EINLEITUNG
Heute feiern wir eines, der wichtigsten Feste des christlichen Glaubens. Karfreitag, der Tag, an dem wir besonders an Jesus denken, wie er am Kreuz vor den Toren Jerusalems für unsere Schuld hingerichtet wurde. Wir wollen heute ein Stück weg verfolgen, das Jesus vor seiner Hinrichtung gehen musste. Wir betrachten einen Ausschnitt aus dem Prozesses und der Hetze, die gegen ihn geführt wurde. Mit Bestechungsgeldern kamen die führenden Juden in Kenntnis über den Aufenthaltsort von Jesus. Judas hatte ihn verraten. Sie liessen Jesus verhaften und brachten ihn vor den Hohen Rat zum Verhör. Es wurden Zeugen aufgeboten. Die führenden Priester und der gesamte Hohe Rat suchten nun nach einer falschen Zeugenaussage gegen Jesus, die es rechtfertigen würde, ihn zum Tod zu verurteilen. Matthäus 26, 59. Aber eben: Sie konnten nichts finden, obwohl viele falsche Zeugen gegen ihn aussagten. Matthäus 26, 60. Das war alles andere als ein faires Verhör. Man musste einfach einen Grund finden, um das über Jesus beschlossene Vorhaben durchzuziehen: Jesus möglichst schnell zu beseitigen. Also kein faires Verhör. Mit den falschen Zeugen hat das nicht funktioniert. Nun fordern sie Jesus direkt heraus und fragen ihn, ob er der Christus, der Sohn Gottes sei. Jesus stimmt ihnen zu, ja – er ist der Sohn Gottes. Endlich sind sie am Ziel. Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und rief: »Das ist Gotteslästerung! Wozu brauchen wir noch Zeugen? Ihr habt ja selbst gehört, wie er Gott gelästert hat. Matthäus 26, 65. Damit war klar: Jesus muss sterben. Ein Problem war noch zu lösen. Der Hohe Rat durfte nämlich keine Todesstrafen vollziehen. Die Todesstrafe konnte nur durch die Vertreter des römischen Reiches[1] angeordnet werden. So schleppten sie Jesus zu Pilatus, dem Vertreter des römischen Reichs, der in Judäa die Regierungsgewalt innehatte.
Lesen wir also diesen Abschnitt in der Bibel. Der gesamte Hohe Rat erhob sich. Sie führten Jesus zu Pilatus und trugen diesem ihre Anklage vor. Lukas 23, 1. »Wir haben festgestellt«, sagten sie, »dass dieser Mann unser Volk aufwiegelt; er hält die Leute davon ab, dem Kaiser Steuern zu zahlen, und behauptet, er sei der Messias und König.« Lukas 23, 2. Pilatus fragte Jesus: »Bist du der König der Juden?« - »Du selbst sprichst es aus«, erwiderte Jesus. Lukas 23, 3. Darauf sagte Pilatus zu den führenden Priestern und der Volksmenge: »Ich kann keine Schuld an diesem Menschen finden.« Lukas 23, 4. Aber sie beharrten auf ihren Anschuldigungen und erklärten: »Mit seiner Lehre, die er im ganzen jüdischen Land verbreitet, hetzt er das Volk auf. Angefangen hat er damit in Galiläa, und jetzt ist er bis hierher gekommen.« Lukas 23, 5. Als Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mann ein Galiläer sei. Lukas 23, 6. Man bestätigte ihm, dass Jesus aus dem Herrschaftsbereich des Herodes kam. Da liess er ihn zu Herodes führen, der in jenen Tagen ebenfalls in Jerusalem war. Lukas 23, 7. Herodes war hocherfreut, Jesus endlich zu Gesicht zu bekommen. Er hatte sich seit langer Zeit gewünscht, ihn einmal zu sehen, nachdem er schon viel von ihm gehört hatte. Nun hoffte er, Jesus würde in seiner Gegenwart ein Wunder tun. Lukas 23, 8. Er stellte ihm viele Fragen, aber Jesus gab ihm nicht eine einzige Antwort. Lukas 23, 9. Die führenden Priester und die Schriftgelehrten standen dabei und brachten schwere Beschuldigungen gegen ihn vor. Lukas 23, 10. Auch Herodes und seine Soldaten hatten für Jesus nur Verachtung übrig. Sie trieben ihren Spott mit ihm und hängten ihm ein Prachtgewand um, und so schickte Herodes ihn zu Pilatus zurück. Lukas 23, 11. Herodes und Pilatus, die bis dahin miteinander verfeindet gewesen waren, wurden an diesem Tag Freunde. Lukas 23, 12. Bibelstellen zum Nachschlagen:
I. Die verleumderische Anklage
Früh am Morgen brachten sie Jesus zum Amtssitz des Pilatus, dem römischen Gouverneur. Doch die Juden, die in anklagen wollten, vermieden dieses Haus zu betreten. Johannes sagt uns warum: Sie betraten das Gebäude nicht, um die Reinheitsvorschriften nicht zu verletzen; sie hätten sonst nicht am Passafest teilnehmen können. Johannes 18, 28. Sie können Jesus verleumden, aber sie machen sich Sorgen um ihre rituelle Reinheit! Pilatus musste deswegen zwischen Jesus und den Anklägern hin und her laufen. Staunend und schockiert müssen wir zur Kenntnis nehmen, was der Hohe Rat Jesus vorwirft, denn mit der Begründung er hätte Gott gelästert, hätten sie bei Pilatus keine Chance gehabt ein Todesurteil zu erreichen. So behaupteten sie: Dieser Mann wiegelt unser Volk auf. Er hält die Leute davon ab, dem Kaiser Steuern zu zahlen. Er behauptet, er sei der Messias und König. Lukas 23, 2. Damit wollen sie Jesus als einen Staatsfeind darstellen. Sie wollen Pilatus davon überzeugen, dass Jesus ein Oppositioneller und somit ein Feind der römischen Herrschaft sei. Jesus sagte aber vor dem Hohen Rat nicht, er sei König, sondern er sei der Sohn Gottes. Aber, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten, dann musste sie Jesus als ein Feind der römischen Besatzung darstellen, der für die Römer eine Bedrohung werden könnte. Nur so hatten sie die Chance, Pilatus dazu zu bringen, dass er das Todesurteil ausspricht. Es ist eigenartig, was hier vor sich geht. Einerseits sind die Leute besorgt darüber, sie könnten sich durch das Betreten des Hauses verunreinigen, andererseits scheuen sie nicht davor zurück, Pilatus anzulügen. Wie treffend beschrieb Jesus diese Leute: Nach aussen hin erweckt ihr bei den Menschen den Anschein, gerecht zu sein, in Wirklichkeit aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit. Matthäus 23, 28. So kann Frömmigkeit aussehen. Keiner von uns kann sagen, dass er nie in der Gefahr steht, so zu handeln. Oft ist es so: Je schlechter es in mir drin aussieht, desto mehr neige ich dazu meinen Glauben an Äusserlichkeiten fest zu machen. Menschen die extrem viel Wert auf Äusserlichkeiten legen, sind oft innerlich sehr unsicher, sie brauchen diesen äusseren Halt. Bibelstellen zum Nachschlagen: Matthäus 23, 27-28; Johannes 18, 31
II. Im Stich gelassen (Pilatus)
Pilatus hat diese Leute durchschaut. Er traute dem Hohen Rat nicht. Er durchschaute diese Falschheit. Er realisierte, dass hier Neid im Spiel ist. Matthäus berichtet: Pilatus wusste genau, dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte. Matthäus 27, 18. Pilatus geht zu Jesus und fragt ihn, ob er tatsächlich der König der Juden sei. Lukas fasst die Antwort von Jesus kurz zusammen mit: Du sagst es. »Du selbst sprichst es aus.« Lukas 23, 3. Im Johannesevangelium finden wir eine ausführlichere Beschreibung dieses Gesprächs: Pilatus ging ins Prätorium zurück und liess Jesus vorführen. »Bist du der König der Juden?«, fragte er ihn. Johannes 18, 33. Jesus erwiderte: »Bist du selbst auf diesen Gedanken gekommen, oder haben andere dir das über mich gesagt?« - Johannes 18, 34. »Bin ich etwa ein Jude?«, gab Pilatus zurück. »Dein eigenes Volk und die führenden Priester haben dich mir übergeben. Was hast du getan?« Johannes 18, 35. Jesus antwortete: »Das Reich, dessen König ich bin, ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, dann hätten meine Diener für mich gekämpft, damit ich nicht den Juden in die Hände falle. Nun ist aber mein Reich nicht von dieser Erde.« Johannes 18, 36. Da sagte Pilatus zu ihm: »Dann bist du also tatsächlich ein König?« Jesus erwiderte: »Du hast Recht - ich bin ein König. Ich bin in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeuge zu sein; dazu bin ich geboren. Jeder, der auf der Seite der Wahrheit steht, hört auf meine Stimme.« - Johannes 18, 37. »Wahrheit?«, sagte Pilatus zu ihm. »Was ist das?« Johannes 18, 38. Hier bricht Pilatus das Gespräch mit Jesus ab und er ging wieder zu denJuden hinaus und erklärt ihnen: »Ich kann keine Schuld an ihm finden.« Johannes 18, 38. Mit anderen Worten: Ich lass ihn frei, denn dafür bin ich nicht zuständig. Doch die Juden lassen nicht locker, sie wollen Jesus jetzt unbedingt beseitigen – um jeden Preis. Sie beharrten auf ihren Anschuldigungen und erklärten: »Mit seiner Lehre, die er im ganzen jüdischen Land verbreitet, hetzt er das Volk auf. Angefangen hat er damit in Galiläa, und jetzt ist er bis hierher gekommen.« Lukas 23, 5. Galiläa, das war das rettende Stichwort für Pilatus. Jetzt konnte er Jesusan Herodes verweisen, denn Herodes war für Jesus das erstinstanzliche Gericht. So schickte Pilatus Jesus zu ihm. Pilatus, der von der Unschuld von Jesus überzeugt war, liess Jesus im Stich. Bibelstellen zum Nachschlagen: Markus 15, 10;
Die totale Demütigung (Herodes)
Herodes war wegen dem Passafest in Jerusalem. Sein Herrschaftsgebiet war Galiläa und Peräa. Folie Herodes ist der Mann, der Johannes den Täufer für einen Tanz der Salome köpfen liess. Als er von Jesus hörte, meinte er zuerst, Johannes der Täufersei auferstanden. Er sagte: »Es ist Johannes. Ich habe ihn enthaupten lassen, und jetzt ist er auferstanden.« Markus 6, 6. Doch gesehen hatte er Jesus bis dahin noch nie. So freute er sich, als Jesus zu ihm gebracht wurde. Viel hatte er über ihn gehört. Er hoffte, Jesus würde in seiner Gegenwart ein Wunder tun. Lukas 23, 8. Herodes wollte etwas Ausserordentliches erleben. Er wollte Abwechslung. Jesus als Person interessierte ihn eigentlich nicht, er wollte unterhalten werden, für ihn war Jesus höchstens ein geschickter Gaukler. Aber Jesus gab sich dazu nicht her; er war nicht bereit für Herodes ein Wunder zu tun, für einen Mann, der dazu fähig ist einen Menschen als Dankeschön für einen Tanz zu ermorden. Jesus war nicht einmal bereit auf seine Fragen zu antworten. Herodes war eh nicht wirklich daran interessiert, was Jesus sagen würde, er wollte einfach Spass haben. Jesus liess sich auch nicht durch die harten und ungerechtfertigten Anklagen des Hohen Rates zum Reden bewegen. Er wusste, dass es hier nicht um ein echtes Suchen nach der Wahrheit ging. Herodes, der sich durch das Schweigen von Jesu in seiner Ehre verletzt fühlte, rächte sich mit beissender Verachtung. Herodes und seine Soldaten hatten für Jesus nur Verachtung übrig. Sie trieben ihren Spott mit ihm und hängten ihm ein Prachtgewand um, und so schickte Herodes ihn zu Pilatus zurück. Lukas 23, 11. Einen weissen Mantel, wie ihn die jüdischen Könige und die römischen Grossen bei feierlichen Gelegenheiten trugen, liess er ihm anziehen. Das war eine Verspottung der hohen Ansprüche Jesu, aber zugleich eine indirekte Erklärung seiner Unschuld wenigsten in politischer Hinsicht. So schickt er Jesus wieder zu Pilatus zurück. Über Jesus zu spotten, sich über den Glauben lustig machen, das ist bis heute aktuell. Was hier geschieht, ist für uns eine grosse Herausforderung. Denn Jesus lehrte seine Jünger, dass es ihnen nicht besser gehen wird als ihm selbst.Wurde Jesus verfolgt, verleumdet und verspottet, so kann uns dasselbe zustossen. Sind wir darauf gefasst? Jesus sagt: Glücklich zu preisen sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Matthäus 5, 10. Glücklich zu preisen seid ihr, wenn man euch um meinetwillen beschimpft und verfolgt und euch zu Unrecht die schlimmsten Dinge nachsagt. Matthäus 5,11. Freut euch und jubelt! Denn im Himmel wartet eine grosse Belohnung auf euch. Genauso hat man ja vor euch schon die Propheten verfolgt.« Matthäus 5, 12. Bibelstellen zum Nachschlagen:
Schlussgedanke
Jesus liess sich das alles gefallen. Die Demütigungen gingen weiter bis zum Kreuz, bis zu seinem schmerzhaften Tod. Jesus war bereit sich das alles gefallen zu lassen. Die einzige Erklärung, die es dafür gibt ist: Liebe! Er tat es aus Liebe zu Dir! Mit seinem Sterben hat es möglich gemacht, dass wir uns mit Gott versöhnen können, den Frieden mit Gott können wir bekommen. Denn Jesus ist am Kreuz für Deine Schuld gestorben. Jesus hat es für Dich gemacht. Er war bereit – wegen Dir – sich alles gefallen zu lassen. Das ist die Liebe Gottes zu Dir. Johannes schreibt: Das ist das Fundament der Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühneopfer für unsere Sünden zu uns gesandt hat. 1. Johannes 4, 10. Du kannst Jesus verstossen. Du kannst über ihn spotten. Aber eines kannstDu nicht ausradieren: Er hat dich lieb und liess sich aus Liebe zu Dir demütigen. Es liegt an Dir, ob Du seine Liebe annehmen willst.
Amen
----------------------- [1] Frédéric Godet: Kommentar zu dem Evangelium des Lukas, S. 562: Im Talmud findet sich die Tradition, dass "40 Jahre vor der Zerstörung des Tempels (also erst ums Jahr 30 unsrer Zeitrechnung) das Recht, Todesurteile zu fällen, Israel entzogen worden sei (Cant.34,2)".