Einführung und Bibelstelle
Wir haben in dieser Passionszeit die Passionsgeschichte des Leidens Jesu nach dem Johannesevangelium. Heute lesen wir Johannes 13, ab Vers 21.
Wir können hier im inneren Kirchenschiff die Bibeln auslegen, wegen der Ablagen. Die Bibeln, die hinten auf den Stühlen liegen, müssen sich die Besucher dann selbst an den Schränken holen oder auch auf der Empore, falls man sie dort nicht ablegen kann. Das wird auch in Zukunft so sein.
Wenn wir also einen Psalm miteinander lesen, seien Sie nicht überrascht. Es ist immer wichtig, dass man beim Gottesdienst eine Bibel dabei hat. Viel, viel wichtiger als das, was der Pfarrer sagt, ist das, was die Bibel sagt. Denn das Wort des Predigers hat nur Sinn, wenn es das Bibelwort auslegt. Wenn es etwas anderes sagt, ist das ohnehin problematisch. Das müssen Sie prüfen. Sie müssen täglich in der Schrift forschen, ob es sich so verhält.
Nun zu Johannes 13, Verse 21 bis 30: Jesus und der Verräter.
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er betrübt im Geist und bezeugte und sprach: Amen, Amen, ich sage euch, einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.
Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte. Dieser lag bei Tisch an der Brust Jesu. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem Jesus redete. Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's?
Das ist heute Thema unserer Predigt: Herr, wer ist's?
Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon, des Mannes aus Kariot. So hieß das Dorf Kariot.
Als Judas den Bissen nahm, fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald. Aber niemand am Tisch wusste, wozu er ihm das sagte.
Das heißt, das Vorhergehende hat offenbar nur Judas gehört. Jesus hat es ihm gesagt, um noch einmal darauf hinzuweisen.
Einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, sprach Jesus zu ihm, er solle kaufen, was man zum Fest nötig habe, oder dass er den Armen etwas geben sollte.
Als Judas den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Es war Nacht.
Eindrücke von der Israelreise und Bedeutung des Wortes Gottes
Wir sind natürlich noch ganz erfüllt von den wunderbaren Eindrücken, die wir auf unserer Israelreise gewonnen haben. Wir sind erst heute Abend, sehr spät in der Nacht, heimgekommen. Was uns jedes Mal so begeistert, ist, wie sorgfältig und genau das Wort Gottes mit dem übereinstimmt, was man vor Ort sieht. Alles geschah genau nach dem Wort des Herrn. Kein einziges Wort des Herrn ist dahingefallen.
Man kann mit der Bibel in der Hand alles erforschen, suchen und kennenlernen. Doch bei all diesen Reisen passiert auch immer wieder etwas anderes. Alle, die schon einmal in Israel waren, kennen das: Man bekommt einen Schock. Einen Schock darüber, wie selbst die Orte, an denen sich so vieles ereignet hat, von allerlei Menschenwerk umgeben sind. Viele liebe Menschen haben in frommer Verehrung alles drumherum gebaut und Kirchen sowie Verehrungsstätten errichtet.
Das kann einem manchmal ganz fremd vorkommen, und man fühlt sich dort gar nicht mehr wohl. Es ist wirklich so, dass es einen ärgern und abstossen kann. Man hat manchmal den Eindruck, als würde man eine Kühlerfigur vorne auf ein Auto setzen – da will offenbar immer jemand etwas hinzufügen oder verändern.
Wollt ihr da etwas unternehmen, dann kann man euch helfen. Wollt ihr zur Kinderkirche? Geht nur zur Kinderkirche, das ist doch wunderbar. Das ist nicht beim dritten Teil, da geht er lieber jetzt schon raus, und das ist schön. Ja, es war wunderbar, euer Blasen. Jetzt springt nur noch, dass er die Geschichte mitbekommt – ganz toll.
Was eigentlich viel wichtiger ist als all das Abstossende, ist, dass man das Wort Gottes wiederhört. Auch auf solch einer Reise ist es uns so gegangen, dass wir beim Hören des Wortes Gottes den größten Eindruck hatten. So unmittelbar und direkt redet Gott der Herr zu uns durch sein Wort. Und so redet er heute auch zu Ihnen durch sein Wort.
Da steht jeder ganz allein. So wie wir gerade gesungen haben: „Schönster Herr Jesus“ – ich wünsche, dass das bei Ihnen jetzt auch so eine Zwiesprache mit Jesus wird, dass alles andere zurücktritt. Jesus, ich will Dich sehen, ich will Dich erkennen mit Deinem Wort, ich will Dich verstehen. Rede mit Deinem lebensspendenden Wort.
Das Leiden Jesu im inneren Kreis seiner Freunde
Was mir zuerst an diesem Abschnitt auffällt, ist, wie Jesus an seinen treuesten Freunden leidet. Die Passionsgeschichte beschreibt das Leiden Jesu – Jesus leidet. Wir können aus der Passionsgeschichte in den einzelnen Stufen nacherzählen, wie sie ihn ans Kreuz nageln.
Man kann es im Jesus-Film kaum mitansehen, wie sie ihm die Nägel durch die Hände treiben, wie Jesus dort in der Hitze der Sonne hängt, wie sie spotten und an ihm vorübergehen, wie die Legionäre Jesus foltern und quälen, wie sie ihm die Dornenkrone ins Gesicht drücken.
Aber wissen Sie, wo der Gipfel der Leiden Jesu war? Jetzt kommt das, was ich empfinde – es ist meine Deutung. Prüfen Sie es an der Schrift. Der Höhepunkt der Leiden Jesu war in dem Abschnitt, als Jesus miterleben muss, dass seine treuesten Freunde ihm untreu werden.
Es ist die allerschwerste Not, dass Jesus nicht einen Getreuen in dieser Welt gefunden hat, kein menschliches Herz, auf das man sich verlassen kann. Und ich behaupte jetzt: Das ist noch viel schlimmer als die Folterschmerzen am Körper, noch viel schlimmer als die Todesqualen.
Unser Abschnitt fängt so an in Vers 21: Jesus wurde betrübt im Geist. Jetzt dürfen Sie selbst Bibeldeutung mitmachen. Da bleibt ja Raum für eigenes Ermessen, so wie wir es auch beim Bibellesen versuchen zu verstehen. Deshalb ist es gut, wenn Sie Ihre Bibel dabei haben.
Was meint das Evangelium mit „Jesus war betrübt im Geist“? Also in seinem Geist, in seinem Innern, in seiner Seele? Man könnte es so verstehen. Nach meinem Verständnis meint es etwas anderes: Jesus war betrübt im Heiligen Geist, in der Fülle der Gegenwart des ewigen Gottes, als er noch einmal miterleben muss, wie der Mensch von Anfang an Gott verstößt und Nein zu ihm sagt.
Diese Ablehnung Gottes – „Ich will dich nicht haben“ – einer unter euch wird mich verraten. Der Heilige Geist hat Jesus die Augen geöffnet, sodass er plötzlich sehen kann. Und das war das Allerschlimmste.
Sie kennen alle das berühmte Bild von Leonardo da Vinci vom Abendmahl Jesu. Haben Sie sich das hier noch einmal angeschaut? In Heigerloch hat der Malerschütz eine Kopie gemalt, die in der dortigen evangelischen Kirche hängt. Ich weiß, vom künstlerischen Standpunkt aus ist es verpönt, eine Kopie zu machen. Aber so müssen Sie nicht bis nach Rom fahren, um es nochmal anzusehen. Hier haben Sie einen guten Druck zuhause in einem Buch.
Dann sehen Sie, wie die Jünger alle ganz betroffen dreinblicken und selbst erschüttert sind, dass so etwas geschehen kann. Sie, die doch so viel mit Jesus erlebt haben.
Wir machen es uns ja immer wieder an diesem Abschnitt ein bisschen leicht und sagen: Ja, ja, der Judas – es gibt ja überall einen falschen Pfuscher, und da war eben einer von denen. Überall hat man ein schwarzes Schaf, und der Judas war eben das schwarze Schaf.
Dabei vergessen wir, dass alle Jünger Jesus auf ihre Weise verraten haben. Sie haben ihn verlassen, sie haben ihn verleugnet. So wie man das an den Städten der Verehrung Jesu in Israel erlebt, wo die Menschen Jesus auf ihre Weise verehren und Jesus für ihre Sache nehmen wollen, um ihre Kirche aufzupolieren, ihre Klöster, ihre Frömmigkeit und ihre Heiligkeit.
Da ist nichts mehr da von der Nachfolge, vom Hören des Wortes.
Die Tragik des Verrats und die menschliche Untreue
Warum ist es nur immer wieder so, dass Menschen Jesus verraten, preisgeben und in die Hände der Menschen überantworten? „Einer unter euch wird mich verraten“ – das tut Jesus weh. Es tut ihm furchtbar weh, dass einer unter euch, unter euch Treuen, die ihr so viel erlebt habt, ihn verrät.
Ihr habt die ganze Macht Gottes miterlebt, gerade im Johannesevangelium. Davor steht doch noch, wie Lazarus vom Grab auferweckt wurde, obwohl sein Leib schon in Verwesung übergegangen war. Und jetzt schon kippt euer Glaube um? Wenige Stunden später versteckt sich der letzte Jünger irgendwo aus Angst und gibt die Sache Jesu für verloren. Ach, was sind wir doch für untreue Menschen, und was hat Jesus für eine Not mit seinen Leuten.
Wissen Sie, dass die Christen die große Blamage sind und dass Jesus eine große Not mit seiner Gemeinde hat? Mit der kann er keinen Staat machen. Das ist ein Wort für uns, die wir uns heute hier im Gottesdienst versammeln: Jesus leidet an seinen treuesten Freunden. Das ist sein Passionsleiden.
Wenn man erst daran denkt, wie oft wir schon das Wort Jesu verdreht haben, die Gebote Gottes nach unserem Geschmack umgeformt und angepasst haben, wie wir sagen: „Ich will das selbst machen, ich brauche niemanden“, wie wir uns von Jesus losgerissen haben und unseren Weg selbst leben wollten – dann verstehen wir doch den Judas.
Jetzt möchte ich den zweiten Punkt anfügen: Das Menschenherz ist ein unheimlicher Abgrund. Als Jesus sagt: „Einer unter euch wird mich verraten“, wissen Sie, was ich gesagt hätte? Ich hätte ganz flott dazwischengequatscht und gesagt: „Ich nicht!“ Das hat Petrus dann auch so gesagt. Nein, eine Verleugnung kommt überhaupt nicht in Frage.
Interessant ist, dass in diesem Augenblick, nachdem Jesus ihnen die Füße gewaschen hat, hier steht: „Es wurde ihnen bange.“ Offenbar wurde ihnen zum ersten Mal richtig bewusst, dass jeder von uns zur schmählichsten Schandtat letztlich bereit ist. Wir sind alle wankelmütige und untreue Menschen, und das Entsetzen fällt über sie.
Wissen Sie, was mich heute viel mehr erschreckt? Dass das unter Christen so selbstverständlich geworden ist. Ich kenne unter Christen viele mutige Leute, die sagen: „Ich will die Welt verändern, ich will gut sein, ich will die Gebote Jesu verwirklichen.“ Das können sie, sie müssen sich nur bemühen. Da plant man alles und braucht Jesus gar nicht mehr dazu. Ein Christentum ohne Jesus hat man sich da zusammengeschaffen.
Dass damals alle bange wurden, erschraken und auf einmal merkten: „Mein Herz ist so korrupt, mein Herz ist so falsch, mein Herz ist so gefährlich.“ Ich hätte auch noch verstehen können, wenn die Jünger so der Reihe nach gesagt hätten: „Ja, Herr Jesus, ich weiß schon, wer es ist. Das ist Petrus, der ist so ein Hektiker, der macht das sicher wieder.“ Oder die anderen sagen: „Der Johannes, das ist so ein emotionaler Typ, auf den ist so wenig Verlass. Wenn da die Stimmung umschlägt, ist der Johannes bestimmt der, der dich verrät.“
Wir sind ja so schnell dabei, den Finger auf andere zu zeigen. Aber dass sie fragen: „Nicht nur Herr, bin ich es? Herr, wer ist es? Herr, wer?“ – ich könnte es doch sein. Eigentlich kann es jeder von uns sein. In uns allen steckt die Judasart, dass wir Jesus ausliefern.
Das heißt: In meinem Johannesevangelium wusste Jesus, was im Menschen war. Erschreckt Sie das, wenn Jesus alles weiß, was in Ihrem Herzen an Schwerem, Bösem, Fiesem und Gemeinem verborgen ist? Jesus wusste, was im Menschen war.
Ich möchte Ihnen sagen: Das ist ein ganz großer Trost. Wenn Jesus das alles weiß und er sogar die schändliche und gemeine Tat des Judas – die wirklich furchtbar war – zum Heil der ganzen Welt eingebaut hat und daraus Segen gemacht hat, wenn Jesus das sieht, was kann er erst daraus machen? Was kann er erst aus unserem Leben machen? Das ist doch wunderbar.
Ich möchte, dass wir dort wieder stehen bleiben und sagen: Herr, du erforschst mich und kennst mich, du kennst alle meine Wege. Wir können im Gottesdienst sitzen, im Augenblick, in dem wir eigentlich aufs Wort hören wollen, und dann kommen alle bösen Gedanken durch unseren Kopf. Dann spüren wir oft, wie wir hin- und hergerissen sind von allen unheimlichen Einflüssen. Jesus weiß es.
Ist das nicht Trost? Jesus weiß es, und er kann daraus großes Heil schaffen. Er hat aus der schlimmen Tat des Judas noch Heil für die Welt geschaffen.
Aber das Entscheidende ist doch: Ich muss auf Jesus blicken. Der Einzige, der mich retten kann. Und ich kann es Ihnen nur so sagen: Sie können sich nicht selbst retten. Kein einziger Mensch hat sich je selbst retten können. Nur Jesus kann uns befreien.
Jesus ist der kommende starke Erlöser. Er bricht dem gewappneten Starken das Haus. Der Einzige, der uns freimachen kann von den Versuchungen, ist Jesus. Der Einzige, der uns bewahren kann, ist Jesus, der Herr. Auf den muss man blicken, auf den muss man schauen, den muss man sich anvertrauen.
Ich habe oft die Befürchtung, dass unser Glaubensleben in diesen Tagen, in unserer Zeit, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts sehr seicht geworden ist, oberflächlich. Sprechen Sie noch so in der Stille, wenn Sie vor Gott sein Wort lesen: „Herr, bin ich es? Bin ich der, der deiner Sache den Schaden zufügt?“ Wenn ich da oben stehe und dein Wort predige, dass ich anderen predige und selbstverwerflich werde: „Herr, bewahre mein Herz und meine Sinne in dir!“
Der Einzige, der mich durchretten kann, bei dem ich heilig sein kann, ist doch der Herr.
Dann fällt auf, dass in der ganzen Geschichte der Christenheit immer wieder die großen Leuchtpunkte dort waren. Dort in der Passionsgeschichte hat es angefangen. Wie war das in der Reformation, als ein Einzelner in der Stille über dem Lesen des Wortes Gottes in seiner Mönchszelle geforscht hat, im Erschrecken vor dem heiligen Gott?
Und ich kann es immer nicht hören, wenn man sagt, die Frage nach dem gnädigen Gott sei doch keine Frage, die den modernen Menschen interessiert. Das hat einen Menschen in der Moderne so wenig interessiert wie im Mittelalter. Das interessiert nur Menschen, deren Gewissen aufgeweckt ist.
Es hat einst einen Ludwig Hofacker umgetrieben, dass er vor der Gemeinde stand und über das eine Thema nur gesprochen hat: Wie kann ich vor dem heiligen Richter bestehen? Ich, der ich ein Mensch bin, voller Schuld, voller Sünde, voller Übertretung und voller Missetat.
Da sehen wir uns in den Abgrund des menschlichen Herzens hinein. Aber da entdecken wir auch den Heil in Jesus, der aus diesen Jüngern etwas ganz Tolles macht.
Die Liebe Jesu bis zum Ende und die Hoffnung für alle
Wir sind bei einem letzten Punkt angekommen. Hier steht ein ganz herrliches Wort voller Freude und Trost. Warum ist es ein herrliches Wort voller Freude und Trost? Schauen Sie einfach in Ihre Bibel nach, ob das stimmt, was ich sage.
Das Kapitel 13, aus dem unser Abschnitt stammt, beginnt im ersten Vers so: Wie Jesus die Seinen geliebt hat – und zu den Seinen gehörte auch Judas Iskariot – so liebte er Judas bis zum Ende. Können Sie das fassen? Jesus liebt einen Judas bis zum Schluss. Er gibt niemanden auf.
Dann läuft Judas hinaus und sagt: „Schluss, ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.“ Er bricht die Brücken ab. Aber Jesus hat nie die Brücke abgebrochen. Es ist mir immer eine Not, wenn wir über Judas sprechen, vor allem für die Schwermütigen unter uns, die psychisch belastet sind und besonders unter dieser Not leiden. Sie hören nur das Wort „Judas“ und denken gar nichts anderes mehr. Dann gehen sie hinaus und sagen: „Heute haben sie über mich gesprochen, dass ich verdammt bin.“
Ich rufe es Ihnen noch einmal zu, und Sie können es nicht überhören: Im ganzen Evangelium steht, dass Judas der Einzige war, der nach der Schrift das erfüllt hat, was geschehen musste. Ich kann nur danken, dass Judas diese Aufgabe erledigt hat und ich nicht mehr der Judas sein muss. Für alle anderen steht die Gnade Gottes offen.
Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Lass doch die Liebe Jesu in dein Leben. Schlag die Tür nicht zu und renne nicht in die Nacht hinaus. Wie viele brechen selbst die Brücke ab und reißen sich los von Jesus! Für sie war das mal eine Erinnerung. Ich war auch mal im Bibelkreis in meiner Jugend.
Wissen Sie, was Sie einzig durch Ihr Leben tragen kann? Dass Jesus Sie liebt bis ans Ende.
Lassen Sie mich kurz noch einmal stehenbleiben bei dem, was bei Judas war. Wir können das Geheimnis nicht lösen. Eines dürfen Sie nicht sagen: dass Judas das tun musste. Gott hat nie einen Menschen verdammt, Böses zu tun. Das ist nicht wahr, das gibt es nicht. Da haben Sie sich etwas Falsches zusammengelegt von der Vorherbestimmung. So steht es nicht in der Bibel, und es steht auch bei Judas nicht als Malzeichen über seiner Stirn geschrieben, dass er so sein muss.
Wir können schnell aufzählen und sagen: Ja, aber Judas war doch schon als Kassierer unzuverlässig. Sagen Sie: Wer von Ihnen kann den ersten Stein werfen ohne Sünde? Sie sagen, in meinem Leben war nichts drin, so wie bei Judas ein Schwachpunkt war. Beim einen ist es Geld, beim anderen Sex, beim dritten Stolz, Hochmut, Eigenbrödelei, Neid oder Missgunst. Wer kann da den Stein werfen? Wir haben alle solche Punkte.
Das Schlimme war doch, dass Judas einen anderen Jesus haben wollte. Er wollte nicht den Jesus, der ans Kreuz geht. Er wollte den schwachen Jesus nicht. Man kann es kaum glauben, aber für ihn waren dreißig Silberstücke etwas Greifbares. Da hatte man wenigstens etwas in der Hand. Er wollte von Jesus mehr haben.
Vielleicht folgen wir Jesus nur so lange, wie wir gesund sind, so lange wir Vorteile von ihm haben, so lange er Wunder tut. Und wenn Jesus uns durch finstere Tage führt, dann murren wir gegen ihn. Verstehen wir denn Judas? „Ich will nichts mehr mit Jesus zu tun haben, wenn er mir meine Wünsche nicht erfüllt.“
Ich kann nicht deuten, was es bei Judas war. Die Bibel ist ganz bewusst offen, aber da muss etwas gelegen haben. Er wollte einen anderen Jesus, er war enttäuscht. Da sagt er: „Der soll sterben, mit dem will ich nichts mehr zu tun haben.“ Und man kann nur sagen: Wer Jesus von sich stößt, richtet sich selbst. Das ist ein ganz großer Ernst.
Aber Jesus bietet diesem Judas noch das Brot an. Es ist wie beim Passamahl. Lassen Sie mich einen ganz einfachen modernen Vergleich wählen: Sie kennen das Fondue-Essen, bei dem man Brot in eine Suppenschüssel eintaucht. Das war beim Passamahl etwas Ähnliches. Jesus reicht ihm das Brot.
Und für uns alle klingt es noch viel mehr mit. Das war das Einzige, was Judas erfassen konnte. Jesus geht nicht auf die Wünsche des Judas ein, was auch immer er wollte. Aber er gibt sich noch einmal selbst – für dich in den Tod gegeben, auch für Judas.
Darum dürfen Sie nicht sagen, dass ein Judas nicht bis zum Schluss die ausgestreckte Hand Jesu hat. Aber man muss sie ergreifen. Man muss sich lieben lassen. Wie Jesus die Seinen geliebt hatte, so liebte er sie bis ans Ende.
In Kapernaum hielt Jesus nach der Speisung der Fünftausend diese unvergleichliche Rede über das Brot, weil sie ihn zum Brotkönig machen wollten. Da könnte ich mir vorstellen, dass dort die erste Spannung war. So hat es auch Otto Riedmüller in seiner unvergleichlichen Auslegung der Passionsgeschichte gedeutet: Da ist bei Judas der erste Bruch gekommen.
Er wollte einen König haben, der herrscht, der etwas Großes und Mächtiges in der Welt ist. Und dann sagte Jesus: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer von diesem Brot isst, wird nicht mehr hungern.“ Judas, nimm doch das Brot! Und er nimmt es und rennt davon. Er isst sich zum Gericht.
Ich darf Ihnen sagen: So müssen Sie es nicht machen. Sie sind freie Menschen und können wählen. Sie dürfen das Angebot Jesu annehmen und sagen: „Für mich ist er gestorben.“ Darum ist Jesus in die Welt gekommen, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
Wir freuen uns, dass die Passionsgeschichte eine Freudenbotschaft ist, ein rettendes Evangelium, das alle fähig macht, die daran glauben. Jesus sagt: „Komm, nimm! Für dich habe ich diese unheimlichen Tiefen durchlitten. Jetzt lass doch das Los in deinem Leben, gib dich ganz mir hin und lass dich in meine Liebe einhüllen.“
Wir haben vorhin das Lied gesungen: „Schönster Herr Jesus, dich will ich lieben, dich will ich ehren.“ Das ist Glauben. Ich will gar nichts anderes mehr, als für dich zu leben und mich dir hinzugeben.
Und dann sehe ich diese Menschen, zuerst diese Jünger Jesu, die aus diesem erschrockenen Gewissen herausgegangen sind. So heißt es in den bekannten Schriften der Reformation, der Augsburger Konfession: Alle Lehre muss durch den Kampf des erschrockenen Gewissens hindurch.
Wer da einmal hindurchgegangen ist, durch das erschrockene Gewissen, „Herr, meine Sünde drückt mich, und ich leide darunter“, der erfährt seine Liebe und seinen Frieden. Und er darf sich daran freuen: „Ach mein Herr Jesus, wenn ich dich nicht hätte und wenn dein Blut nicht für die Sünder redete, wo sollte ich, ärmster unter den Elenden, mich sonst hinwenden?“
Diese Männer wurden, als sie auf Jesus blickten und ihm vertrauten, zum Segen für die ganze Welt.
Wissen Sie, wie Ihr Leben für viele Menschen Frucht bringen kann und ihnen Raum gibt für die Liebe Jesu? Er hat alles für mich getan. Ich will nur noch für ihn leben. Ich will ihm gehören im Leben und im Sterben. Amen.
