Einführung: Die Ankunft von Paulus und Silas in Philippi
Wir haben als Predigttext Apostelgeschichte 16, Verse 25-40. Paulus und Silas waren als Missionare nach Europa gekommen. Zuerst kamen sie in die Stadt Philippi. Die erste Frau, die gläubig wurde, war Lydia. Sie besaß dort eine kleine Boutique und handelte mit kostbaren Stoffen.
In Philippi hatten Paulus und Silas auch Begegnungen mit dunklen, dämonischen Mächten. Einer Frau, die ihnen gegenübertrat, war ein Wahrsagegeist gegeben. Auch heute liegen viele Blockierungen im Glauben in solchen dunklen Mächten begründet.
In der Kraft Jesu befreite Paulus diese Frau von den Mächten, die sie beherrscht hatten. Kein Mensch kann sich aus solchen Gebundenheiten selbst befreien. Nur die Macht Jesu macht vollständig frei.
Darüber kam es zu großem Widerstand in Philippi. Paulus und Silas wurden gegriffen und ausgepeitscht. Diese Peitschen waren schwere Lederpeitschen mit eingelegten Bleistücken. Danach wurden sie ins Gefängnis geworfen, und zwar in die schlimmste Folterzelle. Dort befinden sie sich nun.
Das Wunder in der Gefängnisnacht
Und nun lesen wir ab Vers 25. Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Die Gefangenen hörten ihnen dabei zu.
Plötzlich entstand ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Sogleich öffneten sich alle Türen, und alle Fesseln fielen ab.
Als der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und die offenen Türen des Gefängnisses sah, zog er das Schwert und wollte sich töten. Er dachte, die Gefangenen seien entflohen.
Paulus aber rief laut: „Tut dir kein Leid an, denn wir sind alle noch hier.“
Da verlangte der Aufseher Licht, stürzte ins Gefängnis und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. Dann führte er sie heraus und fragte: „Liebe Herren, was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“
Sie antworteten: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus gerettet werden.“ Sie verkündigten ihm und allen, die in seinem Haus waren, das Wort des Herrn.
Noch in derselben Nacht nahm er sie zu sich und wusch ihnen die Striemen. Dann ließ er sich und alle seine Angehörigen sogleich taufen. Er führte sie in sein Haus, deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Haus, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
Die Freilassung und der Schutz des Glaubens
Als es Tag geworden war, sandten die Stadtrichter die Amtsdiener und ließen sagen: „Lass diese Männer frei!“ Der Aufseher teilte Paulus diese Botschaft mit: „Die Stadtrichter haben hergesandt und angeordnet, dass ihr frei sein sollt. Nun kommt heraus und geht hin mit Frieden.“
Paulus aber sagte zu ihnen: „Ihr habt uns ohne Recht und Urteil öffentlich geschlagen, obwohl wir doch römische Bürger sind, und in das Gefängnis geworfen. Nun wollt ihr uns heimlich fortschicken? Nein, ihr sollt selbst kommen und uns hinausführen!“
Die Amtsdiener berichteten dies den Stadtrichtern. Da fürchteten sie sich, als sie hörten, dass jene römische Bürger seien, und kamen, redeten ihnen gut zu, führten sie heraus und baten sie, die Stadt zu verlassen.
So gingen sie aus dem Gefängnis, kamen zu Lydia, und nachdem sie die Brüder gesehen und ihnen Mut zugesprochen hatten, zogen sie fort.
Die Bedeutung des Lobes und Singens im Glauben
Herr, mach uns auch zu lobenden und dankenden Menschen. Amen.
Mit dem Singen klappt es heute bei vielen Christen nicht mehr. Sie müssen nur in eine Versammlung gehen und einmal hören, wie dort gesungen wird. Ich wünsche mir, dass sie immer besser lernen, wie man richtig Gott lobt und zu seiner Ehre singt.
Warum geht das so schlecht? Liegt es am Stimmbruch oder an der altersschwachen Stimme? Ganz bestimmt sind diese äußeren Dinge nie wirklich wesentlich. Was uns das Lob Gottes so schwer macht, sind die täglichen Erlebnisse. Wir würden ja auch gerne Freudenlieder singen, aber da würgt es uns schon im Hals, und wir können gar nicht singen.
Die Sorgen, die uns einschnüren, die schweren Erlebnisse und die ungelösten Probleme unseres Lebens machen es uns schwer. Als neulich der Grand Prix von Eurovision verliehen wurde, habe ich gedacht: Es ist so typisch für unsere Zeit, dass gerade das Lied preisgekrönt wird, in dem es nur heißt „ein bisschen Frieden“. Die Schwermutslieder, die die Welt singt, werden preisgekrönt.
Wie müsste in dieser Welt erst das Lied des Glaubens erklingen?
Ich habe mich gestern Abend so riesig gefreut, als eine Besucherin, die nicht mehr zur Jugend gehörte und von einer auswärtigen Gemeinde kam, wo die beste Kirchenmusik Stuttgarts geboten wird, sagte: „Man sollte immer, immer diese neuen Lieder singen. Die haben so eine Glaubenskraft. Wenn ich diese Lieder mitsingen darf, wird mein ganzes Leben neu.“
Das ist ein Geheimnis um dieses Singen, gerade wenn man bedrängt und traurig ist.
Das Singen der Urgemeinde als Ausdruck des Glaubens
Und nun achten Sie einmal darauf, wie wenig wir über die Chorproben der Urchristengemeinde wissen.
Wir wissen nichts über die Ausbildung der Kirchenmusiker in der ersten Gemeinde. Aber gesungen haben sie, und gerade dort sangen sie, wenn sie nicht mehr weiterwussten, wenn es ganz dunkel um sie herum war.
Was dort mit Paulus und Silas geschah, kann man menschlich kaum beschreiben. Damals herrschte im Römischen Reich jenes Gesetz, das unsere Jurastudenten heute noch an den Universitäten von Tübingen, Göttingen und anderswo lernen müssen, weil es vorbildlich in seiner Achtung für den Menschen ist.
Paulus vertraute immer darauf, dass in diesem Reich des Kaisers von Rom die Menschenrechte geachtet wurden. Doch nun wurden sie behandelt, wie man keinen obdachlosen Penner behandeln kann. Sie wurden einfach wie ein Nichts behandelt, sie wurden verhöhnt. Und das ist das Schwerste, was einem im Leben geschehen kann – das Allerschlimmste, was passieren kann.
Ich bin nichts wert. Ich bin hilflos den Menschen ausgeliefert, wenn jemand unsere Ehre schändet. Es ist nicht nur schlimm, dass unser Ruf ruiniert ist, sondern auch, dass man gar nicht mehr weiß, wovor man noch Respekt haben soll, wenn man selbst nichts mehr fühlt von der Achtung, die einem andere entgegenbringen.
Wo bleibt mein Selbstvertrauen? Man muss es einmal erleben, wenn man ständig Niederlagen im Leben erfährt. Das ist das Entwürdigendste und Demütigendste – und nicht nur die furchtbaren Schmerzen, die diesen Rücken kennzeichnen.
Es war ja ein Wunder, dass sie überhaupt mit dem Leben davonkamen.
Der Glaube als Kraftquelle in der Bedrängnis
Und in solchen Augenblicken braucht man ein Schmerzmittel. Von Singen, von Denken und Danken ist überhaupt keine Spur mehr da. Wie soll man das überhaupt können?
Dann geschieht um Mitternacht das Wunder des Glaubens. Dieses Wunder geht dem Singen voraus. Sie beten und sehen hinaus über die Gefängnismauern, hinaus über die willkürlich hassenden Menschen. Sie wissen: Jesus ist da, und er führt mein Leben weiter. Ich darf ganz getrost sein.
Darum ist dieses Singen kein Rausch, keine Vertröstung und nichts, das man einfach so tut, um böse Gedanken zu vertreiben. Vorher stand der Glaube. Damit haben sie all das unter ihre Füße bekommen. Das Singen des Glaubens ist in dieser Welt eine Macht.
So hat Gott in Europa angefangen, Gemeinde zu bauen. Aus diesem Lobgesang in jener Nacht ist Großes geschehen. Menschen kamen zum Glauben, bei denen man es am wenigsten erwartet hätte.
Wenn man sich wieder dafür interessiert, wie in unserer Welt eine Missionsbewegung angestoßen wird, dann hat das seinen Anfang dort, wo Menschen beginnen, ihre Nöte, die sie bekümmern, unter ihre Füße zu kriegen. Sie singen das Lob Gottes, ehren ihn und preisen ihn zum Lobe.
Jesus Christus als Zuversicht und Stärke in der Not
Wir haben die Pfarrer in Deutschland dazu aufgerufen, in den Sonntagen vor dem Gemeindetag in allen Predigten die Losung des Gemeindetags hervorzuheben. Auch hier wollen wir dies tun: Jesus Christus, unsere Zuversicht und Stärke. Dieser Satz steht über dem Abschnitt „Um die Mitternacht“.
Paulus und Silas merken plötzlich wieder: Auch hier gilt das. In dieser muffigen und engen Zelle, an einem Ort, an dem man nicht mehr weiß, was aus dem Leben werden soll, an einem Ort, an dem unklar ist, was der nächste Tag bringt, gilt: Jesus Christus, unsere Zuversicht und Stärke. Und gerade dort muss man das Lob Gottes singen – in der Tiefe.
Ich möchte Ihnen an drei Stellen zeigen, warum dieses Lob ein so überzeugendes Lob Gottes ist, gerade in der Tiefe, wenn die Mauern schon wackeln. Paulus und Silas wussten bestimmt nicht, was danach kommt. Das war für sie selbst eine Überraschung.
Es muss grausam gewesen sein, als man sie in diese Zelle führte. Jeder einigermaßen gesunde Mensch würde darunter leiden, wenn er diese dicken Mauern sieht. Ich weiß nicht, wo das kleine Fenster angebracht war und ob dort überhaupt viel Luft hereinkam.
Das war im innersten Gefängnis – womöglich eine Zelle, die gar kein Fenster mehr hatte, ein wüstes Loch, in das man sie geworfen hat. Dort bekommt man Angst. Man kann kaum noch atmen, leidet unter Platzangst. „Ich will raus, ich will raus, lasst mich raus!“ Das sind erschütternde Erlebnisse.
Die Folter ist so gemein, weil man Menschen mit solchen Mitteln klein machen kann. Wir haben gar nicht so eine starke Tragkraft, auch Paulus und Silas nicht.
Aber in dem Augenblick, in dem sie anfingen zu beten, wurde ihnen bewusst: Bei Jesus sind diese dicken Mauern gar keine schweren Mauern. Sie wackeln schon.
Noch einmal: Ohne zu wissen, was danach geschehen wird, kann Gott diese Mauern schieben, wie er will. Diese Erfahrung machen Glaubende.
Die Bedeutung von Leid und Prüfung im Glaubensleben
Jetzt möchte ich Ihnen helfen zu verstehen, warum Gott seine Leute manchmal auf solche dunklen Wege führt. Sie verstehen das doch auch nicht, und ich würde es genauso wenig verstehen wie Sie, wenn es mich träfe.
Warum nimmt Gott mir meine Kraft und Gesundheit? Warum hat er sie gebrochen? Warum hat er zugelassen, dass dieser liebe Mensch aus meiner Nähe gerissen wurde? Warum lässt er es geschehen, dass Paulus und Silas ins Gefängnis kommen? Er hätte doch seine schützende Hand über sie halten können. Er hätte doch vorher eingreifen können, bevor es zu dieser letzten Bedrängnis kommt.
Gott will seine Leute immer wieder bis auf den Grund führen. Ganz unten in der Tiefe sollen sie die größte und weiteste Glaubenserfahrung machen. Selbst diese dicken Mauern können mir keine Angst machen. Es ist nicht die Krankheit, nicht der Tod und nicht der Schmerz.
Sie singen ihre Lieder, bevor das Wunder geschieht, und das müssen Sie jetzt ganz fest bewahren. Sie singen ihre Lieder, bevor das Wunder passiert. So wie Christen, die immer gesungen haben: Gott ist für mich, wer soll denn jetzt noch gegen mich sein? Nichts kann mich scheiden von der Liebe Gottes, gar nichts. Auch diese Mauern können mich nicht scheiden, auch das Schwere, das geschieht, nicht.
Nun ist großer Friede ohne Unterlass, mitten in der Bedrängnis, mitten in der Angst. Das hat ja schon David als Psalmbeter beschrieben. Wir haben das in den vergangenen Wochen, als wir unsere Psalmgebete durchgepredigt haben, immer wieder beachtet. David sagt: Du stellst meine Füße auf einen weiten Raum, mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.
In dem Augenblick, wo ich eigentlich in Hysterie verrückt werden müsste und sagen will: „Jetzt halte ich es nicht mehr aus in diesem Loch, ich kriege gar keine Luft mehr, lass mich raus, lass mich raus!“ und die Schmerzen so unerträglich sind, dort schenkt Gott Glaubenskraft. Das ist eben dieses Geschenk, das der Heilige Geist weckt.
Eine größere Siegeskraft des Heiligen Geistes könnte sich in unserem Leben gar nicht entfalten, als dass wir all die Schrecken, die menschlich gar nicht zu überwinden sind, überwinden können und mit ihnen fertig werden.
Darum möchte ich Ihnen sagen, dass Gott seine Leute immer wieder dorthin führt, in diese dunklen Tiefen, wo sie das Lob Gottes singen.
Das Lob Gottes als Instrument der Mission und Evangelisation
Es gibt kein größeres Instrument der Mission und Evangelisation – nicht nur in Philippi, sondern auch in unseren Krankenhäusern. Das können Sie besser als die Krankenhauspfarrer. Wenn Sie mit Ihrem kranken Leib in Ihrer Krankenstube das Herrnlob verkündigen und dieses Zeugnis ablegen, hat das eine besondere Kraft.
Vor ein paar Tagen nahm ich ein Buch in die Hand, geschrieben von Hans Krebs, dem früheren Leiter des Bibelheims in Oberstdorf. Er verlor an einem Tag drei Söhne durch einen Unfall in den Bergen. Gemeinsam mit seiner Frau rang er darum, wie sie durch die ganze Trauerzeit gehen könnten – wie sie den Schmerz nüchtern aushalten könnten, so dass jeder weiß, wie sehr es sie trifft, und doch der Herr nicht zu Schanden wird.
Hans Krebs fand viele Menschen, die ihn begleiteten. Zum Schluss war da ein Ehepaar aus Hamburg, das in seinem Freizeitheim Urlaub machen wollte. Diese Menschen hatten sich beim Hochwasser retten wollen, doch ihre Eltern hatten sich noch auf einen Schrank gerettet und sind dort ertrunken. Die Frau konnte sich nicht mit dem Tod ihrer Eltern abfinden. Erst dort, bei Hans Krebs, konnten sie von Jesus hören und über ihren erlebten Schmerz sprechen.
Ein anderes Büchlein wurde mir in den letzten Tagen sehr wichtig. Es handelt sich um ein Werk von Christian Friedrich Spittler, dessen hundertster Todestag aktuell vielerorts gedacht wird. Spittler hat viele christliche Werke ins Leben gerufen, darunter das syrische Waisenhaus, Sankt Grishona und die Basler Mission.
Christian Friedrich Spittler war früher Stadtschreiber von Schöndorf. Im Jahr 1813 wurde er von Basel nach Württemberg zurückgerufen, um sich bei der Musterung zu melden, weil Napoleon damals Truppen für den Russlandfeldzug ausheben ließ. Spittler wusste, was das bedeutete. Er hatte sich in Basel vergeblich um das Schweizer Bürgerrecht bemüht, das er noch nicht erhalten hatte.
Nun ordnete er seine Sachen, um im Herrn als junger Mensch zu sterben. Er kam zur Musterung nach Stuttgart, wurde aber aus Gesundheitsgründen freigestellt. Was war die Ursache? In seiner Jugend, als sein Vater gestorben war, wurde er einem Präzeptor anvertraut, der ihn erziehen sollte. Dieser Lehrer war brutal und schlug ihn einmal so heftig, dass sein Mittelfinger steif wurde.
Bei der Musterung wurde gerade dieser steife Finger zu seiner Rettung. Spittler kehrte nach Basel zurück und schrieb immer wieder: "Dank dem Herrn, denn er ist freundlich." Ihr ahnt in eurem Leben gar nicht, wie er erst viel später verstand, warum der Herr seine Leute manchmal schwere Wege führt.
Wie sehr hat ihn das als jungen Menschen belastet, wie wir heute sagen würden, dass er mit dieser Behinderung leben musste! Doch gerade dadurch hat ihm Gott Heil widerfahren lassen. Gott ist viel größer als die Not, der wir gehören. Er ist viel größer als die Not, die uns gerade bedrängen mag.
Herausforderungen im Glauben heute
Vor drei Tagen erhielten wir den Anruf aus Addis Abeba, dass der amtierende Kirchenpräsident der Kale Haywet Kirche, der größten evangelischen Kirche Äthiopiens, Atollako Tesima, keine Ausreise zum Gemeindetag unter dem Wort erhält.
Ich habe immer geglaubt, dass Gott Türen öffnet und dass man mit Gott über Mauern springen kann – egal, wie die Regime unserer Zeit sind. Doch manchmal erkennen wir, dass Gott uns die Siege nicht dort erleben lässt, wo wir es erwarten.
Dennoch wird er seine Geschichte weiterführen, ohne Rücksicht darauf, wie hoch oder dick die Mauern in ihrem Leben auch sein mögen und wie dunkel die Situation vor ihnen erscheint.
Sie können anfangen zu loben, auch wenn sie überall nur dicke Mauern sehen, weil sie wissen: Gott ist größer und weiter, als ich ahnen kann. Und diesem Gott gehöre ich.
Die Verwandlungskraft des Glaubens auf Menschen
Das Zweite, weil Menschen verändert werden können
Es war ja ein ganz schlimmer Mann, dieser Gefängnisaufseher. Das war damals ein Posten für abgehalfterte Offiziere. Zwölfänder hat man früher dafür gesagt. Diese Männer bekamen nach der Kommisszeit noch irgendwo einen Beruf im öffentlichen Dienst, und da konnte man sie brauchen. Er war ein sehr korrekter Mann, stur und hart – so, wie man ihn für diesen Posten brauchte.
Man hat ihm gesagt: Pass gut auf! Daraufhin hat er gleich die schärfsten Erlasse herausgegeben, ins innerste Loch gesperrt, alle Riegel zugezogen und alle Maßnahmen ergriffen, um diese Leute fertigzumachen.
Die Mauern wären gar nicht so schlimm, wenn nicht die Menschen wären. Wahrscheinlich sind die schlimmsten Bedrückungen bei uns die Menschen. Wie kann man einen Menschen verzweifeln lassen? Dann sagten sie richtig: „Ich kann gar nicht mehr singen, weil da so böse Menschen sind, und die spielen mir bös mit.“ Daraus entstehen Rache, Hass und Leidenschaft.
Paulus und Silas waren frei davon. Und jetzt kommt es ganz wichtig: Nicht weil sie glaubten, dass der Mensch edel sei. Sie haben sich nie darüber hinweggetäuscht, wie böse und gemein alles sein kann, was einem widerfährt. Aber sie wussten, dass Jesus Menschen bekehren und verändern kann. Sie wussten: Der Mensch, der mir heute so hassend gegenübertritt, der kann verwandelt werden.
Christen haben eine Hoffnung für die Welt – nicht indem sie der Humanitätsduselei unserer Welt erliegen. Denn das wäre ja gar nicht realistisch, wenn wir dann die ganzen brutalen Geschehnisse von Mord, Folter und Totschlag leugnen würden. Der Mensch ist ein unheimliches Wesen, aber Jesus kann ihn verwandeln. Das erleben sie erst später, aber darum singen sie schon fröhlich. Sie sagen: Nimm das gar nicht so ernst, was der tut. Der ist ja wie ein umgedrehter Handschuh: Wo er vorher drückt und tritt, da spricht er jetzt „Liebe Herren“. Und dann kommt er und wäscht höchstpersönlich die Striemen der Gefangenen ab.
So kann Jesus Menschen verändern.
Wie viele Eltern sitzen unter uns, die voll Kummer über den Lebensweg ihrer Kinder weinen? Jesus kann Menschen verändern, und darum singen wir ihm unsere Lieder und rühmen ihn.
Jesus kann Menschen so umfassend verändern – nicht weil sie im Kern anders sind, sondern weil das Böse als Macht von Jesus überwunden wird, weil Jesus Erlöser ist. Darum haben wir Christen das immer wieder laut zu sagen: das Wort von der Erlösung. Denn anders werden Menschen nicht verändert, und anders entsteht keine neue Welt.
Wenn heute einer meint, er könnte als Christ diese Welt in Frieden und Gerechtigkeit führen, ohne das Wort von der Versöhnung Jesu am Kreuz zu sagen, dann betrügt er die Menschen. Denn er leugnet die Botschaft, die Menschen verändert.
Auch der Kirchmeister wurde nicht einfach neu, sondern man sagte ihm das Wort. In Apostelgeschichte 16,31-32 heißt es: „Sie verkündigten ihm und allen, die in seinem Hause waren, das Wort des Herrn.“ Sie erzählten ihm von der Liebe Jesu am Kreuz.
Die Frage war aufgebrochen: Was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Wie kann mein Leben verändert werden? Wie werde ich von diesem unheimlichen Wesen frei? Jesus, der für dich am Kreuz starb.
Ich verstehe gar nicht, wie Christen heute fragen, ob man das auch noch verkündigen müsste der Welt. Das schließt die Tat doch nie aus. Es hat noch nie jemand gemeint, man müsse nichts Gutes tun. Aber die Frage ist: Kann man Gutes tun, ohne das Wort von der Erlösung Jesu zu verkünden?
Alle Menschen brauchen Erlösung. Sie müssen frei werden von der Macht der Finsternis – durch Jesus, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören. Er wurde Sieger über diesen Kerkermeister in Philippi, über diesen Gefängnisdirektor.
Und das ist Hoffnung für die Welt.
Das königliche Selbstbewusstsein der Christen
Und ein Letztes: Sie singen, weil sie ein königliches Selbstbewusstsein haben. Das möchte ich noch gerne anfügen, weil unter Christen oft ein falsches Demutsverständnis herrscht. Man hört immer wieder, wie sich Menschen selbst kleinreden. Noch einmal: Was wir schon oft gesagt haben – dieses Reden „Ach, ich bin ja nichts und ich tauge nichts“ ist nichts weiter als eine verdeckte Selbstliebe, ein Stück Heuchelei. Das sagt man nur, damit der andere antwortet: „Nein, du bist prima und klasse, und wie du alles machst!“
Christen wissen schonungslos um die Macht des Bösen in ihrem Leben. Wir sind verlorene, sündige Menschen. Aber wir wissen auch um unsere Würde. Jesus hat uns angenommen. Als Paulus und Silas im Gefängnis geprügelt wurden, konnte das ihr Selbstbewusstsein nicht dämpfen. Sie wussten, dass sie Eigentum Jesu waren und die Hand Jesu auf ihnen lag – auch wenn ihr Leib zerbricht. Auch in der Todesstunde dürfen sie festhalten: Ich bin Jesu Eigentum. Das ist doch eine Würde.
Nun leben sie das in wunderbarer Weise. Am nächsten Morgen, und das sind ja die, die die Briefe austragen – da kommt von der Stadtverwaltung dieser Mann mit der Umhängetasche ins Gefängnis und sagt, sie können gehen. Nein, so nicht! Sie lassen sich nicht so behandeln. Nicht, dass sie herumschreien oder Proleten sind, nicht, dass sie Fahnen schwenken, gar nichts. Aber sie wollen, dass die Würde Jesu ausstrahlt.
Das muss ich kurz erklären, warum. Bevor man sie geschlagen hat, haben die Bürger von Philippi sehr stolz gerufen: „Es ziemt sich nicht für Römer, an Jesus zu glauben!“ (Vers 21). „Wir wollen diese Lehre nicht annehmen, nicht befolgen, weil wir Römer sind. Römer können doch nicht Jesusjünger sein.“
Und weil Paulus und Silas dieses Selbstbewusstsein haben – und Christen sollen immer ein großes Selbstbewusstsein haben –, wollen sie, dass auch die Sache Jesu in unserer Welt würdig vertreten wird. Sie wollen die Sache Jesu nicht beschmutzen.
Sagen Sie, richtet das den Chefs mal aus, dort in der Rechtsabteilung: „Wir haben einen Pass dabei, einen römischen Pass.“ Da sind die erschrocken. Denn ein Römer konnte sich an jedem Ort des Römischen Reiches auf das kaiserliche Gericht in Rom berufen. Jetzt bekamen sie Angst um ihre Karriere. Sie kamen her, und Paulus ruhte nicht eher, bis sie ihren Zylinder mitbrachten und sich feierlich entschuldigten – nicht wegen seines Ruhms, sondern um der Sache Jesu willen.
Mir gefällt dieses Selbstbewusstsein so, weil es ja ein missionarisches Anliegen ist, dass es in Philippi deutlich wird – auch zum Schutz der wenigen Christen, die dort sind. „Wir sind Römer, aber wir sind Jesu Jünger.“ Und sie waren bereit, um Jesu Willen Schmach zu leiden. So wie im Kapitel 5 gesagt wird, dass sie sich freuten, weil sie würdig gewesen waren, um Jesu Willen Schmach zu leiden.
Das alles hat Gott geschehen lassen, weil er über dieses Erlebnis in der Tiefe seine Gemeinde bauen wollte – in Europa. Nur durch solche Zeichen konnte das Evangelium in diese dunkle Heidenwelt hineingebracht werden.
Schluss: Die Berufung zum Lob Gottes trotz aller Widerstände
Jetzt wissen Sie, warum Gott Sie braucht und warum Ihr Leben so viel Schwere, Mauern und böse Menschen enthält, die Sie ängstigen und bedrücken. Gerade dort sollen Sie das Lob Gottes singen und es vor der Welt verkündigen – in einem wunderbaren Selbstvertrauen.
Gott braucht mich, Gott leitet mich, er segnet mich, weil ich seine liebende Hand fassen darf. Ich darf dieser Welt die befreiende Botschaft bringen.
Das müssen Sie hören, auch wenn andere sich auf ihr römisches Bürgerrecht verlassen. Ich habe ein besseres Bürgerrecht, das ewige Bürgerrecht, von dem Paulus so viel geschrieben hat. Darauf gehe ich zu, und ich will es antreten. Schon jetzt darf ich in dieser Welt verkündigen, dass der Name Gottes laut verherrlicht werde in unserer Welt.
Amen.