Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 174: Die Barmherzigen
Einführung in das Thema Barmherzigkeit
Heute wollen wir uns mit dem Thema Barmherzigkeit beschäftigen.
Zuerst fragen wir uns, was Barmherzigkeit eigentlich bedeutet. Barmherzigkeit beschreibt das mitleidige Verhalten eines Stärkeren im Umgang mit einem Schwächeren. Sie ist Liebe in Aktion. Wer dazu ein Beispiel sucht, kann das Gleichnis vom barmherzigen Samariter in Lukas 10 lesen. Besser lässt sich der Begriff kaum auf den Punkt bringen.
Ihr wisst sicher, dass die ersten Seligpreisungen für mich wie eine Kurzfassung einer Bekehrung sind. Ich stelle mich meiner Verlorenheit, trauere über meine Sünde, öffne mich für das Reden Gottes und lasse mich von ihm durch den Glauben mit seiner Gerechtigkeit beschenken.
Natürlich wollen die Seligpreisungen mehr sein als nur eine Kurzfassung des Evangeliums. Aber ich finde es spannend, dass die in den Seligpreisungen angesprochenen Themen so zentral für das geistliche Leben sind – womöglich sogar zentraler, als uns das häufig bewusst ist.
So jedenfalls geht es mir beim Thema Barmherzigkeit.
Die Bedeutung der Barmherzigkeit in den Seligpreisungen und im Hebräerbrief
Matthäus Kapitel 5, Vers 7: Glückselig sind die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren.
Eigentlich ist das eine ganz einfache Seligpreisung. Wenn wir barmherzig sind, werden wir Barmherzigkeit erhalten. Um das ganz deutlich zu sagen: Wir brauchen sie jeden Tag.
Im Hebräerbrief lesen wir die Verheißung in Hebräer Kapitel 4, Vers 16: Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.
Wir dürfen und sollen jeden Tag mit unseren Anliegen zu Gott vor den Thron der Gnade kommen, um von ihm Barmherzigkeit zu erfahren. Er will mit seiner rechtzeitigen Hilfe für uns da sein – was für ein Geschenk!
Der hohe Stellenwert der Barmherzigkeit im biblischen Kontext
Und bis zu diesem Punkt erscheint das Thema Barmherzigkeit einfach, nett und leicht verständlich. Doch wenn man sich fragt, wie wichtig Barmherzigkeit eigentlich ist, dann wird man durch das Ergebnis überrascht.
Barmherzigkeit erhält in der Bibel nämlich einen unglaublich hohen Stellenwert. Jesus wirft den Pharisäern vor: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler, denn ihr verzehntet die Minze, den Dill und den Kümmel und habt die wichtigeren Dinge des Gesetzes beiseitegelassen, das Recht, das Gericht und die Barmherzigkeit“ (Matthäus 23,23).
Neben Recht und Glauben gehört also auch die Barmherzigkeit zu den wichtigen Dingen des Gesetzes. Im Zentrum des mosaischen Gesetzes steht somit die Barmherzigkeit. Das ist auch verständlich, denn Gott selbst stellt sich dem Mose als barmherzig vor.
Deshalb begegnet uns Gottes Barmherzigkeit immer wieder im Alten Testament.
Beispiele göttlicher Barmherzigkeit im Alten Testament
Rückblickend auf die Wüstenwanderung mit all dem Murren und Unglauben formuliert Asaph, der Psalmist, in Psalm 78, Vers 38: „Gott aber war barmherzig, er vergab die Schuld und vertilgte nicht, und oftmals wandte er seinen Zorn ab. Und ließ nicht erwachen seinen ganzen Grimm.“
David weiß genau, was er an Gott hat, als er nach dem Ehebruch mit Bathseba und dem Mord an ihrem Mann Uriah Buße tut. Er formuliert in Psalm 51, Vers 3: „Sei mir gnädig, Gott, nach deiner Gnade; tilge meine Vergehen nach der Größe deiner Barmherzigkeit.“
Es ist bewegend zu lesen, wie Nehemia die ganze Geschichte Israels in Nehemia 9 als eine Mischung aus dem fortwährenden Versagen Israels und der immer wieder aufrichtenden Barmherzigkeit Gottes beschreibt.
Deshalb ist es auch folgerichtig, dass die Psalmen immer und immer wieder Gottes Erbarmen besingen. Nicht zuletzt ist es ein Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes, uns den Messias zu schicken, damit er uns rettet.
Das dürfen wir bloß nicht vergessen: Unsere Errettung ist ein Akt göttlicher Barmherzigkeit. Und was rufen die Menschen Jesus zu? „Erbarme dich!“
Gott ist in der Tat ein barmherziger Gott – das dürfen wir nie vergessen.
Die praktische Bedeutung von Barmherzigkeit für den Glauben und die Bekehrung
So, und jetzt wird es spannend. Es geht mir gerade um den Stellenwert von Barmherzigkeit, und dabei wird etwas deutlich, das mich tief bewegt. Ich möchte es einmal so formulieren:
Beim Thema Bekehrung und damit auch beim Thema Errettung denken wir häufig zuerst daran, dass jemand das Evangelium als Botschaft verstehen muss. Die Umkehr zu Gott wird oft als ein intellektueller Prozess betrachtet, der sich im Denken abspielt.
Aber das ist nicht das, was wir in der Bibel finden. Bekehrung geschieht nicht ohne das Verständnis des Evangeliums, das ist klar. Doch sie spielt sich nicht nur in unseren Gedanken ab, sondern in unserem Leben. Umkehr zu Gott ist nur dann echt, Glaube nur dann lebendig, wenn er sichtbar wird.
Lasst mich euch dazu ein Beispiel geben: Jakobus 2,13. Dort steht: „Denn das Gericht wird ohne Barmherzigkeit sein gegen den, der nicht Barmherzigkeit geübt hat. Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.“
Jakobus, ganz in der Tradition seines Halbbruders Paulus, benutzt hier den Begriff Barmherzigkeit, wo ich eher den Begriff Glaube verwendet hätte. „Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.“
Klingt das nicht ein wenig nach Werksgerechtigkeit? Werde ich also gerettet, weil ich liebevoll mit Schwächeren umgehe? Die Antwort lautet: Ja. Ja, weil sich im konkreten Akt des Erbarmens der, Zitat Paulus, „durch Liebe wirksame Glaube“ offenbart.
Und nur diese Art von Glauben rettet. Oder, lasst es mich so ausdrücken: Man wird uns an den Früchten erkennen. Gute Bäume bringen gute Frucht.
Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht als Mahnung zur Vergebung
Und ich möchte heute mit einem Blick auf Matthäus 18 schließen. Dort steht das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht. Jesus erzählt es, weil Petrus wissen will, wie oft er einem anderen vergeben soll.
Das Gleichnis ist schnell erzählt und auch nicht schwer zu verstehen. Es gibt einen Mann, der ganz viele Schulden bei seinem König hat und dem diese Schulden erlassen werden. Kaum ist er seine Schulden los, trifft er auf einen, der ihm viel weniger schuldet. Doch er geht mit seinem Schuldner absolut unbarmherzig ins Gericht.
Der König bekommt das mit, und dann heißt es in Matthäus 18,32-35:
„Da rief ihn sein Herr herbei und sprach zu ihm: ‚Böser Knecht, jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe?‘ Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.“
Lasst uns das Gleichnis übertragen: Wir sind im Gleichnis diejenigen, denen Gott die Schuld erlassen hat. Der Herr Jesus macht hier deutlich, dass Gottes Vergebung meiner Schuld an eine Bedingung geknüpft ist.
Wenn Gott uns vergibt, verbindet er seine Vergebung mit der Bedingung, dass auch wir vergeben. Wenn er sich über uns erbarmt, erwartet er, dass wir dasselbe tun. Und wenn wir dazu nicht bereit sind, nimmt er seine Vergebung wieder zurück.
Das zeigt den Stellenwert von Barmherzigkeit im Kontext unserer Rettung.
Abschluss und praktische Anregung
Was könntest du jetzt tun? Du könntest ein kleines Bibelstudium zum Thema Barmherzigkeit machen, um diese Episode nachzuarbeiten.
Das war's für heute. Ich bin ein großer Fan vom Auswendiglernen von Bibelversen. Probier es ruhig mal aus.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.