Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen!
Wir haben in dieser Passionszeit über die Gegenstände der Passion gesprochen. Heute schließen wir die Reihe damit ab, dass wir über den Rock des Herrn Jesus reden.
In Johannes 19 heißt es: "Da sprachen die Kriegsknechte, als sie Jesum gekreuzigt hatten, seine Kleider zu nehmen. Sie machten vier Teile, einem jeglichen Kriegsknecht einen Teil, dazu auch den Rock. Von diesem wollen wir sprechen. Der Rock aber war ungenäht, von oben an gewirkt, durch und durch. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wes er sein soll, auf dass erfüllt werde die Schrift, die da sagt: Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und über meinen Rock haben sie das Los geworfen."
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit, denn dein Wort ist die Wahrheit! Amen!
Begegnung mit Zweifeln und die Bedeutung des Kreuzestodes
Als ich gestern bei der Vorbereitung meiner Predigt war, stellte ich das Mikrofon ein wenig leiser, denn es war zu laut und pauste sehr stark aus.
Meine zahlreiche Familie war so zusammengeschrumpft, dass ich ganz alleine war. Als ich die Haustür öffnete, stand dort einer meiner Freunde, der regelmäßig hier im Gottesdienst ist. Ich merkte ihm gleich an, dass er vor Empörung förmlich zitterte.
„Ich habe dir etwas mitgebracht“, sagte er. „Das habe ich eben da vorne im Laden gekauft.“ Damit legte er mir eine illustrierte Zeitschrift auf den Tisch. In dieser Zeitschrift war viel die Rede vom Turiner Grabtuch Jesu, von allerlei dummen Behauptungen und von Päpsten, was weiß ich.
Der Witz war, dass auf achtundvierzig Seiten – ich habe nachgesehen – nachgewiesen wurde, dass der Herr Jesus gar nicht tot war, als er vom Kreuz genommen wurde.
Ach, mein lieber Heiland, musste ich denken, bis jetzt haben die Leute immer bloß deine Auferstehung angezweifelt, jetzt bestreiten sie sogar dein Sterben für uns.
Dann musste ich doch ein bisschen lachen, ich will ehrlich sein. Ihren Narren habe ich gedacht: Es ist doch keine Frage, dass Jesus am Kreuz starb und rief: „Es ist vollbracht.“
Aber darum geht es ja gar nicht, ob Jesus am Kreuz gestorben ist. Sondern darum, ob dieser Kreuzestod Jesu unser Leben verändert, uns das verspricht die Bibel, und ob dieser Kreuzestod Jesu für uns heilbringend ist.
Da fällt mir immer mein Gendarm in Bayern ein. Meine alten Freunde mögen mir verzeihen, wenn sie die Geschichte schon öfter gehört haben.
Also, der Gendarm in Bayern bekam während der Hitlerzeit den Auftrag, ein Buchenwald-Lager, das wir im Fichtelgebirge in Totenstille aufgezogen hatten, aufzulösen.
Es kam allerdings nie zur Auflösung dieses Lagers, weil der Geist Gottes diesen bayerischen Gendarmen gerührt hatte.
Mir ist unvergesslich, wie er mir nur ganz flüchtig diesen Bescheid gab, dass das Lager aufgelöst sei, aber dann sagte: „Ich muss mit Ihnen sprechen, Herr Pfach.“
Und dann kam heraus: „Sehen Sie, ich bin Katholik. Aber ich habe neulich an einer evangelischen Beerdigung teilgenommen. Da haben Sie ein Lied gesungen, ein Lied, in dem nach jedem Vers stand: ‚Herr, lass deine Todespeine an mir nicht verloren sein!‘
Das lässt mich nicht mehr los! Was soll ich tun? Herr, lass deine Todespeine an mir nicht verloren sein!“
Darum geht es nicht, ob die Todespeine da waren, sondern ob sie nicht vielleicht an mir verloren sein könnten. Darum geht es!
Und das ist die rechte Kraft des Glaubens, bitte: „Herr, lass deine Todespeine an mir nicht verloren sein!“
Die Haltung der Kriegsknechte und die Sehnsucht nach dem Rock Jesu
Wer möchte denn so stumpf sein wie die Christknechte hier in unserem Text? Sie sitzen am Kreuz Jesu, verstehen überhaupt nicht, was für Großes dort geschieht, und streiten sich nur um ein paar Kleidungsstücke, um ein paar getragene Kleider. Stumpfsinniger geht es kaum.
Dann muss ich Ihnen etwas Merkwürdiges sagen: Stumpfsinn kann es eigentlich nicht geben. Doch Stumpfsinn ist eine weitverbreitete Krankheit, nicht wahr? Die Deutschen haben sogar ein Lied, das besagt, es sei ihr Vergnügen. Ich glaube diesem Wort, wenn ich es am Tag sehe. Aber, liebe Freunde, gerade von diesen stumpfsinnigen Christknechten – so paradox das klingen mag – möchte ich lernen, was es heißt: „Herr, lass deine Todespeine an mir nicht verloren sein.“
Ich möchte von diesen stumpfsinnigen Christknechten lernen, was es heißt, Karfreitag richtig zu begehen. Dabei geht es den Christknechten und mir um den Rock Jesu. Den wollen wir ja betrachten.
Wir schreiben als Überschrift über die Predigt und den Text: Es geht um den Rock des Herrn Jesus.
Der Wunsch nach dem Rock Jesu
Es geht um den Rock des Herrn Jesus. Und ich habe drei Dinge dazu zu sagen, wie üblich – das hat sich nicht verändert.
Erstens: Den Rock möchte ich auch haben. Gehen Sie mit mir nach Golgatha. Dort sitzen diese Männer unter dem blutigen Kreuz. Sie kümmern sich um nichts anderes, sondern verteilen die Hinterlassenschaft des Herrn Jesus. Es war damals üblich, dass solche Dinge den Kriegsnächten zufielen. Einige Kleinigkeiten haben sie schon verteilt: die Sandalen, die sie sich wohl auch zusammengelassen haben – nehme ich an, nicht viel Unterwäsche. Und nun kommt der Rock.
Bei diesem Rock Jesu handelt es sich nicht, wie man leicht denken könnte, um ein Meisterwerk der deutschen Schneiderzunft mit Ärmeln, Revers, Knöpfen und Taschen – all das, was bei uns zu einem Rock dazugehört. Es ist vielmehr ein Rock im Morgenland. Dieser Rock Jesu war einfach ein großes, sehr schönes Tuch, das malerisch um den Leib geschlungen war, so den Sippel über die Schulter.
Und nun sagen sie: „Oh, der ist schön, diesen Rock wollen wir nicht zerteilen, lasst uns darum losen.“ Und nun klappern die Würfel. Sie kümmern sich um nichts anderes, jeder ist nur begierig: „Ich will den Rock kriegen.“ Doch denken Sie: Lasst den Pilatusmann, diesen römischen Statthalter, unseren hohen Vorgesetzten, sich politische Gedanken machen, was mit diesem Jesus nun los ist, ob er wirklich ein König Israels ist. Lass ihn – geht uns nichts an.
Und lasst die hohen Priester und Ältesten ruhig theologisieren, was Gottes Sohnschaft bedeutet, die dieser Delinquent da oben von sich behauptet hat. Uns interessiert das nicht. Und lasst das blöde Volk seine Abneigung gegen diesen Jesus äußern und stundenlang „Puidig, Lassi“ rufen. Uns geht das nichts an, interessiert uns nicht. Den Rock wollen wir gern haben.
Und dann muss ich sagen: Das ist genau die Stellung und Haltung aller Heilsverlangen in den Herzen unter Jesu Kreuz. Sie sagen: Lasst Theologen theologische Probleme erörtern, lasst die Politiker sich überlegen, wie sie Christen politisch einsetzen können, mehr oder weniger erfolgreich. Wir wollen den Rock, den Rock, den der Herr Jesus hinterlässt.
Ich freue mich zu denken, dass heute Morgen viele mit verlangenden Herzen unter dem Jesuskreuz stehen und sagen: Herr Jesus, deinen Rock wollen wir erben, den du hinterlässt.
Nun, ich nehme an, dass die Besucher meines Gottesdienstes kluge Leute sind. Und da haben Sie natürlich längst gemerkt, dass ich jetzt nicht von dem Rock aus Wolle rede, wenn ich sage: Ich möchte heute gern den Rock Jesu haben.
Sehen Sie, die Bibel treibt ein seltsames und geheimnisvolles Spiel mit den Worten Gewand, Rock und Kleid. Ich will Ihnen das mal ein wenig zeigen.
Da steht zum Beispiel im Propheten Jesaja ein Gebet. Das Gebet heißt so: "Herr, nun sind wir alle vor dir wie die Unreinen, und unsere Gerechtigkeit vor dir ist wie ein unflätiges Kleid." Da ist beides drin, sowohl ein zerrissenes Kleid als auch ein beschmutztes Kleid. Da ist vom Rock die Rede.
Oder der Herr Jesus hat im Neuen Testament einmal eine Geschichte erzählt, ein Gleichnis. Da sagte er: Das Himmelreich ist gleich einem königlichen Gastmahl. Doch der König lädt viele ein, und jeder, der kommt, bekommt auch noch das Festgewand geschenkt. Da haben Sie das Kleid wieder.
Und als der Saal gefüllt ist, da geht der König durch den Saal. Und da sitzt einer, der sagt: „Ich brauche des Königs Festgewand nicht, mein Anzug ist gut genug!“ Er sitzt dort trotzig und frech in seinem eigenen Gewand. Und plötzlich wird es still, als der König auf ihn zugeht. So erzählt Jesus und sagt: „Freund, wie bist du hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Kleid an?“ Er wirft ihn hinaus in die äußerste Finsternis, wo sein wird Heulen und Zähneklappern, sagt Jesus.
Auch hier spielt das Gewand wieder eine Rolle.
Oder ich denke an nur drei Stellen, an denen die Offenbarung spricht. Dort redet der erhöhte Herr zu einer Gemeinde in Laodizea: „Du meinst, du wärst reich und groß und weißt nicht, dass du elend, jämmerlich, blind und bloß bist. Ich rate dir, dass du weiße Kleider von mir kaufst.“ Wieder Kleider. „Weiße Kleider von mir kaufst, damit die Schande deiner Blöße nicht offenbar wird.“
Und jetzt geht alles darum, ob Sie diese biblische Bildersprache von den Kleidern verstehen. Wenn Sie sie nicht verstehen, kann ich Ihnen nicht helfen. Dann kann ich heute Morgen nicht helfen.
Es werden Leute hier sein, die so fern vom Reich Gottes sind, dass sie es gar nicht mehr verstehen und sagen: „Der Pastor soll doch unsere Sprache reden.“ Ich habe nur den Auftrag, die göttliche Botschaft zu sagen – und nicht die Dinge der Welt hier zu verhackstücken.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Sprache verstehen, was mit den Kleidern hier gemeint ist. Und wenn Sie es verstehen, dann kommen Sie auch mit unter Jesu Kreuz und sagen: Herr Jesus, der da oben nackt und bloß hängt, du hinterlässt allen, die zu dir kommen und an dich glauben, den Rock deiner Gerechtigkeit vor Gott. Du hinterlässt allen, die zu dir kommen und an dich glauben, das hochzeitliche Kleid – und das möchte ich gern haben, Herr Jesus.
Darum geht es an diesem Karfreitag: Herr Jesus, wie die Christknechte unter allen Umständen nur diesen Rock voll aus seinem Erbe haben wollten, so möchte ich von dir erben das Kleid der Gerechtigkeit vor Gott, das du aus Gnaden hinterlässt und denen schenkst, die zu dir kommen.
Herr Jesus, ich möchte den Rock deiner Gerechtigkeit haben, mit dem ich vor dem schrecklichen Gott bestehen kann. Haben Sie, Herr Jesus, nur diesen Rock – nur mit ihm kann ich vor Gott bestehen. Ich will ihn haben. Ich möchte den Rock der Gerechtigkeit haben, mit dem ich vor den Engeln bestehe, mit dem ich getrost durch dieses armselige Leben gehen kann, mit dem ich unangefochten durch die Tür des Todes und durch das schreckliche Gericht des jüngsten Tages gehe, Herr Jesus!
„Christi Blut und Gerechtigkeit, das sei mein Schmuck und Ehrenkleid.“ Ich möchte den Rock Jesu und damit gleiche ich den Christnächten. Und ich weiß, dass viele von Ihnen genauso denken.
Das ist das Erste, was ich sagen wollte: Es geht mir um den Rock Jesu, ich möchte den Rock haben – und alle Heilsverlangen in den Herzen auch.
Der ungeteilte Rock als Symbol der Gerechtigkeit
Und nun zum Zweiten: Der Rock Jesu wird nicht geteilt. Das ist das Zweite, was ich Ihnen sagen möchte.
Gehen wir doch einmal nach Golgatha. Dort sitzen diese armen Landsknechte und würfeln gierig. Jeder will den Rock haben. Weil ich ein bisschen Fantasie habe, kann ich mir vorstellen, wie ein reicher Ratsherr, tipptopp in Schale, da vorübergeht. Er sieht, wie die Kerle auf den Rock Jesu aus sind, und lächelt heimlich. Er denkt: „Na, das habe ich nicht nötig. Ich kann mir mein Gewand Gott sei Dank immer noch selbst verschaffen.“
Und, meine Freunde, genau das ist die geistliche Situation, wie sie immer ist. Unter Jesu Kreuz sind jetzt – ich rede mit Sprachen – die verlorenen und verdammten Sünder versammelt. Die unruhigen Gewissen, die Menschen, die ganz selig werden wollen und nicht wissen, wie sie es machen sollen. Diejenigen, die um ihre Verlorenheit wissen. All die armen Sünder sind unter Jesu Kreuz versammelt und sagen: „Herr, nun sind wir vor dir alle wie die Unreinen, und unsere Gerechtigkeit ist ein Unflat. Wir möchten gern den Rock deiner Gerechtigkeit erben, Herr Jesus – einfach aus Gnade. Schenke ihn uns, hinterlasse ihn uns, wir möchten ihn gern haben.“
Und da gehen die Reichen im Geiste vorbei und lächeln heimlich. Sie sagen: „Na, Gott sei Dank, das haben wir nicht nötig. Gnade? Wir sind doch keine Verbrecher! Unser Rock, unsere eigene Gerechtigkeit, ist gut. Wir sind recht. Wir haben den Wahlspruch – wie heißt er? ‚Ich tue Recht und scheue niemand.‘ Das ist die eigene Gerechtigkeit. Wir brauchen diesen Jesus nicht. Wir glauben an den Herrgott, aber diesen Jesus brauchen wir nicht, sein Blut und sein Kreuz zweimal nicht. Was ist dieses ganze arme Sünderwesen überhaupt für eine armselige Knechtsreligion?“
Ja, so sagen die Reichen im Geiste. Ja, da gehen sie hin, die Reichen im Geiste. Sehen Sie sie noch hier? Man muss sie hingehen lassen. Denn sie ahnen ja nicht, dass sie so oder so einmal auf den lebendigen Gott prallen werden. Und dass er sagen wird: „Freund, wie bist du hereingekommen und hast kein hochzeitliches Kleid an? Deine eigene Gerechtigkeit ist kein hochzeitliches Kleid. Werft ihn hinaus!“
Aber man darf diesen Reichen im Geiste, die in Essen zahlreich ansässig sind, doch nicht ganz unrecht tun. Schließlich sind wir ja alle christlich, nicht? Wir leben ja doch im Westen, sind wir alle christlich. Das heißt, jeder möchte wenigstens bei aller eigener Gerechtigkeit ein Fetzchen von dem Rock der Gerechtigkeit Jesu haben – ein bisschen von Jesus, ein kleines Stückchen. Man schneidet einen Zippel ab.
Ich denke zum Beispiel an jenen Mann, der sehr stolz in seiner Eigengerechtigkeit lebt, aber völlig inkonsequent jedes Jahr einmal zum Abendmahl geht und Vergebung der Sünden hört. Völlig inkonsequent, nicht? Es ist verständlich: Man geht in dem Rock seiner eigenen Gerechtigkeit stolz daher, aber für alle Fälle noch so ein Zipfelchen vom Rock der Gerechtigkeit Jesu Christi – für Leben und Sterben.
Oder ich möchte Ihnen heute sagen: Das geht nicht! Jesu Rock bleibt ungeteilt. Ich nehme ihn ganz und bin in der Gerechtigkeit Jesu gekleidet, oder ich verzichte ganz und versuche es mit meiner eigenen Gerechtigkeit vor Gott. Jesu Rock bleibt ungeteilt.
Bitte sehen Sie die Christknechte noch einmal an. Da sitzen sie unter dem blutigen Kreuz. Einer hält den Rock hoch – ein schönes Stück. Da zieht einer ein Messer heraus oder sein Schwert – ich weiß nicht, was die Christknechte alles für schreckliche Sachen an sich tragen. Und da sagt einer: „Was wollen wir denn machen? Ja, wir sind vier Mann, vier Teile. Es reicht wenigstens für eine Bluse von einer Frau, nicht nur ein Viertel davon.“ Da fahren sie auf die anderen los und sagen: „Halt, lasst uns den nicht zerteilen! Lasst uns den nicht zerteilen! Der Rock fällt nicht zu zerteilen!“
Meine Freunde, warum haben die Christen den Rock nicht zerteilt? Aus Nützlichkeitssinn? Oh nein! Das geht zurück auf das geheime Hauptquartier, das hinter dem Leiden Jesu steht. Sie erinnern sich, das sprachen wir letzten Sonntag: Der lebendige Gott wacht darüber, dass die ganze Passion Jesu so abläuft, wie es im Alten Testament Wort für Wort vorausgesagt ist.
Und das steht im Alten Testament, Psalm 22: „Meine Kleider haben sie verzehrt, um den Rock aber als Ganzes das Los geworfen.“ So stand es im Alten Bund, und so geschieht es. So wollte es Gott: Der Rock bleibt ungeteilt.
Nun haben wir hoffentlich verstanden: Der Rock Jesu unterm Kreuz ist ein Bild der Gerechtigkeit, die Jesus den Sündern schenkt. Und da werden wir auf das ganz Wichtige hingewiesen: Der Rock Jesu bleibt ungeteilt. Nicht ein Fetzchen kannst du davon kriegen, sondern ganz oder gar nicht.
Das bedeutet nun das vielleicht Wichtigste, was ich Ihnen heute Morgen sagen muss. Und wenn ich drei Leute damit beunruhige, wäre ich außerordentlich glücklich.
Entweder leugnen Sie vor Gott, dass Sie Sünder sind. Sie verschließen Ihre Augen vor Ihrem verlorenen Zustand, nehmen Scheuklappen und sehen das Gericht Gottes, dem Sie entgegengehen, nicht. Sie bleiben in ihren eigenen Augen gerecht. Dann brauchen Sie Jesu Kreuz nicht. Und dann müssen Sie sehen, wie Sie mit Gott einmal fertig werden.
Oder aber Sie geben dem Urteil Gottes über sich unter Wahrheit die Ehre. Sie werfen die Fetzen ihres unflätigen Kleides – ihre eigene Gerechtigkeit – von sich. Wust und Trauer: „Das habe ich aus meinem Leben gemacht!“ Und nehmen im Glauben den Rock der Gerechtigkeit Jesu ganz und völlig an.
Dann heißt es: „Nichts habe ich zu bringen, alles, Herr, bist du.“ Man ist in der eigenen Gerechtigkeit oder gekleidet in Jesu Christi Gerechtigkeit. Dann ist man in seinen eigenen Augen nur ein armer Bettler.
Aber Jesu Rock bleibt ungeteilt – und Jesu Gerechtigkeit auch. Oh, ich wünschte, wir begriffen, wie groß und herrlich das ist, dass der Herr Jesus sagt: „Komm, du kriegst meine Gerechtigkeit.“ Aber er muss seine eigene ganz und gar wegwerfen, ganz und gar.
Darum können das Evangelium eigentlich nur Leute verstehen, die anfangen, an sich selbst zu verzweifeln. Wer sich noch im naiven Optimismus selbst gegenübersteht, der kann auch schwer etwas kapieren von der Sache.
Die Vollkommenheit des Rocks Jesu
Lassen Sie mich noch ein drittes sagen: Es geht um den Rock Jesu, den Rock seiner Gerechtigkeit. Diesen Rock will ich haben. Dieser Rock bleibt ungeteilt.
Und das Dritte: Er ist ein makelloser Rock, ein makelloser Rock. Es steht hier in unserem Text, der Rock war ungenäht. Also kann es schon gar nicht der zerrissene Rock sein, denn der ist genäht.
Der Rock aber war ungenäht, von oben angewirkt, durch und durch. Ich verstehe das nicht ganz. Sehen Sie, das ist nun auch ein Mangel an meiner Bildung, dass ich von Textilien einfach nicht viel verstehe. Ich bin dankbar, dass ich Freunde habe, die mehr davon verstehen.
Aber so viel habe ich doch aus der Sache begriffen, dass das ein makelloser, wunderbarer Rock war. Ich weiß nicht, wie mein armer Heiland an diesen schönen Rock geraten ist, wer ihm ihn geschenkt hat, das weiß ich nicht. Aber es war jedenfalls ein Rock, nach dem es sich lohnte, zu greifen, wie wir an den Kriegsknechten sehen.
Da wir nun gelernt haben, dass der Rock Jesu aus Wolle ein Sinnbild ist für die Gerechtigkeit vor Gott, die Jesus schenkt, heißt das: Wer ihm glaubt, Jesus an ihm sein Kreuz annimmt, wer ihm gehört und in seine Gerechtigkeit gekleidet ist, der hat eine wundervolle Gerechtigkeit, mit der er in die Donner des Jüngsten Gerichts gehen kann.
Sehen Sie, es ist nirgendwo großartiger ausgesprochen als im Heidelberger Katechismus, diesem reformierten Katechismus. Dort heißt es: Wie wirst du gerecht vor Gott? Antwort: Allein durch den Glauben an Jesus Christus.
Nun kommt es, dass, ob mich schon mein Gewissen anklagt, ja, dass ich wieder alle Gebote Gottes schwer gesündigt habe und auch noch immer allem Bösen zugeneigt bin, doch Gott aus lauter Gnaden mir die vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi schenkt und zurechnet, als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt, wenn ich allein solche Wohltat mit gläubigem Herzen annehme.
Mein Vorgänger, der Pastor Weigle, hat diese Frage des Heidelberger Katechismus auf Postkarten drucken lassen und seinen Jungen geschenkt und verbreitet. Das war im Evangelium.
Gott schenkt mir aus Gnaden die Gerechtigkeit Jesu, dass ich darin gekleidet dastehe, ohne einen Flecken auf meinem Gewand, als hätte ich nie eine Sünde getan, so ich diese Wohltat mit gläubigem Herzen annehme.
Die Dringlichkeit der Botschaft für die heutige Zeit
Nun muss ich zum Schluss ein Wort sagen. Meine Freunde, ich habe eigentlich seit 35 Jahren in Essen keine andere Predigt gehalten als die: Wie bekomme ich Frieden mit Gott? Wie werde ich sündergerecht vor Gott?
Und in 35 Jahren gab es keine Woche, in der man mir nicht versichert hätte, dass diese Frage den modernen Menschen wirklich nicht interessiert. Ihn interessieren praktische Fragen des täglichen Lebens, nicht: Wie stehe ich zu meiner Großmutter? Was sollen wir von Sputnik halten? Und so weiter. Darüber soll ich doch nur predigen. Der moderne Mensch interessiert sich nun einmal nicht mehr für die Frage: Wie bekomme ich Frieden mit Gott?
Wenn Sie das die ganze Zeit gedacht haben, dann möchte ich Ihnen sagen: Das höre ich seit 35 Jahren. Meine Freunde, es ist schlimm – nicht für Jesus und nicht für die Kirche, sondern schlimm für den modernen Menschen.
Wenn der Trinkende sich nicht für Rettungsboote interessiert, ist das nicht schlimm für die Rettungsboote, sondern für den Trinkenden. Und wenn Lungenkranke sich nicht mehr für Luftkurorte interessieren, ist das nicht schlimm für die Luftkurorte, sondern für die Lungenkranken.
Und wenn der Mensch, der der Hölle entgegengeht und mit Sünden beladen ist, sich nicht dafür interessiert, wie er Frieden mit Gott bekommt und das Leid der Gerechtigkeit Jesu Christi, dann ist das nicht schlimm für den gekreuzigten, auferstandenen Herrn, dessen Ehre unangetastet bleibt, noch schlimm für seinen armen Prediger, sondern schlimm für den modernen Menschen, der nun ungewarnt mit seiner Sünde zum Tode geht – zum ewigen Tode.
Und weil das so ist, meine Freunde, möchte ich Sie um Ihrer selbst willen bitten und beschwören: Lassen Sie das nicht nur heute Ihre ganz große Bitte werden: Herr, lass deine Todespein an mir nicht verloren sein!
Sie merken ja, wie der bayerische Gendarm mir diesen Vers eingeprägt hat. Ich möchte ihn mitgeben, wenn so ein Dschung in die Welt hinausgeht und das mitnimmt: Herr, lass deine Todespein an mir nicht verloren sein!
Und wenn Sie es wirklich so bitten, dann bekommen Sie die Antwort so, dass Sie sich mit Jesaja freuen dürfen: „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit mich gekleidet.“
Wir wollen beten:
Ach Herr, du siehst, wie viele in ihrer Friedlosigkeit, Angst, Not und Sündennot sind. Führe sie so unter dein Kreuz, dass sie sich mit allen Heiligen mitfreuen können:
„Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit mich gekleidet.“ Amen.