Wer von Ihnen hat schon einmal Medikamente nehmen müssen? Vielleicht gibt es hier sogar einige, die das regelmäßig tun – nicht nur einmal im Jahr, wenn sie krank sind oder ins Krankenhaus müssen. Mit zunehmendem Alter treten oft Gebrechen auf, und dann nimmt man regelmäßig kleine Dosen von Medikamenten ein.
Ich möchte Ihnen heute Morgen beziehungsweise in dieser Woche ein Medikament mitgeben. Allerdings ist es weniger ein Medikament für den Körper, sondern vielmehr eines für die Seele.
Der Kirchenvater Chrysostomus – das bedeutet auf Deutsch so viel wie „Goldmund“ – wurde so genannt, weil er so gut predigen konnte. Er hat sich selbst ein Rezept ausgestellt: zweimal in der Woche den Römerbrief. Er ließ sich den ganzen Römerbrief zweimal wöchentlich vorlesen, weil er meinte, dass das so wichtig sei und ihm so gut tue. Für ihn war das ein Heilmittel, ein gutes Medikament für seine Seele.
Er war nicht der Einzige, der den Römerbrief besonders schätzte. Vielleicht erinnern Sie sich: In diesem Jahr feiern wir wieder ein Lutherjubiläum. Luther selbst ist zum Glauben gekommen, indem er den Römerbrief gelesen hat. Für ihn war die entscheidende Frage: Wie finde ich einen gnädigen Gott? Er dachte, er müsste von Gott wegen seiner Sünde verurteilt werden. Wie kann ich einen Gott finden, der mir vergibt und mich zu sich lässt?
Im Römerbrief las er: „Aus Gnaden wird der Mensch gerettet, aus Gnaden kommt der Mensch zu Gott.“ Das war für ihn entscheidend. Luther hat das später auch aufgeschrieben. In der Vorrede zu seinem Römerbrief-Kommentar schrieb er: „Dieser Brief ist das Hauptbuch des Neuen Testaments, das reinste Evangelium. Er verdient von jedem Christen nicht nur Wort für Wort auswendig gelernt zu werden, sondern auch Gegenstand seines täglichen Nachdenkens, das tägliche Brot der Seele zu sein. Je mehr man sich mit ihm beschäftigt, desto kostbarer wird er, desto herrlicher erscheint er.“ Damit meinte er eben den Römerbrief.
Auch Luthers Kollege Melanchthon, Professor und Kollege in Wittenberg, schätzte den Römerbrief sehr. Er hat ihn sogar zweimal vollständig mit der Hand abgeschrieben, um ihn möglichst tief zu verinnerlichen.
Ich weiß nicht, ob Sie das machen. Ich möchte niemanden auffordern, wie Chrysostomus jede Woche zweimal den Römerbrief zu lesen – Sie sind ja nur zwei Wochen hier. Also viermal den Römerbrief bis zum Ende unserer Zeit hier zu lesen, sicherlich nicht. Auch nicht, den Römerbrief zweimal abzuschreiben, wie Melanchthon es getan hat.
Aber ich möchte Sie ermutigen, neben den Texten, die Sie für Ihre stille Zeit lesen, auch einmal im Römerbrief zu lesen. Wir wollen die Zeit hier am Morgen jeweils dazu nutzen, gemeinsam den Römerbrief kennenzulernen und einzelne Abschnitte daraus zu betrachten.
Dafür habe ich Ihnen ein Blatt fotografiert und ausgeteilt. Für diejenigen, die es noch nicht bekommen haben: Ich habe hier vorne noch einige Exemplare liegen. Sie können sich gerne am Ende der Stunde eines nehmen.
Für jeden Tag, an dem wir uns hier am Morgen treffen, habe ich einen Bibeltext ausgesucht und ein Thema dazu genannt.
Heute ist Freitag, und das Thema lautet: „Wer, Was, Warum?“ – also: Wer hat den Römerbrief geschrieben? Was steht überhaupt im Römerbrief? Und warum wurde der Römerbrief geschrieben? Es ist eine Einleitung in den Römerbrief.
Dazu habe ich die Verse 1 bis 15 aus dem ersten Kapitel des Römerbriefs angegeben. Ich habe jeweils zwei Texte angegeben: einmal steht dort „Text“ und dann die wichtigsten Verse. Für heute ist das dasselbe, weil es nicht sehr viel ist.
Für diejenigen, die sich herausfordern lassen wollen, neben all dem, was Sie hier tun, lesen und besprechen, habe ich den ganzen Römerbrief zum Durchlesen empfohlen. Für diese gilt immer die erste Angabe: Text Römer 1,1-15.
Für diejenigen, die nicht so viel Zeit haben oder vielleicht etwas anderes aus dem Wort Gottes lesen möchten, habe ich die wichtigsten Verse angegeben. Mit diesen wollen wir uns insbesondere in der jeweiligen Morgenandacht beschäftigen.
Überblick über die geplante Beschäftigung mit dem Römerbrief
Ich gehe kurz durch, womit wir uns hier in der Freizeit beschäftigen werden.
Am Sonntagmorgen im Gottesdienst ist das Thema: Gott erkennen ist Leben. Dies ist eine Abwandlung des Wortes von Leo Tolstoi, der sagte: „Gott kennen ist Leben.“ Hier lautet es: Gott erkennen ist Leben.
Am Montag beschäftigen wir uns mit dem Thema: Tue Recht und scheue keine Gefahren für gute Menschen.
Am Dienstag steht Abraham im Mittelpunkt: Vertrauen als Erfolgsrezept. Damit wollen wir uns an diesem Tag beschäftigen.
Am Mittwoch lautet das Thema: Sündigen erlaubt? Können wir als Christen nun ganz einfach sündigen, weil uns ja sowieso alles vergeben wird?
Am Donnerstag geht es um den Wert des Gesetzes – eine Frage des Überlebens.
Am Freitag, dem siebten oder sechsten (bitte Datum prüfen), beschäftigen wir uns mit dem Thema: Nie mehr allein – der beste Partner. Vielleicht sagen manche von Ihnen: „Ja, ich bin doch schon verheiratet“ oder „Ich war verheiratet und mein Mann, meine Frau war der beste Partner.“ Hier wollen wir uns aber damit auseinandersetzen, was wir im Römerbrief über den besten Partner finden.
Am Samstag in einer Woche steht das Thema „Befreites Leben – noch einmal neu anfangen“ auf dem Programm.
Am Montag, dem vorletzten Tag unserer Freizeit, lautet das Thema: Aus Liebe leben – die Revolution des Alltags. Wie kann Liebe unser Leben verändern?
Am Dienstag, wenn wir uns das letzte Mal für den Römerbrief zusammensetzen, steht das Thema unter dem Titel: „Wir stehen zusammen – eine große Familie.“
Die Texte können Sie sich selbst dazu anschauen. Wir machen es so, weil wir ja doch eine etwas größere Gruppe sind. Zum äußeren Ablauf werde ich jeweils zu Beginn jeder Morgenstunde den kurzen Text, die wichtigsten Verse, vorlesen und dann etwas dazu weitergeben.
Wer Fragen hat, dem möchte ich gern die Möglichkeit geben, diese zu besprechen. In der Stunde selbst ist das jedoch nicht möglich, weil wir zu viele sind. Sonst kämen wir wahrscheinlich gar nicht weiter. Das wäre zwar spannend, aber deshalb besteht die Möglichkeit, jeweils nach der Morgenstunde auf mich zuzukommen. Dann können wir uns zusammensetzen und miteinander sprechen.
Auch am Nachmittag, nach dem Mittagessen oder nach dem Kaffeetrinken, am Ententeich oder beim Spaziergang, können wir uns gerne noch weiter unterhalten.
Wenn es eine ganz wichtige Frage ist, werde ich sie auch beim nächsten Mal ansprechen, sofern sie für alle interessant ist, in der nächsten Morgenstunde.
Historischer und geographischer Kontext des Römerbriefs
Heute beschäftigen wir uns mit der Einleitung in den Römerbrief. Zunächst habe ich eine Karte vom damaligen Römischen Reich. Paulus lebte ja zu dieser Zeit im Römischen Reich. Nur damit wir die Orientierung haben: Hier ist Rom, hier ist Italien. Deutschland gab es damals noch nicht. Etwa hier, wo heute Schleswig-Holstein liegt, ungefähr dort müssten wir sein. Das hier wäre heute Deutschland. Belgien war damals ziemlich groß und all diese Gebiete waren römische Provinzen. Das sah damals also etwas anders aus.
Wenn wir über den Autor des Römerbriefs sprechen, brauchen wir, glaube ich, gar nicht viel nachzufragen oder uns viele Gedanken zu machen. Wer ist der Autor des Römerbriefs? Paulus. Das finden wir auch schon in den ersten Versen des Römerbriefs. Dort schreibt er das nämlich selbst. Wir lesen: Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel usw. Hier schreibt Paulus selbst. Auch an den Grüßen, die er am Ende des Briefes sendet und während des Textes, können wir ganz offen sagen: Das muss Paulus gewesen sein. Niemand anders kann diesen Brief geschrieben haben.
Dann stellt sich die Frage, wann und wo dieser Römerbrief wohl geschrieben wurde. Das ist nicht so einfach, denn Paulus schreibt in seinem Brief nicht direkt darüber. Heute sind wir es gewohnt, dass wir bei Briefen das Datum und den Ort angeben. So weiß jeder, wann und wo der Brief geschrieben wurde – vorausgesetzt, wir haben das Datum richtig notiert. Paulus hat das hier nicht getan. Aber wir haben einige Hinweise im Römerbrief, wenn wir genau hinschauen.
So finden wir beispielsweise in Römer 16, Vers 23 den Hinweis auf Gaius. Gaius grüßt die Christen in Rom. Diesen Gaius finden wir auch im 1. Korintherbrief wieder. Er war jemand, der Paulus aufgenommen hat, als dieser auf seiner dritten Missionsreise in Korinth war. Ebenfalls finden wir einen Hinweis auf Erastus, den wir im 2. Timotheusbrief wiederfinden. Auch er lebte in Korinth.
Im Römer 15 lesen wir, dass Paulus nach dem Schreiben des Römerbriefs vorhatte, mit einer Gabe, einer Kollekte, die er von den Gemeinden in Kleinasien eingesammelt hatte, nach Jerusalem zu gehen. In dieser Region war er während seiner dritten Missionsreise unterwegs, hat gepredigt, die Christen im Glauben angeleitet und Geld gesammelt – nicht für sich selbst, sondern für die Gemeinde in Jerusalem. Dort ging es den Christen schlecht; sie lebten in Armut, und es hatte in den Jahren zuvor eine Hungersnot gegeben.
Paulus plante also, nach Jerusalem zu reisen, um die Gabe zu übergeben. Wenn wir in die Apostelgeschichte schauen, etwa Apostelgeschichte 20, Vers 2, wird von diesem Aufenthalt berichtet: Paulus war in Mazedonien und Griechenland, kam dann zurück nach Troas und wollte von dort aus nach Jerusalem reisen, um die Gabe zu übergeben. Im Römerbrief schreibt er, was er danach vorhatte. Das lesen wir auch in anderen Briefen von ihm: Er hatte ein großes Ziel.
Paulus war auf seinen Missionsreisen zunächst in Kleinasien unterwegs, dann wurde er im Traum nach Europa gerufen. Er kam nach Griechenland und predigte in diesem Gebiet. Was hatte er noch vor? Paulus war begeistert davon, die Botschaft Jesu den Heiden weiterzugeben. Er wollte zunächst nach Rom gehen, um dort der Gemeinde Jesus Christus groß zu machen und das Evangelium zu predigen. Danach plante er, nach Spanien zu reisen – ganz ans andere Ende des Mittelmeers. Dort hatten die Menschen noch nichts von Jesus Christus gehört, und Paulus wollte sie erreichen.
Jesus selbst hatte ihn beauftragt, das Evangelium den Heiden zu verkünden – das geschah, als Paulus vor Damaskus war und später von der Gemeinde ausgesandt wurde. Paulus plante also, nach Jerusalem zu gehen, dann in Rom einige Zeit zu bleiben, die Gemeinde zu ermutigen und aufzubauen. Von Rom aus wollte er mit Begleitern nach Spanien reisen, um dort das Evangelium zu predigen.
Doch es kam anders. Wer kürzlich die Apostelgeschichte gelesen hat, weiß, dass in Jerusalem alles anders verlief, als Paulus es geplant hatte. Zwar traf er die Gemeinde, aber ihm geschah etwas anderes. Er wurde in Jerusalem verhaftet, zuerst im Gefängnis festgehalten, dann nach Caesarea gebracht und dort ebenfalls eingesperrt. Schließlich berief er sich auf den Kaiser, woraufhin man ihn nach Rom abschob.
In Rom war Paulus lange Zeit in Gefangenschaft. Wir lesen davon in den sogenannten Gefangenschaftsbriefen im Neuen Testament, die er aus dem Gefängnis schrieb. Vielleicht wurde er kurz freigelassen, aber wahrscheinlich wurde er Mitte der 60er Jahre nach Christus, etwa 64 oder 65, in Rom hingerichtet.
Paulus reiste also von Kleinasien über Korinth – hier auf der Karte sehen wir Korinth, eine große Hafenstadt auf dem Peloponnes an der Meerenge – nach Jerusalem, dann in Gefangenschaft nach Rom. Dort traf er die Gemeinde, aber das wusste er zum Zeitpunkt des Schreibens des Römerbriefs noch nicht.
Wir wissen aus der Apostelgeschichte und Paulus’ dritter Missionsreise, dass der Brief etwa im Jahr 55 geschrieben wurde. Etwa zehn Jahre später wurde Paulus in Rom hingerichtet.
Übrigens gibt es noch einen direkten Hinweis im Römerbrief: Am Ende finden wir einen Hinweis auf die Überbringerin des Briefes, die Phoebe aus Kenchreä. Kenchreä ist der Hafen von Korinth. Paulus bittet die Römer, sie gut aufzunehmen. Wahrscheinlich brachte diese Frau den Römerbrief nach Rom.
Damals gab es keine Post wie heute, wo man einen Brief am Schalter aufgeben kann und dieser zugestellt wird. Stattdessen musste jemand den Brief persönlich mit Schiff, zu Fuß oder mit Pferden überbringen. Wahrscheinlich war Phoebe diese Überbringerin. Kenchreä ist ein Hafenort bei Korinth, und das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der Brief wahrscheinlich von Korinth aus abgeschickt wurde.
Die Empfänger des Römerbriefs und die Gemeinde in Rom
Jetzt sollen wir uns noch mit der letzten Frage beschäftigen oder mit der vorletzten, bevor wir in den Brief einsteigen. Und das ist die Frage: An wen wendet sich dieser Brief überhaupt? Sicher, wir wissen jetzt, an die Römer. Aber damit sind ja nicht alle Bewohner Roms gemeint. So wie wir im Geschichtsunterricht von den alten Römern hören, müssen die ja nicht gemeint sein. Sondern wer ist denn damit gemeint? Die Gemeinde in Rom, ganz genau.
Und wie müssen wir uns die denn vorstellen? Gab es da eine Kirche, eben so wie die Matthäusgemeinde in Bremen? Obwohl es ja auch mehrere in Bremen gibt, schreibt Paulus jetzt eben an die Christen in Rom. Und das ist eine große Kirche und eine große Gemeinde. Wie müssen wir uns das damals vorstellen? Ganz genau. Wir lesen nämlich später auch noch am Ende des Römerbriefs die Grüße, wo Paulus die Grüße ausspricht. Da sagt er: „Grüße die, die sich in deinem Haus versammeln.“ Da nennt er verschiedene Namen, er nennt mehrere, drei, vier Namen. In diesen Häusern versammelten sich die ersten Christen.
Das waren so eine Art größere Hauskreise, denn damals waren die Christen ja noch nicht ganz offiziell verboten, aber zumindest schon verfolgt. Deshalb wird Paulus ja später auch hingerichtet. Wir wissen, dass es um das Jahr 45 herum, also zu dieser Zeit, der römische Schriftsteller Sueton davon berichtet, dass es eine Verfolgung gab. Der römische Kaiser ließ die Christen verfolgen. Sie mussten aus Rom auswandern.
Damals sind eben auch Priscilla und Aquila, die wir ja bei Paulus wieder treffen, unter anderem in Korinth, ausgewandert. Sie mussten weggehen, weil damals, so berichtet Sueton, eine Sekte derjenigen, die sich Christen nennen, Unruhe in Rom stiftete. Deshalb wurden sie vertrieben. Aber kurze Zeit später sehen wir das wieder, denn beispielsweise am Ende des Römerbriefs grüßt Paulus Priscilla und Aquila in Rom. Die sind also wieder zurückgegangen. Sie hatten ein Geschäft, ein Tuchmacher- oder Zeltmachergeschäft, und sind wahrscheinlich, nachdem das Verbot der Christen aufgehoben wurde, wieder zurück nach Rom gegangen.
Die Empfänger sind also eine Gemeinde, die sich in kleinen Hauskreisen versammelte. Und das sind sowohl Judenchristen als auch Heidenchristen. Wir finden im Römerbrief sehr viele Zitate, etwa 40 verschiedene, aus dem Alten Testament. Paulus bringt diese Zitate immer wieder, um den Juden zu zeigen: „Seht ihr, das wurde doch schon vorausgesagt im Alten Testament!“ Viele Kapitel, etwa Kapitel 9, 10 und 11, enthalten Hinweise auf Israel. Wir finden Hinweise auf Abraham, gerade auch im ersten Kapitel. Das sind alles Hinweise, die uns zeigen, dass es sich um Leute handelt, die sich im Alten Testament gut auskennen. Das sind sehr wahrscheinlich Juden.
Wir sehen dann auch noch in der nächsten und übernächsten Stunde, dass Paulus immer darüber spricht, wie Gott mit den Heiden umgeht und wie Gott mit den Juden umgeht. Also können wir davon ausgehen, dass es eine Gemeinde war, in der Judenchristen und Heidenchristen zusammen waren.
Besonderheiten des Römerbriefs im Vergleich zu anderen Paulusbriefen
Etwas ganz Besonderes ist noch am Paulusbrief, genauer gesagt am Paulusbrief an die Römer. Was unterscheidet den Römerbrief von allen anderen Briefen, die Paulus schreibt? Das ist eine schwierige Frage. Ich muss vielleicht noch einige kleine Hilfen dazu geben.
Den Brief an die Korinther schreibt Paulus, nachdem er in Korinth gewesen ist, dort missioniert und die Gemeinde gegründet hat. Den Brief an die Epheser schreibt er ebenfalls an eine Gemeinde, die er selbst gegründet hat. Wie ist das aber mit dem Brief an die Römer? Paulus war dort noch nie gewesen, er hat die Gemeinde nicht gegründet und eigentlich überhaupt nichts mit der Gemeinde zu tun!
Die Empfänger sind Christen, von denen wir nicht einmal wissen, wie sie zum Glauben gekommen sind. Wir wissen nur, dass es plötzlich Christen in Rom gab. Hat denn jemand eine Idee oder einen Vorschlag, wie die Gründung der ersten Gemeinde in Rom möglich gewesen sein könnte?
Eine Möglichkeit wären zum Beispiel Kaufleute wie Priska und Aquila. Auf ihren Geschäftsreisen könnten sie irgendwo anders vom Evangelium gehört und zum Glauben gekommen sein. Danach sind sie zurückgekehrt. Das ist eine denkbare Möglichkeit. Rom hatte ja auch einen großen Hafen, den es heute immer noch gibt. Dort waren also auch Schiffsleute, die zum Beispiel in Jerusalem oder in Haifa gewesen waren oder in Kleinasien oder Griechenland vom Glauben gehört hatten.
Vielleicht gab es die Gemeinde aber auch noch früher. Wir lesen ja, dass die Gemeinde mit dem Pfingstfest gegründet wurde – man könnte es den Geburtstag der Gemeinde nennen. Diesen hatten wir nämlich gerade vor kurzem gefeiert. Vorher gab es nur den Kreis der Jünger. Dann wurde der Heilige Geist ausgegossen, Petrus predigte, und 3.000 Menschen kamen an diesem ersten Tag zum Glauben. In den nächsten Tagen wurden es noch viel mehr.
Dabei sehen wir, dass Menschen aus aller Herren Länder dort waren. Es wird aufgezählt, dass sie aus verschiedenen Gegenden des Mittelmeerraums kamen. Die Juden waren nach Jerusalem gekommen, um das Pfingstfest, das Wochenfest, zu feiern – so wie es bei den Juden üblich war. Dort hatten sie vom Evangelium gehört und sind zum Glauben gekommen. Manche blieben in Jerusalem, andere kehrten in ihre Heimatorte zurück.
Die Juden lebten damals in vielen Städten rund um das Mittelmeer, oft als Handelsleute. Teilweise waren sie auch vertrieben worden, nachdem die Römer Israel erobert hatten. So wissen wir, dass es überall plötzlich Menschen gab, die an Jesus Christus glaubten und die beim Pfingstfest zum Glauben kamen – vielleicht auch in Rom. Das wissen wir nicht genau, denn Namen aus dieser Zeit sind uns nicht überliefert.
Das sind also einige Überlegungen zu den Empfängern des Römerbriefs.
Überblick über den Aufbau und die Themen des Römerbriefs
Und nun wollen wir in einem kleinen Streifzug durch die Kapitel des Römerbriefes gehen, um uns ein Bild von dem Ziel und der Ausrichtung des gesamten Briefes zu machen. Was will Paulus dort überhaupt? Was möchte er der Gemeinde in Rom mitteilen?
Der Brief ist in vier große Abschnitte eingeteilt. Zunächst gibt es den Gruß, in dem Paulus sich vorstellt. Er erklärt, was er überhaupt will und welche Beziehung er zur Gemeinde in Rom hat. Danach stellt er das Thema des Briefes vor: die Gerechtigkeit aus dem Glauben.
Zur Gerechtigkeit aus dem Glauben unterscheidet Paulus. Er sagt, Gott geht unterschiedlich mit den Heiden und den Juden um, wenn sie zum Glauben kommen. Die Frage ist: Kann jemand, der als Jude geboren wurde, von sich aus zu Gott kommen? Und kann jemand, der als Heide geboren wurde und nichts von den Gesetzen des Alten Testaments weiß, zu Gott kommen?
Gott ist zornig über die Heiden. Als unparteiischer Richter bevorzugt er die Juden oder die Heiden? Hat der Jude vor Gottes Gericht Vorteile durch die Beschneidung? Oder sind die Juden schließlich genauso wie alle anderen Menschen auch?
Paulus kommt auf das Versprechen Gottes zu sprechen. Wenn Gott einmal eine Zusage macht, hält er sich daran oder nicht? Dann folgt Gottes Anklage gegen die gesamte Menschheit. Es gibt keine Unterschiede: Sowohl die Juden als auch die Heiden sind von Gott verurteilt.
Im sechsten Punkt geht es um die Offenbarung der Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus Christus. Paulus bestätigt die Glaubensgerechtigkeit anhand von Abraham, der als Vorbild im Glauben gilt. Wir wollen noch genau hinschauen, was das Besondere an Abraham ist.
Dann folgt der zweite große Teil: das neue Leben aus Gott. Wenn jemand ein neues Leben mit Gott begonnen hat, wenn jemand durch Jesus Christus Zugang zu Gott gefunden hat, bleibt das Leben gleich oder verändert sich etwas? Diese Frage will Paulus hier beantworten.
Er spricht von den Früchten der Gnade, den Früchten des Glaubens und des Geistes. Der Heilige Geist wirkt in uns und verändert uns innerlich. Es entsteht ein neuer Mensch durch Jesus Christus, der frei von der Sünde ist.
Das ist eine Veränderung, die der Heilige Geist in uns bewirkt, wenn wir zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind: die Freiheit vom Gesetz. Dabei ist mit Gesetz nicht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gemeint, sondern das Gesetz des Alten Testaments, das Gott dem Volk Israel als Leitlinie gegeben hat.
Das neue Leben im Heiligen Geist zeigt sich in der Gotteskindschaft durch den Geist. Der Heilige Geist verändert uns innerlich und macht uns zu neuen Menschen. Er gibt uns Hoffnung, auch wenn wir am Ende unseres Lebens stehen. Diese Hoffnung geht über den irdischen Tod hinaus.
Paulus spricht auch vom Plan Gottes mit dem einzelnen Christen, aber auch mit der Welt. Die Gewissheit im Glauben, die wir haben können, entsteht, weil der Heilige Geist Zeugnis in unserem Geist gibt, dass wir Kinder Gottes sind.
Der dritte, vorletzte Teil beschäftigt sich mit der Glaubensgerechtigkeit und Israel. In den Kapiteln 9 bis 11 geht Paulus ausführlich auf die Position Israels ein. Jesus Christus ist gestorben, doch Israel hat ihn abgelehnt. Trotzdem hat Gott noch einen Plan mit dem Volk Israel.
Im letzten Teil geht es um das Leben im Glaubensgehorsam. Paulus fragt, ob das Alte Testament mit seinen Geboten für uns noch gilt. Können wir dann tun, was wir wollen? Ist einfach alles erlaubt? Oder gibt es Auswirkungen, die das für uns hat?
Er sagt dann das bekannte Wort, dass alle Gebote in einem einzigen zusammengefasst sind – nämlich in welchem, dazu kommt er noch. Anschließend zeigt er ausführlich, was es bedeutet, den Nächsten zu lieben.
Am Ende folgen noch ausführliche Grüße. In keinem anderen Brief grüßt Paulus so viele Einzelpersonen wie im Römerbrief. Diese hat er zwischenzeitlich alle in Kleinasien kennengelernt, wo sie alle vertrieben worden sind.
Für den Fall, dass das etwas unübersichtlich war, hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung: Wenn wir uns mit dem Römerbrief beschäftigen, dann ist Kapitel 1 der missionarische Anlass – warum Paulus überhaupt schreibt.
Kapitel 1 bis 3 behandeln das Warum der Rettung – warum der Mensch überhaupt errettet werden muss. Kapitel 4 bis 5 erklären das Wie der Rettung. Kapitel 6 bis 8 zeigen das Wozu, also das Ziel, warum der Mensch errettet wird.
Kapitel 9 bis 11 beschäftigen sich mit Israel. Kapitel 12 bis 15 behandeln das Leben aus der Rettung. Und Kapitel 15 und 16 gehen erneut auf den missionarischen Anlass ein – warum Paulus sich an die Römer wendet.
Soweit zur Einleitung und zum Rahmen, mit dem wir es im Römerbrief zu tun haben.
Auslegung der Verse 1 bis 15 aus dem ersten Kapitel des Römerbriefs
Und jetzt möchte ich die letzten Minuten dazu nutzen, um uns die Verse anzuschauen, die ich für heute Morgen angegeben habe. Es sind die Verse 1 bis 15 aus dem ersten Kapitel des Römerbriefes.
Da wir heute zeitlich etwas knapp dran sind, werde ich die einzelnen Verse nicht der Reihenfolge nach vorlesen. Stattdessen gehe ich Vers für Vers vor und teile zu jedem einzelnen einige Gedanken mit.
Als ich den Römerbrief in der Vorbereitung oft durchgelesen und mich mit den Versen auseinandergesetzt habe, dachte ich mir: Eigentlich könnten wir schon nur die ersten zehn Verse nehmen und bei unserer Freizeit jeden Morgen nur einen Vers behandeln. So viel steckt darin.
Das werden Sie vielleicht gleich merken, denn manche Dinge, über die wir so leicht hinweglesen, sind doch ganz bedeutsam – und das nur am Anfang des Römerbriefs.
Der Anfang des Römerbriefs lautet: Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes.
Zunächst lesen wir hier über den Knecht. Paulus nennt sich oft noch Knecht. Im Galaterbrief 1, Vers 10 spricht er darüber: „Wenn ich noch Menschen gefiele, so wäre ich Christi Knecht nicht.“ Er sagt also: Ich bin ja Christi Knecht, deshalb suche ich nicht, den Menschen zu gefallen.
Am Anfang des Philipperbriefs, im ersten Vers, heißt es ebenfalls: „Paulus und Timotheus, Knechte Christi, allen Heiligen, die in Christus sind, in Philippi.“ Auch dort nennt er sich Knecht.
Wenn wir uns Paulus einmal vor Augen führen, könnten wir sagen: Der hätte doch allerlei anderes aufzuweisen. Er hätte schreiben können: Jesus, der mir erschienen ist, mit dem ich selbst gesprochen habe; der große Pharisäer, der bei Gamaliel eine geistige Größe seiner Zeit war; der große Völkerapostel und Heidenmissionar, der schon seit Jahrzehnten mit Jesus Christus lebt; derjenige, der tausende Kilometer in seinem Auftrag für die Predigt des Evangeliums zurückgelegt hat.
Das hätte er alles schreiben können, ja, er hätte noch viel mehr schreiben können. Aber das tut er nicht. Das Erste, wie er sich nennt und vorstellt der Gemeinde in Rom, ist: Knecht.
Und Knecht müssen wir uns in der damaligen Zeit etwas anders vorstellen. Das ist nicht so, wie wir das heute kennen oder wie es einige von Ihnen aus der Jugend kennen. Dort gab es auf Bauernhöfen Knechte, die lebten und arbeiteten dort. Manchmal waren das auch Familienmitglieder, die nicht geheiratet hatten und als Knechte oder Mägde auf dem Hof waren.
Aber die Knechte zur Zeit des Paulus waren etwas anderes: Das waren Sklaven. Jemand, der nicht mehr über sein eigenes Leben bestimmen konnte, dessen Wille gänzlich im Willen eines anderen, nämlich seines Herrn, aufging.
Hier sagt Paulus: Ich bin nicht frei. Damals war es das größte Schimpfwort, jemanden als Sklaven zu bezeichnen. Wenn ich sage: Du bist ein Sklave, bedeutet das, du bist kein Mann.
Ich habe einmal nachgelesen: Ein Sklave hatte seinem Herrn zu dienen. Wenn er ihm ein paar Kristallgläser mit etwas zu trinken brachte und stolperte, fiel ein Glas zu Boden und zerbrach, konnte der Herr ihn hinterher töten. Das war rechtens, er wurde nicht verurteilt.
So behauptet Paulus nun, er sei Knecht. Aber er ist kein Knecht von irgendeinem willkürlichen, unmöglichen Herrn. Er ist Knecht Christi Jesu. Er ist der Knecht von Jesus Christus.
Und Jesus Christus ist hier mehr als nur eine Bezeichnung eines Namens, wie etwa Franz Müller. Hier meint dieser Name Jesus Christus den Ausdruck des Glaubens.
Paulus sagt: Ich bin Knecht von diesem Jesus, der in Nazaret geboren wurde, der Messias ist. Denn Christus ist kein Vor- oder Nachname, sondern ein Titel. Christus heißt der Messias, der von Gott gesandte Befreier seines Volkes.
Da bekennt Paulus: Sklave bin ich, ich bin willenlos, ich tue, was Jesus Christus von mir will, ich gehe ganz darin auf.
„Ausgesondert für das Evangelium Gottes“ – das ist eine Aufgabe, die er sich in seinem Leben gestellt hat.
Wir wollen weitergehen, weil uns sonst die Zeit wegläuft, zum zweiten Vers.
Vers 2: „Das Evangelium, das er durch seine Propheten in heiligen Schriften vorher verheißt hat.“
Also: Ausgesondert für das Evangelium, das Jesus Christus durch seine Propheten beziehungsweise Gott in heiligen Schriften vorher verheißt hatte.
Hier ist nichts ganz Neues. Das Evangelium, das Paulus predigt und das Jesus verkündet hat, ist nicht etwas, was er erfunden hat. Es ist die Erfüllung des Alten Testaments.
So lesen wir im Lukas 1, Vers 70, wie Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von Ewigkeit her geredet hat. Oder im Titus 1, Vers 2: „In der Hoffnung des ewigen Lebens, die Gott, der nicht lügt, von ewigen Zeiten her verheißt hat.“
Das, was Jesus gepredigt hat, ist also schon lange Jahrhunderte vorher angekündigt worden. Gott hat sein Volk lange Zeit darauf vorbereitet.
Vers 3: „Über seinen Sohn, der aus der Nachkommenschaft Davids gekommen ist, dem Fleisch nach.“ Ich lese gleich den nächsten Vers mit.
„Und als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt, dem Geist der Heiligkeit nach, aufgrund der Totenauferstehung, Jesus Christus, unseren Herrn.“
Hier haben wir zusammengefasst, wofür die Kirche jahrhundertelang gebraucht hat, um es zu formulieren. Hier sind ganz wichtige Aussagen über Jesus Christus enthalten.
Welche Aussagen über Jesus Christus sind hier enthalten? Kann mir das jemand sagen?
Hier wird eine ganz wichtige Aussage über Jesus Christus gemacht: die Auferstehung.
Das ist ein Hinweis auf seine Göttlichkeit, dass er nicht im Tod geblieben ist, sondern den Tod besiegt und überwunden hat.
Es wird uns auch etwas über das Wesen Jesu gesagt: Ja, glaubt ruhig, er ist der Sohn Gottes, er steht in ganz enger Verbindung mit Gott.
Und was wird uns noch gesagt? Vom Heiligen Geist wird uns auch berichtet, vom Geist der Heiligkeit.
Dann haben wir hier nämlich: In Vers 3 steht, dass Jesus aus dem Geschlecht Davids stammt. Das heißt, Jesus ist dem Fleische nach ein Nachkomme Davids, also ganz Mensch.
Jesus ist vollkommen Mensch, wie wir im Hebräerbrief lesen. Jesus wurde versucht wie wir, er hatte Hunger wie wir, er war traurig über Jerusalem, wo er weinte, wie wir das auch kennen.
Er war Mensch wie wir.
Und doch wird gesagt: Er ist Sohn Gottes, erfüllt von der Kraft des Heiligen Geistes, er ist auch Gott.
Jesus ist ganz Mensch, Jesus ist ganz Gott – das schreibt Paulus hier in ganz konzentrierter Form.
Er schreibt hier auch noch mehr: Er stellt uns die Dreieinigkeit Gottes vor, wenn wir hinschauen.
Er schreibt über den Sohn, über den Vater und über Jesus Christus, über den Heiligen Geist.
All das ist zusammen in den ersten vier Versen: In Vers 1 ist Gott der Vater als Ausgangspunkt.
Dann heißt es: „Berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium.“
Gott hat das Evangelium gegeben, hat es durch seine Propheten verkündet.
Dann ist Jesus Christus dem Fleische nach als Mensch geboren, aber von Gott her als Sohn Gottes.
Er hat auf der Erde gelebt und wurde durch den Heiligen Geist geleitet und geführt, der jetzt noch weiter da ist und uns Zeugnis gibt, wenn wir Gottes Kinder sind, wie Paulus in den folgenden Versen noch erläutert.
Vielleicht noch einige Worte zum „Sohn Gottes in Kraft eingesetzt, dem Geist der Heiligkeit nach“: Hier wird uns noch etwas vom Heiligen Geist gesagt.
Der ist nämlich nicht nur etwas, mit dem wir nichts anfangen können, sondern hier wird ein ganz wichtiges Ereignis, eine Eigenschaft vom Heiligen Geist genannt: Der Heilige Geist ist Kraft.
Das griechische Wort dafür ist Dynamis.
Dynamis ist auch jemandem, der nicht Griechisch spricht, aufgefallen, weil es einem ähnlichen Wort im Deutschen ähnelt.
Nämlich welchem? Dynamit.
Dynamit ist Sprengstoff, der explodiert.
Als Dynamit erfunden wurde – von Alfred Nobel, dem Stifter des Nobelpreises – war es der stärkste Sprengstoff, den man hatte.
Hier also ist Dynamis der Heilige Geist, eine solche Kraft, die Paulus vorantreibt, die Jesus wieder aus dem Grab herausgeholt hat, die die Auferstehung in Gang gesetzt hat.
Die dann zu Pfingsten auf die Erde kam, zu den Jüngern, und sie befähigte, in die Welt hinauszugehen und das Evangelium zu predigen.
Das ist der Heilige Geist: Er ist Kraft.
Er bewegt etwas.
Er ist nicht nur eine Person, die irgendwo im Hintergrund steht.
Da, wo der Heilige Geist im Leben eines Menschen ist, hat das Auswirkungen.
Da zeigt sich die Auswirkung der Vollmacht, die dieser Heilige Geist uns vermittelt und weitergibt.
Jetzt schauen wir weiter zu Vers 5:
„Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen für seinen Namen zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen, unter denen auch ihr seid, berufene Jesu Christi.“
Soweit dazu: Durch ihn haben wir Gnade empfangen.
Das Wort „Gnade“ ist etwas, mit dem man sich damals begrüßt hat.
„Charis“ heißt das auf Griechisch.
Man hat sich damals so begrüßt wie wir heute mit „Guten Tag“.
Man sagte: „Charis! Gnade sei mit dir!“
Eigentlich seltsam, da die Griechen damals keine Christen waren.
Ein Hinweis, den Paulus hier benutzt.
Er sagt nicht einfach: „Guten Tag, ihr Römer, ich grüße euch.“
Sondern er nimmt dieses Wort, das damals unter den Griechen bekannt war und verstanden wurde.
Es bedeutet so viel wie Gnade, Freude, Friede.
Und wie sagt er hier: „Durch ihn haben wir Gnade.“
Gnade ist nicht etwas, was wir uns einfach so zusprechen.
Gnade haben wir durch Jesus Christus bekommen.
Durch ihn hat Paulus sein Apostelamt empfangen.
In seinem Namen zum Glaubensgehorsam unter den Nationen, unter denen auch ihr berufene seid.
Ich habe vorhin erwähnt, dass die Gemeinde in Rom sowohl Juden als auch Heidenchristen umfasst.
Hier spricht Paulus von den Nationen.
Damit meint er in erster Linie die Heidenchristen, also die, die nicht Juden sind.
So viel bedeutet das in diesem Zusammenhang.
Vers 7: „Allen geliebten Gottes, berufenen Heiligen in Rom, euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“
Hier grüßt er sie noch einmal mit dem Frieden.
Er wünscht ihnen Frieden.
Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Der Friede ist der Gruß, mit dem sich die Juden immer begrüßt haben.
Kennt das vielleicht jemand? Wenn niemand hier Hebräisch gelernt hat, ich weiß es nicht: „Shalom“ heißt auf Deutsch so viel wie Friede.
Das ist der Friede, der im Alten Testament den Kindern Israels verheißen wurde.
Ein Friede, der umfassend ist.
Nicht nur ein Friede, der das Schweigen der Waffen bedeutet, sondern ein Friede, bei dem der Mensch alles hat, was er braucht.
Wo er vollkommen umfangen ist von der Fürsorge Gottes.
Wo er nicht allein gelassen ist, sondern alles hat, was ein Mensch haben kann und haben soll.
Das ist der Friede, den Gott seinem Volk verheißen hat, wenn er einmal auf die Erde kommen wird, wenn er den Messias sendet.
Wir wissen, dass Jesus Christus, wenn er auf die Erde zurückkehrt, sein Reich aufrichten wird.
Dann wird dieser Friede, dieses Shalom auf der Erde sein.
Soviel also zu Gnade und Frieden, die Paulus den Römern wünscht.
Ich nehme diesen Gedanken daraus.
Dann gehen wir weiter zu Vers 8 und 9:
„Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus eures aller Wegen, dass euer Glaube verkündigt wird in der ganzen Welt.“
„Denn Gott ist mein Zeuge, dem ich mit meinem Geist an dem Evangelium seines Sohnes diene, wie unablässig ich euch erwähne, allezeit in meinen Gebeten, indem ich flehe, ob ich nun endlich einmal durch den Willen Gottes so glücklich sein möchte, zu euch zu kommen.“
Paulus hatte also schon seit langer Zeit geplant, nach Rom zu kommen.
Hier spricht er die Römer ganz besonders an.
Und es ist etwas, was wir uns eigentlich nur wünschen könnten.
Hier steht, dass euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird.
Er meint nicht nur, dass die Römer an Jesus Christus glauben, sondern dass sie als Gemeinde ein Vorbild für alle anderen Christen sind.
Er hat gesagt, er hört schon in Kleinasien, wie vorbildlich die Christen in Rom sind.
Tatsächlich gibt es auch römische Schriftsteller, die einige Jahrzehnte später schreiben, dass die Menschen nur deshalb zum Glauben kommen, weil sie sehen, wie die Christen leben und miteinander umgehen.
Keine großen Zeltevangelisationen, keine großen Radiomissionen oder Traktat-Evangelisationen, sondern einfach das Zeugnis der einfachen Christen, wie sie leben, führt die Menschen zum Glauben.
Es wird berichtet, dass am Ende des ersten Jahrhunderts die Gemeinde in Rom 5000 Bedürftige gespeist und versorgt hat.
Nicht nur Christen, sondern jeder, der Hilfe suchte und zu ihnen kam, wurde nicht hinausgestoßen.
Weil Jesus das auch nicht getan hat und sie ihm weiterhelfen wollen.
Das war ein Vorbild – und das spricht Paulus an.
Er dankt hier für die Römer und ihren Glauben und möchte, dass dieser Glaube weiterverfolgt wird.
Er betet unablässig für sie.
„Unablässig“ steht hier für „regelmäßig“, „immer wieder“.
Wahrscheinlich meint Paulus nicht, dass er jede Sekunde betet, sondern dass er immer wieder für die Gemeinde in Rom betet.
Das zeigt, wie eng er mit der Gemeinde verbunden ist.
Obwohl er viele der Menschen nicht kennt, betet er für sie, damit sie im Glauben vorankommen, den Willen Gottes tun und im Glauben stehen bleiben.
Das kann für uns eine Herausforderung sein: Wie eng sind wir verbunden? Beten wir regelmäßig für Menschen, die uns nahestehen, für jemanden, von dem wir wollen, dass er im Glauben weiter vorankommt?
Die letzten Verse bis Vers 15 möchte ich nur lesen, denn wir sind mit der Zeit schon sehr vorangekommen.
Wer mehr hören möchte, kann gerne zu mir kommen.
Vers 11: „Denn mich verlangt sehr, euch zu sehen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu stärken.“
Vers 12: „Das heißt aber, um bei euch mitgetröstet zu werden, ein jeder durch den Glauben, der in dem anderen ist, sowohl euer als auch mein.“
Vers 13: „Ich will aber nicht, dass euch unbekannt sei, Brüder, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen und bis jetzt verhindert worden bin, damit ich auch unter euch einige Frucht haben möchte, wie auch unter den übrigen Nationen.“
Vers 14: „Sowohl Griechen als auch Nichtgriechen, sowohl Weisen als auch Unverständigen bin ich ein Schuldner.“
Vers 15: „Dementsprechend bin ich, so viel an mir ist, willig, auch euch, die ihr in Rom seid, das Evangelium zu verkünden.“
Hier wären noch einige Punkte, über die wir uns Gedanken machen können, aber der Tag ist noch lang.
Zusammenfassung und Abschluss
Ich möchte jetzt noch einmal Revue passieren lassen, was wir herausgegriffen haben.
Wir haben gesehen, dass Paulus sich als Knecht, als Sklave Jesu Christi bezeichnet. Er lebt ganz in der Abhängigkeit von Jesus Christus und möchte den Willen Jesu in seinem Leben verwirklichen. Sein Ziel ist es, das Evangelium Gottes zu verkündigen. Dieses Evangelium hat Gott schon durch seine Propheten verkündet – das heißt lange bevor Jesus Christus gelebt hat und lange bevor Paulus selbst lebte.
Es handelt sich dabei nicht um eine neue Botschaft, sondern um eine alte Botschaft, die Gott gegeben hat, um die Menschen zu sich zu führen.
Wir sehen außerdem, dass Jesus Christus als Mensch geschickt wurde – als Mensch wie wir. Gleichzeitig, auch wenn es für uns unvorstellbar ist, wurde er als Gott, als Gottes Sohn, auf die Erde gesandt. Durch den Heiligen Geist hat er hier auf der Erde den Menschen gepredigt.
Diese Kraft des Heiligen Geistes hat er seinem Volk verheißen und sie dann auch zu Pfingsten gesandt. Dieser Heilige Geist ist eine Kraft, ein Dynamit für diejenigen, die damit leben. Er revolutioniert und verändert das ganze innere Leben und macht uns innerlich vollkommen neu.
Jesus wurde zu den Juden und zu den Heiden geschickt – das ist sein Auftrag, dem er nachkommen will. Er steht in innerlicher, ganz starker Verbindung mit den Christen in Rom, obwohl er sie nur ganz locker kennt, eben durch Menschen, die er außerhalb Roms kennengelernt hat.
Diese innere Verbindung besteht ständig, und regelmäßig steht er für diese Christen in Rom im Gebet ein.
Wir wollen diese Morgenstunde nun auch mit Gebet abschließen und uns herausfordern lassen durch das, was Paulus hier in der Einleitung zum Römerbrief den Christen geschrieben hat. Wir beten zusammen.