes kann nicht untergehen.
Er zog viele Beispiele aus der Bibel heran. Er sagte, wenn die Kinder Israels am Anfang gefragt hätten, wie sie durch die Wüste ziehen sollen, hätten sie es nicht geschafft. Sie haben es Gott einfach überlassen, der sie führte. Und er sagte zu Philipp: Du mit deiner Vernunft willst alles lösen, lass es doch Gott machen.
Das ist so schön: Der Herr tröstet, der Herr macht lebendig, der Herr führt hindurch. Jeden Tag ritt ein Bote von der Veste Coburg nach Augsburg und brachte einen Brief Luthers. Die anderen brachten Briefe zurück. Luther konnte oben nur beten.
So hat der Herr gefügt, dass die Sache des Evangeliums in unserem Land nicht untergeht. „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht. Was können mir Menschen tun?“
Beispiele von Glaubensmut und Standhaftigkeit
Jetzt verstehen Sie, warum von Feinden die Rede ist. Gemeint sind unheilige Menschen, die die Sache des Evangeliums in unserem Land weiter zerstören wollten. Luther sagte dazu: Nein, ich setze auf den Herrn.
Wir haben viele Beispiele dafür. Paul Schneider im Kirchenkampf ging diesen Weg bewusst als Pfarrer von Dickenchied. In Buchenwald können Sie die Zelle besuchen, in der er starb. Aus dem Bunker rief er noch: „Christus spricht, ich bin das Licht der Welt.“ Diese Worte gab er unzähligen Menschen in diesem schrecklichen Konzentrationslager mit, obwohl sie ihn später totgeschlagen hatten. Doch sein ganzes Leben galt dem Vertrauen: „Der Herr ist mit mir.“
Man schämt sich fast, dass unser Glaube oft halbherzig ist, nicht so entschlossen, wo es bei uns doch gar nicht viel kostet. Denken Sie an Ludwig Nommensen. Er ging zu den Batak, wo zehntausend Kopfjäger ihm gegenüberstanden. Diese riefen ihre Geister und sprangen in Trance herum, riefen: „Der Weiße unter uns muss sterben!“ Alle warnten Nommensen: „Geh nicht hin, es gibt noch keine Christen in Sumatra.“ Doch Nommensen ging trotzdem.
Dann schrien die Batak: „Der große Geist Gottes hat befohlen, den weißen Mann zu töten.“ Da sprang Nommensen unter die zehntausend wilden Krieger in Trance und rief: „Nein, das ist nicht die Stimme Gottes. Ich bin da, um euch die Stimme Gottes zu sagen.“ Er predigte das Evangelium, und sie ließen ihre Waffen sinken.
„Der Herr ist mit mir“ – es ist immer wieder wunderbar, solche Geschichten zu hören. Wie David, der gegen Goliath losging. Er sagte: „Das letzte Mal kann man doch nicht schreien lassen.“ Die Brüder fragten: „Wer bist du? Ein kleiner Junge!“ Doch David antwortete: „Ich gehe hinüber, ich komme zu dir, du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Schild. Ich komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth.“
So gingen sie aufeinander zu, egal was zu Hause auf sie wartete. „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht. Der Herr ist mit mir, um mir zu helfen, und ich werde herabsehen auf meine Feinde.“ Es ist gut, sich auf den Herrn zu verlassen.
Für mich und für dich gilt: Du darfst wissen, dass der Herr mit dir ist.
Vom Vertrauen auf Gott statt auf Menschen und Fürsten
Und jetzt sind wir aus der Enge in die Weite gekommen. Wir stehen schon mutig und unerschrocken am zweiten Tag, stehen fest, so dass wir nicht wackeln, nicht weichen und nicht zurückgehen. Resignieren heißt das Wort, das die Feldzeichen zurückzudämmen versucht – beim Militär, wenn die Armee zurückgeht und die Fahne rückwärts trägt.
Wir resignieren nicht, auch nicht vor der Gottlosigkeit. Wir wollen nicht frech auftreten, sondern in der Stimme des Glaubens sprechen. So sagen wir es, wenn einer unserer Söhne oder Enkel lästert und meint: „Aber ich glaube nicht.“ Dann sagen wir: „Sag mal, und der Herr liebt dich dennoch, das musst du wissen.“
In diesem Wissen – der Herr ist bei mir – ist es gut, auf den Herrn zu vertrauen und sich nicht auf Menschen zu verlassen. Es ist ganz schlimm, wenn die Sache des Evangeliums einen Kompromiss mit der Gunst der Menschen eingeht. Leider ist die Geschichte der Christenheit voll davon, zum Beispiel in der mittelalterlichen Kirche mit der Verbindung von Staat und Altar.
Das muss man richtig verstehen, wie das war: Der Staat hat die Christen gebeten, ihm zu helfen, weil er mit seiner Aufgabe überfordert war. Aber wir wollen auch heute sehr genau aufpassen, dass wir uns mit politischen Programmen nicht die Sache des Evangeliums vermischen.
In einer evangelikalen Zeitschrift las ich dieser Tage: „Es entspricht dem Wesen Gottes, dass wir uns an politischen Programmen beteiligen.“ Nein, gerade nicht! Wir gehen zur Wahl, wir beten für die Politiker, wir geben ihnen Rat und suchen das Gespräch. Aber wir dürfen uns nie mit einem politischen Programm identifizieren, so gut es auch gemeint sein mag.
Die Sache des Evangeliums und die Sache der Gemeinde – denn das ist immer eine Sache des Reiches Gottes, das nicht von dieser Welt ist – darf nicht vermischt werden. Mein Vater war Politiker, und es ist schön, wenn Christen in die Politik gehen. Aber die Sache der Gemeinde darf nicht vermischt werden. Das war das Schlimme im Dritten Reich, als Christen die Ideologie des Nazismus mit der Kirche vermischten.
Mir hat kürzlich jemand erzählt, der in der DDR nicht auf die Oberschule gehen durfte, dass diejenigen, die immer Kompromisse machten und sagten: „Aber es ist doch sozial, und wir können das da verknüpfen“, ehe sie sich versahen, Spione der Stasi wurden und in ein System hineingekommen sind.
Die Christen in China haben große Angst vor der Registrierung, weil sie befürchten, dadurch zu Ausführungsorganen zu werden. In Russland war das der Grund, warum Chruschtschow Kirchenführer nahm, um bekennende Christen anzuzeigen und zu verfolgen. Sie mussten sich verpflichten.
Das Schlimme ist, wenn der Staat die Kirche zum Handlanger seiner weltlichen Programme macht. Wir sind dankbar, dass wir in unserem Staat eine Grenze haben. Zum Beispiel dürfen wir in der Landeskirche selbst sagen, dass es bis heute gelungen ist, eigene Tarifauseinandersetzungen zu führen.
Darum arbeiten die kirchlichen Krankenhäuser und Kindertagesstätten und sind nicht am Werksstreik beteiligt, weil die Kirche eine eigene Art hat und nicht der Gewerkschaft angehört. Den sogenannten dritten Weg hat man auf eigene Weise in einer gemischten Kommission gesucht.
Man sagte: Es wäre noch schlimmer, wenn wir uns der Welt überließen und unsere Streitigkeiten vor weltlichen Gerichten klären würden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den ich nur am Rande erwähnen möchte.
Wir wollen nie unser Vertrauen auf Menschen setzen. Wir freuen uns, wenn es gläubige Leute gibt, aber unser Vertrauen setzen wir allein auf den Herrn. Wir wollen auch nie die Gunst von Menschen suchen und sagen, das bringe etwas Besseres. Stattdessen wollen wir die Sache des Reiches Gottes für sich sehen und keine Dinge vermischen, so wie es Jesus auch nicht tat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
Wo das in der Vergangenheit geschehen ist, war es immer äußerst notvoll. Wir verlassen uns nicht auf Menschen. In Vers 9 heißt es: „Wir wollen uns nicht verlassen auf Fürsten.“ Fürsten sind Menschen, vom Weibe geboren, und sie sinken wieder ins Grab.
Das wurde in einer Zeit geschrieben, als der Absolutismus herrschte und die prächtigen Schlösser gebaut wurden. Damals gab es keine Demokratie. Es war immer christliche Haltung zu sagen: „Ich werde das nicht tun, mich nicht vor den Mächtigen dieser Welt beugen.“
Johann Jakob Moser als Beispiel für Standhaftigkeit
Hohentwiel – die schönste Burg im Hegau, unten am Bodensee. Dort war Johann Jakob Moser fünf Jahre lang der größte Staatsrechtler Europas.
Er hat in seinem Leben sechshundert umfangreiche Folianten geschrieben. Wenn man im Internet nach ihm sucht, findet man allein zwanzig Seiten mit Titeln seiner Bücher. Bis heute gilt er als einer der anerkanntesten Staatsrechtler.
Johann Jakob Moser war in Württemberg als Landschaftskonsulent tätig. Als der Herzog drohte, ihn unter Druck zu setzen und zum Schweigen zu bringen, sagte Moser: „Eure Durchlaucht werden einen ehrlichen Mann finden.“
Fünf Jahre verbrachte er auf Mondwiel – ohne Heizung, ohne Licht, ohne Schreibstift. Während dieser Zeit starb seine Frau, doch er beugte sich nicht vor den Mächtigen der Welt.
Die Württemberger wussten, warum sie so einen Mann als Landschaftskonsulent brauchten. Von den Landständen gab es nur ein Recht: Ein Vertreter musste alle Steuererlässe mitunterzeichnen. Moser erklärte, dass er nicht länger bei der verschwenderischen Politik mitmachen wolle, bei der Geld für Luxus hinausgeschmissen wird.
Er opferte sein Leben, weil er wusste: Er wollte sich nicht vor den Herren dieser Welt beugen. Deshalb habe ich bis heute Respekt vor jedem, der auf seine Weise sagt: „Ich habe im Dritten Reich viel zu wenig getan“ oder an anderen Stellen seines Lebens.
Wir wollen heute wissen, wo wir sagen können: „Da mache ich nicht mit, da will ich mich nicht beteiligen.“ Das ist eine große Not. Ich bin froh, dass wir in einem freiheitlichen Staat leben. Aber wir müssen uns sehr genau davor hüten, uns von Menschen zu etwas zwingen zu lassen!
Beispiel aus dem Alltag: Standhaftigkeit bei Kindern
Für eine meiner Töchter war es ein besonders schwieriger Moment, als im Katharinengymnasium beim Stuttgarter Hauptbahnhof die Lehrerin sagte: „Wir feiern mit der Klasse Fasnacht. Aber wenn einer von euch nicht mitmacht, dann findet es nicht statt.“ Ich antwortete: „Ich mache nicht mit.“
Ich erinnere mich noch gut an unsere Monika, die damals so zart war. Wir haben einen Brief geschrieben, und plötzlich gab es noch einen zweiten Schüler in der Klasse, der ebenfalls nicht mitmachen wollte. Wir schrieben der Lehrerin, dass sie das nicht verlangen dürfen. Sie können nicht die Freizeit der Kinder bestimmen; damit überschreiten sie ihr Erziehungsrecht.
Wir wollten uns wehren, wenn die Schule von den Kindern Dinge verlangt, die nicht zum Lehrauftrag gehören. Gleichzeitig muss ein Kind lernen, dass es wichtig ist, auch einmal Nein zu sagen. Es gibt Dinge, die nicht toleriert werden können, auch wenn sie für Kinder harmlos erscheinen.
Das gilt besonders in der Passionszeit von Jesus, in der solche ausgelassenen Feiern wie Fasnacht eigentlich nicht hineingehören. An dieser Stelle muss man auch betonen, dass wir uns niemals auf Fürsten oder die Mächtigen dieser Welt verlassen wollen. Gott braucht keinen Schutz von ihnen.
Es war immer schlimm, wenn Könige sich aufspielten, als könnten sie das Reich Gottes beschützen.
Das Evangelium braucht keinen weltlichen Schutz
Das ist schön. Es gab immer wieder gläubige Menschen, die gesagt haben: Das ist ja zum Lachen. Bei Luther finden sich dann ganz besondere Worte. Er sagt zum Beispiel, der Kaiser glaubt, uns vor den Türken, also dem Islam, schützen zu können. Luther nennt ihn in diesem Zusammenhang einen „Maden sack“. Wenn der mal stirbt, hat Luther immer sehr böse Worte gebraucht.
Aber verstehen Sie: Das braucht das Evangelium nicht. Das Evangelium braucht niemals den Schutz von Waffen, niemals den Schutz der Politik.
Darum werden wir uns nie wehren, wenn Muslime bei uns eine Moschee bauen – so sehr wir das auch bedauern. In einer freiheitlichen Gesellschaft werden wir das nicht verhindern können.
Aber wir werden für Jesus und sein Evangelium bekennend eintreten. In all den Situationen, die uns bedrohen mögen, werden wir mutig und unerschrocken stehen.
Gottes Schutz und Sieg trotz Feinden
Und dann Vers 14: Der Herr ist meine Macht, mein Psalm und mein Heil. Sie umgeben mich von allen Seiten.
Jetzt gebe ich Ihnen noch ein Lutherwort, das ich mir einmal hier abgeschrieben habe. Es ist so schön, wie er das in diesem schönen Konfitemini sagt: Auf der festen Coburg können sie die Feinde stoßen, aber fällen können sie nicht. Mattern können sie, aber ausrotten können sie nicht. Foltern können sie, aber zwingen können sie nicht. Hindern können sie, aber nicht verwehren.
Sie können die Zähne blecken, aber fressen können sie nicht. Motten brennen, hängen und ertrinken können sie, aber auslöschen können sie das Evangelium nicht. Verjagen, rauben, wegnehmen können sie, zum Schweigen bringen können sie es nicht. Kurz: Etwas erreichen sollen sie nicht, denn da steckt der Grenzpfahl. Der Herr hilft mir. Wer sind sie, die gegen des Herrn Hilfe etwas ausrichten können?
Es soll heißen: Gottes Wort bleibt ewig, wenn überhaupt Gott selbst und sein Name bleiben. Mögen sie auch darüber wild und wahnsinnig werden. Auch wenn wir über die letzte böse Zeit reden, wenn der Antichrist kommt, so wollen wir stehen – in der sieghaften Gewissheit, dass die Sache unseres Herrn nie untergeht, wie dunkel die Zeit auch sei. Nicht anders kann man reden.
Und so hat der Herr seine Gemeinde durchgebracht.
Die ersten Christenverfolgungen als Beispiel
Bei den ersten Christenverfolgungen unter Kaiser Domitian kam es zu besonders blutigen Ereignissen. Domitian war als der oberste Christenfeind bekannt. Während seiner Herrschaft wurde der Apostel Johannes auf die Insel Patmos verbannt. Doch an Johannes konnten sie keine Gewalt ausüben.
Wenn man heute die Reise in die Türkei unternimmt und nach Ephesus kommt, sollte man sich den Domitiantempel ansehen. Dieser prächtige Tempel steht als Zeichen für den erbitterten Widerstand gegen die Christen. Johannes aber sieht in einer Vision das Lamm, das auf dem Thron sitzt – den gekreuzigten Jesus. Und trotz aller Verfolgung können die Feinde nichts gegen ihn ausrichten.
Die Märtyrer, die damals ihr Leben für ihren Glauben gaben, sind vor Gott bewahrt. Wenn der Herr seine Geschichte vollendet hat und die Schar der Vollendeten vor dem Thron Jesu steht, wird dies nur verständlich vor dem Hintergrund des harten Kampfes der ersten Christenverfolgungen im Jahr 96 nach Christus.
In diesem Zusammenhang liegt ein Psalm mit einer herrlichen Zusage vor uns: Selbst wenn die Angst unsere Seele zu verschlingen droht, ist es ein kraftvolles Bekenntnis vor der Welt, was wir leben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht einknicken und keine schlotternden Knie bekommen. Stattdessen sollen wir fröhlich unsere Lieder singen – gerade in gefährlichen Situationen.
Wie wir heute gesungen haben, bleibt der Sieg Jesu ewig bestehen. Wir wollen der ganzen Welt verkünden: Jesus ist der Herr.
Jesus als unerschütterlicher Herrscher
Ich habe in meinem Leben so viele Diskussionen mit Theologen geführt und alle Lästerungen gegen Jesus sowie Bibelkritik gehört. Ich will das nicht mehr tun. Ich will nicht mehr streiten. Ich will es einfach nur noch sagen: Jesus ist der Herr.
Das ist wie bei einem Hund, der bellt – der Mond scheint trotzdem weiter. Der Hund erreicht ihn nicht. So sollten wir es auch sehen und es dabei belassen.
Der Herr sitzt auf seinem Thron, und niemand kann ihn umstoßen. Die Rechte des Herrn behält sich. Man singt mit Freuden in den Hütten der Gerechten. Das sind keine Villen, in denen die Gerechten wohnen, sondern schlichte Hütten und Zelte, in denen sie in dieser Welt leben.
Doch man hört diesen Lobgesang, und das ist so wunderbar. Besonders bei den Liedern, die wir singen, ist dieser Triumph so schön eingefangen. Nicht bloß in einem nichtssagenden Liedtext, sondern so herrlich: "Jerusalem, du hochgebaute Stadt." Wenn wir unsere Ewigkeitslieder singen – da können Sie einsetzen, was Sie wollen – es gibt so herrliche, schöne Lieder, in denen wir das besingen.
Niemand wird bestreiten, welcher Gott es ist, und wo Sie ansetzen wollen, da haben Sie es noch einmal zusammengefasst. Und die Lieder – wir waren ja immer der Schatz der Gemeinde.
Die reformierte Gemeinde um Johannes Calvin hat über Jahrhunderte hinweg nur Psalmen gesungen. Matthias Jorisna hat die herrlichen Psalmen in der Rheinischen Kirche vertont. Auch in der holländischen Kirche wurden die wunderbaren Psalmen vertont. Einige wenige davon finden wir noch heute in unseren Gesangbüchern.
Die Hugenotten sangen diese Psalmen auf dem Scheiterhaufen, bis die Henker versuchten, ihnen vorher die Zunge herauszureißen. Anders konnten sie sie nicht zum Schweigen bringen.
Dieses Singen setzte sich fort. Oder in Uganda, als die Paschen – damals die ersten Gläubigen – die homosexuellen Praktiken des afrikanischen Königs verweigerten und im Feuertod starben, sangen sie. Das Lied war immer ihre Kraft.
Ich habe es erlebt: Bei Sterbenden, zum Beispiel eine Frau, die nur noch mit einer Sauerstoffflasche leben konnte, sang man in der Krankenstube die Lieder. Die Leute können oft nicht mehr zum Gottesdienst oder zur Gemeinde gehen, und dann müssen wir das dort hinnehmen.
Das Lied ist eine Macht. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten. Ob es nun heißt, dass Jesus Christus als König herrscht oder wie auch immer – das können neue Lieder sein.
Der Herr ist immer noch größer, wie Gerhard Schnitter es besingt. Und was wir an Liedern haben, ist eins schöner als das andere. Da gibt es keinen Streit über Witz oder Inhalt.
Wir wollen noch viel mehr von diesen Liedern singen, damit auch die Elenden sie hören und sich freuen. Die Elenden sollen es hören.
Wer uns trotzen will, soll es tun. Aber er kann uns nicht niederkriegen. Sie können uns die Zunge herausreißen, aber die Angst darf uns nicht besiegen.
Die heilende Kraft des Singens
Haben Sie schon einmal bemerkt, dass Singen eine ganz wunderbare Therapie ist? Es tut der Seele einfach gut. Das Aufatmen, das dabei entsteht – ich habe entdeckt, dass viele junge Leute durch das Singen im Glauben enorm gefördert werden. Oft haben wir auf dem Bibelabend einfach die Lieder der jungen Leute singen lassen. Die herrlichen Texte wirken dabei sehr unterstützend.
John Wesley erlebte etwas Ähnliches. Für ihn war das Singen der wichtigste Anstoß, als er noch Missionar war, aber Jesus in seiner Gnade noch nicht wirklich erkannt hatte. Auf einem Schiff geriet er in einen schlimmen Seesturm. Der Hauptmast brach, und eine Gruppe von Herrnhutern und Zinzendorfern stand auf dem tobenden Schiff um den gebrochenen Mastbaum. Sie hielten sich an den Händen fest und sangen Lieder.
Wesley sagte: „Das habe ich noch nie erlebt, wie sie gesungen haben.“ Es war kein Jammergesang dieser Welt, keine Angst, sondern ein Triumph- und Freudengesang. Die herrlichen Lieder, die uns die Wesley-Brüder geschenkt haben, darf man im Beisein so vieler Methodisten ruhig einmal loben. Es sind wirklich herrliche Lieder.
Heute hätte ich tausend Summenuhren – alle schönen Wesley-Lieder – aber es ist doch etwas Herrliches, das eine besondere Macht hat.
Abschlussgebet und Segenswunsch
Wir wollen hier abschließen, denn unsere Zeit ist abgelaufen.
Ach, Herr, dir sei Dank, dass du so gnädig mit unserer Angst umgehst. Wir dürfen auf dich blicken und von der Angst wegschauen. Das fällt uns schwer, aber wir wollen es lernen. Wir möchten auch andere mitnehmen und mitreißen.
Wir wollen nicht an den künstlerischen und ästhetischen Fragen stehen bleiben. Dennoch freuen wir uns darauf, eines Tages mit lauter Stimme vor deinem Thron zu schreien: „Du hast uns durchgebracht! Du hast uns zum Ziel geführt! Du hast uns hindurchgerissen und herausgerissen aus aller Bedrängnis.“ Ganz herzlichen Dank dafür!
Jetzt rufen wir dich an, auch für alle, die heute Abend bedrängt sind. Du kennst deine leidende Gemeinde, Menschen, die in der Verfolgung stehen, vielleicht gequält und gefoltert werden. Lass sie deine Herrlichkeit sehen. Lass sie es tun wie Paulus und Silas, die mitten in der Nacht dich preisen und loben konnten, sodass die Gefangenen es hörten. Amen!
