Wir sprechen an Gräbern oft von der Ewigkeitshoffnung. Dabei bin ich sehr dankbar, dass wir heute, am Volkstrauertag, ein so großes Wort der Hoffnung haben: 2. Korinther 5,1-10.
Denn wir wissen – ich muss noch ergänzen –, dass Paulus zuvor im vierten Kapitel von einem schmerzlichen Prozess gesprochen hat. Er beschreibt, wie unser Leben heute noch nicht die neue Herrlichkeit sichtbar trägt, die uns Jesus geben wird. Stattdessen werden wir heute „ausgezogen“; der äußere Mensch verdirbt, er wird abgebaut. Unser Leben hat den Charakter eines Gerüstes.
Es ist bei uns so, dass der große Schatz in ganz unpassenden, irdenen Gefäßen eingepackt ist. Wir tragen in unserem Leben im Glauben den gegenwärtigen Herrn Jesus und sind doch äußerlich so zerbrechliche Figuren.
Die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und die Hoffnung auf das Ewige
Und nun sagt er: Wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, zerbrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
Darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden. Denn dann werden wir begleitet und nicht bloß entkleidet.
Solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber wollen, nicht entkleidet, sondern überkleidet werden. So wird der Sterbliche vom Leben verschlungen.
Der uns aber dazu bereitet hat, ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
So sind wir denn allezeit getrost und wissen, dass, solange wir im Leibe wohnen, wir fern vom Herrn wandeln.
Dem Paulus ist es sicher schwergefallen, diesen Satz zu schreiben, dass er trotzdem getrost sei. Das dauernde Empfinden: Wir sind eben doch heute nicht in dieser ewigen Heimat, denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
Wir sind aber getrost und haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wandeln und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum befleißigen wir uns auch, ob wir daheim oder wandeln, dass wir ihm wohlgefallen.
Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit ein jeder empfange, wie er gehandelt hat im Leibesleben, sei es gut oder böse.
Hoffnung auf dein neues Reich, Amen!
Der schmerzliche Prozess des Zerfalls und die Flucht vor dem Tod
Liebe Gemeinde,
man kann heutzutage immer wieder sehen, wie ein Haus abgebrochen wird. Es schmerzt mich ein wenig, wenn dieser große Rammbock und die Bauarbeiter das Dach oben wegreißen. Eine Seite ist schon zusammengebrochen, und plötzlich sieht man die Wohnung so frei und ungeschützt daliegen. Die gemütliche Ofenecke mit der netten Tapete ist jetzt unwirtlich und wüst, schon zerrissen und staubig. Gleich kracht noch einmal ein Balken hinein, der alles zusammenbrechen und zusammenwerfen lässt.
Es war einmal ein gemütliches Heim, aber jetzt wird es zerbrochen, umgestürzt und abgebrochen.
Dasselbe wiederholt sich täglich, nur sind es nicht Häuser, die abgebrochen werden, sondern Menschen. Wenn man das mitansehen muss – und wenn man das sogar an sich selbst mitansehen muss – ist das ein schmerzlicher Vorgang.
Man sieht, wie ein kräftiger Mensch immer mehr zerfällt, wie er abbaut, wie all das, was so groß war, zurückgeht, weniger wird, immer weniger. Diesen schweren Prozess des Sterbens, des langsamen Sterbens, kann man nicht aufhalten.
Ich habe mich gefragt, ob wir heute so selbstverständlich über das Sterben reden dürfen. Die meisten Menschen halten es gar nicht aus, wenn man darüber spricht. Vielleicht bleiben sie auch weg, weil sie denken, man rede manchmal von diesem Thema, und das sei unerträglich. Das will man nicht hören.
Viel lieber redet man dann von der großen Arbeitsfülle, man drängt sich in die Aufgaben hinein. Das ist doch alles nur Flucht vor dem langsamen Prozess des Abbaus und des Sterbens, der mitten in unserer Lebenskraft lange, lange bevor wir wirklich sterben, schon anfängt.
Und doch können wir heute das zum Mittelpunkt unserer Predigt machen, weil wir als Christen eine lebendige Hoffnung haben, die weit über das Sterben hinausreicht.
Wir reden ja gar nicht über das Sterben. Nein, das ist gar nicht unser Thema. Wir reden von der Hoffnung, von dem, was bleibt – auch im Sterben –, von dem, was der Tod nicht auslöschen und zerstören kann.
Unser Blick geht viel weiter hinaus als nur über diesen schmerzlichen Vorgang des Zerbrechens, Abbaus und Zerstörens.
Wir wollen ja gerade das Bleibende haben. Wir wollen einen Grund unter den Füßen haben. Wir brauchen eine Hoffnung.
Es ist sehr schwer, wenn gestorben wird und der Tod einkehrt. Dann wird erst deutlich, dass man oft gar keine Hoffnung hat. Dann wird oft klar, dass unser Glaube auch nur ein Spruch war, ein Traum, irgendwie ein Wünschen.
Deshalb wird es jetzt so wichtig für uns, ob mein Glaubensleben wirklich dort verwurzelt ist, wo ich wie Paulus sagen kann: Ich weiß, ich weiß – wir wissen, wir sind getrost, wir hoffen feste und mit gewisser Überzeugung auch im Tod, auch dem Grab gegenüber, auch meinem eigenen Sterben gegenüber.
Die Unausweichlichkeit des Todes und die Macht Jesu Christi
Ich möchte an diesem Abschnitt drei Dinge deutlich machen.
Das Erste ist: Was kann der Tod nicht zerbrechen? Der Tod zerbricht doch alles. Er hat von Gott die Macht erhalten, alles zu zerstören. Wir kennen keinen Teil unserer Welt, den der Tod nicht zerbrechen kann. In der Natur draußen zerstört er alles, selbst die Dinge, die uns so fest erscheinen. Was ist zum Beispiel nach 200 Jahren aus diesem Holz geworden? Es verfällt, alles vergeht, alles ist vom Tod angesteckt: Menschen, Ideen, Bewegungen – alles veraltet.
Auch das, was wir heute schaffen, ist schon von Vergänglichkeit geprägt. Das macht uns oft unruhig. Was bleibt eigentlich von unserem Leben? Wir wollen ja etwas Bleibendes hinterlassen. Was aber kann der Tod nicht zerbrechen? Oft sagt man am Grab, der Verstorbene werde bei uns unvergessen bleiben. Doch manchmal muss man dabei ein wenig zwinkern und sich fragen, warum so viel geflunkert wird. Die anderen sind ja manchmal auch ganz froh, dass wieder einer Platz gemacht hat. Es wird viel Unehrliches geredet, und es gibt sogar ein Wort in unserem Volk: „so verlogen wie eine Leichenrede“. Das heißt, dass man da oft unehrlich ist. Denn alles vergeht, und das, was man sagt, ist nicht bleibend.
Der Tod hat Macht selbst über die Liebeserinnerung, und so wird einer doch vergessen. Der Tod hat uns ganz in seiner Hand, und niemand kann ihm entkommen. Niemand kann sagen: „Ich gehe daran vorüber.“
Im Psalm 73 wird erzählt, wie Asaf fast verzweifelt an der Ungerechtigkeit der Welt. Er sah, wie es den Gottlosen gut geht. Sie haben immer Glück, alles funktioniert für sie, sie sind reich und leben in Saus und Braus. Dann sagt er zu Gott: „Ich habe das Ganze nicht durchschaut, bis ich auf ihr Ende blickte.“ Da merkte er: Im Tod werden alle gleichgemacht. Im Tod hört auch das Glück des Gottlosen und des Reichen auf. Das hat ihn getröstet.
Aber es ist eine erschütternde Tatsache: Im Tod werden wir alle gleichgemacht. Niemand kann aus dem Tod heraus, niemand kann sich davor schützen, niemand kann zurück. Wir können den Tod nur für kurze Zeit verdrängen. Schon eine Verlängerung des Lebens um einige Jahre oder gar nur Wochen empfinden wir als Sieg. Aber den Tod können wir nicht abschaffen. Wir haben kein Mittel gegen ihn.
Darum ist es so eine aufregende Botschaft, dass Jesus aus dem Heer der Toten herausgetreten ist und den Tod überwunden und besiegt hat. Es ist nicht wahr, dass der Tod alles in seiner Hand hat. An einer Stelle ist er wehrlos: Jesus Christus gegenüber. Dort hat er alle seine Macht verloren. Dort liegt er zerbrochen, gebeugt und schwach da. Er kann nichts mehr ausrichten. Dort ist er am Ende – nur Jesus Christus gegenüber.
Jetzt entscheidet sich für unseren Glauben, ob wir in der Todesstunde schon unter dem Schutz dieses mächtigen Siegers, Jesus Christus, stehen. Alles andere kann uns in der Todesstunde nicht schützen. Meine Frömmigkeit schützt mich nicht, meine Kirchenzugehörigkeit schützt mich nicht, mein Wissen schützt mich nicht. Nichts schützt mich in dieser Todesstunde.
Es kommt darauf an, ob Jesus mich in seiner Hand hält, der Sieger, der mich vor dieser grässlichen Todesmacht bewahren kann, die mich zerbrechen will. Ob ich von ihm behütet und beschützt bin – das möchte ich als eine Frage weitergeben, die nur jeder persönlich beantworten kann: Bin ich geborgen bei Jesus? Ist er mein Herr?
Gott bewahre uns vor der Begegnung mit dem Tod, bevor wir das wissen. Ich will nicht in die Hände des Todes fallen, ohne dass Jesu Hand mich behütet und beschützt. Ich kann die Frage nur persönlich beantworten – für mich.
Ich kann die Frage auch immer wieder vor mir herschieben, doch das hilft nicht. Weder eine Mutter kann ihr Kind begleiten, noch ein Kind seine Mutter in dieser Stunde. Die Frage muss jeder in der Todesstunde beantworten.
Wir können so tun, als ob die Glaubensfrage kein persönliches Problem von uns sei, als ob wir mitschwimmen könnten in der Tradition und Frömmigkeit unserer Mitmenschen. Aber es kommt die Stunde, in der alles nur darauf ankommt, ob Jesus mich hält, ob er mich behütet, ob er mein Herr ist und ob ich von ihm erlöst werde oder nicht.
Jesus hat nur von denen gesprochen, die er erlöst aus der Macht des Todes. Es ist meine Entscheidung, Ihre Entscheidung, ob Sie mitschwimmen im großen Heer der Namenlosen – doch Milliarden Menschen, die im Tod dahinsinken – oder ob Sie sich von Jesus Christus herausrufen lassen. Ob Sie aus der Vergänglichkeit sagen: „Ich will sein Kind sein, ich will seine Hand fassen, ich will ihm gehören.“
Diese Hoffnung hält auch im Tod durch. Diese Hoffnung kann allein uns retten, weil Jesus dem Tod die Macht genommen hat und das Leben ans Licht gebracht hat.
Wenn Paulus hier von der großen Hoffnung im Sterben redet, dann gründet er sie auf seine persönliche Gemeinschaft mit Jesus. Jesus hat ihn herausgerissen und ist seine Zuversicht und Hoffnung. Auf ihn setzt Paulus sein Vertrauen.
So kann er unbesorgt und ohne Angst von seinem Sterben sprechen. Denn das ist gar nicht das dunkle Tor, auf das er zugeht. Nein, dort wird es hell! Am Ende seines Lebens wird es ganz hell. Dort kommt die Freude, dort wird er Jesus gegenüberstehen. Dort geht es zur Vollendung seines Lebens, zum neuen Leben.
Das war das Erste, was der Tod nicht zerbrechen kann. Er kann alles zerbrechen – nur das eine nicht, was Jesus macht.
Der Umgang mit Krankheit und das Ja zum Zerbrechen
Das Zweite, was der Tod zerbrechen darf
Wir haben gehört, was der Tod nicht zerbrechen kann. Das war das Erste. Nun geht es darum, was der Tod zerbrechen darf.
Vor zweihundert Jahren lebte in einem Dorf bei Heidenheim der Liederdichter Philipp Friedrich Hiller. Er war stark von Krankheit gezeichnet und hat uns viele schöne Lieder hinterlassen. Zum Beispiel „Jesus Christus herrscht als König“, aber auch andere Lieder, die besonders durch ihre naturverbundene und lebensnahe Sprache auffallen. Manche haben sich sogar daran gestoßen, dass man so natürlich und irdisch reden kann. Deshalb sind viele seiner bekannten Lieder sicher nicht im Gesangbuch enthalten.
Ein Lied von Philipp Friedrich Hiller ist mir besonders wichtig geworden. Darin spricht er davon, wie der Tod uns zerbrechen darf. Er schreibt:
„Tod, mein Hütlein, nach diesem Abschnitt gedichtet:
Kannst du brechen, was ein Werk von Erde ist,
aber du hast nichts zu rächen,
meine Sünden sind gebüßt, ja gebüßt,
doch nicht von mir, nein, mein Mittler starb dafür.“
Dann sagt er:
„Dies ist meiner Seele Anker,
dies hält meinen Glauben fest,
wenn mein Leib schon als ein Kranker sich der Fäulnis überlässt.“
Jesus lebt, also lebe auch ich, und mein Herr verklärt mich schon heute in der Krankheitsnot, die ich durchmachen muss. Ich spüre schon, wie so viel an mir, wie er sagt, verfault, wie das zergeht, was eigentlich gute Schöpfung Gottes war. Das ist ein Vorgeschmack des Sterbens – und das darf sein. Christen sagen Ja dazu.
Paulus hat ein unerschrockenes Ja zu seiner Krankheit gefunden. Wir wehren uns oft und sagen: „Herr, du musst helfen, du musst das wegnehmen, du musst es jetzt von meinem Körper nehmen!“ Wir wissen, wie lange Paulus in seiner Krankheitsnot gerungen hat, bis er durchgesehen hat, dass der Herr ihm diese Krankheit nicht wegnehmen will. Er lässt sie. Gerade in diesem langsamen Abnehmen darf ich umso mehr von der Nähe Gottes erfahren.
Die Hütte wird zerbrochen – das ist ein langsamer Prozess, der sich über viele Jahre hinzieht. Und wenn sie abgebrochen wird, ja, das ist furchtbar. Was bleibt dann? Wenn das Sichtbare zerbrochen wird, bleibt umso mehr das, was wir im Glauben fassen. Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
Wir würden viel lieber jetzt schon mit dem Sieg Jesu überkleidet werden. Wir möchten den neuen Leib der Ewigkeit tragen, das sichtbare Strahlen unseres Glaubens auch über unserem körperlichen Sein, die Rettung aus allen Krankheiten. Es gibt immer wieder Heilungsapostel, die uns beeindrucken und sagen, alle Krankheit werde weggenommen. Manchmal denken wir, das sei Glaubensstärke.
Paulus sagt jedoch, wahre Glaubensstärke zeigt sich darin, dass man Ja sagen kann zu den schweren Lasten unseres Lebens. Nur wenn man sich darunter beugt und sagt: „Das nehme ich aus der Hand meines liebenden Herrn“, der mir Stück um Stück etwas abstreift, immer mehr, dann ist man stark.
Am Ende stehen wir fast nackt da, sagt Paulus. Wir wollten ja gar nicht bloß vor Gott stehen, aber dann zeigt sich das Ärmliche und Schwächliche unserer irdischen Existenz so richtig. Wir sehen das auch in unserer Nähe, wenn manche im Alter Stück um Stück weggenommen bekommen, bis sie ganz auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Dann sagen sie oft: „Ich wollte das nicht, angewiesen sein auf Hilfe.“ Das wollen wir nicht aus Stolz.
So kommt das ganze Jämmerliche unserer irdischen Existenz zum Vorschein. Unsere jungen Leute sollten auch in solche Krankenbetten treten, damit sie mehr vom Leben verstehen und aufgeklärt sind, was menschliche Existenz bedeutet. Darum lässt Gott das geschehen.
Viele wünschen sich einen plötzlichen Tod, sie wollen in der Fülle ihrer Arbeit sterben. Das will jeder, auch der Apostel Paulus. Es ist schön, heute mitten aus der Fülle der Arbeit in die Ewigkeit hinüberzugehen.
Heinrich Giessen, der bekannte Leiter der Stadtmission in Berlin, hat es immer so schön gesagt: Er sei ein „Senkrechtstarter“, ein Herzinfarkt-Mensch, weil er schon einen hatte. Für ihn ist Sterben kein Problem, es gehe in Sekunden schnell in die Ewigkeit. Das sei das Schönste, was man haben kann, weil der Prozess des Absterbens so schwer ist.
Trotzdem hat Gott seine Wege mit uns. Hier spricht Paulus davon, dass wir uns schon mitten im Leben daran gewöhnen müssen: Wie wird es, wenn man auf einmal nicht mehr das alte Programm durchschafft? Wenn man langsam tun muss, wie man merkt, dass das Gedächtnis nachlässt, und man viele körperliche Gebrechen aus der Hand Gottes nehmen muss und Ja dazu sagt?
Paulus sagt: „Ich kann das alles nehmen.“ Gerade auch im Kapitel davor sagt er, das sei sogar leicht. Denn das, was ich im Glauben bekomme, ist viel, viel größer. Der innere Mensch, der jetzt im Glauben wächst, wird viel stärker und herrlicher sein als das, was jetzt an Sichtbarem zerbrochen werden kann.
In dieser Trübsal, in der wir leben, wächst die Sehnsucht nach dem Neuen. Je mehr unser irdisches Leben abstreifen muss, desto mehr hat man Heimweh und freut sich darauf, bis Gott einem das Neue in der Ewigkeit gibt. Man bekommt Heimweh nach der Ewigkeit.
So hat der Apostel Paulus gelebt. Wir seufzen, sind beschwert und wollen jetzt schon überkleidet werden mit dem Neuen, mit dem neuen Leib, von dem ich zuvor in der Schriftlesung gelesen habe. Dessen Schwachheit gesät wird und auferstehen wird in Herrlichkeit (2. Korinther 5,1-5).
Das Bleibende inmitten der Vergänglichkeit
Und nur noch, was am Ende bleibt
Wir haben darüber gesprochen, was der Tod nicht zerbrechen kann, und was er zerbrechen darf. Darf er alles zerbrechen, was irdisch ist? Ja, nur den Glauben, das Halten an Jesus, kann er nicht zerbrechen.
Was ist das Feste, das am Ende bleibt? Was bleibt denn überhaupt? Nichts? Oder wie ist das? Wir fragen uns: Was hat jemand hinterlassen? Was hat er zurückgelassen? Ein Erbe. Dann wird das Erbe verteilt, und oft streiten sich die nettesten Familienangehörigen sogar darum. Es ist schwierig, bis man alles auseinander hat.
Was hinterlässt jemand noch? Den Ruf, einen guten Namen für die Familie. Was bleibt? Es bleibt gar nichts – und doch bleibt auch etwas.
Was bleibt? Es ist nicht richtig, wenn wir nur von den irdischen Dingen sprechen, die bleiben. Paulus sagt, wir haben schon etwas, und das bleibt bis in die Ewigkeit hinein. Wir haben einen Pfand in der Hand. Mit diesem Pfand leben wir – das ist sein Heiliger Geist, den er uns gegeben hat.
Dieser Heilige Geist heute kann sich immer stärker ausweiten. Man nimmt ihn sogar über das Grab hinaus mit in das neue Leben hinein. Es ist nicht richtig zu sagen, dass wir alles zurücklassen, alles hinterlassen. Etwas bleibt bis in das neue Leben hinein.
Wenn wir heute diese Sehnsucht haben und sagen, wir wollen schon übergleitet sein mit dem Neuen, dann sagt uns Jesus: Ihr bekommt heute ja schon meine Gabe mit. Diesen inneren Menschen, den er anfängt zu bauen. Dieser innere Mensch zeigt sich in Geduld, auch an schweren Leidenstagen, in der Liebe und in der Freude.
Obwohl der äußere Mensch zerbricht, wächst dieser innere immer stärker. Das kann man erst in einem langsam gelebten Leben lernen, gerade dort, wo abgestreift werden muss. So wächst dieser innere Mensch, weil der Geist Gottes immer mächtiger wird in unserem Leben.
Wir müssen offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, vor dem Gericht. Da haben wir Angst? Nein, wir haben keine Angst, wenn unsere Schuld vergeben ist. Dann können wir sagen: Wir gehen auf diese Rechenschaftsablegung vor dem Thron Gottes fröhlich zu, weil wir jetzt wissen, was zählt und worauf es eigentlich im Leben ankommt.
Es kommt nicht darauf an, wie viel jemand gearbeitet hat. Es kommt darauf an, ob er möglichst viele Schätze hat, die nicht vergehen, die er mitnimmt. Es kommt auf die Früchte des Geistes an, die bleiben.
Fast bei jedem Kranken müssen wir immer wieder auf die Frage antworten: Was soll ich jetzt eigentlich noch tun? Schauen Sie mal her, linke Seite gelähmt – was soll ich jetzt noch tun? Das ist eigentlich eine dumme Frage, wo uns Paulus doch so deutlich sagt, was wir tun sollen: dass die Früchte des Geistes zunehmen, dass der innere Mensch wächst.
Das ist eine ganz wichtige Entwicklungszeit. Gott kommt es nicht darauf an, wie viele Tassen eine Hausfrau abspült, auch im Alter, oder wie viele Akten sie erledigt. Das ist nicht Gottes Zählung der Taten dieser Welt. Oder wie viele Schrauben jemand am Fließband angezogen hat. Es ist schön, wenn wir das in Treue erfüllen können.
Er fragt uns, wie wir am inneren Menschen gewachsen sind. Das ist die Hauptsache. Hier ist die Entwicklungszeit unseres wirklich wichtigsten Teiles, wie wir der Ewigkeit entgegenreifen.
Und dann sollten wir Menschen helfen und uns selbst helfen, ins Gespräch miteinander eintreten, wie das mit dem Reifen und Zunehmen ist.
Wir haben neulich bei der Predigt über Jakobus und die Krankheit festgestellt, auch in vielen Gesprächen danach, wie viele unter uns mit Krankheit zu kämpfen haben. Junge Menschen, kaum über zwanzig Jahre alt, mit unheilbaren Leiden, die nicht wissen, wie lange sie die Last noch durchschleppen können.
Wir merken, dass Gott uns schon in seine Schule nimmt und mit uns exerziert. Er will diesen inneren Menschen greifen lassen.
Dann merken wir, worauf alles ankommt: dass ich in ihm gefunden werde, in ihm meine Hoffnung habe, dass ich seinen Geist nehme, dass ich im Glauben wandle, in diesem Vertrauen auf ihn blicke und fröhlich auf jenen Tag zugehe, an dem ich vor ihm erscheinen werde.
Dort darf ich Rechenschaft ablegen über mein Leben und sagen: Herr, ich darf es in deine Hand legen.
Es kann mich niemand aus dieser Hand herausreißen, aus der Hand des Siegers, der den Tod schon überwunden hat. Was soll meine größte Sorge im Leben sein?
Viele von Ihnen haben einmal in jungen Jahren gelernt, dass ich nicht mir selbst gehöre, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus.
Amen.
Schlussgebet und Segen
Wollen beten.
Herr Jesus Christus, es fällt uns so schwer, wenn wir so viel aus der Hand geben müssen, was uns Halt und Stütze war. Wir danken dir, dass du uns zeigst, dass du uns ganz bewusst aus der Hand schlagen lässt. So brauchen wir uns nicht auf äußere Stützen zu verlassen, denn du bist selbst der einzige Halt in deinem Sieg über die Todesmächte.
Wo du uns hältst, können wir nicht mehr versinken. Wenn wir auf dich schauen, gehen wir nicht mehr unter – egal, was uns jetzt bewegt und ängstigt, auch im Blick auf die kommende Woche und alle unsere Aufgaben. Wir lassen uns von dir in diese Aufgaben hineinstellen, gehen hin in deinen Namen und wissen, dass du uns sendest und ein mächtiger Herr bist, der uns loslösen kann.
Ja, Herr, wenn so viel an äußeren Dingen bei uns zerfällt, zerbricht, weggeht und uns aus der Hand genommen wird, dann lass den inneren Menschen, den neuen Menschen nach deinem Bild, immer mehr wachsen. Lass uns zunehmen an dem, was dein Geist an Früchten bei uns treiben will. Setze unser Leben und uns zum Segen für viele.
Wir möchten dich bitten, dass du uns so nimmst, mit unserer Lebenskraft und auch mit unserem zerbrechlichen irdischen Leben. Ja, Herr, und lass unseren Glauben zur Klarheit kommen, damit wir allein im persönlichen Vertrauen auf dich geborgen sind und Frieden haben.
Geh du jedem von uns nach, bis er in dir ganze Ruhe und ganzen Frieden gefunden hat. Sei jetzt auch bei allen Trauernden und Einsamen, mach sie fröhlich in deinem Wort.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Und nun wollen wir auch um den Segen Gottes bitten:
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.