Wir wollen jetzt noch ein wenig in diesem Überblick zu Kapitel 1 und 2 weitermachen und die nächsten Verse betrachten, bevor wir auf Fragen eingehen.
Wir sind in Kapitel 2, Vers 12. Dort finden wir einen Aufruf zur Umkehr, einen Aufruf zur Buße, um das Gericht abzuwenden. Es geht um den nahen Tag Jachwes, den Gerichtstag Jachwes. In den Versen 12 bis 14 klingt dieser erste Ruf zur Umkehr an.
Der Herr spricht: „Kehrt um zu mir mit eurem ganzen Herzen, mit Fasten, Weinen und Klagen!“ Diese Verse bilden den Kern der Botschaft des Propheten Joel an das Volk. Die Verse 12 bis 16 sind in diesem ersten Hauptteil des Buches zentral.
Vor diesen Versen hören wir immer wieder von dem kommenden Gericht mit Schrecken, vom Tag Jachwes, einem dunklen Tag des Zorns. Wir hören von Klage und Not. Nach diesen Versen lesen wir von Umkehr, von Buße und von herrlichen Segnungen, die als Konsequenz der Umkehr folgen.
Der Aufruf zur inneren Umkehr als Kernbotschaft
Kehrt um zu mir mit eurem ganzen Herzen! Das Herz ist nämlich der Sitz des Denkens und Wollens des Menschen. Im Alten Testament – und auch im Neuen Testament – wird das Herz als der innere Mensch verstanden. Dort liegt das Wichtigste: das Denken und Wollen, das Entscheidende des Menschen.
Von ganzem Herzen bedeutet, mit vollem Willensentschluss und mit allem Denken. Das heißt, das gesamte Denken soll sich auf Yahweh ausrichten. Fasten bedeutet, dass man das Gebet sehr ernst nimmt. Beten mit Fasten ist im Alten Testament eng miteinander verbunden. Wenn Fasten erwähnt wird, ist es immer in Verbindung mit Gebet zu sehen.
Zum Beispiel sagt Esther: „Fastet für mich!“ Damit meint sie: „Betet für mich!“ Fasten ist also nur die Begleiterscheinung des Betens. Dazu gehören auch Weinen und Klagen – man klagt über die eigenen Sünden und weint über die Traurigkeit und Schuld.
In Vers 13 heißt es: „Zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider!“ Das Zerreißen der Kleider war ein Zeichen der Buße, der Umkehr und der Trauer. Doch hier wird betont, dass das Wichtigere ist, das Herz zu zerreißen. Das bedeutet, dass man nicht nur äußerlich umkehrt, sondern innerlich.
Kehrt um zu Yahweh, eurem Gott, denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Güte und lässt sich des Übels geräuen. Hier wird Gott selbst zitiert, aus einer bekannten Stelle im 2. Buch Mose, Kapitel 33. Dort sagt Gott von sich, dass er gnädig und barmherzig ist, langsam zum Zorn und reich an Güte. Er lässt sich des Übels geräuen.
Wer weiß, vielleicht könnte er umkehren und es sich geräuen lassen. Gemeint ist, dass Gott bereit ist, seinen Sinn zu ändern, wenn Menschen Buße tun – so wie im Buch Jona. Dort heißt es: „Tut Buße!“ und der Herr ändert seinen Sinn. Der Prophet weiß, dass Gott auf die Umkehr der Menschen reagiert. Gott lässt sich erweichen und wird das Gericht nicht sofort schicken.
Also, wer weiß, vielleicht kehren sie um, und Gott lässt es sich geräuen. Dann könnte er Segen hinter sich zurücklassen: Speisopfer und Trankopfer für den Herrn, euren Gott. Es gibt also noch einen Ausweg aus der drohenden Katastrophe vor dem Tag Jachwes. Dieser Ausweg ist die Umkehr – von ganzem Herzen.
Motiviert werden sollen sie durch das Wesen Gottes. Gott ist barmherzig, gütig und langmütig. Das heißt, er braucht lange, um zornig zu werden, und er ist reich an Güte. Deshalb sollen sie umkehren.
Gemeinschaftliches Fasten und Gebet als Ausdruck der Buße
Vers 15 ist ein Aufruf zum Fasten, zum Versammeln, zum Weinen und zum Beten. In den Versen 15 bis 17 heißt es: „Stößt ins Horn in Zion, heiligt ein Fasten, ruft eine Festversammlung aus, versammelt das Volk, heiligt eine Versammlung, bringt die Ältesten zusammen.“
Man stellt fest, dass es immer Dreiergruppen sind: In Vers 15 gibt es drei Sätze, in Vers 16 die ersten drei Sätze, und dann wird noch einmal gesagt, dass die Kinder und die Säuglinge an den Brüsten versammelt werden sollen. Der Bräutigam dreht sich aus seiner Kammer, und die Braut aus ihrem Gemach.
Was sollen sie also tun? Sie sollen fasten und beten, ihre Sünden bekennen und als Volk zusammenkommen. Es ist eine Erweckungsversammlung, eine Versammlung, in der sie ihre Sünden vor dem Herrn bekennen. Die Ältesten, das sind die alten Männer, sind aufgerufen, ebenso die Kinder und sogar die Säuglinge. Das ganze Volk ist gemeint, auch die Frauen mit den kleinen Kindern an den Brüsten. Der Bräutigam, der gerade seine Frau geheiratet hat und nun in Israel frei wäre vom Kriegsdienst und anderen Verpflichtungen, soll ebenfalls herauskommen. Und auch die Braut.
In Vers 17 heißt es: „Die Priester, die Diener Jachwes, sollen weinen zwischen der Halle und dem Altar.“ Das bedeutet zwischen der großen Vorhalle und dem Altar im Tempel. Sie sollen sprechen: „Verschone, Yahweh, dein Volk, und gib nicht dein Erbteil der Schmähung hin, dass sie den Völkern zum Sprichwort seien.“
Warum soll man unter den Völkern sagen: „Wo ist ihr Gott?“ Das bedeutet, sie sollen so zu Gott beten, dass sie ihm zeigen, dass es um seine Sache geht, um seinen guten Ruf unter den Völkern. Warum sollte man unter den Heidenvölkern fragen, wo ihr Gott ist?
Dieser Gedanke erinnert an das Gebet von Mose. Mose betete damals, als Gott ihm sagte, er werde die Israeliten vernichten, nur ihn und Josua am Leben lassen. Mose warf sich nieder und sagte: „Das kannst du doch nicht tun! Was werden die Amoriter, Kanaaniter und die anderen Völker sagen, wenn sie hören, dass du die Israeliten mit großer Macht und Herrlichkeit aus Ägypten herausgeführt hast, durchs Rote Meer geführt, um sie jetzt in der Wüste zu töten?“
Mose setzte sich für die Ehre Gottes ein und plädierte für seinen heiligen, herrlichen Namen. Hier ist es ähnlich: „Gib nicht dein Erbteil der Schmähung hin, dass sie den Völkern zum Sprichwort seien.“ Denn das würde auf Gott zurückfallen, auf seinen Namen.
Warum sollte man unter den Völkern sagen: „Wo ist ihr Gott?“ Das ist also hier dieser wichtige Aufruf zur Buße.
Gottes Antwort: Verheißung von Segen und Befreiung
Und jetzt folgt die Antwort des Herrn in Vers 18, die Antwort Jachwels. Wir werden sie gleich lesen, aber zunächst möchte ich etwas vorwegnehmen.
Wir sehen hier, dass er vom Segen sprechen wird. Er wird eine Verheißung geben – und zwar einen dreifachen Segen in Kapitel zwei sowie einen weiteren dreifachen Segen in den Kapiteln drei und vier.
Zuerst wird er in Kapitel zwei wieder vom Segen sprechen: das Senden des Lehrers zur Gerechtigkeit, das Vernichten der Heuschrecken und die Wiederkehr einer fruchtbaren Zeit.
Danach wird er von einem geistlichen Segen sprechen, und zwar in Kapitel drei. Dort geht es um die Geistausgießung, das Gericht über die heidnischen Heere, die Feinde, und dann in Kapitel vier um das ewige Heil und die ewige Herrlichkeit des Gottesvolkes. Auch das Gericht über die Völker wird in Kapitel vier behandelt.
So ergibt sich ein dreifacher Segen, der in der Nähe und irdisch ist, sowie ein weiterer dreifacher Segen, der mehr in der Ferne liegt und geistlich ist, bezogen auf die Endzeit.
Schauen wir uns das nun an.
Vers 18 und 19 bilden eine Einleitung:
„Und Jachwe eiferte für sein Land, und er hatte Mitleid mit seinem Volk. Und Jachwe antwortete und sagte zu seinem Volk:“
Hier kommt die erste Antwort: „Siehe, ich sende euch das Korn und den Most und das Öl“ – wieder die Dreiergruppe. „Ich sende euch Korn, Most und Öl, damit ihr davon satt werdet. Ich werde euch satt machen. Ich werde euch nicht mehr zum Hohn machen unter den Völkern.“
Das bedeutet einerseits Sättigung, andererseits die Beendigung der Schmach unter den Völkern.
Dann folgt Vers 20, die Entfernung der Heuschrecken:
„Und ich werde den von Norden von euch entfernen und ihn in ein dürres und ödes Land vertreiben, seine Vorhut in das vordere Meer und seine Nachhut in das hintere Meer. Und sein Gestank wird aufsteigen, und aufsteigen wird sein Verwesungsgeruch, denn groß getan hat er.“
Dieser „Er“ ist das Heuschreckenheer. Doch es scheint, als spräche er von Feinden, als stecke mehr dahinter. Es ist nicht nur eine Heuschreckenplage, sondern gleichzeitig auch Feinde, die das Volk Israel geplagt haben. Der Herr wird eingreifen und die Feinde sozusagen ins Meer werfen.
Hier sind es die Heuschrecken, aber dies ist eine leichte Anspielung auf die Feinde Israels, vor allem auf die später kommenden, die dann Israel noch sehr stark bedrängen werden: die Assyrer und die Babylonier. Diese kamen immer aus dem Norden.
Die Heuschrecken hingegen kamen eigentlich nicht aus dem Norden, sondern normalerweise aus dem Süden, aus der warmen Wüste. Die Feinde kamen jedoch immer aus dem Norden.
Deshalb ist hier wahrscheinlich eine Anspielung, eine leise Anspielung, nicht nur auf Heuschrecken, sondern auf Menschenheere, die das Land Israel verwüsten werden.
Doch wenn das Volk Buße tut und sich demütigt, wird der Herr eingreifen und die Eindringlinge entfernen.
Die Wiederherstellung der Schöpfung und Freude des Volkes
Die zweite Antwort, Verse 21 bis 27
Fürchte dich nicht, Erde! Jetzt spricht er zur Erde, die von den Heuschrecken gefressen oder kahlgemacht wurde. „Freue dich und sei froh, denn Jahwe tut Großes! Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes, denen alles weggefressen wurde. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes, denn die Weideplätze der Steppe grünen wieder. Der Baum trägt seine Frucht, der Feigenbaum und der Weinstock geben ihren Ertrag.“
Wenn der Feigenbaum und der Weinstock wieder blühen, dann ist alles gut. Das ist immer so im Land Israel. Wenn von Fülle und Segen die Rede ist, heißt es, dass jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen wird und es ihm wieder gut geht. Der Feigenbaum und der Weinstock geben ihren Ertrag.
Dann folgt ein Wort an die Kinder Zions, an die Israeliten: „Und ihr, Kinder Zions, freut euch und jubelt in Jahwe, eurem Gott!“ Hier sind die Kinder Zions das treue Israel. Das sind diejenigen, die Buße getan haben, die wirklich am Herrn hängen, der treue Kern des Volkes. Der Ausdruck „Kinder Zions“ zeigt seine Liebe und Verbundenheit mit den Israeliten. Denn Zion erinnert an die Davidsburg, an den König, der dort auf dem Zion regiert, an David. Hier werden sie Kinder Zions genannt, also sind sie ganz eng mit ihm verbunden.
„Und ihr, Kinder Zions, freut euch in Jahwe, eurem Gott, denn er gibt euch den Lehrer zur Gerechtigkeit.“ Jetzt müssen wir genauer hinschauen: In unseren Bibeln steht das unterschiedlich. Manche Übersetzungen geben „er gibt euch den Lehrer zur Gerechtigkeit“ an, andere „er gibt euch Frühregen“ – zum Beispiel die Elberfelder Bibel. Das liegt an der Übersetzung des hebräischen Wortes „More“, das entweder „Frühregen“ oder „Lehrer“ bedeuten kann.
Hier spricht der Text aber noch vom Frühregen in Vers 23. Außerdem heißt es im Hebräischen „der Lehrer zur Gerechtigkeit“. Was soll ein „Frühregen zur Gerechtigkeit“ sein? Das passt nicht. Ein „Lehrer zur Gerechtigkeit“, also jemand, der zur Gerechtigkeit hin unterweist, passt sehr gut. Deshalb haben sich viele Übersetzer für „Lehrer zur Gerechtigkeit“ entschieden, was ich auch für die richtige Übersetzung halte.
Er gibt euch also den Lehrer zur Gerechtigkeit. Er lässt euch Regen herabkommen, Frühregen und Spätregen zuerst. Was danach kommt, wird in Kapitel 3, Vers 1, beschrieben. Aber zuerst kommt der Lehrer der Gerechtigkeit, dann der Regen, nämlich Frühregen und Spätregen.
Was bedeutet das? Drei Wohltaten werden genannt: Die erste Wohltat ist, dass Gott ihnen den Lehrer zur Gerechtigkeit schicken wird. Wahrscheinlich ist das kollektiv gemeint. Er wird wieder Lehrer geben, die zur Gerechtigkeit hin unterweisen. Nicht nur der Messias ist gemeint, auch wenn er ein Lehrer zur Gerechtigkeit ist. Es gab schon viele andere Lehrer vor ihm.
Das zweite ist der Regen, der dringend nötig war, damit das Volk gedeiht und Fruchtbarkeit hat. Der Frühregen fällt im Herbst und ist wichtig für die Aussaat, denn die Israeliten säen im Herbst aus. Er fördert das Keimen der Saat, sobald es wärmer wird. Der Spätregen kommt im Frühling vor der Erntezeit und sorgt dafür, dass alles reif wird.
Man könnte es auch so verstehen, dass Frühregen und Spätregen den Anfang und das Ende der Regenzeit markieren. Die Regenzeit dauert etwa von Oktober bis März. Sie beginnt mit einem Regenschub und endet mit einem weiteren, dazwischen gibt es viel Regen. So könnte man Frühregen als den beginnenden Regen und Spätregen als den späteren Regen bezeichnen.
Vers 24: „Die Tennen werden voll Getreide sein, und die Fässer überfließen von Most und Öl.“ Hier werden wieder drei Dinge genannt: Getreide, Most und Öl. Es wird alles wieder reichlich geben: Wein und Olivenöl werden zurückkehren.
Vers 25: „Ich werde euch die Jahre erstatten, die die Heuschrecke, der Abfresser, der Vertilger und der Nager gefressen haben, mein großes Heer, das ich unter euch gesandt habe.“
Das ist ein sehr ermutigender Vers. Dort, wo das Volk Buße tut, erstattet der Herr, was verloren wurde. Das ist auch für einzelne Gläubige von großer Bedeutung. Dort, wo ich Buße tue, kann mir der Herr ersetzen, was ich in den verlorenen Jahren meiner Sünde an geistlichem Vorwärtskommen verpasst habe. Er kann nachträglich viel erstatten, wenn die Buße echt ist.
Dieser Vers war mir schon oft eine große Ermutigung: Gott macht die Dinge wieder gut und gibt den doppelten Segen, sodass man Verpasstes aufholen kann. Die Jahre des Unglaubens und sündigen Wandels haben uns viel Kraft und kostbare Zeit gekostet. Man denkt oft, das sei unwiederbringlich verloren und aus dem Leben werde nichts mehr. Aber der Herr kann auch jetzt noch Großes aus meinem Leben machen, wenn ich echte Buße tue. „Ich werde die verlorenen Jahre ersetzen“, sagt der Herr.
Vers 26: „Und ihr werdet essen, essen und satt werden, und ihr werdet den Namen Jahwes, eures Gottes, preisen, der Wunderbares an euch getan hat. Mein Volk soll nie mehr beschämt werden.“ Hier sind wieder drei Sätze.
Vers 27: „Und ihr werdet erkennen, dass ich in Israels Mitte bin, dass ich Jahwe, euer Gott, bin und keiner sonst. Mein Volk soll nie mehr beschämt werden.“ Auch hier sind drei Sätze.
Gott erstattet nicht wegen unserer Verdienste, sondern um seiner selbst willen. Ihr werdet satt werden, den Herrn preisen und nicht mehr beschämt sein. Ihr werdet erkennen, dass ich in eurer Mitte bin, dass ich euer Gott bin, und mein Volk wird nie mehr beschämt werden. Das Volk soll erkennen, wie herrlich und groß Gott ist und dass er gegenwärtig ist.
Drei Dinge werden genannt: die Erweckung des Lehrers zur Gerechtigkeit, die Vernichtung des Heuschreckenheeres und die Wiederkehr einer fruchtbaren Zeit in der Gegenwart.
In den folgenden Versen wird er von der letzten Zeit sprechen. Dort wird er drei Segnungen senden: die Ausgießung des Geistes, das Gericht über die bedrängenden Völker und die ewige Rettung und Verherrlichung des Gottesvolkes.
Aber zuerst kommt dies hier: der physische Regen, der physische Segen, der Lehrer zur Gerechtigkeit, die Vernichtung des Heuschreckenheeres und die fruchtbare Zeit. Das ist zuerst. Danach kommt, was in Kapitel 3 beschrieben wird.
Ich möchte darauf hinweisen, dass in Vers 23 das Wort „zuerst“ steht. Ich weiß nicht, wie das in euren Übersetzungen ist. Dort heißt es: „Er gibt euch den Lehrer zur Gerechtigkeit und lässt euch Frühregen und Spätregen herabkommen, zuerst.“ Steht das bei euch auch so? Oder steht da etwas anderes?
Im Hebräischen steht tatsächlich „zuerst“, nicht „am ersten Tag“. Die Übersetzer haben dort oft zu viel hineingedeutet. In der Fußnote der neuen Elberfelder Bibel steht „zuerst“.
Dieses „zuerst“ bezieht sich auf alle drei Dinge: den Lehrer der Gerechtigkeit, den Frühregen und den Spätregen. Er sagt, diese Segnungen kommen zuerst. Danach, in Kapitel 3, Vers 1, wird beschrieben, was als Nächstes kommt.
Das eine ist näher, das andere ferner. Es ist schade, wenn Übersetzungen hier etwas anderes wiedergeben, wie „am ersten Tag“. Das steht im Hebräischen nicht.
Im Hebräischen steht einfach, dass zuerst diese irdischen Segnungen kommen: der Lehrer zur Gerechtigkeit, Priester oder Unterweiser, die den rechten Weg weisen, und die Fruchtbarkeit durch Frühregen und Spätregen. Danach folgt eine fernere Zeit mit weiteren Segnungen.
Umgang mit alttestamentlicher Prophetie und Ermutigung zum Bibelstudium
Ich habe jetzt ziemlich schnell und im rasanten Tempo Kapitel 1 und 2 mit uns gelesen. Nun möchte ich fragen, ob zu den ersten beiden Kapiteln noch Fragen hängen geblieben sind. Wir haben noch ein paar Minuten Zeit.
Das ist schon interessant: Menschen demütigen sich vor Gott, gehen ins Gebet, fasten vor dem Herrn und zeigen dadurch die Ernsthaftigkeit ihrer Umkehr. Daraufhin sagt der Herr: „Also gut! Der Herr wird weich, barmherzig, geduldig und gnädig.“ Das ist großartig. Immer wieder erleben wir das, doch wir tun es so selten. So selten gehen wir ins Gebet und fasten, obwohl wir Nöte in der Familie oder Gemeinde haben. Stattdessen tun wir alles Mögliche, aber das Wichtigste – das Gebet und Fasten – bleibt oft aus.
Genau das wäre das Wichtigste von allem. Wir sollten schauen, wo wir selbst gefehlt haben, und sagen: „Herr, ich habe nichts in mir, was ich vorweisen könnte, warum du mich jetzt hören müsstest. Aber einfach um deiner Barmherzigkeit und deines Wesens willen handle du und greif ein.“ Es ist einfach, und doch wird so wenig getan.
Hier also eine große Ermutigung für uns, das auch zu tun, wenn wir Nöte haben und merken, dass der Herr uns gewisse Dinge in unserem Leben geschehen lässt, weil er uns auf etwas aufmerksam machen oder uns ein wenig züchtigen möchte. Wenn wir uns dann demütigen, sagt er: „Darauf habe ich gewartet.“
Jakobus sagt: „Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet.“ Oder: „Ihr betet und habt nicht, weil ihr es in einer schlechten Gesinnung bittet, weil ihr es egoistisch verzehren wollt, was ich euch gebe.“ Er mahnt die Geschwister, an sich selbst zu denken. Für uns ist das eine Ermutigung.
Gibt es noch Gedanken oder Fragen? Die nächsten Verse brauchen mehr Zeit, denn sie sind sehr gehaltvoll und werfen viele Fragen auf.
Überhaupt ist Joel ein sehr gutes Beispiel, weil wir daran lernen können, wie man mit alttestamentlicher Prophetie umgeht. Ich habe gemerkt, dass viele Christen wenig anfangen können mit der alttestamentlichen Prophetie. Sie haben zwar alle brav die Bücher gelesen, die es zum Thema Endzeit auf dem Markt gibt, und wissen daher vermeintlich alles, wie es sein muss und kommen muss. Doch aus dem Text heraus tun sie sich schwer, das wirklich zu verstehen. Oft sind diese Bücher gar nicht so gut.
Wir wissen ja, es gibt verschiedene Auffassungen zu den Endzeitfragen. Für manche ist das ein leidiges Thema, und man denkt: „Na, nur nicht das noch! Wir haben schon genug Probleme, da brauchen wir nicht auch noch Endzeitprobleme.“ Das ist sehr schade, denn wir leben von den Büchern, die wir gelesen haben, und nicht von unserem eigenen Bibelstudium.
Ich habe das bei mir selbst gemerkt. Immer wieder entdecke ich beim Bibelstudium, dass es gar nicht so ist, wie ich es in dem oder dem Buch gelesen habe. Das ist schade, denn wir sollten unseren Glauben nicht auf irgendein theologisches Buch oder ein gutes Buch eines geschätzten Bruders gründen. Unser Glaube muss auf dem ruhen, was Gottes Wort sagt.
Es gibt uns viel mehr Einsicht in die Propheten, wenn wir uns mit ihnen beschäftigen. Ich weiß, die Propheten werden oft zur Seite gelegt. Man liest lieber in den Paulusbriefen, weil man sich dort besser auskennt, oder im Evangelium von Johannes.
Aber Joel, Zephanja, Habakuk und andere – wenn wir ihnen einmal in der Ewigkeit begegnen, werden sie sagen: „Ach, dich gibt es auch in der Bibel, du hast auch ein Buch geschrieben.“ Und vielleicht wird uns Habakuk fragen, ob wir sein Buch gut studiert haben. Und dann muss man eingestehen: „Oh, ich habe nicht einmal richtig hineingeschaut.“ Man hat oft ein schwieriges Verhältnis zu den Propheten.
Wir sollten aber den Mut haben, auch ins Alte Testament zu schauen und nur zu schauen, was der Text eigentlich sagt. Dann merkt man oft, dass es anders ist, als man in irgendeinem Buch gelesen hat.
Der Bruder Herbert Janssen hat mir gesagt: „Du musst die Bibel so lesen, als ob du sie noch nie gelesen hättest. Als ob du all die anderen Bücher, die du kennst, vergisst. Lies die Bibel so, als ob du ganz frisch kommst. Lass den Text auf dich wirken und baue nicht dein System darauf auf. Gehe von Textstelle zu Textstelle. Dort, wo du einen klaren Pfeiler hast, an dem du dich festhalten kannst, nimm diesen als Mauerer oder Streicher heraus und gehe von den klaren Stellen zu den unklaren. Nicht umgekehrt.“
Das ist schon eine Herausforderung. Besonders die nächsten Verse, die wir lesen werden, sind äußerst spannend. Sie geben uns viel Einblick darin, wie das Alte Testament über das Ende spricht und zeigen uns vieles.
Gerade bei Joel sehen wir, wie die neutestamentlichen Lehrer, die Apostel, mit den alttestamentlichen Texten umgegangen sind. Wir werden uns anschauen, wie Petrus mit Joel Kapitel 3 umgegangen ist.
Das könnte jetzt die Hausaufgabe für die Nacht sein: Was sagt Petrus zu Joel Kapitel 3? In seiner Pfingstpredigt hat Petrus in Apostelgeschichte 2 genau diese Stelle von Joel zitiert. Es ist wichtig für uns, diesen Bezug herzustellen.
Was sagt der Apostel Petrus, inspiriert vom Heiligen Geist, wie wir Joel verstehen sollen? Das ist unsere Aufgabe. So müssen wir die Bibel lesen. Nicht so, wie es die Israeliten verstanden haben, denn sie hatten oft kein Licht. Sondern wie haben die vom Heiligen Geist erleuchteten Apostel die Propheten verstanden? Das ist viel wichtiger.
Außerdem noch etwas: Wenn man in Endzeitfragen verschiedener Meinung ist, ist das niemals ein Grund, dass Christen sich voneinander spalten, sich meiden oder nicht mehr grüßen. Das sind Themen, die nicht wert sind, die Gemeinschaft deswegen aufzukündigen.
Man muss eine gewisse Freiheit zum Nachdenken haben. Man muss nicht gleich Dogmatik lehren, sondern einfach den Text sprechen lassen und auf das eigene Leben wirken lassen.
Die Lehre der Schrift über die Endzeit ist von großer Bedeutung für unser Heiligungsleben. Oft haben wir das verwechselt und meinen, es sei nur wichtig für Diskussionen darüber, wer Recht hat.
Im Gegenteil: Gerade die Botschaft der Propheten und auch die neutestamentliche Botschaft über den Tag des Herrn ist ein großer Anreiz zur Heiligung und zum Leben mit dem Herrn.
Das sei als Schlusswort für heute gesagt. Dann wollen wir noch einmal aufstehen, zum Gebet gehen und dem Herrn danken.
