Einführung in die biblische Erzählung und die Bedeutung der Begegnung mit Jesus
Wir lesen aus dem Lukas-Evangelium, Lukas 2, Verse 25-35. Es ist hilfreich, wenn Sie Ihre Bibel zur Hand nehmen und den Text mitverfolgen.
In der Weihnachtszeit sind wir es gewohnt, die Figuren an der Krippe zu betrachten, wie die Hirten oder die Weisen. Diese kommen aus der Ferne, doch relativ selten sprechen wir von Simeon. Morgen wollen wir auch von Hanna reden.
Siehe, ein Mann lebte in Jerusalem mit Namen Simeon. Dieser Mann war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels. Der Heilige Geist war bei ihm, und ihm wurde durch den Heiligen Geist offenbart, dass er den Tod nicht sehen würde, bevor er den Christus des Herrn gesehen hätte.
Vom Geist Gottes getrieben, kam er in den Tempel. Als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz Brauch war, nahm Simeon das Kind auf seine Arme, lobte Gott und sprach: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden sterben, wie du gesagt hast. Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Ehre deines Volkes Israel.“
Sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Simeon segnete sie und sagte zu Maria, seiner Mutter: „Siehe, dieser ist für viele in Israel zum Fall und zum Aufstehen bestimmt und zum Zeichen, dem widersprochen wird. Auch durch deine eigene Seele wird ein Schwert dringen, damit die Gedanken vieler Menschen offenbar werden.“
Herr, werde uns auch durch dieses Wort ganz groß, Amen!
Mich reizt es immer, über diese Personen nachzudenken und zu fragen, was für Menschen sie wohl waren. Es interessiert einen doch, was aus den Hirten geworden ist und wie ihr Leben weiter verlief. Das Interessante ist: In der Bibel tauchen sie nur ganz kurz auf, ein Lichtschein fällt auf sie, man sieht sie nur kurz dastehen.
Warum schildert die Bibel nicht mehr vom Leben dieser Leute? Sie will uns eindrücklich sagen: Das Wichtigste in unserem Leben ist die Begegnung mit dem lebendigen Gott. Was uns sonst heute morgen auch bewegen mag, kann alles zurücktreten – ob bei den Hirten, bei den Weisen aus dem Morgenland, bei Simeon oder bei Hanna.
Der Augenblick, in dem man vor Jesus steht, ist der Mittelpunkt eines Lebens. Von diesem Moment aus bekommt alles seine Bedeutung und seinen Wert.
Simeon als herausragende Persönlichkeit und sein geistliches Leben
Aber jetzt wollen wir uns doch Simeon anschauen. Ich möchte sagen, er war ein besonderer Mann. Wir wissen doch mehr von ihm. Es fängt hier an: Siehe, warum? Achte darauf, schau mal her! Da war einer, der fiel aus dem Rahmen, der war anders als die Leute sonst zu Jerusalem.
Da gab es viele Leute – das ist ein wichtiger Hinweis: Menschen, mit denen Gott handeln will, sind nicht bloß einfache Abbilder ihrer Zeit, sondern einzelne, außergewöhnliche Männer. Ich denke auch immer darüber nach, wenn ich an Simeon denke, wie wir so in der Predigtgemeinde zusammen sind. Manche von Ihnen sind allein da. Der Ehegatte geht nicht mit, oder jemand ist allein von einer Familie, allein von einem Haus.
Sieh, da war auch einer in Jerusalem, ein Einzelner, der hatte offene Ohren für das, was Gott tut. Mit dem konnte Gott reden und handeln. Siehe, da war einer, Simeon, einer herausgehoben – nicht weil er besser war oder mehr als die anderen, sondern weil er die Ohren offen hatte für das, was Gott ihm sagen will, weil er Gott mit seinem Leben dienen will.
Ein außergewöhnlicher Mann, der nicht einfach so wie die anderen dahinlebt, der sich nicht an den täglichen Sorgen genuggibt, sondern Gott sucht.
Dann steht da: Dieser war gerecht. Hoffentlich kann man das auch von uns sagen. Er war gerecht, nicht selbstgerecht, sondern gerecht. Er war zuverlässig. Er hatte die Sorge, dass das Geld in seiner Tasche falsches Geld sein könnte, das auf unrechte Weise erworben war. Er hatte Angst vor Unredlichkeit. Er wollte treu und wahrhaftig sein, auch in seinen Worten. Es war ihm wichtig, zuverlässig zu sein – ein gerechter Mann.
Die Bibel schätzt das hoch. Sie nimmt das nicht so hin, dass man einfach sagt: In der Welt sind eben alle sündig. Das gehört zu Simeon: ein Gerechter. Und wir wollen unsere irdische Gerechtigkeit sehr ernst nehmen und sie erfüllen nach der Gerechtigkeit Gottes.
Darum ist er sicher aufgefallen, weil er nicht bloß einfach sagte, was man heute tut. Er wollte nach den Ordnungen Gottes leben, nach den Geboten. Das wollen auch unsere jungen Leute sagen: Euer Leben kann nur gesegnet werden, wenn ihr gerecht nach den Ordnungen Gottes lebt.
Das wissen wir doch, dass nicht nur im zwanzigsten Jahrhundert die Gebote Gottes umgestoßen und von neuen Ordnungen und neuen Praktiken gesprochen wird. Er war gerecht – das war für ihn verbindlich, gültig, gottesfürchtig.
Das stand hinter seiner Gerechtigkeit. Das hat ihn offenbar nicht umstoßen können, ob er einen größeren Gewinn machen könnte oder was er in der Welt alles noch werden kann. Er fürchtete Gott und hatte die eine Sorge, sein Leben nicht vergebens vor Gott zu leben.
Warum war er gottesfürchtig? In der alten Bibel stehen ja zwei andere Worte: Da steht für gerecht auch fromm. Es wäre schön, wenn das so wäre: fromm und gerecht, dass das ineinandergeht – vertrauenswürdig und ehrbar Gott gegenüber.
Etwas später steht noch in diesem Abschnitt, dass er sich als Knecht Gottes wusste. Er wollte nur Gott den Weg bereiten. Das sind Leute, mit denen Gott handeln kann und die er würdigt.
Er hatte einen Blick auf den Herrn Jesus und erkannte ihn. Dann lesen wir hier, dass er geistliches Leben hatte. Wie unterscheidet man zwischen unserem physischen Leben, das wir von der Geburt haben, und einem geistlichen Leben?
Er war mit Gott in einer Verbindung. Der natürliche, normale Mensch versteht jede Zeitung, er versteht jede Nachrichtensendung im Radio, aber er versteht Gottes Wort nicht. Dazu braucht man geistliches Empfinden, das heißt den Geist Gottes, der uns erst für die Gedanken Gottes ein Verständnis gibt.
Simeon war ein Mann, der vom Heiligen Geist erfüllt war. Gäbe Gott, dass das auch von uns gilt, dass wir den Geist Gottes haben!
Wir haben in den letzten Predigten immer wieder davon gesprochen, dass wir darum bitten dürfen: Herr, gib mir deinen Geist in Fülle. Und da konnte Gott mit ihm reden. Ein paar Mal steht es da im Vers 26 und dann weiter: Gott hat durch seinen Geist mit ihm geredet, er hat ihn durch seinen Geist geführt, er hat ihn geleitet.
Mit solchen Leuten kann Gott reden. Man kann natürlich Voraussetzungen nennen, damit Gott in uns wirken kann: Wir müssen geistliche Menschen werden.
Ich muss noch einmal sagen, dass wir das Wort „geistliche“ für Pfarrer nie mehr verwenden. Das hat damit gar nichts zu tun. Geistliche sind Menschen, die den Geist Gottes haben. Sie sind hoffentlich geistliche Menschen. Das hat mit dem hauptamtlichen Gehalt gar nichts zu tun.
Das ist eine Praxis, die aus dem falschen Denken in der katholischen Kirche kommt, wo die Geistlichen eine Stufe höher gerückt werden. Wir wissen, dass alle, die sich öffnen für den Geist Gottes, geistliche Menschen sind. Und dass hier nicht zwischen den Amtsträgern und den Profis und den Gemeindegliedern eine Kluft aufgerissen wird.
Sie brauchen den Geist Gottes, sie müssen geistliche Menschen sein, wenn Gott mit ihnen reden will und wenn sie das Geschehen Gottes verstehen wollen.
Er wartete auf den Trost Israels.
Die Sehnsucht nach dem Trost Israels und seine weltweite Bedeutung
Bibelkenner erinnern sich, dass dies bereits bei Jakob genannt wird: „Herr, ich warte auf dein Heil.“ So sieht man, wie Israel bis heute von einer unerfüllten Hoffnung lebt. Sie warten und warten. Auch die ganze Not des Todes, über die man keine Hoffnung hatte.
Immer wieder stellt sich die Frage: Was wird werden? Von Simeon wird nicht ausdrücklich gesagt, dass er alt war, doch vermutlich war er es. Sonst würde nicht so viel von der Dauer seines nahen Sterbens gesprochen. „Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren“ – das war doch ein alter Mann. Und hier stellt sich die Frage: Was ist mein Leben, wenn ich sterbe?
Simeon wartete, aber nicht nur darauf, noch ein Jahr länger zu leben. Er wartete auf den Trost Israels. Hier wird deutlich, wie Simeon in der Bibel gelebt hat. Nun möchte ich die Bibel ein wenig aufschlagen.
Das Thema Trost kommt einige Male im Buch Jesaja vor, besonders in den Kapiteln 40 bis 55. Dort beginnt es mit den Worten: „Tröste, tröstet mein Volk! Es soll eine Tröstung widerfahren.“ Das Wort Trost ist heute oft abgewertet und wird mit „Vertrösten“ gleichgesetzt. In der Bibel bedeutet es jedoch etwas ganz anderes. Es ist eine Ermahnung, ein Zuruf: Ruft es zu, ermutigt sie!
Simeon wartete auf die große Ermutigung Israels. Irgendwo musste die Hoffnung herkommen. Er sah sein ganzes Leben darin, dass Gott noch einmal handelt.
Wenn man heute immer wieder im Radio hört, worüber in Weihnachtspredigten gesprochen wird, habe ich wenig Hoffnung auf das, was Menschen tun – auch angesichts des Unheils in der Welt. Ich glaube nicht, dass Menschen versöhnen oder Gerechtigkeit wiederherstellen können. Wenn ich das sage, sind manche verletzt, als wollte ich ihnen den Mut nehmen.
Verstehen Sie, warum das Wort „Polen“ in meinen Predigten bis heute nicht vorkam? Weil ich nichts von Menschen erwarte, sondern vom Trost Israels, vom Kommen Gottes in diese elende Welt. Auch für die Menschen, die heute in sibirischen Zwangslagern leben, oder für jene, die hungern – vom Trost.
Dann sagen wir aber, das muss doch auch etwas Greifbares sein. Herr Jesus kann hier und da seine Wunder tun, hat aber immer wieder gezeigt, dass die Hoffnung in den Leiden der Welt in ihm ruht. Aller Trost und alle Freude ruhen in dir, Herr Jesus Christus. „Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch Gott alle Zeit meines Herzens Trost und mein Teil.“
Gestern nach der Predigt war ich noch kurz im Katharinenhospital bei unserer Schwester Ingrid Schulz, einer jungen Schwester, die schon einige Hirnoperationen hinter sich hat. Sie hört auch diese Kassette. So viele Fragen stellen sich vor unserem kranken Leib. Wir freuen uns über Hilfe und Besserung, doch wir wissen, dass der Trost, von dem unser Leben lebt, die Ermutigung und der Zuspruch nicht kleine Wunder sind, sondern dass Jesus mich alle Tage hält, dass ich sein Kind sein darf, dass er mich erlöst und herausreißt.
Simeon wartete auf den Trost Israels. Voller Sehnsucht hoffte er, dass sich dieser Trost über seinem Volk erfüllen würde. Wir können heute nur wünschen und beten, dass die Menschen in Israel gerade den Trost Israels entdecken. Dort ist nur das Heilige die Antwort auf alle Sehnsüchte.
Jetzt möchte ich, dass jeder in unserem Gottesdienst das noch einmal für sich begreift. Da liegt für mich der Trost. In diesen Weihnachtstagen gibt es viele bedrückte Menschen, die traurig sind über ihre Einsamkeit, ihre Leiden und ihre ungelöste Zukunft.
Da liegt der Trost Israels, wo der Herr zu uns redet und zu uns kommt. Für dich ist er gekommen, dich meint er, und bei dir will er einkehren. Er lässt sich finden. Er hat das Warten Simeons erfüllt und ihm noch einmal zugesprochen: Dein Warten wird nicht vergeblich sein.
Das mag für uns armselig aussehen. Simeon tut gar nichts Großes. Doch es ist so groß, zu warten, bis Gott zu uns kommt und uns begegnet.
Simeons Erkenntnis der universalen Bedeutung Jesu und die Herausforderung des Widerspruchs
Zweitens erkennt Simeon die weltweite Bedeutung. Das Erste war ein besonderer Mann, nämlich dieser wartende, gerechte und gottesfürchtige Simeon. Er erkennt die Weltbedeutung.
Jetzt muss ich Ihnen noch erzählen, wie das dort oben im Vorhof der Heiden war. Dort muss es sich abgespielt haben. Dort herrschte ein wildes Treiben. Waren es acht Menschen? Waren es zehn Menschen? An einem ganz normalen Werktagmorgen versammelten sich dort oben im Vorhof der Heiden einige Menschen.
Es war ein wunderschönes Gebäude. Die Säulen waren elf Meter hoch, und der Hof war getäfelt. Doch trotz dieser Schönheit herrschte dort ein wildes Treiben. Dort waren die Opfertiere angebunden, die Schafe blökten, die Tauben gurrten. Die Wechsler mussten das Geld umtauschen, denn im Vorhof der Heiden durfte man noch das heidnische Geld mit dem Kaiserbild haben. Dieses musste dort oben umgetauscht werden, denn nur das Tempelgeld durfte in die Opferbüchsen geworfen werden.
Drüben, vor dem Heiligtum im inneren Vorhof, wurden die Opfer gebracht. An diesem Morgen wurden zehn Ochsen hinuntergestoßen und geschlachtet. Sie müssen sich vorstellen, wie der Rauch der verbrannten Eingeweide über dem Tempelbezirk lag und dunkle Wolken hinüberzogen. Die Menschen wussten nicht, wie groß die Last der Sünde über uns allen war.
Dort wurde gesprochen und diskutiert. Ich habe extra in einem Buch nachgeschlagen. Ich darf praktisch sagen: Im Vorhof der Heiden ging es so ordinär zu, dass man sogar auf den Boden spucken durfte. Das haben sogar die Rabbiner erlaubt. Jesus hat ja auch diesen Vorhof gereinigt. „Mein Haus soll ein Bethaus sein“, sagte er.
Und dort steht Simeon und schaut. Immer wenn er Babys sieht, schaut er hin. Die Leute hätten denken können, er wolle die Babys alle entführen. Was hat der alte Mann nur? Immer den Babys nachgucken – das ist doch komisch. Da wird die Mutter ihn nur fester an sich genommen haben.
Und da sieht er dieses Baby und geht darauf zu. Dann steht er da. Wie mag das für Maria und Josef gewesen sein? Sie müssen sich das plastisch vorstellen. Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht, mitten unter all den Menschen. Es ist, als gingen sie durch die Königstraße oder die Schulstraße, und plötzlich kommt jemand auf sie zu und sagt: „Da!“
Ich sehe es. Simeon, hast du keine Zweifel? Hast du denn gar keine Zweifel, ob das der Heiland ist? „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ In der Bibel werden ja auch andere Leute als Heiland bezeichnet. Einen, den ich immer sehr bewundere, ist Simson, der das elterliche Klavier von einem Zimmer ins andere trug, ohne dazwischen absetzen zu müssen. Verstehen Sie? Das war ein Mann mit unheimlicher Körperkraft. Oder Gideon, der das Volk befreite – das waren Heilande.
Und nun dieses Kind – das ist der Heiland. Das ist der Heiland, der helfen kann. Hatte Simeon gar keine Zweifel? Nein, Simeon hatte keine Zweifel, ganz bestimmt keine, weil er wusste, dass Gott durch das Verborgene und Verachtete sein großes Heil wirkt.
Wir haben oft den Blick, dass uns das Große einleuchtet. Wir wollen uns selbst immer viel stärker und mächtiger sehen. Nein, durch das Arme und Elende wirkt Gott, durch das Kranke. Es ist nicht wahr, dass wenn Jesus segnet, alles leuchtend, groß, gesund und erfolgreich sein muss. Das stimmt einfach nicht.
Simeon versteht das sofort und geht auf das Kind zu. Dann weiß er, was durch dieses Kind geschehen wird.
Einige unter uns können Griechisch, das darf ich auch noch sagen. Das ist ein typisches Übersetzungsproblem. Es steht nicht da: „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Das würde im Griechischen „Soter“ heißen. Es steht auch nicht da: „Meine Augen haben deinen Heil gesehen.“ Das würde „Soteria“ heißen. Sonst steht hier das Wort „Soterion“. Das heißt: „Dein Rettungswerk habe ich gesehen.“ Über diesem Kind habe ich das ganze begriffen, was du tun wirst – dein großes Errettungswerk über diese Welt.
Und das nennt er gleich in seiner universalen Weltbedeutung dort im Vorhof der Heiden. Auch die Ungläubigen durften dort herzukommen, auch die, die nicht zum Volk Israel gehörten. Dort, im Vorhof der Heiden, sagt Simeon, geschieht das Große. Nicht dort, wo jetzt diese Ochsen auf den Brandopferaltar gelegt werden, nicht dort, wo das Allerheiligste ist, sondern hier geschieht das Große im Vorhof der Heiden. Und das wird Licht bringen, um alle Heiden zu erleuchten.
Wieder sehen Sie, dass Simeon in seiner Bibel zuhause war. Wir sollten Bibelkenner sein. Jesaja 52,10 sagt doch, dass der kommende Messias ein Licht sein wird und alle Enden der Welt das Heil unseres Gottes sehen werden. Daran knüpft Simeon hier an. Alle Worte, die er hier sagt, stammen aus dem Alten Testament, von den Propheten.
Und darüber spricht er nun.
Was meint er mit Licht? Über diesen Völkern lastet die Finsternis. Und noch einmal will ich es Ihnen sagen: Wenn wir nur auf Polen schauen – ich schätze das Engagement sehr. Sie kennen mein Engagement. Von unserem Missionsbund sind in diesem Jahr viele Autos nach Polen gefahren mit allen möglichen Hilfen.
Aber die ganze Welt liegt in Finsternis, die ganze Welt. Auch unser Stuttgart mit seinem ganzen Reichtum und Wohlstand liegt in Finsternis, unter den dämonischen Mächten. Menschen sind gebunden, gefangen in ihren Häusern hin und her. Und wenn man ausschläft und doch keinen Frieden hat, wenn es keine Versöhnung unter den Menschen gibt, wenn die Ehen zerbrechen, wenn die Sinnlosigkeit des Lebens spürbar wird, wenn man sein Leben nur noch bewältigen kann, indem immer mehr Menschen Alkoholiker werden – das ist Dunkelheit, die über unseren Völkern liegt, die über der Welt liegt.
Hell wird es dort, wo Jesus erkannt und verstanden wird, wo man ihn sieht. Dort weist Simeon darauf hin und sagt: „Da ist das Licht angebrochen.“ Von diesem Licht, von Jesus her, kann man sein Leben bewältigen. Nur von dort können Menschen ihre schwache Kraft verstehen, nur von dort können sie ihre Einsamkeit bewältigen. Nur von dort können sie Ja dazu sagen und es als Geschenk annehmen. Nur von dort können sie mit dem Leid in ihrem Leben fertigwerden – ein Licht, das die Heiden erleuchtet.
Und dann sage ich: Das wünsche ich unseren polnischen Brüdern und Schwestern, dass sie das Licht Jesus sehen. Die Lage ist noch viel katastrophaler, als die Menschen denken. Aber das Licht Jesus gibt Kraft, dort durchzuhalten, auch unter Tyrannei und Diktatur. Auch hier wird das Leben verständlich, und selbst das schwere Geschehen in der Welt wird vom Licht her verständlich.
Und das mit dem Frieden – Frieden von Jesus, auch wenn die Tyrannen wüten. Frieden, auch wenn meine Zukunft dunkel sein mag. Frieden in Jesus.
Die Herausforderung des Widerspruchs und die Aufforderung zum Zeugnis
Und er weiß um den Widerspruch – das muss ich doch noch sagen – von dem Simeon. Das ist das Dritte.
Wir haben die besondere Art dieses Mannes betrachtet. Wir haben darüber nachgedacht, wie er die weltweite Bedeutung kennt, die universale Bedeutung Jesu. Universal – aber ich muss doch dazu sagen: Man muss eine Beziehung zu ihm bekommen.
Das Dritte noch: Er weiß um den Widerspruch. Er sagt, dass Jesus zu einem Zeichen gesetzt wird, dem widersprochen wird. Noch einmal: Simeon ist ein Mann, der in der Bibel lebt. Und Sie müssen suchen, wo das steht: Jesaja 8,14. Genau dort, wo von dem Zeichen Immanuel die Rede ist. Eine Jungfrau wird einen Sohn gebären. Den wird man Immanuel nennen.
Und sofort sagt Jesaja, diesem Zeichen wird widersprochen. Die Menschen werden dagegenstehen. So wird dieser Immanuel zum Fall vieler wirken. Denn viele werden sich an ihm nur stoßen, sie werden ihn wegdrücken. Andere aber werden gerade zu ihm finden und an ihn gläubig werden.
Wir haben heute nach der alten Tradition unserer Kirche den Stephanustag. Unsere Vorväter haben es so geordnet, dass man sich in der Weihnachtsfreude daran erinnern soll, dass es Märtyrer gibt, die an der Seite Jesu stehen. Jesus kommt, und ihm wird widersprochen. Ihm wird ein Nein zugerufen.
Und Maria muss das aus dem Munde Simeons hören: Das Kommen Jesu bewirkt Scheidung. Mir fällt das unheimlich schwer, wenn ich merke, dass Menschen dieses Wort ablehnen. Sie interessieren sich nicht dafür. Ich wollte doch allen Menschen das nahebringen. Warum kann ich das nicht besser?
Mir fällt es so schwer, wie viele Menschen ich auch in diesem Gemeindebezirk, die noch die Zugehörigkeit zu unserer Kirche suchen, nicht vom Licht des Evangeliums erreicht werden.
Simeon spricht davon, dass Jesus zu einem Fall wird, zu einem Anstoß, zu einem Ärgernis. Die Menschen holen sich an Jesus ihr Verderben.
Über der Verkündigung geschieht genau dies.
Ich habe mir vor kurzem ein Buch besorgt, in englischer Sprache, sechshundert Seiten in großer Ausgabe. Der Druck ist gar nicht besonders groß. Es heißt: Die christlichen Märtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts. Man sieht darin, wie heute der Widerspruch losgeht.
Dort wird von einer Krankenschwester berichtet. Man weiß das ja alles nicht: 1970, im Gazastreifen, wurde eine Missionsschwester von palästinensischen Terroristen ermordet.
Der Leiter dieser Mission schreibt: Es sind amerikanische Baptisten zurück. Wir wissen, wie dringend eine Krankenschwester heute für den Missionsdienst gebraucht wird. Aber wir wissen auch, dass der Herr seiner Ernte besser als wir weiß, was seine Arbeit nötig hat.
Ihm passt es manchmal, seine besten Diener zu benutzen, um ihr Zeugnis zu versiegeln, indem sie ihr Leben hinlegen als das Ende ihrer Tätigkeit hier in dieser Welt. Auf diese Weise macht Gott den Fortschritt im Bau seines Reiches.
Das stille Grab dieser Schwester wird ein dauerndes Zeugnis sein für den hohen Ruf Gottes. Missionare werden es sehen und daran denken, welch einen großen Auftrag sie haben: die Liebe Christi auszubreiten über die ganze Welt.
Nichtchristen werden an diesem Grab stehen und sich erinnern, dass Gottes Liebe in Jesus gesandt ist, hinein in die Welt, zu unserer Erlösung. Gott sendet fortwährend Botschafter aus, die diese Erlösung bekanntmachen.
Was mir wehtut und wo ich mich oft schäme: Wir sind so schweigende Leute geworden. Wir wagen es nicht mehr, in diesen Widerspruch hineinzutreten.
Heute ruft uns Simeon auf: Dieses Licht, Jesus, will hineinleuchten auch in die Finsternis unserer Stadt. Seien Sie ein Zeuge! Nehmen Sie es selbst auf und tragen Sie es weiter, auch wenn Sie allein stehen, zum Beispiel in Ihrem Geschäft. Seien Sie ein Zeuge!
Es fällt mir jedes Mal schwer, wenn wir unten auf der Königstraße stehen – nicht wegen der Zwischenrufe, nicht wegen derer, die vorbeigehen, sondern weil man weiß, man vertritt eine Botschaft, die bei so vielen nicht ankommt.
Man denkt immer wieder: Du machst es sicher falsch, andere könnten es sicher besser als du. Denken Sie nie so! Das ist nicht eine Frage Ihrer Tauglichkeit, sondern das muss im Widerspruch gesprochen werden.
Maria muss lernen, dass sie teilhat am Leiden Jesu und an seinen Wunden, dass sie seinem Tod gleichgestaltet wird.
Darum hat eine Gemeinde auch immer die Erinnerung daran bewahrt, dass wir in der ganzen Christfreude mitteilhaben an der Verachtung Jesu. Eine Gemeinde ist sehr unvollständig und armselig, und ihr Zeugnis erreicht immer nur einzelne.
Wir haben die Gemeinschaft der Leiden Christi. Darum gehören wir auch mit denen zusammen, die heute leiden, um ihres Zeugnisses willen, die ihr Leben hingeben, um dieses Evangelium weiterzutragen.
Das soll uns aufrufen, noch viel fröhlicher und williger ihm zu dienen.
Darum sind wir so dankbar für diesen zweiten Christfeiertag, weil er uns durch unseren Simeon dorthin führt: Dieses Licht ist die einzige Hoffnung der Welt.
Sie werden vielen Menschen begegnen in den nächsten Tagen: verzweifelten Menschen, hoffnungslosen Menschen, traurigen Menschen, kranken Menschen. Sagen Sie ihnen vom Licht in Jesus weiter.
Es kann geschehen, dass der Geist Gottes auch die Augen öffnet. Das erbitten wir in allem Widerspruch, dass heute geschieht, dass Menschen sein Heil entdecken.
Amen.