Was sollen wir nun dazu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
Wer wird also Anklage gegen Gottes Auserwählte erheben? Gott ist es, der gerecht macht. Wer wird verurteilen? Christus Jesus ist es, der gestorben ist – ja, er ist auferweckt worden, und zwar zu unserer Rechtfertigung.
Wer wird uns von der Liebe Christi trennen? Bedrängnis oder Angst, Verfolgung oder Hunger, Nacktheit oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: „Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“
Aber in all dem überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.
Einführung: Die bleibende Zusage Gottes
Paulus schreibt: Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein?
Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat – wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?
Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer wird verdammen? Christus Jesus ist es, der gestorben ist, ja, noch viel mehr: Er ist auferweckt, sitzt zur Rechten Gottes und setzt sich auch für uns ein.
Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Drangsal oder Angst, Verfolgung oder Hungersnot, Blöße, Gefahr oder Schwert?
Wie geschrieben steht: „Um deinet Willen werden wir den ganzen Tag getötet; wir sind gerechnet worden wie Schlachtschafe.“
Aber in all dem sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat.
Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukunftiges, weder Mächte, weder Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist.
Die zeitlose Botschaft des Apostels Paulus
Angenommen, der Apostel Paulus würde heute noch leben. Er wäre noch nie in Mannheim gewesen, sollte aber der Gemeinde in der Edisonstrasse einen Brief schreiben, in dem er das Evangelium darlegt, das er überall verkündet hat. Würde sich dieser Brief an uns in irgendeiner Weise von dem an die Römer unterscheiden?
Die Kapitel 1 bis 11 wären meiner Meinung nach völlig gleich. Nur die Ermahnungen, die auf Kapitel 12 folgen, wären wahrscheinlich länger. Wahrscheinlich hätte der Römerbrief 24 Kapitel und nicht nur 16. Die Ermahnungen wären vermutlich ausführlicher. Aber die Kapitel 1 bis 11, in denen er die Lehre entfaltet – das Evangelium, das er überall gepredigt hat – diese Kapitel wären „tupfengleich“, wie die Schwaben sagen.
Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Der Apostel Paulus würde auch uns diesen Abschnitt schreiben, Römer 8,31-39. Diese gewaltigen Aussagen, die hier stehen, gehören auch uns. Sie gehören allen Christen weltweit. Und wenn ich Christen sage, meine ich wirkliche Christen. Andere haben in der Bibel keine Verheißung. Aber allen Christen gehört dieser Abschnitt.
Das ist im Bild gesprochen das Himalaya-Gebirge der Bibel. Und wir besteigen heute Morgen einmal den Mount Everest. Machen wir uns also auf, ihn zu erklimmen – diesen Abschnitt, Römer 8,31-39.
Jesus Christus als unser Fürsprecher und Erlöser
Das Erste, was uns hier gesagt wird und was ich euch gerne näher erläutern möchte, ist: Jesus Christus für uns.
Paulus schreibt: „Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein?“ Die Hauptfrage der Bibel lautet nicht: Gibt es einen Gott oder gibt es vielleicht doch keinen? Für viele Menschen heute mag das eine wichtige Frage sein, aber die Bibel stellt diese Frage nicht in den Mittelpunkt. Die Bibel sagt: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es gibt keinen Gott“ (Psalm 14). Nein, die Hauptfrage der Bibel lautet: Ist Gott für mich oder ist er gegen mich? Darum geht es, darauf kommt alles an. Daran entscheidet sich mein zeitliches und ewiges Schicksal, ob Gott für mich ist oder gegen mich.
Interessant ist, dass Paulus hier ein Bild aus der Gerichtswelt benutzt. Für viele von uns ist das sicher eine fremde Welt – zum Glück –, aber dieses Bild gehört einfach zu unserem Leben. Der Hintergrund für dieses Bild ist ein Kapitel im Alten Testament, Jesaja Kapitel 50. Dieses Kapitel spricht prophetisch von dem Prozess, der für unseren Herrn Jesus damals in Jerusalem inszeniert wurde.
In Jesaja 50 werden drei Fragen gestellt. Paulus nimmt diese Fragen hier in Römer 8 auf und bezieht sie auf uns. Er führt uns quasi in einen Gerichtssaal. Das Bild ist klar: Gott ist der Richter, der Teufel ist der Ankläger, der Staatsanwalt, ich bin der Angeklagte, und die Anklageschrift ist lang. Alle Verfehlungen meines Lebens sind lückenlos festgehalten. Das Urteil wäre klar: Tod – zeitlicher und ewiger Tod, Trennung von Gott, der Quelle des Lebens.
Gott ist heilig und gerecht. Er könnte nicht anders urteilen als mit dem Tod. Aber jetzt kommt der Verteidiger ins Spiel. Christus betritt den Gerichtssaal. Er nimmt die Anklageschrift, zerreißt sie vor aller Augen und sagt: „Dafür habe ich mein Blut vergossen am Kreuz. Ich habe das Urteil und die Strafe bereits vollkommen verbüßt.“ Der Angeklagte ist begnadigt und frei.
Liebe Geschwister, das heißt: Jesus Christus für uns. Der Vater hat seinen Sohn nicht verschont. Was er Abraham damals auf dem Berg Moria ersparte – nämlich seinen geliebten Sohn zu opfern – das hat Gott sich selbst nicht erspart. Er hat ihn für uns hingegeben. Hingegeben heißt für uns: für dich und für mich, für uns alle, ohne Ausnahme.
Ich habe schon einmal erzählt, dass wir anständigen Leute, die wir jetzt hier sitzen, für uns klar ist, dass Jesus Christus gestorben ist. Aber als ich eine Zeit lang einen Bibelkreis im Gefängnis im Bruchsaal leitete, da saßen freitagnachmittags um fünf ausnahmslos Mörder vor mir. Ein kleiner Kreis, fünf, sechs, sieben, die anderen gingen zum Bodybuilding. Sie trafen sich in einem Raum. Ich habe vergessen zu zählen, wie viele Türen hinter uns abgeschlossen wurden, bis wir dann unten in den Katakomben des Gefängnisses saßen, mit der Bibel aufgeschlagen, ein kleiner Bibelkreis. Einer von ihnen war Heinrich Pommerenke, der fünffache Frauenmörder, mit der Bibel.
Wenn man solche Menschen vor sich hat und dann lesen kann, dass Christus für uns alle dahingegeben wurde, ohne Ausnahme – auch für die Menschen im Bruchsaler Gefängnis, auch für die im Milieu, in den Quadraten, im Jungbusch, auch für die Penner am Hauptbahnhof und wer es sonst sein mag –, dann bekommt das Farbe. Dann wird klar, wie gewaltig das ist: Für uns alle starb Christus am Kreuz. Paulus schreibt: „Für uns hingegeben.“
Wie wird er uns dann nicht auch alles schenken? Wenn Gott seinen einzigen geliebten Sohn gegeben hat – mehr konnte er nicht geben, sich selbst in Christus für uns geben –, wird er uns dann nicht auch viel kleinere Dinge schenken? Wer tausend Kilo heben kann, der kann auch fünfzig Kilo heben, er kann auch zehn Kilo heben. Wenn Gott mit dem größten Problem unseres Lebens fertig geworden ist, mit unserer Schuld, dann kann er auch mit allen anderen Problemen fertig werden, auch mit denen, die uns jetzt vielleicht sehr bedrängen. Er wird uns mit ihm alles schenken, steht hier.
Wisst ihr, was der Hauptunterschied zwischen Christen und Nichtchristen ist? Hier wird es deutlich: Christen haben die große Gerichtsverhandlung ihres Lebens bereits hinter sich, alle anderen haben sie noch vor sich. Das ist der Unterschied. Christen haben die große Gerichtsverhandlung ihres Lebens hinter sich.
Darf ich an dieser Stelle heute Morgen einmal fragen: Wie ist das eigentlich bei dir? Bist du durch diese Gerichtsverhandlung, die hier beschrieben wird, schon durchgegangen? Hast du einmal auf der Anklagebank gesessen oder warst du immer nur der Ankläger der anderen? Hast du im tiefsten Inneren das gerechte Urteil Gottes über dein Leben angenommen? Hast du Jesus Christus als den erfahren, der dir aus der Todesnot geholfen hat, der dein Mittler und Fürsprecher geworden ist, dein Verteidiger, der dich begnadigt und gerecht gemacht hat vor einem heiligen Gott, der dich freigesprochen hat?
Wenn nicht, dann bist du noch in deinen Sünden. Dann hast du die große Gerichtsverhandlung deines Lebens noch vor dir. Dort wird es aber keinen Verteidiger geben. Du wirst alleine vor dem heiligen Gott stehen und dein Urteil tragen müssen.
Doch wer erkannt hat, dass Jesus Christus für uns war, als er damals am Kreuz hing, und wer das für sich angenommen hat, der hat auch heute einen Fürsprecher beim Vater. Wir lesen Vers 33 und 34 noch einmal:
„Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer ist es, der verdammt? Christus Jesus ist es, der gestorben ist, ja, noch vielmehr der auferweckt ist, der auch zu Rechten Gottes ist und sich auch heute für uns verwendet.“
Christus ist auch unser hoher Priester. Sein Kreuz gilt auch für die Sünden des Glaubensstandes, nicht nur für unser früheres Leben, als wir unbekehrt waren, sondern sein Kreuz gilt auch für die Sünden unseres Glaubenslebens. Täglich brauchen wir seine Vergebung, und wir dürfen sie in Anspruch nehmen, denn hier steht: Er verwendet sich für uns.
Eines weiß ich: Wir werden nie über diese Wahrheit hinauswachsen. Ganz gleich, wie sehr uns Gott gebraucht, ganz gleich, wie viel wir von der Bibel verstanden haben, ganz gleich, ob wir vielleicht im nebenberuflichen oder hauptberuflichen Dienst stehen – wir werden nie über diese Wahrheit hinauswachsen: Jesus Christus für uns.
Ich möchte das an einem Beispiel zeigen: Als der große Theologe Spurgeon einmal auf seinem Sterbebett lag, am Ende seines Lebens, wurde er von einem Bruder, der ihn besuchte, gefragt: „Bruder Spurgeon, wie ist einem Menschen zumute, den Gott in seinem Leben so gesegnet und gebraucht hat?“
Spurgeon antwortete: „Ach, weißt du, meine Theologie besteht nur noch aus vier Worten: Christus starb für mich.“ Das sagte der große Theologe Spurgeon am Ende seines Lebens. Er war über diese Wahrheit nicht hinausgewachsen: Christus für uns.
Jesus Christus für mich – es gibt nichts Höheres in diesem Sinn. Da haben wir es: Jesus Christus für uns.
Die lebendige Gegenwart Christi in uns
Ein zweiter Gedanke: Jesus Christus in uns
So großartig diese Wahrheit ist – Jesus Christus für uns –, so dürfen wir dennoch nicht allein bei ihr stehen bleiben. Wenn wir immer nur sagen: „Jesus Christus für uns, Jesus Christus für uns“, dann entsteht eine eigenartige Frömmigkeit. Dabei soll Jesus vielleicht immer segnen, immer helfen, immer bewahren, immer heilen und immer geben sowie alle unsere Wünsche erfüllen. Jesus Christus soll vorne, hinten und um uns herum tanzen. Das führt zu einer ganz eigenartigen Frömmigkeit, bei der ich im Mittelpunkt stehe und Jesus Christus immer für mich da sein muss. Versteht ihr, was ich meine?
Jesus Christus ist für uns. Er hat sein Leben am Kreuz gegeben. Aber die Bibel kennt auch andere Wahrheiten: Jesus Christus in uns. Wenn man zum Glauben gekommen ist, ist man zunächst überwältigt von der Wahrheit, dass der Sohn Gottes am Kreuz für mich starb. Doch schon in der Taufe haben wir bezeugt, dass wir mit ihm gestorben und mit ihm auferstanden sind. Dass Jesus Christus nun in uns lebt, haben viele von uns in der Taufe bezeugt.
Paulus schreibt hier: „Wer wird mich scheiden von der Liebe Christi, die in mir ist, die ausgegossen wurde in mein Herz?“ Christus in mir – das geht noch tiefer. Dann zählt er sechzehn mögliche Anfechtungen auf, die uns von Christus wegbringen könnten.
Drangsal – die Bibel sagt, wir müssen durch viel Drangsal ins Reich Gottes eingehen. Angst, Verfolgung, Hungersnot, wenn Christen nicht mehr kaufen oder verkaufen dürfen – das gab es immer wieder im Laufe der Gemeindegeschichte der letzten zweitausend Jahre. Blöße, das heißt nicht ausreichende Kleidung. Gefahr, Schwert, das bedeutet Märtyrertod. Weiter in Vers 38: Tod, Leben – das sind die Lebensumstände. Engel, Gewalten – hier spricht er von dämonischen Mächten. Gegenwärtiges, zukünftiges, Mächte, Höhen, Tiefen, noch irgendein anderes Geschöpf.
Eine lange Aufzählung von Dingen, die versuchen könnten, uns von Christus wegzubringen, von seiner Liebe zu scheiden. Man hat den Eindruck, der Apostel hätte das ganze Universum abgesucht nach Dingen, die es vielleicht schaffen könnten, uns wieder von Christus wegzubringen. Aber er zählt sie alle auf und sagt: Das alles kann uns letztlich nicht von der Liebe Christi scheiden, die in uns ist – Jesus Christus in uns.
Ich weiß, manche dieser Anfechtungen sind uns völlig fremd. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Paulus diesen Brief im Jahr 55 von Korinth aus geschrieben hat. Ein Jahr zuvor war Kaiser Nero an die Macht gekommen, und die erste Welle der Christenverfolgung brauste über das Römische Reich. Die Gemeinde in Rom hat wahrscheinlich als erste gespürt, dass Nero an der Macht war.
Ich glaube, wir können uns in unserem sentimentalen Christentum heute gar nicht vorstellen, was das damals für die Christen bedeutete. Die Geschichtsschreiber berichten – ich will das jetzt nicht lange auswalzen, nur dieses eine Beispiel: Dieser wahnsinnige Nero ließ Christen bei lebendigem Leib in Wachs eingießen, hängte sie an Bäume und ließ sie anzünden. Brennende Christen erleuchteten die Parkanlagen von Rom, wo die Römer ihre Feste feierten.
Ich weiß, dieser Gedanke ist unvorstellbar und unerträglich für uns, aber an diese Menschen schreibt Paulus den Römerbrief. Darum zitiert der Apostel hier auch Psalm 44, Vers 23. Wer von euch eine Bibel zur Hand hat, möge das einmal aufschlagen. Es ist sehr interessant, was er da zitiert. Man muss den Zusammenhang beachten: Psalm 44, Vers 23 – da zitiert er diesen Psalm von den Söhnen Korachs, Vers 23: „Ja, um deinetwillen werden wir umgebracht den ganzen Tag, als Schlachtvieh werden wir angesehen.“
So ging es den Christen in Rom damals. Interessant ist, dass Paulus nur diese Aussage zitiert. Wenn wir zwei Verse weiterlesen, steht dort zweimal das Wort „Warum“: „Erwache, warum schläfst du, Herr? Wache auf, verwirf uns nicht auf ewig! Warum verbirgst du dein Angesicht? Vergiss unser Elend und unsere Bedrückung!“ Der Psalmbeter fragt: Warum lässt du das zu, Gott? Warum lässt du zu, dass deine Gläubigen so leiden und so behandelt werden in dieser Welt?
Interessant ist, dass Paulus in Römer 8 die Warum-Frage nicht zitiert. Er zitiert nur die Aussage von den Schlachtschafen, aber nicht die umgebenden Warum-Fragen. Warum lässt er das weg? Das ist hochinteressant und wichtig.
Wisst ihr, was das bedeutet? Die Liebe Christi, der Christus in uns, will sich gerade in Krisensituationen unseres Lebens so real auswirken, dass wir in Gefahren oder Bedrängnis, ja sogar angesichts des Todes, in tiefer Geborgenheit ruhen können. Wir brauchen nicht immer Warum-Fragen. Die Liebe Christi, der Christus in uns, ist so real, dass wir wissen: Es wird alles gut.
Nun will ich das einschränken: Das soll nicht heißen, wir dürfen keine Warum-Fragen stellen. Wir dürfen sie stellen – Christus selbst fragte auch Warum am Kreuz. Aber ich möchte sagen, dass in Krisensituationen die Liebe Gottes uns so real, so gegenwärtig, so plastisch und wirklich sein kann, dass wir nicht unbedingt Warum fragen müssen.
Silvia und ich haben das einmal erlebt – nicht in Verfolgung, aber als unser erstes Kind am Ende der Schwangerschaft starb. Wir waren vorbereitet worden durch eine Predigt von Ernst Vater, der über den Auferstandenen gepredigt und diesen Satz betont hatte: „Es ist der Herr!“ Das fiel uns an diesem Sonntag ins Herz: Es ist der Herr!
Als wir am nächsten Tag beim Arzt waren und das Ultraschallgerät keine Bewegung mehr zeigte, alles bewegungslos im Mutterleib, wussten wir, dass das Kind nicht mehr lebte. Das war natürlich schmerzlich, und wir weinten. Aber der Christus in uns schenkte uns in dieser Situation einen so tiefen Frieden, dass wir nicht warum fragen mussten. Wir wussten: Es ist gut, Gott meint es gut, es hat alles seinen Sinn. Wir brauchten nicht warum fragen. Es ist der Herr – das war in dieser Situation eine ganz tiefe Gewissheit.
Das meine ich damit. Und das haben auch viele Christen in Verfolgung und in anderen schweren Lebenssituationen erlebt. Der Christus in uns ist so tröstlich. Die Liebe Gottes in uns ist ausgegossen – Christus in uns.
Und das ist das, was Paulus hier den angefochtenen Christen in Rom mitteilen will.
Die Verbindung von Christus für uns und Christus in uns
Ich möchte diese köstliche Wahrheit gerne an zwei weiteren Aussagen des Paulus im Galaterbrief verdeutlichen. Wenn ihr noch einmal mit mir aufschlagt, Galater 2,20, findet ihr eine herrliche Aussage. Diesen Vers liebe ich schon seit Beginn meines Glaubenslebens. Er wurde mir auch bei meiner Taufe zugesprochen.
Galater 2,20: Paulus schreibt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, in diesem Leben, in diesem Erdenleben, das lebe ich im Glauben – und zwar im Glauben an den Sohn Gottes, oder genauer gesagt im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingegeben hat.“
Hier sind Wahrheiten in einem Satz zusammengefasst. Er spricht von dem Christus für uns – Christus hat sich für mich hingegeben – und er spricht von dem Christus in uns – Christus lebt in mir. Das sind diese beiden Wahrheiten hier zusammengefasst. Paulus konnte das so von sich bezeugen: Christus für mich, Christus in mir.
Paulus war ein reifer Christ, aber er merkte bei den Galatern, dass es dort noch fehlte. Wenn ihr mal zwei Kapitel weiter den Vers 19 lest, in Galater 4,19, da schreibt er: „Meine Kinder, um die ich abermals Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt gewonnen hat.“
Die Galater mussten das noch lernen. Sie glaubten, dass Jesus für sie am Kreuz gestorben war, damit hatten sie keine Probleme. Sie hatten die Rechtfertigung im Glauben angenommen – Jesus Christus für uns am Kreuz. Aber bei der Heiligung wollten sie noch ein bisschen nachhelfen. Noch ein bisschen Beschneidung, noch ein bisschen Sabbat halten, noch ein bisschen nach dem jüdischen Kalender leben, noch ein bisschen spenden, noch ein bisschen Gutes tun und so weiter. Da wollten sie noch nachhelfen in der Heiligung.
Ihr Lieben, das ist jetzt für einige unter uns ganz wichtig: Jesus Christus, derselbe, der für uns am Kreuz gestorben ist, der für uns gestorben ist, der ist auch unsere Heiligung. Jesus Christus ist uns von Gott gemacht zur Heiligung, 1. Korinther 1,30. Das heißt, Jesus Christus in uns will sein Leben in uns leben. Er erfüllt die Gebote Gottes in uns, er lebt in uns ein Leben, das Gott wohlgefällt. Er tut es – er ist auch unsere Heiligung. Jesus Christus in uns.
Diese Wahrheit gilt es zu verstehen und dann auszuleben. Bete doch morgen früh, wenn du in den Tag gehst: „Herr Jesus, danke, dass du für mich am Kreuz gestorben bist, für mich. Nun lebe heute dein Leben in mir und schenke mir, dass ich dir dazu Raum gebe.“ Habt ihr gemerkt: „für mich“, „in mir“.
Jesus Christus wirkt durch uns in der Welt
Ich möchte noch kurz ein letztes sagen: Jesus Christus durch uns. Vers 37 – wir gehen wieder zurück zu Römer 8, Vers 37. Paulus schreibt: „Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat.“ Jesus Christus durch uns.
Zunächst muss ich betonen: In diesem allem sind wir mehr als Überwinder. Gott nimmt nicht unbedingt die Lasten unseres Lebens weg – in diesem allem. Warum nimmt Gott die Lasten nicht alle weg? Weil sie helfen, uns in das Bild Jesu umzugestalten. Lasten sind wichtig für unser Leben.
Wir haben gestern im Erziehungsseminar gehört, dass wir die größte Torheit begehen, wenn wir den Kindern die Lasten wegnehmen, wenn wir ihnen alle Steine aus dem Weg räumen. Wir müssen unsere Kinder belastbar machen. Und Gott will uns als seine Kinder auch belastbar machen. Er nimmt uns nicht alle Lasten weg. Er ist ein Gott, der Lasten auf uns legt und uns mit unseren Lasten trägt, heißt es in einem Lied.
Zum anderen nimmt Gott die Lasten deswegen nicht weg, weil wir Überwinder werden sollen. Überwinder – ein großartiges Wort. Eigentlich steht hier sogar Sieger. Da trauen sich die Übersetzungen allesamt nicht recht, wörtlich zu übersetzen. Das klingt irgendwie zu unrealistisch: Wir sollen Sieger werden. Aber genau das steht hier. Wir sollen Überwinder werden, Sieger.
Wie werden wir mehr als Überwinder? Die Antwort: Durch den Blick aufs Kreuz, durch den Blick auf den, der uns so treu geliebt hat.
Dekant Lach, mein väterlicher Freund, ist zur Zeit des Eisernen Vorhangs oft im Osten gewesen, vor allem in Bulgarien, aber auch oft in der Sowjetunion. Wenn er sich dort im Untergrund an geheimen Orten mit den Brüdern getroffen hat, dann hat er sie manchmal gefragt: „Wie schafft ihr das? Woher nehmt ihr die Kraft, diese Leiden zu ertragen, diese Entbehrungen, jahrelang von Frau und Kindern getrennt zu sein, Hunger und Kälte und alles zu erleiden? Wie schafft ihr das? Was gibt euch die Kraft?“
Und dann haben sie geantwortet: „Bruder Klach, wie könnten wir dem untreu werden, der uns am Kreuz so innig geliebt hat, der uns so treu geliebt hat? Seine Liebe hat uns an ihn gebunden. Das gibt uns die Kraft.“
Diese Frage – wie könnten wir dem untreu werden, der uns so geliebt hat – die können wir mit in unseren Alltag nehmen, in diese beginnende Woche. Wenn wir heute oder morgen oder übermorgen in Versuchung kommen, vielleicht in einem Stück die Unwahrheit zu sagen, wenn es um Geld geht, bei der Versicherung oder wo auch immer, vielleicht unreine Dinge zu tun, vielleicht krumme Wege zu gehen im Geschäft, wenn wir in irgendwelche Versuchungen und Anfechtungen kommen, dann wollen wir daran denken: Wie könnten wir dem untreu werden, der uns am Kreuz so treu geliebt hat?
Das ist die Kraft zum Überwinden – nicht Appelle und Klimmzüge und gute Vorsätze. Das hilft uns alles nicht weit. Der Blick auf Jesus, auf den Überwinder, hilft uns.
Wir werden erleben, wie Jesus Christus durch uns sein Werk tut und wie wir zu Überwindern werden – Jesus Christus durch uns.
Abschluss: Die lebensverändernde Kraft von Römer 8
Ich muss zum Schluss kommen: Wir haben gesehen, dass Römer 8 wirklich ein gewaltiges Kapitel ist. Es ist so umfassend, dass ich von Verkündigern weiß, die drei Jahre lang ununterbrochen nur über Römer 8 gepredigt haben – Vers für Vers, manchmal sogar Wort für Wort.
Römer 8 spricht davon, dass ehemals gottlose Sünder durch das Wunder der Gnade Gottes eines Tages völlig in das Bild Christi verwandelt werden. Diese ehemals gottlosen Sünder werden im Bild Christi vor Gott stehen.
Bis zu dem Tag, an dem das auch für uns zutrifft, wollen wir ihn an uns arbeiten lassen: Jesus Christus für uns, Jesus Christus in uns und noch besser Jesus Christus durch uns.
Wir haben den Gipfel erklommen. Nehmt euch bitte in Acht beim Abstieg.