B. Wir begrüßen Sie herzlich in diesem Gottesdienst.
Wir wollen beginnen mit dem Lied 490. Es ist ein Lied, das man in allen Sprachen singen kann. Falls Ihre Muttersprache Englisch oder Französisch ist – häufig sind solche Freunde im Gottesdienst – dann singen Sie es gerne in Ihrer Sprache.
Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.
Wir wollen beten. Herr Jesus Christus, wir bitten Dich, dass Du in dieser Stunde jeden von uns neu begegnest. Öffne in unserem Leben auf, was nicht in Ordnung ist, und mache durch die Kraft Deiner Vergebung und die Kraft Deines Heiligen Geistes neue Menschen aus uns. Menschen, die nach Deinem Willen fragen und eine Leidenschaft haben, ihn zu tun.
Wir beten weiter in der Stille.
Danke, dass Du versprochen hast, auf jeden von uns im Beten zu hören. Amen.
Einführung in das Thema und Gebetsbitte
Wir wollten in diesen Wochen die zehn Gebote nach dem biblischen Text besprechen. Heute sind wir beim dritten Gebot, 2. Mose 20, Vers 7. Dort heißt es: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“
Ich will das Experiment jetzt nicht machen, aber stellen Sie sich vor, ich würde hier zwei oder drei Minuten einfach nur herumstehen, ohne etwas zu sagen. Was würden Sie wohl denken? Ich wette, dass in 50 Prozent aller anwesenden Köpfe der Satz herumgeht: „Nun fang schon an, im Gottes Namen!“
Und da sind wir beim Thema. Das ist das Problem, denn das wäre ja richtig: „Fang schon an, in Gottes Namen!“ Das bedeutet, dass eine Predigt in Gottes Namen geschehen soll, in seinem Auftrag. Was gesagt wird, soll bevollmächtigt durch Gott sein.
Insofern ist diese Formulierung „Nun fang schon an, in Gottes Namen!“ eigentlich so treffend, wie sie treffend nur sein kann. Aber wenn wir das so sagen, von Langeweile gebeinigt und von Ungeduld gequält – „Nun fang schon an, in Gottes Namen!“ – dann denkt keiner daran, welches Gewicht „in Gottes Namen“ eigentlich hat.
Dann ist das halt nur eine andere Formulierung für: „Mensch, nun mach mal endlich los! Nun wird es Zeit!“ Ein Ausdruck der Ungeduld, eine gedankenlose Wendung für „Fang doch endlich an!“
Missbrauch des Namens Gottes – darum geht es hier.
Die Bedeutung und der Missbrauch des Namens Gottes
Ein Beispiel, wie ich es genannt habe: Jeder kennt es eigentlich – gedankenloses Geschwätz, bei dem Gott als Lückenfüller verwendet wird, oder Fluchen und Spotten, vielleicht sogar ein Meineid.
Aber wissen Sie, wenn es im dritten Gebot nur darum ginge, wäre es fast eine Lappalie. Es geht hier um viel, viel gefährlichere Dinge. Es handelt sich auch um Aspekte, die die Bibel in den Psalmen unter den sogenannten unerkannten Sünden zusammenfasst. Das sind Dinge, die unser Leben vergiften und zerreißen.
Oft machen wir uns darüber gar nicht richtig klar, wie weitreichend diese Sünden sind. Ich habe im Lexikon nachgeschlagen und dort steht, dass Namen gegen Bestreitung und Missbrauch geschützt sind. Dazu gibt es gesetzliche Verordnungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Wenn also jemand den schönen Namen „Donner“ trägt, sollte er diesen gegen Bestreitung und Missbrauch schützen lassen. Das ist eine sinnvolle Sache, denn es gibt so viele schöne Spitznamen.
Doch wie verhält es sich mit dem Namen Gottes? Bei Coca-Cola ist es gut geregelt: Die Rechtsanwälte achten darauf, dass kein kalter Kaffee als Coca-Cola verkauft wird. Aber was ist mit Gottes Namen? Was passiert in Gottes Namen?
Das ist unser Thema heute. Wir wollen dieses Gebot unter der Überschrift betrachten: „Was in Gottes Namen los ist“.
Gottes Name: Ein Geschenk und eine Offenbarung
Ich möchte drei Dinge deutlich machen.
Das Erste: Der Name ist vor Missbrauch nicht geschützt. Die Voraussetzung dieses Gebots ist ja, dass Gott überhaupt einen Namen hat und dass dieser Name bekannt ist. Der Ausdruck „Gott“ ist ja kein Name, sondern eine Bezeichnung, so wie die Bezeichnung „Auto“ auch kein Name ist, sondern eine Sammelbezeichnung. Mercedes ist ein Name für ein bestimmtes Auto, und „Gott“ ist eine Sammelbezeichnung für wer weiß was alles: Letztinstanz, Herr, Schöpfer, Richter, was auch immer. Sehr unterschiedlich wird das empfunden.
So gibt es rund um den Globus in allen Sprachen einen Ausdruck dafür. Für Gott gibt es aber keinen Namen. Nur in diesem dritten Gebot heißt es: „Du sollst den Namen Jahwes nicht missbrauchen.“ Luther übersetzt es mit „des Herrn“, darauf komme ich gleich noch zurück. Hier steht wörtlich: „Den Namen Jahwe deines Gottes nicht missbrauchen.“ Die Voraussetzung ist also, dass Gott sich überhaupt zu erkennen gegeben hat und seinen Namen bekannt gemacht hat. Das geschah damals bei Mose am brennenden Dornbusch, als Gott diesen Mann Mose berief und ihn losschickte, um Israel auf den Weg zu bringen.
Da war Mose zu wenig, einfach so mit dem religiösen Nebel zu leben, so Gott verschwommen. Er sagte: Wenn ich da hinkomme zum Volk Israel und sage „Gott sagt“, dann sagen sie: „Gott, Gott, Gott, Gott.“ Jeder redet von Gott, aber wer ist er denn? Dann offenbart sich Gott und sagt: „Jahwe ist mein Name.“ Das bedeutet übersetzt: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Er ist der Treue, der Zuverlässige, der nicht Produkt der Umwelt ist, der sich selbst bestimmt und deshalb sein Wort hält, wenn er es sagt.
Im Neuen Testament hat sich Gott für uns in Jesus Christus offenbart. Jesus heißt „Hilfe“. Ich habe vorhin den Text aus der Apostelgeschichte gelesen: Es gibt in keinem anderen Namen Rettung, auch keinen anderen Namen in dieser Welt und im Himmel als Jesus. Das ist der Punkt: Die Voraussetzung des dritten Gebotes ist, dass Gott überhaupt einen Namen hat.
Wir fragen uns: Was soll das denn, dass Gott Namen hat? Wenn wir Menschen Namen geben, dann hat das den Sinn, dass man den Hansmeier vom Klausmeier unterscheiden kann. Namen haben eine unterscheidende, kennzeichnende Funktion. Soll das denn etwa der Sinn sein, dass man Gott Namen gibt? Aber wenn Gott sich einen Namen gibt, um ihn unterscheiden zu können, führt das doch letzten Endes nur zu religiöser Rechthaberei: Mein Gott, dein Gott, euer Gott – und dann kämpfen wir gegeneinander.
Ist es denn nicht so, dass es, wenn es Gott gibt, sowieso nur einen Gott gibt? Was soll diese namentliche Unterscheidung? Ist das nicht die Voraussetzung für Fanatismus und Sektenbildung?
Nun muss ich in aller Deutlichkeit sagen: In der biblischen Offenbarung hat die Selbstbenennung Gottes im Alten Testament als Jahwe und im Neuen Testament als Jesus nicht den Sinn, Gott von anderen konkurrierenden Göttern zu unterscheiden. Es gibt nur einen Gott. Vielmehr ist es ein Angebot und ein Versprechen Gottes. Indem er seinen Namen bekannt gibt, will Gott erklären: Ihr dürft mich ansprechen. Ich will mit euch in Beziehung treten.
Ihr solltet es nicht zu tun haben mit einem unfassbaren Etwas, das so in der Metaphysik herumschwebt, wo keiner etwas damit anfangen kann und man nicht weiß, woran man ist. Gott wird präzise! Der Treue Jesus heißt übersetzt „Hilfe“. Gott wird in Person in Jesus zur Hilfe. Wer diesen Namen anruft, soll laut Bibel aus seiner Verlorenheit herausgerissen werden und gerettet sein.
Gott hat seinen Namen preisgegeben, er hat sich selbst bekannt gemacht. Seitdem ist dieser Name Gott nicht mehr vor Missbrauch geschützt. Jetzt kann jeder mit diesem Namen Schindluder treiben, so viel er will. Er ist nicht mehr vor Missbrauch geschützt.
Später hatte die jüdische Gemeinde große Angst, dieses Gebot zu übertreten. Deshalb nahmen sie den Namen Gottes, Jahwe, überhaupt nicht mehr in den Mund, nicht einmal beim Vorlesen der Bibel, obwohl er dort dauernd vorkommt. Sie ersetzten ihn durch das Wort „Herr“. Immer wenn beim Bibellesen, so wie hier in unserem Vers, steht: „Du sollst den Namen Jahwe, deines Gottes, nicht missbrauchen“, wird das vorgelesen als: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.“
Luther hat in seiner deutschen Bibelübersetzung diese jüdische Gewohnheit genau übernommen. Deshalb finden Sie in der deutschen Übersetzung den Namen Jahwe nicht, sondern überall, wo er eigentlich steht, wird der Ausdruck „Herr“ in Großbuchstaben gedruckt. Das soll die Scheu ausdrücken, den Namen Gottes zu missbrauchen. Aber nur das ist doch auch eine Form von Missbrauch.
Die Bedeutung des hebräischen Urtextes und der Gebrauch des Namens Gottes
Im hebräischen Urtext steht in diesem Gebot für „Missbrauchen“ eine sehr interessante Wortwendung. Dort heißt es, du sollst den Namen Yahweh, deines Gottes, nicht „zum Nichtigen tragen“. Wörtlich bedeutet das, du sollst ihn nicht zu dem schleppen, was weggeschmissen wird, zu dem, was nichts wert ist – also zu dem, was wir auf die Müllkippe oder in die Aschentonne werfen.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht auf die Müllkippe werfen. Was werfe ich denn da weg? Alles das, was ich nicht mehr brauche, was wirklich nicht mehr verwendbar ist. Und so ist das meiner Meinung nach überhaupt nicht im Sinne der Offenbarung Gottes.
Wenn ich diesen Namen Gottes, Yahweh, diesen Namen, in dem er sich offenbart – Jesus Christus –, aus Scheu, ich könnte etwas falsch machen, nicht mehr benutze, dann trage ich ihn zu dem Kram, den man nicht mehr haben will, den man auf die Müllkippe schmeißt. Das hat doch niemals einen Wert, der so hoch wäre, dass man ihn auf den Antikmarkt bringt.
Das ist doch nicht der Sinn dieser Offenbarung Gottes. Gott hat sich herabgebeugt und sich in die Missverständlichkeit dieser Welt begeben, damit sein Name auch gebraucht wird. Es ist doch kein Kinderspiel, warum Gott seinen Namen offenbart, sondern es geht darum, weil er sieht, dass wir in Not sitzen, in Schuldverstrickung und in der Sinnlosigkeit unseres Lebens. Und dass wir das brauchen: festen Boden unter den Füßen und eine klare Zielperspektive.
Deshalb beugt sich Gott herab und sagt: Ihr dürft Kontakt haben, ihr dürft mich anrufen. Es soll eine rettende Lebensverbindung zustande kommen. Der Name ist zum Gebrauch bestimmt und nicht zum Verheimlichen, zum Abheften irgendwo im kirchlichen Tresor, so heilig, dass man ihn gar nicht mehr anfassen darf.
Im Grunde ist das der schlimmste Missbrauch: dass ein Mensch diesen Namen Jesus nicht anruft und sagt: Herr Jesus Christus, du, der du für mich gestorben bist und auferstanden bist, nimm nun mein Leben in deine Hand, vergib mir meine Schuld, zeig mir den Weg und den Sinn meines Lebens, hilf mir auf die Beine.
Ihn anzurufen – das ist der Sinn der Namensoffenbarung Gottes. Dass jeder sozusagen die Telefonnummer hat und weiß, an wen er sich wenden darf.
Luther hat deshalb in der Erklärung seiner Gebote im zweiten Teil zu diesem Gebot gesagt: Wir sollen denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken. Das ist der Gebrauch des Namens Gottes.
Das ist das Erste. Gott hat mit seinem Namen ein namentliches Versprechen gegeben: Yahweh im Alten Bund für Israel, für die Völkerwelt jetzt universal Jesus Christus. Du sollst ihn nicht missbrauchen – das ist nur die negative Unterstreichung des Satzes: Tu es nicht.
Er ist zum Gebrauch gegeben. Das Erste ist also nicht vor Missbrauch geschützt, sondern zum Gebrauch gegeben.
Missbrauch als Deckname und die Gefahr der Verstellung
Das Zweite, was wir hier deutlich machen wollen, ist, dass Gottes Name als Deckname missbraucht wird. Mal zwischendurch versingen wir hier zur Erholung. Aus unserem Liederbuch 48, auswendig: "Groß ist Dein Name", erste Strophe und Refrain.
"Groß ist Dein Name, Herr, wir loben Dich,
heilig ist Dein Name, Herr, wir preisen Dich.
Er selbst, Gottes Sohn, verließ des Vaters Ehren,
vor Tod und Wut ging er für uns in den Tod.
Gott ist Dein Name, Herr, wir loben Dich,
heilig ist Dein Name, Herr, wir preisen Dich."
Was ist los mit Gottes Namen? Erstens: Er ist vor Missbrauch nicht geschützt. Und zweitens wird er als Deckname missbraucht.
Spitznamen, Decknamen – das macht nichts. Ich sprach schon von der wörtlichen Bedeutung dieses Missbrauchs: den Namen zum nichtigen Tragen zu bringen. Nun gibt es noch ein zweites Element in dieser ursprünglichen Bedeutung: Entweder den Namen zum nichtigen, zum bedeutungslosen, zum Schrott tragen oder zum Lügenhaften, zur Falschheit tragen. Das hängt nämlich zusammen mit der Falschheit.
Dazu gehört natürlich auch das Fluchen und der Meineid, bei dem ich den Namen Gottes gebrauche, um ihn zur Falschheit, zur Lüge zu schleppen und damit zu verbinden. Aber es geht nicht nur um Meineid und Fluchen. Es geht hier noch um etwas, das ungeheuer leicht in unserem Leben passiert. Wenn Sie so wollen, wird hier eine der gefährlichsten Sünden besonders der frommen Leute aufgedeckt – besonders der religiösen.
Ich will Ihnen einfach zwei Beispiele aus dem Leben Jesu erzählen, an denen das deutlich wird.
In Matthäus 23 hält Jesus eine unheimlich scharfe Rede gegen die Frommen seiner Zeit. Er sagt: "Sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete." Das heißt, sie benutzen ihre religiöse Hingabe, ihr Beten, ihr Gottesdienstfeiern, ihr Frommsein als Begründung dafür, dass sie soziales Unrecht rücksichtslos begehen. Sie leben auf Kosten der Witwen, das heißt, sie leben auf Kosten der Ärmsten der Armen. Sie saugen sie aus und geben als Grund an, dass sie fromme Gebete verrichten müssen.
Das ist sozusagen die Pastorenexistenz mitgemeint: "Der tut nichts Vernünftiges und lässt sich von anderen bezahlen. Er ist unheimlich hart." Der Deckmantel, das Anrufen Gottes – Jesus sagt, nicht das Fluchen ist die schlimmste Übertretung des dritten Gebots, des Missbrauchs des Namens Gottes. Das Beten kann ein viel schlimmerer Missbrauch sein. Sie beten lange Gebete und gebrauchen das als Deckmantel für die schreiende soziale Ungerechtigkeit, die sie mitansehen, an der sie beteiligt sind und gegen die sie nichts tun.
Missbrauch des Namens Gottes als Deckname unter dem, was versteckt wird.
Noch schlimmer wird es in der anderen Sache. Jesus sagt: "Wie könnt ihr da gehen in den Tempel und wirbelt da furchtbar herum und sagt: Ihr habt den Tempel, das Haus meines Vaters, zur Räuberhöhle gemacht."
Nun muss man das ja immer wieder erklären. Das ist inzwischen so ein geflügeltes Wort. Jede Mutter, die jeden dritten Tag im Kinderzimmer stürzt, sieht dort eine Räuberhöhle. Insofern ist der Ausdruck "Räuberhöhle" inzwischen sinngleich mit einer unaufgeräumten Bude, wo es katastrophal aussieht.
Nun, ich weiß nicht, Gangster sind in der Regel kluge Leute, und sie haben deshalb auch eine solide Organisation. Jedenfalls in der Bibel ist das nicht der Vergleichspunkt.
Eine Räuberhöhle ist der Gangsterschlupf, wo sie sich nach dem Raubzug zurückziehen, wo sie das Geklaute verstecken und wo sie sich vor dem Zugriff der Polizei verbergen. Das ist eine Räuberhöhle!
Und nun sagt Jesus: Was habt ihr aus dem Tempel Gottes gemacht, dem Ort, an dem ihr in die Gegenwart Gottes treten sollt, eure Schuld bereinigen und euer Leben verändern lassen sollt? Dort sollt ihr Gott loben, offen sein mit eurem Leben, in Ehrlichkeit vor Gott und vor Menschen.
Was habt ihr aus diesem Haus Gottes gemacht? Ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Ihr geht dahin, feiert euren Gottesdienst, und das ganze religiöse Prunkgebäude dient einem einzigen Zweck: das Unrecht in eurem Leben zu vertuschen, vor dem Zugriff und der Aufdeckung zu verstecken.
Das ist Missbrauch des Namens Gottes. Ich missbrauche den Namen Gottes, seine offenbarte Liebe, sein namentliches Versprechen, dass er sich um uns kümmern will, nicht, um mir helfen zu lassen. Ich missbrauche ihn, um Lüge, Hass, Diebstahl, Ungerechtigkeit, Trägheit, Ehebruch in meinem Leben zu vertuschen, nicht um diese in Ordnung bringen zu lassen.
Ich benutze Gottes Namen, um vor dem Zugriff Gottes zuzudecken. Billige Gnade: "Gott wird schon nicht so sein! Wie kann man sich so aufregen? Gott ist doch die Liebe." Da wird Gott zum großen Teppich, unter dem man alles kehren kann.
Seine Gnade und Barmherzigkeit wird zum Instrument der Vertuschung und Verheimlichung.
Gott wollte Vergebung und Veränderung, als er uns seinen Namen gab, damit wir ihn anrufen und Kontakt empfinden. Er wollte Vergebung und Veränderung schaffen, Aufdecken des Unrechts, Bereinigung.
Wir aber missbrauchen das, und das ist die Perversion der christlichen Botschaft im Christentum. Genau da liegt der Unterschied: Religion ohne Bereinigung des Lebens, Frommsein ohne Umkehr, ohne Buße, ohne Veränderung meiner alten Praxis.
Das ist genau der Unterschied zwischen dem, was Jesus uns im Neuen Testament zeigen will, und dem, was wir im Christentum daraus gemacht haben: Opium des Volkes, wie Karl Marx richtig sagt.
Sehen Sie, hier muss allerhöchste Achtung gegeben werden. Wir sind dauernd in der Gefahr, mit ungedeckten Schecks zu zahlen oder, um es in ein Bild zu pressen, mit Gottes Unterschrift zu fälschen und Schecks auszustellen, die wir gefälscht haben. Wir verschleudern mit Gottes Namen eine liebende Barmherzigkeit, die er gar nicht namentlich unterzeichnet hat.
Eine Barmherzigkeit, die nicht zur Umkehr, Veränderung und Bereinigung des Lebens ruft, sondern die beschwichtigt, vertuscht und sagt: "Schon gut, nur nicht kümmern, nur nicht zu persönlich werden, nur nicht zu persönlich werden."
So soll der Name Gottes nicht zum Nichtigen, nicht zum Lügenhaften getragen werden.
Die eigentliche Gefahr liegt hier nicht in den flapsigen Redeweisen, obwohl das auch dazugehört. Auch ein Missbrauch des Namens Gottes, wenn man ihn als Lückenbüßer, als Ersatz für "äh" oder "nicht wahr" gebraucht, ist ein Missbrauch.
Aber das sind doch kleine Fische gegenüber dieser bis in die letzten Wurzeln unseres Lebens eindringenden Gefahr: dass wir Gott lügenhaft verdrehen und ihn zur Vertuschung des Unrechts in unserem und im Leben aller anderen gebrauchen.
Du sollst den Namen Gottes nicht zum Lügenhaften tragen.
Beleidigender Missbrauch des Namens Gottes
Und letztens, drittens sehen wir hier einen beleidigenden Missbrauch. Zunächst sagten wir: Was ist denn in Gottes Namen los? Erstens ist der Name Gottes nicht vor Missbrauch geschützt, weil er ihn uns gegeben hat. Zweitens wird er als Deckname missbraucht, um Dinge zu vertuschen. Drittens liegt hier ein beleidigender Missbrauch vor.
Ich muss Ihnen noch etwas erklären, was damals in besonderer Weise mit einem Namen Gottes verbunden war. Die Götter ringsherum in allen möglichen Kulturen hatten ihre Namen. Die Vorstellung war immer die, dass man, wenn man den Namen einer Gottheit kennt, sozusagen Verfügungsgewalt über sie hat. Das ist wie ein Zauber oder eine Beschwörungsformel, mit der man sie irgendwie im Griff hat – ein „Sesam, öffne dich“, sozusagen.
Wenn man das jetzt anwendet, kommen all diese Rituale, das Heerbrabbeln von religiösen Formeln und der Glaube, dass das Tun dieser Dinge irgendeine Bedeutung hat. Dahinter steckt die Vorstellung, dass man mit dem Namen oder Ähnlichem einen „Sesam, öffne dich“ besitzt.
Nun werden Sie sagen, das sei eine altertümliche Vorstellung. Ehe Sie das so abtun, möchte ich Sie einladen, kurz darüber nachzudenken, ob unser heutiger Umgang mit dem Beten nicht sehr häufig ein wenig nach einem Götzenautomaten klingt. Man betet, und wenn Gott nicht hört, fragt man sich: Warum soll ich an Gott glauben? So heißt es, der „Kuckerautomat“ habe nicht funktioniert, und wir reklamieren ihn.
Das ist ein großes Problem. Der verstorbene Berner Münsterpfarrer Walter Lüthi, ein berühmter Prediger, erzählte einmal ein schönes Beispiel, an dem ich es Ihnen klar machen kann. Da war eine reiche Fabrikantentochter – ob sie schön war, wird nicht mitgeteilt – aber sie war eben eine Fabrikantentochter und reich, und das hat ja auch einiges zu sagen. Ein netter junger Mann wollte um ihre Hand anhalten.
Es war eine feierliche Zusammenkunft zu Hause, und der Vater saß auch dabei. Der junge Mann hielt herzandringliche Reden, in denen immer wieder vorkam, welchen Herzenszug er doch zu dieser jungen Dame verspüre. Dann unterbrach der Vater, der etwas nüchtern und verantwortlich war, und sagte: „Lieber junger Mann, was ist das denn mit Ihrem Herzenszug? Ist das ein Güterzug oder ein Personenzug?“
Das ist eine kluge Testfrage, wie man sich denken kann. Im Grunde geht es in der Liebe zu Gott, würden wir sagen, genau darum. „Herzenszug“ ist kein Vokabular mehr, das heute in Spiegel oder Bildzeitung vorkommt. In der Bibel findet man es auch nicht, es ist ein bisschen romantisch. Aber bei dieser Hinwendung zu Gott, bei diesem Herzenszug, muss man fragen, ob es ein Güterzug oder ein Personenzug ist.
Das heißt: Meinen wir die Güter, das, was Gott uns zu unserem Vorteil beschaffen kann? Oder meinen wir in dieser Zuwendung Gott selbst? Und da liegt der Punkt beim beleidigenden Missbrauch.
Gott darf uns segnen, das, was wir in unserer Arbeit tun. Bitte, hier ist doch niemand im Raum, der etwas dagegen hätte, wenn Gott sie bei ihren Plänen, ihrem beruflichen, familiären und sonstigen Alltag segnet. Ist hier jemand, der dagegen wäre, wenn Gott sie behüten würde vor Unfall, Missgeschick, vor höheren finanziellen Verlusten und vor Schrammen am Auto? Da ist doch niemand dagegen.
Gott darf ohne Weiteres segnen und behüten. Und auch wenn man sonst mit Gott nichts am Hut hat, wird doch immer noch ein stilles Gebet gemurmelt, dass er segnen und behüten möge. Gott darf solche handlangen Dienste tun, er darf das Bier holen und die Brötchen bringen.
Aber wehe, wenn der Handlanger anfängt, dem Gesellen oder Meister Vorschriften machen zu wollen! Dann ist er raus, dann hört der Spaß auf. So ist doch unser Umgang mit Gott: Nichts dagegen, er darf segnen und behüten und alles. Aber wenn er uns Vorschriften machen will, wenn er kritisch in unser Leben reinredet, dann sagen wir: Was hat Gott mit dem Geschäftsleben zu tun? Was hat Gott mit der Politik zu tun? Was hat Gott mit dem Sexualleben zu tun? Was hat Gott mit dem Geld zu tun? Da hört der Spaß auf!
Das ist Missbrauch des Namens Gottes, das ist missbräuchliche Beleidigung oder beleidigender Missbrauch. Ja, Gott will den Personenzug, sozusagen. Er will persönlich in Kontakt sein, deshalb gab er ja seinen Namen. Wir sollen kein anonymes Verhältnis haben, wir sollen wissen, wer er ist. Er möchte eine persönliche Vertrauens- und Liebesbeziehung, eine Beziehung der Geborgenheit und der persönlichen alltäglichen Erfahrungen.
Deshalb gibt er seinen Namen, deshalb steht das so oft im persönlichen Evangelium von Jesus. Es soll der Personenzug sein, nicht der Güterzug.
Missbrauch des Namens Gottes. Neulich hörte ich in einer kritischen Analyse, dass die Kirche, die Volkskirche, sich als Dienstleistungsbetrieb verstehen müsse. Das waren Pfarrer, die sagten: Alle zahlen Kirchensteuer, 96 Prozent der Bundesrepublik zahlen Kirchensteuer, aber nur vier Prozent gehen sonntags morgens in den Gottesdienst. Und die restlichen, wer weiß, was sie denken.
Aber da ist doch irgendwo ein Rest, der es ernst meint. Die können ja, wenn sie es nicht glauben wollen, wenigstens rechnen. Wofür gibt man einer Institution so viel Geld, obwohl man so wenig in Anspruch nimmt? Dafür hat man den Anspruch auf ganz bestimmte Dienstleistungen, hoch bezahlt: viermal im Leben – Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung. Viermal Service-Dienst der Kirche gegen solides Geld.
Ich darf es mal in aller Schärfe sagen: Die Kirche, in der ich Pfarrer bin und bewusst arbeite, mag ja so ein Saftladen sein. Aber eins sollten wir nicht tun: Wir sollten nicht von den Gebaren, die wir in der Kirche haben, auf Gott schließen wollen.
Der Missbrauch des Namens Gottes in einer solchen beleidigenden Weise, als ob wir Gott als Handlanger zum Bierholen pfeifen könnten, ist Beleidigung Gottes. Deshalb sage ich noch einmal: Die Beleidigung kommt nicht von den Atheisten, sondern von Religiösen. Nicht von denen, die Gott die Tür weisen und sagen: „Ich will nichts mit dir zu tun haben“, sondern von denen, die seinen Namen dauernd im Munde führen, ihn aber nicht als den Herrn und Helfer sehen, sondern als einen Handlanger beleidigend missbrauchen.
Ich bin erschrocken darüber, wie tief und wie viel in meinem Leben als Christ von dieser falschen, beleidigenden, den Namen Gottes missbrauchenden Art und Weise zu leben und mit Gott umzugehen steckt. Ich weiß nicht, ob Sie von sich sagen können, dass das gar keine Rolle in Ihrem Leben spielt.
„Du sollst den Namen deines Gottes nicht zum Nichtigen, nicht zum Verlogenen tragen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ Die Drohung Gottes brauche ich nicht auszulegen. Er macht das selbst.
Wir wollen beten: O Herr, hilf uns doch, dass in unser Leben die Wirklichkeit deiner Barmherzigkeit und deiner Heiligkeit hineinbricht. Dass wir aus der Gedankenlosigkeit, aus der Leichtfertigkeit und aus der gotteslästerlichen Lebensweise herauskommen und erfahren, was es bedeutet, vor dir zu stehen und aus der unermesslichen Fülle deiner Liebe und deiner Kraft zu schöpfen. Amen!