Persönliche Beispiele von Sorgen um Glaubenswege
Ja, ich möchte am Anfang einfach mit zwei Beispielen beginnen. Vielleicht betreffen sie dich, oder du kannst sie auf deine eigene Situation übertragen.
Das erste Beispiel: Vielleicht bist du schon lange Christ. Vielleicht hast du als Gläubiger einen wunderbaren, gläubigen Ehepartner geheiratet. Ihr habt euch sehr gefreut, als ihr Kinder bekommen habt. Es war euer Herzensanliegen, ihnen eine gute Kindheit zu schenken und ihnen zugleich euren Glauben nahezubringen.
In ihrer Kindheit hat das auch gut funktioniert, ebenso in ihrer Jugend. Sie haben begeistert Geschichten aus der Kinderbibel gehört und sind mit Freude in die Kinderstunden und später in die Jugendstunden der Gemeinde gegangen. Doch dann sind sie größer geworden. Dein Sohn ist ausgezogen und hat irgendwo eine Ausbildung begonnen.
Du hast gemerkt, dass die Begeisterung für die Gemeinde und die Zeit mit Gläubigen spürbar nachgelassen hat. Er hat angefangen, andere Musik zu hören und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Er ist viel mit Freunden unterwegs, die mit Glauben und Jesus nichts anfangen können.
Du hast begonnen, dir Sorgen zu machen. Alles, was du investiert hast, alles, was dir für deine Familie wichtig war, scheint wie Sand zwischen deinen Fingern zu zerrinnen. Du hast schlaflose Nächte. Manchmal fragst du dich: Darf ich mir überhaupt Sorgen machen? Immerhin heißt es doch: "Sorgt euch nicht, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden. Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren" (Philipper 4,6-7).
Ist es einfach ein Mangel an Glauben? Darf ich als Gläubiger mir überhaupt solche Sorgen machen, dass ich schlaflose Nächte habe?
Vielleicht ist das gar nicht dein Beispiel. Vielleicht hast du keinen gläubigen Ehepartner, sondern eine gute Freundin, mit der du viel Zeit verbracht hast. Du hast ihr von deinem Glauben erzählt, und sie hat sich tatsächlich dafür interessiert. Sie war bereit, mit dir in der Bibel zu lesen und sich viel über das Evangelium anzuhören.
Irgendwann hat sie gesagt: "Ja, ich möchte diesen Weg mitgehen. Ich möchte mich zu Jesus bekehren und mit dir gemeinsam diesen Weg gehen." Doch nach ein paar Monaten oder ein, zwei Jahren merkst du, dass bei ihr die erste Begeisterung nachlässt. Plötzlich haben andere Dinge wieder eine höhere Priorität. Bibellesen oder Gemeindeveranstaltungen sind nicht mehr so wichtig wie zu Beginn.
Du fängst an, dir Sorgen zu machen. Das quält dich. Darfst du dir Sorgen machen?
Diese Frage steht heute im Mittelpunkt.
Paulus und die junge Gemeinde in Thessalonich
Ich möchte mit euch noch einmal einen Mann betrachten, der wahrscheinlich – nein, der sicher mehr Glauben hatte als ich und mit großer Sicherheit mehr Glauben als du. Er war geistlicher als ich und als wir alle.
Ich möchte mit euch noch einmal mit Paulus nach Thessalonich gehen. Für alle, die sich nicht mehr erinnern: Paulus, Silas und Timotheus waren als Missionsteam in den Norden von Griechenland gekommen. Gott hatte sie dorthin geführt.
Zuerst waren sie in Philippi gewesen, einer Stadt, die nicht wirklich griechisch war, da sie eigentlich eine römische Kolonie war und von ehemaligen römischen Legionären bevölkert wurde. Danach kamen sie in die Hauptstadt dieser nördlichen Provinz von Griechenland, damals Mazedonien. Die Hauptstadt war Thessaloniki.
Sie hatten dort sehr viel investiert. Zuerst waren sie drei Samstage lang in der jüdischen Synagoge gewesen und hatten von Jesus erzählt. Nach drei Wochen wurden sie dort bereits hinausgeworfen. Doch es gab einige Interessierte, die in dieser Zeit etwas gehört hatten und mehr wissen wollten.
Mit diesen Menschen trafen sie sich separat in einem anderen Haus, das ihnen zur Verfügung gestellt wurde. Die wenigen Wochen oder Monate, die sie in dieser Stadt, in Thessalonich, verbringen konnten, nutzten sie intensiv, um in diese Menschen zu investieren, die sie dort kennengelernt hatten.
Sie investierten äußerlich viel. Sie arbeiteten für ihren Lebensunterhalt, um zu essen, zu trinken und zu wohnen. Gleichzeitig verbrachten sie viel Zeit mit den Interessierten. Sie investierten viel Zeit und Energie, um ihnen die Bibel zu lehren, ihnen etwas von Jesus zu sagen und ihnen Gott näherzubringen.
Diese Doppelbelastung nahmen sie freiwillig auf sich. Doch sie investierten nicht nur äußerlich. Sehr schnell investierten sie sich auch persönlich in diese Menschen, die sie kennengelernt hatten. Manche von ihnen hatten sich zu Jesus bekehrt und waren gläubig geworden. Sie wollten mehr wissen.
Paulus und seine Begleiter adoptierten sie innerlich, obwohl sie wussten, dass das gefährlich ist. Denn wenn man keine professionelle Distanz wahrt, kann man sehr schnell verletzt werden. Doch sie wollten nicht als Menschen Gottes, die mit dem Evangelium und dem Wort Gottes unterwegs sind, eine professionelle Distanz zu den Menschen bewahren.
Sie ließen sich auf tiefe Beziehungen ein, auch innerlich. Sie nahmen das Risiko in Kauf, enttäuscht und verletzt zu werden. Sie investierten in jede Beziehung.
Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 2, dass sie für diese Menschen wie Mütter geworden sind. Mütter, die für ihre Kinder alle eigenen Interessen zurückstellen und alles für ihre Kinder tun und tun würden. So seien sie gewesen.
Auf diese Rolle hatten sie sich eingelassen – geistlich gesehen und menschlich gesehen. Gleichzeitig schreibt Paulus, dass sie auch wie Väter für diese Menschen geworden sind. Väter, die geduldig lehrten, was die ersten Schritte im Glauben sind.
Väter, die aber auch eine Perspektive hatten, wohin es gehen kann und wie sich das Leben mit dem Herrn entwickeln kann.
Herausforderungen und Trennung von der Gemeinde
Durch das Investment, das sie in diesen Wochen in Menschen investiert hatten, entstanden wirklich stabile Beziehungen. Diese hielten auch noch, als die Missionare bereits weg waren. Das war schön und eine große Ermutigung für sie.
Wie bereits angedeutet, konnten sie jedoch nicht lange bleiben. Die jüdische Gemeinde in der Stadt sorgte dafür, dass sie relativ bald vertrieben und der Stadt verwiesen wurden. Sie mussten weiterziehen, in die nächste Stadt. Sie zogen nach Süden, nach Berühr, ebenfalls eine Stadt in der Provinz Mazedonien, der Nordprovinz von Griechenland.
Es war schwierig, den Kontakt zu den jungen Gläubigen aufrechtzuerhalten. Wie gesagt, sie waren aus der Stadt ausgewiesen worden. Der Kontakt zu den jungen Gläubigen war daher nicht einfach. Sie selbst waren rausgeschmissen worden und merkten, dass dies nicht nur sie betraf. Auch für die jungen Gläubigen war das Leben als Christ von Anfang an mit starken Widerständen verbunden. Diese kamen aus ihrer persönlichen Umgebung, von Verwandten und Freunden. Diese fragten: „Willst du wirklich diesen Weg gehen? Willst du dich wirklich dafür entscheiden?“
Die jungen Gläubigen wurden unter Druck gesetzt. Auch aus der Ferne nahmen die Missionare wahr, dass dieser Druck im Laufe der Wochen und Monate eher zunahm als abnahm. Das bereitete ihnen Sorgen. Für die meisten jungen Gläubigen kam der Druck hauptsächlich aus ihrer persönlichen Umgebung. Für Paulus und Silas hingegen stammte der größte Druck anfangs von den Juden.
Der größte Druck für die jungen Gläubigen kam vor allem aus ihren Familien und ihrem Umfeld. Paulus schreibt darüber in 1. Thessalonicher 2,14: „Denn, Geschwister, ihr seid Nachahmer der Gemeinden Gottes geworden, die in Judäa sind, in Christus Jesus, weil ihr dasselbe von euren eigenen Landsleuten erlitten habt, wie jene von den Juden.“
Es waren also ihre Familien und Freunde, die ihnen Druck machten und es nicht akzeptieren konnten, dass sie nicht mehr alles mitmachten. Damals war es völlig üblich, dass jedes größere Familienfest und jede Betriebsfeier in einem Götzentempel stattfand. Die jungen Christen sagten jedoch: „Da gehen wir nicht mehr mit.“ Die Familien reagierten darauf mit: „Du kannst dich doch nicht von unseren Familienfesten ausschließen.“
Schon hier begann der Vorwurf. Es ging nicht nur darum, Jesus als einen neuen Gott in den persönlichen Götterschrank aufzunehmen – das wäre den Familien wahrscheinlich egal gewesen. Vielmehr ging es darum, so intolerant zu sein, die angestammten Götter der Familie und der Gesellschaft nicht mehr zu akzeptieren. Das war schwierig und führte zu wirklich schweren Konflikten.
Vorbereitung auf Schwierigkeiten und die Sorge um die Gemeinde
Paulus und Silas, die zum Missionsteam gehörten, hatten diese Situation vorausgesehen. In den wenigen Wochen, die sie vor Ort waren, versuchten sie, die Gläubigen auf das vorzubereiten, was kommen würde. Sie sagten nicht einfach: „Komm zu Jesus, alles wird gut, dein Leben und deine Beziehungen werden harmonisch sein.“ Stattdessen bereiteten sie sie darauf vor, dass es schwierig werden würde. Es war eine schwere Entscheidung für einen schwierigen Weg. Sie waren ehrlich.
Paulus schreibt im Rückblick in 1. Thessalonicher 3,3: „Denn ihr selbst wisst, dass wir dazu bestimmt sind, solche Schwierigkeiten zu haben.“ Auch als sie bei den Thessalonichern waren, hatten sie vorausgesagt, dass sie Drangsal erleben würden. Sie hatten den Gläubigen von Anfang an gesagt, dass sie irgendwann als Missionare aus der Stadt geworfen würden – was ja auch tatsächlich geschah.
Die Thessalonicher waren nicht naiv. Sie konnten eins und eins zusammenzählen. Sie wussten, wenn die Lehrer, die ihnen das Evangelium gebracht hatten, in der Stadt keinen Platz fanden, würde es für sie auf Dauer ebenfalls ungemütlich werden. Realistisch betrachtet war nichts anderes zu erwarten. Ein Stück weit waren sie also vorbereitet und gewappnet für das, was kommen würde.
Trotzdem war Paulus unsicher, ob diese jungen Gläubigen schon stabil genug waren, um dem Druck standzuhalten. Sie waren erst wenige Monate gläubig. Es gab keine erfahrenen Christen vor Ort, bei denen sie Rat suchen konnten. Paulus machte sich wirklich Sorgen, ob sie das durchhalten würden.
Diese persönlichen Ängste fasst Paulus zusammen in 1. Thessalonicher 3,5: „Ob nicht der Versucher euch versucht habe und unsere Arbeit vergeblich gewesen ist.“ Das war seine Angst. Immer wieder dachte er daran, wenn er an die Thessalonicher dachte: Halten sie das ohne unsere Unterstützung durch? Der Teufel wird sein Werk tun.
Paulus war sich sicher, dass dieser Widersacher Gottes sehr real war. Er wusste, dass der Teufel alles daran setzen würde, die Gläubigen wieder von diesem Weg abzubringen. So funktioniert Angst. Manchmal hat man fast den Eindruck, dass in manchen schlaflosen Nächten die Macht des Teufels realer erscheint als die Macht Gottes. Doch so funktioniert Angst: Die Proportionen werden verschoben.
Der Teufel ist real und hat reale Möglichkeiten. Aber ist das wirklich wahr? Paulus fragte sich: Bist du sicher? Bist du sicher, dass sich dieser Weg lohnt? Es ist so schwierig. Vielleicht ist es ein guter Weg für Juden, die schon immer an diesen Gott geglaubt haben, jetzt auch an diesen Messias zu glauben. Aber bist du sicher, dass es ein guter Weg für dich ist? Mit deinem Hintergrund, aus deiner Familie, wo du herkommst, in deinem Freundeskreis, in dem du bisher so friedlich gelebt hast?
Das waren ganz reale Sorgen und Ängste. Paulus fragte sich, ob die Arbeit, die sie investiert hatten, vergeblich war. Er dachte an all die Mühe, die Arbeit, das persönliche Engagement, die Emotionen, das Vater- und Muttersein, die Verantwortung, die sie übernommen hatten. Konnte es sein, dass all das umsonst war?
Diese Ängste gingen ihm durch den Kopf. Er konnte diese Gedanken nicht einfach beiseiteschieben. Wahrscheinlich wollte er das auch nicht, denn diese Menschen waren ihm wichtig geworden. Sie lagen ihm am Herzen. Dort, wo man investiert, da ist der Schatz. Und weil dort sein Schatz war, war auch sein Herz dort. Sein Herz war bei den jungen Gläubigen in Thessaloniki.
Die Sehnsucht nach Nähe und die Hindernisse
Er hatte schon sehr früh versucht, noch einmal in diese Stadt zurückzukehren und persönliche Begegnungen mit den jungen Gläubigen dort zu haben. Er suchte nach Wegen, das Risiko in Kauf zu nehmen und dort zu sein. Eigentlich war es unmöglich, denn wenn man verbannt ist und in seiner Stadt erwischt wird, ist das ein großes Risiko. Trotzdem sagt er, dass er nach Wegen gesucht hat, um zurückzukommen und Zeit mit ihnen zu verbringen.
Die innere Verbundenheit war so groß geworden, dass die Trennung einfach schmerzhaft war. In 1. Thessalonicher 2,17 heißt es: „Wir aber, Geschwister, waren für kurze Zeit von euch verwaist.“ Dieses Wort sagt viel aus. Es ist, als wären ganz nahe Verwandte plötzlich weg, die Verbindung abgerissen – man fühlt sich verwaist. So war es auch bei ihm: „Da fehlt etwas in unserem Leben, seit wir nicht mehr mit euch zusammen sein können, jeden Tag.“
Er sagt weiter, dass sie zwar verwaist waren dem Angesicht nach, aber nicht dem Herzen nach. Im Herzen warteten sie immer bei ihnen, vor ihren Augen und in ihren Gedanken. Paulus beschreibt das sehr eindrücklich. Oft fällt es mir schwer, eine Beziehung über eine Distanz aufrechtzuerhalten, wenn ich jemanden längere Zeit nicht sehe. Paulus dagegen sagt, dass die Thessalonicher für sie nicht in den Hintergrund getreten sind, nur weil sie mit anderen Situationen und Menschen konfrontiert waren. Sie waren lebendig in ihren Herzen und vor ihren Augen.
Er wollte unbedingt, dass die jungen Gläubigen diese Empfindungen nachempfinden konnten. Sie sollten wissen, dass die Missionare sie nicht vergessen hatten und was sie für diese Missionare bedeuteten. In diesen Abschnitten schreibt Paulus sehr ehrlich und plastisch, weil er möchte, dass sie auch emotional verstehen, welche Gefühle dahinterstehen.
In der zweiten Hälfte von 1. Thessalonicher 2,17 schreibt er: „Wir haben uns sehr bemüht, euer Angesicht zu sehen, mit großem Verlangen.“ Er schreibt oft in diesem Brief in der Mehrzahl, da es ein Brief des ganzen Missionsteams ist – Paulus, Silas und Timotheus – offiziell ist Paulus der Absender. Doch immer wieder wird deutlich, dass Paulus die treibende Kraft hinter dem Brief ist und dass er auch die eigentliche Triebfeder hinter all den Versuchen war, Thessalonich noch einmal zu erreichen und eine persönliche Begegnung herbeizuführen.
In Vers 18 von 1. Thessalonicher 2 schreibt er: „Deshalb haben wir mehrmals versucht, zu euch zu kommen, ich Paulus nämlich.“ Er betont, dass das Missionsteam insgesamt versucht hat, zu ihnen zu kommen, aber er selbst die treibende Kraft war, die einen Weg finden wollte, sie zu besuchen. All diese Versuche in den letzten Wochen waren jedoch gescheitert.
Das ist bezeichnend: Paulus war so überzeugt, dass diese Besuche gut und wichtig waren, dass er ganz sicher war, dass nur jemand anderes dahinterstecken konnte, der das verhindert. Am Ende von Vers 18 schreibt er: „Aber der Satan hat uns gehindert.“
Paulus hatte persönlich erlebt, wie Gott manchmal Dinge verhindert hatte. Ursprünglich wollte er nach Asien, nach Ephesus, doch der Heilige Geist hinderte sie daran. Dann wollten sie in die großen Städte am Schwarzen Meer, doch auch das wurde vom Heiligen Geist verhindert, um sie schließlich nach Mazedonien zu führen.
Nun wurde wieder eine Reise verhindert, doch diesmal war Paulus sicher: Es ist nicht der Heilige Geist, sondern der Satan, der sie hindert. Für ihn war das völlig unzweifelhaft.
Das Wort „hindern“, das hier verwendet wird, stammt ursprünglich aus einem militärischen Kontext. Es beschreibt, wie eine Armee den Vormarsch einer anderen Armee blockiert, indem sie wichtige Straßen versperrt. Dieses Wort wurde in der römischen und griechischen Literatur so gebraucht.
Für Paulus war der Satan ein militärischer Gegner, mit dem er in einem quasi militärischen Konflikt stand – um Menschen. Deshalb sagt er: „Satan hat uns gehindert.“
Weitere Vertreibung und die Entscheidung für Timotheus
Und die Geschichte ging weiter. Als Nächstes wurde Paulus auch aus Beröa rausgeschmissen – diesmal nur er persönlich, Silas nicht. Sie beschlossen, dass es am besten wäre, wenn Paulus persönlich die ganze Provinz verlässt, also Mazedonien, die Nordprovinz Griechenlands, und nach Süden geht.
Die südliche Provinz hieß Achaia, und die meisten von euch kennen Städte in dieser südlichen Provinz: Athen und Korinth liegen alle in Achaia. Man entschied, dass es gut sei, wenn Paulus den Weg nach Süden antritt. Doch die Ungewissheit war nach wie vor unerträglich. Nun, wo er noch weiter weg sollte, wie sollte er damit umgehen, dass er nicht wusste, wie es in Thessalonich weitergeht?
Paulus schreibt es gleich zweimal in den ersten Versen des 1. Thessalonicherbriefs, Kapitel 3, dass er es nicht mehr aushalten konnte. Emotional war diese Ungewissheit für ihn nicht mehr tragbar. In 1. Thessalonicher 3, Vers 1 heißt es: „Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten…“ Und in Vers 5 wiederholt er das, diesmal nicht mit „wir“, sondern mit „ich“: „…da ich es nicht länger aushalten konnte.“
Paulus war jetzt gezwungen, weiter nach Süden zu ziehen. Das Team fasste in diesem Augenblick einen doppelten Entschluss. Sie trafen eine Entscheidung, die zwei Konsequenzen hatte.
Paulus war auf dem Weg nach Athen, der damaligen Bildungshauptstadt Griechenlands und wahrscheinlich der Bildungshauptstadt fast des ganzen römischen Reiches. Das war furchteinflößend und ließ ihn nicht kalt. Trotzdem entschloss er sich, allein zu gehen – auf die Begleitung von Silas und Timotheus zu verzichten und diesem beängstigenden neuen Ziel alleine entgegenzugehen.
Silas konnte noch in Beröa bleiben; nur Paulus persönlich war rausgeflogen. Timotheus war persönlich nirgends rausgeflogen, er war immer nur der Begleiter gewesen. Er war frei. So entschied man, dass Paulus zunächst allein nach Athen geht.
Ich lese 1. Thessalonicher 3 noch einmal vor: Vers 1: „Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten, hielten wir es für gut, dass sich in Athen allein gelassen würde, und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des Christus, um euch zu befestigen und zu trösten hinsichtlich eures Glaubens, damit niemand wankend werde in diesen Trangsalen, unter diesem Druck.“
Das war die zweite Konsequenz. Die erste Konsequenz war, dass Paulus allein nach Athen ging, obwohl ihm das Angst machte. Die zweite Konsequenz war, dass sie einem jungen Mann extrem viel selbständige Verantwortung zutrauten.
Timotheus war ursprünglich nur als Helfer gedacht. Paulus und Silas waren die Missionare, und sie suchten jemanden, der hilft – zum Beispiel für das Mittagessen sorgt, einkauft und einen größeren Teil des Gepäcks trägt, weil er noch jünger war. Er war einfach als Helfer der Missionare dabei, das war die ursprüngliche Idee.
Wie gesagt, es waren immer Paulus und Silas, die im Vordergrund standen, die gepredigt haben. In Philippi wurden sie aus der Stadt verwiesen, in Thessalonich ebenso, und in Beröa traf es dann nur noch Paulus. Timotheus war nie wirklich auf dem Schirm, er war der Helfer.
Jetzt aber entschied das Team, dass Timotheus derjenige sein sollte, der zurück nach Thessalonich geht, um zu erfahren, wie es den jungen Geschwistern geht. Gleichzeitig hatte er die Verantwortung, diese jungen Geschwister im Glauben zu festigen. Das haben wir gerade gelesen.
Sie vertrauten diesem jungen Mann diese Verantwortung an. Ich glaube, dass beide Entscheidungen – Timotheus schon zu diesem Zeitpunkt so viel Verantwortung zu geben und Paulus allein nach Athen gehen zu lassen – ihm schwergefallen sind. Doch Paulus sagt, sie hätten es einfach nicht mehr ausgehalten und mussten diese schmerzhaften Entscheidungen treffen.
Ermutigende Nachrichten und Dankbarkeit
Timotheus reist nach Thessalonich und verbringt dort eine Zeit, deren genaue Dauer wir nicht kennen. Danach kehrt er zurück, denn Paulus wartet dringend auf Nachrichten. Timotheus wird nicht lange geblieben sein, da Paulus kaum noch Geduld hatte. Zusammen mit Silas kommt Timotheus zu Paulus in den Süden.
Paulus war inzwischen von Athen nach Korinth weitergereist, was ebenfalls eine beängstigende Situation war. Lukas schreibt in der Apostelgeschichte 18,5: „Als aber sowohl Silas als auch Timotheus aus Mazedonien herabkamen...“ Das ist der Zeitpunkt, an dem Paulus die Nachrichten aus Thessalonich erhält. Es ist auch der Moment, in dem die drei sich zusammensetzen, um den ersten Thessalonicherbrief zu schreiben. Dieser Brief ist der erste, der von den Missionaren nach Thessalonich zurückgeschickt wurde.
Die Nachrichten, die Timotheus mitbrachte, waren äußerst ermutigend. Für Paulus war es eine gute Botschaft. Er schreibt, dass das, was Timotheus berichtete, für ihn ein Evangelium, eine frohe Botschaft, war. Ich lese aus 1. Thessalonicher 3,6: „Jetzt aber, da Timotheus von euch zu uns gekommen ist und uns das Evangelium von eurem Glauben und eurer Liebe verkündet hat, und dass ihr uns allezeit in guter Erinnerung habt, indem ihr euch sehr danach verzehrt, uns zu sehen, wie auch wir uns danach verzehren, euch zu sehen.“
Der Glaube der Thessalonicher war nach wie vor fest. Sie liebten den Herrn und auch die Geschwister. Obwohl die Missionare nicht mehr bei ihnen waren, waren sie ihnen immer präsent. Beide Seiten sehnten sich nach einem Wiedersehen.
Für Paulus müssen damit viele Sorgen von seinem Herzen gefallen sein. Eine Zeit innerer Qual war zu Ende. Nun mussten sie diesen Brief schreiben. Sie wollten den Geschwistern in Thessalonich sagen, was diese für sie bedeuteten und wie sehr sie sich über die guten Nachrichten freuten. Sie mussten ihnen unbedingt mitteilen, wie sehr sie sich nach ihnen sehnten.
Beim Schreiben des ersten Thessalonicherbriefs ist diese Erleichterung an manchen Stellen fast greifbar. Die Nachricht von Timotheus machte einen großen Unterschied. In 1. Thessalonicher 3,7 heißt es: „Deswegen sind wir in all unserer Drangsal und Not euretwegen getröstet worden durch euren Glauben.“
Die Drangsal und Not, die Paulus und seine Begleiter erlebten, waren nicht nur äußerlich durch Verfolgung bedingt, sondern auch innerlich. Diese innere Not war wegen der Thessalonicher. Doch durch ihren Glauben wurden sie getröstet.
Paulus beschreibt in 1. Thessalonicher 3,8 einen der emotionalsten Sätze des ganzen Briefes: „Denn jetzt leben wir, wenn ihr feststeht im Herrn.“ Die letzten Wochen konnte er kaum noch von Leben sprechen. Es war, als hätte er eine schwere Grippe mit ständigem Fieber gehabt, Schlaflosigkeit und inneren Druck. Nun aber fühlte er sich, als hätte er endlich wieder normales Leben.
Dieser Satz zeigt, wie sehr Paulus die Unsicherheit belastete. Er hatte den Brief bereits mit Dankbarkeit begonnen. In 1. Thessalonicher 1,2 schreibt er: „Wir danken Gott allezeit für euch alle, indem wir euch erwähnen in unseren Gebeten unablässig.“
Diese Dankbarkeit verstärkt er in 1. Thessalonicher 3,9: „Welchen Dank können wir Gott für euch zurückgeben wegen all der Freude, mit der wir uns euretwegen freuen vor unserem Gott.“
Paulus betont die Freude, die in seinem Herzen ist. Wieder ist Licht und Freude in seinem Leben. Er fragt, welchen Dank sie Gott dafür zurückgeben könnten. Man spürt, wie überwältigt er von Gottes Handeln ist. Plötzlich steht Gottes Wirken viel mehr im Mittelpunkt als das, was der Teufel tun kann.
Natürlich war in Thessalonich noch nicht alles perfekt. Demotius hatte ebenfalls Nachrichten mitgebracht, die zeigten, dass noch Lücken vorhanden waren. Das ist nicht verwunderlich, denn die Missionare hatten nur wenige Wochen oder Monate mit den jungen Geschwistern zusammengelebt. Wo sollten sie auch alles lernen?
Das Bedürfnis, noch einmal persönlich zurückzukehren, um ihnen etwas beizubringen, war weiterhin groß. Doch der große Druck und die Verzweiflung der Unsicherheit waren verschwunden.
Dennoch schreibt Paulus in 1. Thessalonicher 3,10: „In dem wir Nacht und Tag überaus flehen, dass wir angesichts sehen und vollenden könnten, was an eurem Glauben mangelt.“
Es gab noch Lücken, Dinge, die sie nicht verstanden hatten. Es ging nicht darum, dass ihr Vertrauen in Gott mangelhaft war, sondern um das Verständnis von Glaubensinhalten. Paulus wünschte sich, sie im Glauben weiter zu unterweisen und sie reifer werden zu sehen. Das Wort „vollenden“ bedeutet hier, sie im Glauben zu trainieren und zu stärken.
Er betont, dass sie Tag und Nacht beten, um zu ihnen kommen zu können. Trotzdem überragt in diesem Moment die Freude alles.
Heiligkeit als zentrales Thema und Abschlussgedanken
Und er schreibt diese sehr bewegenden Sätze in diesem Brief am Ende von Kapitel zwei. Wisst ihr, ich weiß nicht, was ihr euch vorstellt, wenn ihr mal im Himmel ankommt und Jesus zu euch sagt: „Meine Güte, ich bin mit deinem Leben zufrieden. Du hast echt ein Lebengefühl, du hast mir an vielen Stellen gedient. Was für eine Belohnung würdest du dir denn wünschen?“
Ich meine, Paulus hatte eine eindeutige Antwort. Ja, er wünschte sich, dass sein Herr zu ihm sagt: „Gut gemacht.“ Das war für ihn, glaube ich, eine große Belohnung, schon in sich. Er wünschte sich, dass es öffentlich irgendwie wird, dass Gott sich zu ihm stellt. Ich meine, er ist so oft abgelehnt worden auf dieser Erde – von Ungläubigen, aber auch von gläubigen Gemeinden.
Er wünschte sich schon, dass es öffentlich wird, dass Gott sagt: „Das ist mein Knecht, der hat meinen Willen getan, der hat das gut gemacht.“ Er vergleicht es mit einem Siegeskranz. Aber ich glaube, was er sich am meisten gewünscht hat, was seine größte Belohnung war, nach der er sich gesehnt hat, war, im Himmel Menschen zu treffen, die entweder durch ihn gläubig geworden sind oder die irgendwie auf ihn zukommen und sagen: „Du hast an einer Stelle einen ganz wesentlichen Punkt reingebracht in mein Leben. Du hast mein Leben beeinflusst in einer wirklich guten Richtung.“
Das war seine Sehnsucht. Nur das drückt er aus in 1. Thessalonicher 2,19: „Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Ruhmeskranz, nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?“ Daran hat er gedacht, wenn er an den Himmel dachte.
Was ist unsere Freude, wenn wir im Himmel ankommen? Was ist unser Ruhmeskranz, unser Siegeskranz? Das seid auch ihr. Ihr seid die, auf die wir uns freuen, euch zu begegnen, zu sehen, dass wir etwas tun konnten in eurem Leben. Daran dachte er, wenn er an die Wiederkunft Jesu dachte, bei seiner Ankunft, steht hier.
Aber im nächsten Satz, in Vers 20, schaut er nicht mehr in die Zukunft, sondern wiederholt manches davon und sagt: Eigentlich ist es jetzt schon so. Vers 20: „Denn ihr seid jetzt schon unsere Herrlichkeit und Freude.“ Ihr macht so viel von unserem Leben aus. Wenn wir Sorgen haben, macht es so viel von unserem Leben aus. Aber jetzt, wo diese Sorgen abgefallen sind, wo wir uns freuen über euch, es macht so viel von unserem Leben aus. Ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude.
In mehr als der Hälfte des ersten Thessalonicherbriefs, nämlich Kapitel 1 bis Kapitel 3 – ich meine, es hat nur fünf Kapitel – geht es um die Beziehung zwischen Paulus und den Thessalonichern. Beziehungen sind wichtig im Wort Gottes.
Das Interessante ist, dass der zweite Abschnitt von 1. Thessalonicher fast genauso aufgebaut ist wie der erste Abschnitt. Der zweite Abschnitt oder damit auch das Ende des Briefes hört im Prinzip mit dem Satz auf in 1. Thessalonicher 5,23: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig. Merkt euch das Wort ‚heilig‘! Und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“
Die ersten drei Kapitel hören mit den Sätzen auf: „Euch aber, Kapitel 3, Vers 12, mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe zueinander und zu allen, gleich auch wir euch gegenüber sind, damit ihr untadelig – das ist noch im Ohr – tadellos steht am Ende des Briefes.“ Am Ende des Briefes stand: „Gott heilige euch völlig vor unserem Gott und Vater bei der Ankunft unseres Herrn Jesus.“
Und vielleicht ist das das eigentliche Thema des Briefs. Paulus hatte noch einiges auf dem Herzen, einiges, wo er dachte: „Meine Güte, da müssen sie noch was lernen, da sind noch Lücken, da fehlt noch was zum Erwachsenwerden.“ Und wahrscheinlich sind Kapitel vier und fünf die Themen, die ihn am meisten unter den Nägeln brannten.
Er konnte nicht auf irgendeine Gelegenheit warten, es ihnen persönlich zu sagen, sondern hat es in diesen Brief reingepackt. Aber das Schlüsselwort hier am Ende von Kapitel drei und am Ende von Kapitel fünf ist Heiligkeit. Und das ist nicht verwunderlich, oder?
Ich meine, sie kamen aus einer Umgebung, die moralisch so völlig anders geprägt war als bei Menschen, die zum Beispiel aus einer jüdischen Umgebung kamen. Für sie war Sexualmoral, wie Gott sie sich vorstellt, etwas vollkommen Fremdes. Es war für ihre Familien etwas Fremdes. Mit diesen Werten sind sie nicht aufgewachsen. Es war für ihren Freundeskreis etwas Fremdes.
Und Paulus wird es zu einem wesentlichen Thema des nächsten Abschnitts machen. Aber das ist frühestens das Thema der nächsten Predigt.
Sorgen als Ausdruck von Beziehung und Glauben
Noch kurz zurück zur Ausgangsfrage: Dürfen wir uns Sorgen machen? Wie ist es mit Stellen wie Philipper 4,6: „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden, und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Sinne bewahren in Christus Jesus.“ Was bedeutet das?
Paulus schreibt, wir sollen uns keine Sorgen machen. Doch in seinen Briefen lesen wir oft, dass ihn Sorgen umgetrieben haben, dass sie ihm den Schlaf raubten und sein Leben sich nicht mehr wie Leben anfühlte – so sehr hat er sich gesorgt.
Was sagt Jesus über Sorgen? In der Bergpredigt sagt er, dass wir uns nicht sorgen sollen um das, was wir essen, trinken oder anziehen. Er nennt das die Sorgen der Welt. Als Gläubige sollen wir uns nicht um die Umstände oder um unser Leben sorgen, wie es weitergeht.
Selbst Jesus spricht das Thema an: Selbst wenn es um Verfolgung geht, sagt er, wir sollen uns nicht sorgen. Die Worte, die wir brauchen, werden uns gegeben. Und was können sie uns schon antun? Sie können uns höchstens töten – und dann sind wir im Himmel. Für Christen ist das vielleicht nicht das Schlimmste, was passieren kann. Jesus sagt das nicht, weil es ihm egal wäre, sondern um uns zu ermutigen.
Wahrscheinlich sind es solche Dinge, um die es auch in Philipper 4 geht, wenn Paulus sagt: Sorgt euch nicht um die Umstände, sorgt euch nicht um eure persönliche Zukunft. Aber offensichtlich dürfen und müssen wir uns Sorgen um Menschen machen. Paulus hat es getan.
Wir sollen uns aber nicht so sorgen, dass wir denken, wir müssten alle Probleme lösen können. Das können wir nicht immer. Wenn wir uns um Menschen sorgen, sollen wir unsere Sorgen im Gebet vor Gott bringen. Manchmal gibt er uns dann einen Frieden, der allen Verstand übersteigt. Aber wie bei Paulus sehen wir auch, dass manchmal die Ängste zumindest für eine gewisse Zeit bleiben.
Wir müssen deshalb kein schlechtes Gewissen haben. Gott möchte uns Menschen aufs Herz legen. Er möchte, dass wir uns auf Beziehungen einlassen, dass wir Menschen an uns heranlassen und in uns hineinschauen lassen. So gehen wir das Risiko ein, verletzt zu werden.
Es ist gut, wenn wir merken, dass wir uns Sorgen machen um Menschen, die uns am Herzen liegen, die uns der Herr ins Herz gelegt hat. Wir haben ein großes Vorbild im Neuen Testament.
Ja, solche Ängste tun weh. Aber unser Herr hat genauso Ängste um Menschen. Es tut ihm weh, und wir können mit ihm seinen Schmerz teilen.
Das Neue Testament lädt uns an dieser Stelle ein, uns auf diese Sorgen und Schmerzen um Menschen einzulassen. An dieser Stelle können wir etwas teilen mit diesem großen Apostel und vor allem mit unserem Herrn.