Wir haben jetzt schon einiges im Philipperbrief angeschaut. Die Botschaft ist klar: Man würde es oft gerne Geschwistern einfach mal sagen, dass ihr Leben so viel leichter und ihre Beziehungen so viel entspannter wären, wenn sie sich selbst nicht so wichtig nehmen würden. Aber wann traut man sich schon, das jemandem so klar zu sagen?
Paulus ist relativ deutlich. Jemand, der sehr viel Einblick in verschiedene Missionsarbeiten weltweit hatte, hat uns mal die Frage gestellt: Was denkt ihr, was das größte Problem in der Weltmission ist? Er sagt, es ist nicht zu wenig Mitarbeiter, es ist nicht zu wenig Geld. Es ist, dass die Missionare innerhalb ihrer Teams nicht miteinander auskommen.
Eigentlich würde die Missionsarbeit besser laufen, wenn ein Teil der Missionare einfach zurück nach Hause gehen würde. Diese Missionare haben nie gelernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sage ich jetzt einfach mal. Und das Gleiche haben wir in den Gemeinden. In vielen Gemeinden hört man, dass Leute weggehen. Manchmal gibt es gute Gründe, oft gibt es gute Gründe. Es gibt immer mehr Gemeinden, die sich einfach ein ganzes Stück davon entfernen, das Wort Gottes ernst zu nehmen. Dann ist es wahrscheinlich irgendwann mal an der Zeit, sich eine wirkliche geistliche Heimat zu suchen.
Aber ganz, ganz oft ist das eigentliche Problem menschliche Konflikte. Es wird dann immer ganz geistlich getarnt. Es sind immer irgendwelche theologischen Auseinandersetzungen, irgendetwas, was der andere falsch sieht in der Bibel oder in der Gemeindepraxis. Wenn du ganz genau hinschaust, merkst du, dass das alles vorgeschoben ist. In Wirklichkeit geht es um Rivalität, um Neid, darum, dass Christen nicht miteinander auskommen.
So ist die Realität in den Gemeinden und in der Mission, in der wir umgehen müssen. Darum geht es, habt ihr schon gemerkt, im Philipperbrief immer wieder. Wir haben schon einiges angeschaut, vor allem aus Kapitel 1, dem Anfang, und wir haben vieles aus Kapitel 2 betrachtet.
Heute Abend möchte ich versuchen, ein bisschen die Lücken zu schließen, die in Kapitel 1 und Kapitel 2 noch liegen geblieben sind. Das wird mir nicht vollständig gelingen, aber ungefähr. Wir werden uns mit geistlichen Vorbildern beschäftigen. Wir werden heute noch beim Thema bleiben.
Mein Ziel ist es, dass wir das heute Abend zumindest für diese Freizeit abschließen, auch wenn wir ein paar Dinge liegen lassen müssen. Das ist ja biblisch. Auch im Alten Testament sollten Felder nicht vollständig abgeerntet werden, damit die Armen noch etwas haben, was am Rand steht und was sie dann für ihren Bedarf holen können.
Morgen müssen wir in Kapitel 3 einsteigen. Kapitel 3 ist eigentlich das zweite zentrale Thema im Philipperbrief. Es ist wichtig, dass wir morgen die zwei Vorträge, die zur Verfügung stehen, für dieses Kapitel nutzen. Am Sonntag werden wir dann einfach noch den Abschluss in Kapitel 4 machen.
Das ist der Plan. Jetzt wisst ihr den Plan. Schauen wir mal, ob wir ihn erfüllen.
Die Bedeutung von Selbstlosigkeit für Gemeinschaft und Mission
Wir haben in Kapitel zwei gelesen, dass Paulus großen Wert darauf legt, sehr viel persönlichen Nachdruck darauf zu legen, dass die Geschwister weniger mit ihren eigenen Interessen beschäftigt sind. Sie sollen weniger auf ihr Ansehen oder ihr Image innerhalb der Gemeinde achten. Stattdessen sollen sie die Interessen des anderen wichtiger nehmen als die eigenen. Sie sollen auch mal zurücktreten und dem anderen gönnen, was er vielleicht an Aufmerksamkeit oder Anerkennung braucht.
Er sagt, dass dies das Wesentliche für die Einheit der Gemeinden ist und dass die Einheit ein essentieller Bestandteil des Christentums ist. Zwischen den Zeilen lobt er auch ihr Engagement im Evangelium und für Missionen. Er betont jedoch, dass ihnen noch etwas fehlt, was noch an ihrer Rettung fehlt. Genauer gesagt fehlt ihnen, von ihrer alten Persönlichkeit und ihren alten Instinkten gerettet zu werden.
Dann führt er Jesus als Beispiel und Vorbild an, dem wir alle nacheifern sollten. Dies haben wir heute Morgen relativ ausführlich betrachtet. Es sind Verse, die wir gut kennen, vielleicht jedoch nicht unbedingt aus dieser Perspektive.
Man könnte sagen: Jesus als Vorbild? Jesus spielt einfach in einer anderen Liga. Er spielt geistlich Champions League, und ich weiß nicht, wie die Fußballligen in Österreich heißen, aber in Deutschland würde man wohl von Kreisklasse sprechen. Was bringt mir also ein Vorbild, von dem ich weiß, dass es mir so weit überlegen ist?
Darum geht Paulus in den nächsten Schritten etwas tiefer auf dieses Bild ein. Er sagt, vielleicht ist das ein Vorbild für euch. Als Erstes spricht er in Kapitel zwei von sich selbst und nimmt sich noch einmal als Vorbild. Er zeigt, wie er damit umgeht, wie es bei ihm aussieht und wie er sich in den Vordergrund oder Hintergrund drängt.
Paulus’ Situation und seine Perspektive auf das Evangelium (Kapitel 1, Vers 12-18)
Bevor wir uns dem genauer widmen, möchte ich mit euch ein Stück zurückgehen. Paulus hat auch im ersten Kapitel sehr viel von sich und seiner aktuellen Situation geschrieben. Ich glaube, dass viele dieser Dinge absichtlich dort stehen. Nicht alle Themen, die er anspricht, aber vieles, was er schreibt, tut er nicht nur, damit die Philippenser Einblick darin haben, wie es ihm gerade geht. Das ist ihm zwar wichtig – das werden wir sehen –, aber er schreibt es auch, weil es zu diesem Thema passt.
Ich möchte mit euch kurz diese Abschnitte aus Kapitel 1 durchgehen. Wie gesagt, wir werden heute Abend nicht jedes Detail betrachten können. Stattdessen wollen wir in diesem Kapitel eine Linie ziehen und einige Prinzipien herausarbeiten.
Wir haben eigentlich Kapitel 1 bis Vers 11 betrachtet. Ich beginne deshalb bei Vers 12. Paulus schreibt: „Ich will aber, dass ihr wisst, Geschwister, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind.“ Das ist eine sehr verblüffende Aussage. Ich glaube, er macht diese Aussage auch ein bisschen, um zu verblüffen, aber vielleicht auch, um auszudrücken, dass er selbst verblüfft ist.
Was ist passiert? Paulus war zwei Jahre in Caesarea im Gefängnis. Paulus war ein aktiver Mensch. Er wollte mit dem Evangelium eigentlich nach Spanien oder irgendwohin, wo noch keiner war. Paulus hat viele Nöte in den Gemeinden gesehen, und man merkt immer wieder, dass er sagt, er würde gerne vor Ort sein. In einem alten Brief, wahrscheinlich seinem ersten, sagt er einmal, er wäre so gerne bei den Geschwistern und würde seine Stimme verändern. Was meint er damit? Er sagt, er kann etwas schreiben, aber das ist so trocken. Er würde gerne mit ihnen reden, live da sein. Mit seiner Stimme, mit den Emotionen, die er in seine Stimme legen kann, könnte er viel mehr ausdrücken, wie wichtig ihm etwas ist, als mit einem Brief – selbst viel mehr als mit jemandem, den er schickt.
Nun stell dir vor, so einen aktiven Menschen mit so vielen Anliegen nimmt Jesus und schickt ihn zwei Jahre in Caesarea in den Knast. Er wird mehr oder weniger zum Nichtstun verurteilt – mehr oder weniger. Dann kommt das große Abenteuer: die Überfahrt nach Rom mit Schiffbruch und allem Drum und Dran. Zum Zeitpunkt des Philipperbriefs ist Paulus wahrscheinlich schon fast ein Jahr in Rom, schätzen wir einfach mal, und immer noch nicht mobil. Er ist in seinem eigenen gemieteten Haus, kann Besuch empfangen – es ist eine relativ lockere Gefangenschaft, würde ich sagen. Aber er ist nicht mobil. Das ist etwas, was ihm immer noch fehlt. Er kann nicht dahin, wo er so gerne hinfahren würde.
Und jetzt schreibt er an dieser Stelle: „Ich möchte, dass ihr wisst, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums beigetragen haben.“ Spannend.
In Vers 13 schreibt er: „So sind meine Fesseln in Christus offenbar geworden in dem ganzen Praetorium und allen anderen.“ Er meint damit, dass er selbst einige Möglichkeiten hat, das Evangelium zu verkündigen. Es sind Soldaten da, immer ein Soldat ist an ihn gekettet in seinem eigenen gemieteten Haus. Das ist die Begrenzung seiner Mobilität. Inzwischen hatten einige Dienst, die alle das Evangelium gehört haben – zumindest wissen sie alle, warum er dort ist.
Paulus sagt nicht, wie ausführlich sie das Evangelium gehört haben, aber sie haben wahrscheinlich mit ihren Kollegen darüber gesprochen. Alle, die zum Praetorium gehören, diese ganze Einheit, wissen von diesem „komischen Gefangenen“ in seinem eigenen gemieteten Haus, den ein Soldat bewachen muss – nur einer, was eigentlich unüblich war, normalerweise waren es zwei in so einer Situation. Und sie wissen alle, warum Paulus dort ist. Das ist doch schon mal etwas. Wie hätte Paulus jemals solche Soldaten mit dem Evangelium erreichen können? Das ist der erste Punkt.
Dann gibt es noch andere Menschen, schreibt er. Wahrscheinlich Lieferanten, die Lebensmittel an die Tür gebracht haben – der Pizzaservice und all diese Leute wissen, warum Paulus dort ist. Das war der erste Punkt: Er hat noch Möglichkeiten, in seinem ganz persönlichen Umfeld das Evangelium zu verbreiten und Aufmerksamkeit für das Evangelium zu erregen.
Dann kommt der nächste Punkt, Vers 14: „Dass die meisten der Geschwister oder Brüder, indem sie im Herrn Vertrauen gewonnen haben durch meine Fesseln, vielmehr Mut haben, das Wort Gottes zu reden ohne Furcht.“ Einige predigen Christus auch aus Neid und Streit, einige aber aus gutem Willen. Diese aus Liebe, da sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums gesetzt bin; jene verkündigen den Christus aus Streitsucht, nicht mit guten Motiven, wobei sie meinen Fesseln Trübsal zu erwecken gedenken.
Das ist ein sehr interessanter Abschnitt, und wir müssen uns kurz überlegen, was das wahrscheinlich bedeutet. Paulus sagt, dass seine Gefangenschaft verschiedene Dinge in Bewegung gesetzt hat. Sie hat verschiedene Menschen, also verschiedene Geschwister, motiviert. Und es hat durchgehend so gewirkt, dass sie sich mehr für den Dienst und das Evangelium einsetzen. Paulus sagt, das sind diejenigen, die ihn einfach lieben und gerne die Lücke füllen möchten, die er momentan nicht ausfüllen kann. Sie wissen, wie ihm das unter den Nägeln brennt und wie sehr er darunter leidet, dass er nicht überall hinkann.
Das sind Menschen, die ihn lieben und sagen: Wir wollen, dass Paulus hört, dass es positiv ist, dass Leute die Lücken füllen, dass Leute versuchen, diese Dienste zu übernehmen, dass sie mit dem Evangelium unterwegs sind und Gemeinden ermutigen. Sie wollen, dass Paulus das mitbekommt, damit er nicht so sehr darunter leiden muss, dass diese Lücke da ist. Paulus sagt, das ist großartig. Sie tun das aus Liebe, um ihm etwas Gutes zu tun. Dadurch, dass er im Gefängnis ist, ist die Zahl der Mitarbeiter, die sich engagieren, größer geworden.
Die ganze Verantwortung für diese Gemeindebewegung, die sie gegründet haben, liegt plötzlich auf mehr Schultern, weil mehr Leute die Notwendigkeit sehen. Vorher dachten sie: Paulus und ein paar Leute um ihn herum machen das schon. Jetzt merken sie: Nein, Paulus kann das gerade nicht machen. Und plötzlich sind Menschen aufgestanden und haben Verantwortung übernommen, sagt Paulus. Es gibt jetzt mehr geistliche Mitarbeit und Aktivität als vorher, obwohl er eingeschränkt ist.
Dann gibt es noch eine andere Gruppe. Wir wissen nicht genau, von wem Paulus hier spricht. Ich mache mal eine Theorie. Ich glaube persönlich, dass es Geschwister und Verantwortliche vielleicht besonders in Italien waren. Warum denke ich das? Was hat es für einen Sinn, wenn Paulus sagt, manche engagieren sich plötzlich mehr aus Neid und um ihm irgendwie Schmerzen zu bereiten?
Ich stelle mir das persönlich so vor, ich mache jetzt mal ein mögliches Szenario: Du bist irgendwo als verantwortlicher Bruder in einer Gemeinde in Italien. Du hast deine Aktivitäten, hast die Gemeinde aufgebaut, persönlich oder vielleicht mit ein, zwei Mitarbeitern. Die Geschwister haben Vertrauen zu dir und kommen mit ihren Fragen zu dir. Du genießt das Vertrauen der Geschwister und eine gewisse Autorität.
Was passiert jetzt? Ein geistlicher Star wie Paulus kommt in diesen Dunstkreis. Er ist jetzt plötzlich in Rom, kann nicht herumreisen und Gemeinden besuchen, aber er darf Besuch empfangen. Wenn Geschwister tiefe Fragen haben, besuchen sie vielleicht Paulus anstatt dich. Was macht das mit dir?
Paulus sagt, er hat beobachtet, dass viele Leute, die sich in der Gemeinde engagieren, weit davon entfernt sind, neidfrei zu sein. Sie haben das Gefühl, dass ihnen jemand etwas wegnimmt – Geschwister, Einfluss auf Gemeinde, auf Geschwister. Auch wenn Paulus das gar nicht wollte, passiert es ganz automatisch.
Paulus sagt, er hat noch etwas beobachtet: Wie reagieren diese Leute? Sie sagen, sie haben keine guten Motive, sie sind neidisch. Aber was machen sie? Sie engagieren sich noch mehr als vorher. Warum? Sie wollen Leute noch mehr an sich binden. Sie wollen ihren Einfluss nicht verlieren. Um ihn nicht zu verlieren, müssen sie mehr investieren.
Paulus sagt: Solange sie keine falschen Lehren verbreiten und ihn nicht persönlich diffamieren oder angreifen, sondern sich nur mehr engagieren, um ihren Einfluss nicht zu verlieren – was kann Besseres passieren? Dann engagieren sich noch mehr Leute für eine gute Sache.
Sie haben gedacht, Paulus würde anders reagieren. Sie haben gedacht, dass er auch Rivalität kennt. Wenn Paulus sagt, sie machen das, um ihm Schmerzen zu verursachen, denken sie, Paulus habe ihm etwas weggenommen – Vertrauen von Geschwistern bei Fragen, Einfluss auf Geschwister. Und jetzt engagieren sie sich mehr, um ihm das auch wieder wegzunehmen und ihm genauso weh zu tun wie ihnen.
Paulus sagt: Es tut ihm kein bisschen weh, weil er nicht so tickt. Es ist ihm egal, ob die Leute zu ihm kommen oder zu jemand anderem. Hauptsache, es wird ihnen weitergeholfen. Es ist ihm egal, ob er derjenige ist, der eine Gemeinde voranbringt. Hauptsache, die Gemeinde kommt voran.
Wenn falsche Lehren verbreitet worden wären, hätte er ganz anders reagiert. Aber so sagt er: Es ist ihm egal, wer den Einfluss hat. Hauptsache Christus wird verkündigt.
Spürt ihr, was das mit dem Thema zu tun hat? Paulus sagt: Für ihn sind Neid und Rivalität, dass sein Name groß sein muss und sein Einfluss gerühmt wird, überhaupt nicht wichtig. Das ist nicht sein Thema. Es ist ihm egal, ob Leute mit einem Problem zu ihm kommen oder zu jemand anderem. Es ist ihm egal, ob Leute sagen, Paulus hat ihnen geholfen oder jemand anders. Ihr Philippenser – merkt ihr was? Hier sind viele, denen es um ihr Image und ihren Einfluss geht. Aber Paulus tickt anders.
Vielleicht könnt ihr, wenn Paulus euer geistlicher Vater und Gemeindegründer ist, an diesem Punkt ein Vorbild an ihm nehmen und etwas von ihm lernen.
Vers 18: „Was denn, wird auf alle Weise, sei es Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich.“ Dann kommt kurz das nächste Thema: „Ja, ich werde mich auch freuen, denn ich weiß, dass dies mir zur Rettung ausschlagen wird durch eure Gebete und durch Darreichung des Geistes Jesu Christi, nach meiner sehnlichen Erwartung und Hoffnung, dass ich in nichts werde zustanden werden, sondern mit aller Freimütigkeit, wie allerzeit, so auch jetzt Christus erhoben werden wird an meinem Leib.“
Paulus’ innere Kämpfe und seine Hoffnung auf Rettung (Kapitel 1, Vers 19-26)
Sei es durch Leben oder durch Tod. Das ist ein etwas schwieriger Satz, den ich gerne zusammenfassen möchte. Man hat den Eindruck, dass Paulus zu dieser Zeit Angst hat. Es ist verblüffend, dass jemand mit so viel Erfahrung, vor allem mit so viel Missionserfahrung, Angst empfindet.
Es scheint durch, dass er Angst hat, in dieser Situation seine Freimütigkeit auf Dauer zu verlieren. Ein Gerichtsverfahren steht bevor. Auch wenn ein Todesurteil unwahrscheinlich ist, besteht die Möglichkeit, dass er zum Tod verurteilt wird. In so einer Situation muss man eigentlich sehr vorsichtig sein, was man sagt und was nicht.
Paulus sagt jedoch, dass seine größte Angst ist, seine Freimütigkeit zu verlieren. Und er erklärt, was ihm hilft, freimütig zu bleiben: Zum einen, dass fast seine ganze Umgebung bereits weiß, dass er gläubig ist und warum er im Gefängnis sitzt. Es gibt nichts zu verbergen.
Wenn wir an einem neuen Arbeitsplatz oder in einer neuen Umgebung Angst haben, ausgegrenzt zu werden, nur weil man herausfindet, dass wir gläubig sind, dann ist das Beste, was uns passieren kann, dass sie es sowieso bald wissen. Dann ist das Thema einfach erledigt. Paulus sagt, das rettet ihn.
Außerdem sagt er, was ihn noch rettet: eure Gebete und die Unterstützung des Heiligen Geistes. Ich finde es beeindruckend, dass er, obwohl er ein erfahrener Missionar mit einem Ruf zu verlieren ist, so offen zugibt, ein Problem mit Freimütigkeit zu haben und um Gebete bittet. Das finde ich stark.
Wie gesagt, das nur ganz kurz angeschnitten, Vers 21. Er hat in Vers 20 mit „durch Leben oder durch Tod“ aufgehört und jetzt sagt er: „Das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn.“ Er meint, wenn er richtig darüber nachdenkt, ist das, was sein Leben ausmacht, Christus. Darüber werden wir noch sprechen, in Kapitel 3 sage ich jetzt nichts dazu.
Das Sterben hat für ihn im Moment nur Vorteile. Wenn es wirklich ein Todesurteil gäbe, hätte das nur Vorteile für ihn. Er könnte den ganzen Stress und die Sorgen auf dieser Erde loswerden und im Himmel bei Jesus sein, der sein Leben ist – schon jetzt auf dieser Erde bei ihm. Was könnte ihm Besseres passieren? Ein cooler Satz, leicht zu zitieren, aber nicht so leicht zu leben: „Sterben ist mein Gewinn.“
Klar, wenn es einem gesundheitlich sehr schlecht geht, zum Beispiel bei Krebs im Endstadium, kann man leicht sagen, Sterben ist ein Gewinn, wenn man gläubig ist. Das ist dann tatsächlich offensichtlich besser. Auch wenn man extreme Probleme mit Depressionen hat, könnte man sagen, Sterben ist ein Gewinn, weil dieses Leben eine Qual ist.
Wenn wir uns deshalb, weil wir so viele Schwierigkeiten haben, nach dem Himmel sehnen, ist das okay. Schade ist es nur, wenn wir uns nicht nach dem Himmel sehnen, weil uns Jesus eigentlich nicht so viel bedeutet, sondern das Leben auf dieser Erde so attraktiv ist. Das ist schade.
Was sagt Paulus dazu? Vers 22. Man merkt jetzt in den nächsten Versen, dass er hin- und hergerissen ist. Beim Lesen bekommt man den Eindruck, dass er beim Schreiben, also beim Diktieren dieses Briefes, nachdenkt. Man sagt Frauen manchmal nach, dass sie beim Reden denken, während Männer erst denken und dann sprechen. Das heißt, Männer sagen ihre Gedanken erst, wenn sie zu einem Schluss gekommen sind, Frauen dagegen beginnen oft sofort zu reden und sortieren ihre Gedanken dabei. Ob das stimmt, sei dahingestellt, aber hier hat man bei Paulus den Eindruck, dass er beim Schreiben denkt und die Schlussfolgerung erst ganz zum Schluss kommt.
Ich lese mal vor: Er schreibt in Vers 22: „Wenn aber das Leben im Fleisch mein Los ist...“ Wörtlich steht da „Frucht der Arbeit“, was sich schwer ins Deutsche übersetzen lässt. Aber im Kopf hat man den Gedanken: Wenn ich wirklich noch weiterleben muss, hätte das auch einen Vorteil. Ich könnte noch weiter für den Herrn arbeiten und noch mehr Frucht bringen.
Sterben ist ein Gewinn, aber es ist nicht nur nachteilig, weiterzuleben. Denn ich könnte noch mehr Frucht bringen, dem Herrn dienen, und das zählt in der Ewigkeit. Es gibt also auch Vorteile, weiterzuleben.
Was soll ich wählen, wenn ich die Wahl hätte? Paulus sagt, wenn er die Wahl hätte zwischen Hingerichtetwerden und weiterleben, weiß er ehrlich gesagt nicht, was er wählen würde. Er wird von beidem bedrängt: Er hat die Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, was viel besser wäre. Aber das Leben im Fleisch hat auch seine Vorteile.
Er schwankt also ein bisschen hin und her. Es wäre viel schöner, gleich in den Himmel zu gehen, aber vielleicht ist es wichtiger, noch etwas zu leben – nicht unbedingt für ihn, sondern für die anderen. Für sie ist es wichtig, dass er noch lebt.
Am Ende seiner Gedanken sagt er: „In dieser Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen bleiben werde zu eurer Förderung und Freude im Glauben, damit euer Ruhm in Christus durch meine Wiederkunft zu euch überströme.“ Jetzt ist er irgendwie durch mit dem Nachdenken. Er weiß, was schöner ist, und dass es für ihn auch Vorteile hat, weiterzuleben und Frucht zu bringen. Aber für die anderen ist es tatsächlich wichtig, dass er noch eine Weile lebt.
Also wird er sich wohl damit abfinden müssen, noch ein bisschen zu leben, weil es sehr wichtig für sie ist. Dann kann er sie noch im Glauben fördern und ihre Freude stärken, die gerade durch gesetzliche Lehren angegriffen wurde. Das sehen wir in Kapitel 3.
Es ist spannend, wie offen Paulus über sich schreibt. Wie offen er mit seinen Gedanken umgeht, auch gegenüber den Philippinern, und mit Gedanken, die vielleicht nicht zu einem Heldenimage passen.
Vor allem gibt es in diesen Versen zwei Dinge, die sehr deutlich zum Thema passen: Erstens, er hat kein Problem damit, wenn andere die Lorbeeren bekommen, solange sie mehr arbeiten als vorher und das Werk Christi vorankommt. Sein Name und sein Einfluss sind nicht so wichtig.
Zweitens, von seinem Interesse her würde er eher dazu tendieren, gleich in den Himmel zu kommen. Aber wenn es für die anderen wichtiger ist, verzichtet er auf sein eigenes Interesse und bleibt noch ein bisschen, um sie zu fördern. Und das passt gut zum Thema.
Paulus als Vorbild und die Bedeutung von Opferbereitschaft (Kapitel 2, Vers 17-18)
Und jetzt kommen wir zurück zu Kapitel zwei. Dort schreibt Paulus noch einmal etwas ganz Spannendes über sich selbst, als er über Christus gesprochen hat. Er erklärt, was es konkret bedeutet, an diesen Themen zu arbeiten. Für ihn ist es auch im Blick auf die Ewigkeit wichtig, dass er nicht das Gefühl hat, seine Mühe an euch sei vergeblich gewesen, falls ihr an einem bestimmten Punkt nicht weiterkommt.
Dann sagt er plötzlich noch zwei Sätze über sich selbst: „Aber wenn ich auch als Trankopfer über das Opfer und den Dienst eures Glaubens ausgesprengt werde, so freue ich mich und freue mich mit euch allen; ebenso freut auch ihr euch und freut euch mit mir.“
Was bedeutet das? Er sagt: Schaut mal, im Alten Testament gab es Opfer, und es war ein großes Spektakel, wenn zum Beispiel ein ganzes Rind, ein Schaf oder eine Ziege geopfert wurde. Wenn es ein Friedensopfer war, dann wurde nur ein relativ kleiner Teil wirklich für Gott verbrannt, ein kleiner Teil ging an die Priester, und der Rest wurde gemeinsam gegessen. Es war also ein Opferfest für die, die es darbrachten.
Es gab aber auch Brandopfer, die vollständig verbrannt wurden. Paulus sagt, so ein Opfer – egal in welcher Form – ist ein großes Ereignis. Meistens, eigentlich immer, wurde über das Opfer noch ein Trankopfer gegossen. Oft war das eine bestimmte Menge Wein, etwa ein Viertel – wie viel genau, wissen wir nicht genau. Dieser Wein wurde über das Opfer gegossen, als es auf dem Altar lag. Das sollte den Geruch etwas verbessern, aber der Wein verflüchtigte sich schnell.
Paulus sagt: Wisst ihr, wie meine Einstellung euch gegenüber ist und wie viel mir an meinem Image liegt? Wenn ihr das Opfer seid, wenn ihr ein Opfer bringt, wenn euer Dienst für den Herrn in der Mission, der Evangelisation, im Gemeindebau oder im Sorgen für einzelne Geschwister so beeindruckend ist wie ein Opfer im Alten Testament, dann freue ich mich mit euch.
Und wenn ich in diesem ganzen Prozess nur das Trankopfer bin, das so schnell vergessen wird, dann freue ich mich immer noch mit euch. Wisst ihr, wenn hier auf der Erde vergessen wird, dass Paulus es war, der Philippi am Anfang evangelisiert und die Gemeinde gegründet hat, wenn vergessen wird, dass Paulus so viel für diese Geschwister gebetet hat, Briefe geschrieben hat, Mitarbeiter hingeschickt und für sie geweint hat – wenn das alles vergessen wird und die Leute nur noch sehen, wie ihr das Werk des Herrn baut, und Paulus nur das Trankopfer ist, das völlig vergessen wird – dann hat Paulus kein Problem damit.
Das ist eine krasse Aussage. Er sagt: Leute, ihr könnt mir glauben, das sind keine leeren Worte, kein politisches Statement, um euch zu irgendetwas zu bewegen. So bin ich wirklich eingestellt. Das wäre ein tolles Vorbild für die Philipper in ihrer Situation und mit ihren Problemen, wenn sie Paulus zum Vorbild nehmen würden.
Aber Paulus sagt zwischen den Zeilen: Okay, ich bin Apostel, ich bin Gemeindegründer. Viele von euch denken vielleicht, Christus spielt in einer ganz anderen Liga, und Paulus spielt immer noch in einer anderen Liga als wir.
Jetzt spricht er noch von zwei anderen Leuten, zwei Mitarbeitern. Was er über sie sagt, würden wir am Ende des Briefs erwarten, weil es hauptsächlich organisatorische Dinge sind. Wir fragen uns vielleicht, was diese Informationen in Kapitel zwei zu suchen haben. Aber genau aus diesem Grund stehen sie hier: Paulus will über diese zwei Leute nicht nur organisatorische Dinge schreiben – das tut er nebenbei –, sondern auch sagen, dass es noch andere Vorbilder gibt.
Vielleicht meint er, diese beiden sind mehr in unserer Liga. Von ihnen können wir mehr lernen und sie uns als Vorbild nehmen, als von Jesus und Paulus, die irgendwie so viel geistlicher sind als wir.
Timotheus als Beispiel für selbstlose Sorge
Er sagt: Nehmen wir Timotheus, das Organisatorische am Anfang. Lesen wir Vers 19: „Ich hoffe aber in dem Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich eure Umstände kenne.“
Vers 23: „Deshalb nun hoffe ich, diesen, also Timotheus, sofort zu senden, wenn ich überschaue, wie es um mich steht. Ich vertraue im Herrn darauf, dass auch ich selbst bald kommen werde.“
Er sagt, er möchte Timotheus aus zwei Gründen zu euch senden. Grund Nummer eins: Er möchte, dass Timotheus zurückkommt, weil er gerne wissen möchte, wie es im Detail gerade bei euch läuft. Es ist ihm wirklich wichtig, das zu erfahren, denn das wird ihn ermutigen. Es ist einfach gut zu wissen, wie es guten Freunden und geistlichen Kindern geht.
Der zweite Grund ist, dass er möchte, dass ihr wisst, wie es ihm geht. Das ist auch der Grund, warum er Timotheus noch nicht mit diesem Philipperbrief geschickt hat. Warum ist Timotheus nicht der Überbringer dieses Philipperbriefs? Weil er abwarten möchte, wie die Gerichtsverhandlung ausgeht. So kann Timotheus euch nicht nur sagen, wie es ihm gerade geht – das steht ja im Brief –, sondern auch, wie das alles ausgegangen ist.
Also möchte er jemanden senden, der dann auch zurückkommt, um zu wissen, wie es euch geht, und damit ihr wisst, wie es bei ihm ausgegangen ist. Das ist das Organisatorische, das ich am Ende von Kapitel 4 nochmal schreiben würde.
Aber er nimmt jetzt diese Erwähnung von Timotheus, die er absichtlich hier vorgezogen hat, und sagt: Leute, irgendwie wäre Timotheus doch ein gutes Vorbild für euch, oder? Ich meine, das ist kein Hyperapostel, das ist nicht Gott in Menschengestalt, das ist einfach Timotheus, ein Mitarbeiter.
Schaut euch Timotheus mal an! Wir lesen Vers 22: „Ihr kennt aber seine Bewährung, dass er wie ein Kind dem Vater mit mir gedient hat an dem Evangelium.“ Euch ist doch das Evangelium wichtig, und euch ist es doch schon seit Jahren wichtig, mich zu unterstützen als euren geistlichen Vater. Hier ist jemand, der genau eure Stärken teilt. Er hat das gleiche Engagement für das Evangelium wie ihr, er hat das gleiche Interesse, mich zu unterstützen wie ihr. Das wäre doch ein gutes Vorbild.
Wie ist es jetzt bei ihm mit geistlichen Problemen, die ihr habt? Vers 20: „Denn ich habe keinen Gleichgesinnten“ – das ist übrigens ein total cooles Wort, das hier im Griechischen steht, aber das erkläre ich euch nicht – „ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird.“
Merkst du was? Da ist jemand, der ein Mitarbeiter ist wie ihr, der die gleichen Stärken hat wie ihr, die gleichen Interessen hat wie ihr, aber einen Unterschied: Er wird nicht nach seinen eigenen Interessen schauen. Die große Zahl in meinem Paar, das sagt „alle“, wahrscheinlich will er sagen, das steckt in allen drin, und bei Timotheus vielleicht am wenigsten. Alle suchen das Ihre, er wird für das Eure besorgt sein.
Das ist das, was Paulus in Kapitel 2, Vers 3 und 4 gesagt hat: Man soll nicht mehr nur auf das Eigene sehen, sondern auch auf das der Anderen. Und er sagt, Timotheus ist herausragend an diesem Punkt, dass er nicht auf seine eigenen Interessen schaut, nicht auf sein eigenes Image, sondern auf die Interessen des Herrn. Er wird eure Interessen anstellen.
Wäre das nicht ein Vorbild für euch? „Wer kommt bald vorbei?“, sagt er. Ihr könnt euch mal mit ihm unterhalten, wie er zu dieser Haltung gekommen ist, warum er diese Einstellung hat – die auch Jesus Christus hatte, die ihr an mir seht. Warum Timotheus sie hat. Quetscht ihn mal aus, lernt von ihm! Ein gutes Vorbild für euch.
Ja, und wahrscheinlich, sagt Paulus zwischen den Zeilen, gibt es immer noch einige von euch, die sagen: „Ja, Timotheus, irgendwie ist er auch ein Missionar, ein Vollzeitmitarbeiter, okay? Das ist immer noch nicht mit unserer Lebenssituation vergleichbar.“
Darum zieht Paulus hier noch jemanden vor, über den er eigentlich in Kapitel 4 schreibt. Und wir hatten das am ersten Abend – wie lange ist das schon her? Gestern Abend in der Einleitung.
Epaphroditus als Beispiel für selbstlose Hingabe
Paulus sagt über Epaphroditus: „Ihr habt Leute in eurer Mitte, die ein Vorbild sind.“ Wir lesen jetzt noch einmal Schritt für Schritt diese Verse, um zu sehen, was für ein Typ Epaphroditus war. Wir sind bei Vers 25.
Paulus schreibt: „Ich habe es aber für nötig gehalten, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitstreiter und Mitsoldaten, aber auch euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs zu euch zu senden.“
Bei Timotheus musste Paulus erklären, warum dieser noch nicht gekommen ist. Bei Epaphroditus hingegen musste er erklären, warum dieser schon kommt, also warum Epaphroditus nicht noch eine Weile in Rom bleibt, sondern jetzt diesen Brief bringt. Paulus sagt: „Ich habe es für nötig gehalten“ – und erklärt nun, warum.
Epaphroditus sehnte sich sehr nach euch allen, denn er litt unter Heimweh. Er war sehr beunruhigt, weil ihr gehört hattet, dass er krank war. Denn er war tatsächlich krank, dem Tod nahe. Doch Gott hat sich über ihn erbarmt – nicht nur über ihn allein, sondern auch über mich –, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte.
Paulus fährt fort: „Ich habe ihn nun desto eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt bin.“ Nehmt ihn im Herrn mit aller Freude auf und haltet solche in Ehren. Denn um des Werkes Willen, also um des Werkes Gottes Willen, ist er dem Tod nahegekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte.
Paulus betont, dass Epaphroditus wirklich Grund gehabt hätte, seine eigenen Interessen jetzt einmal voranzustellen. Er war wirklich krank und es war riskant, weiterzureisen. Er hätte sagen können: „Meine Gesundheit geht jetzt vor.“ Aber in seinem Herzen war etwas anderes: Er wusste, dass Leute ihn gesandt hatten, extra zu diesem Zeitpunkt. Sein Auftrag war wichtig, und die Menschen vertrauten darauf, dass er ihn erfüllte.
Außerdem hatte er den Eindruck, dass es dringend ist – dass Paulus wirklich das braucht, was er bringt: Ermutigung und materielle Unterstützung. Deshalb stellte er seine gesundheitlichen Interessen völlig hinten an, um diesen Dienst, um des Werkes Willen, zu Ende zu führen.
Paulus sagt weiter, dass das für ihn eine unglaubliche emotionale Auswirkung hatte, eine sehr positive. Aber die Folge war auch, dass Epaphroditus, als er in Rom ankam, wirklich an der Grenze des Todes war. Gott hat ihn bewahrt.
Das ist jemand, der im Extrem seine eigenen Interessen hinten anstellt – für eure Interessen, für meine Interessen, für die Interessen anderer, für das Werk des Herrn, für die Interessen des Herrn.
Paulus sagt: „Wisst ihr, ihr habt solche Leute in eurer Mitte.“ Man könnte sagen, die Entscheidung war im Nachhinein vielleicht dumm. Aber Paulus betont: Sie war von ganzem Herzen, sie war mit guter Motivation. Ob sie intelligent war oder nicht, spielt keine Rolle. Weil sie einfach von Herzen war, ist sie vorbildlich.
Und wisst ihr, was für ein Typ Epaphroditus ist? Er war noch nicht richtig auskuriert. Eigentlich hätte er noch nicht zurückreisen sollen. Aber er hatte gehört, dass ihr von seiner Krankheit gehört habt. Und er wusste auch, dass ihr nicht gehört habt, dass er wieder halbwegs gesund ist.
Er konnte es nicht aushalten, euch in dieser Ungewissheit zu lassen. Er nahm lieber das Risiko einer vielleicht etwas zu frühen Rückreise in Kauf, als dass ihr euch in Sorge um ihn quälen müsstet.
Ich weiß nicht, ob sie sich wirklich so viele Sorgen gemacht haben. Epaphroditus hätte sich jedenfalls sehr um seine Geschwister gesorgt. Für ihn war es selbstverständlich, dass sie vor Sorgen um ihn fast vergehen würden.
Darum sagt Paulus: „Ich habe ihn geschickt, damit ihr euch freuen könnt, ihn gesund wieder vor Augen zu haben, und damit ich weniger betrübt bin.“ Wenn Epaphroditus in dem Zustand nicht aushält, dass seine Geschwister zu Hause sich Sorgen machen, und so früh wie möglich zu ihnen will, um lebend vor ihnen zu stehen – dann ist das ein Epaphroditus in einem Zustand, der kaum auszuhalten ist.
Paulus sagt: „Ich habe ihn auch geschickt, damit ich weniger Stress habe.“ Solche Leute, solche Vorbilder habt ihr in eurer Mitte.
Epaphroditus hat nicht nur Jesus als Vorbild, der seine eigenen Interessen völlig hinten anstellte. Er hat nicht nur Paulus als Vorbild, der neidfrei bezeugen kann. Er hat nicht nur Timotheus als Vorbild, der mehr als alle anderen, die Paulus kennt, nicht für sein Eigennutz, sondern für eure Sachen besorgt ist, für das Werk des Herrn.
Ihr habt jemanden in eurer Gemeinde – wahrscheinlich mehr als einen –, der das wirklich lebt, bis zum Extrem, und der euch ein Vorbild sein kann.
Und dann stellt man sich die Frage, wenn man das alles gelesen hat – vom Herrn, von Paulus, von Timotheus, von Epaphroditus: Haben wir solche Vorbilder? Haben wir Vorbilder, bei denen wir wirklich sagen können: Die investieren sich in andere, denen geht es nicht um ihre eigenen Interessen, nicht um ihr Image oder ihr Ansehen in der Gemeinde, sondern denen geht es wirklich um andere und um das Werk des Herrn, wirklich?
Wenn wir solche Vorbilder haben, sind wir gesegnete Menschen. Aber wisst ihr, was die eigentliche Frage ist? Wenn du das lernen würdest, dann könntest du selbst ein solches Vorbild sein. Und was könnte das bewirken in deiner Umgebung?