Ich werde heute wieder von einem Mann sprechen, über den viel geredet wird. Ich rede von Jesus, von demjenigen, an dem sich die Geister scheiden. Wie wir an einem dieser Abende bereits gesagt haben, wurde ihm vieles unterstellt.
Was für ein Mensch war er? War er überhaupt ein normaler Mensch, ein Mensch wie du und ich? Nun ja, und nein.
Ich möchte uns heute einige Verse aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 27, vorlesen, die uns beschäftigen sollen.
Dort heißt es: „Als es aber morgen geworden war, hielten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes Rat gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen. Nachdem sie ihn gebunden hatten, führten sie ihn weg und überlieferten ihn dem Statthalter Pilatus.“
Etwas später, in Vers 11, wird berichtet: „Jesus wurde dem Statthalter vorgeführt, und der Statthalter fragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst es.“
Als Jesus von den Hohenpriestern und Ältesten angeklagt wurde, antwortete er nichts.
Pilatus sprach zu ihm: „Hörst du nicht, wie viele sie gegen dich vorbringen?“ Doch Jesus antwortete nicht auf ein einziges Wort, sodass der Statthalter sich sehr verwunderte.
Zum Fest war es beim Statthalter üblich, der Volksmenge einen Gefangenen freizugeben, den sie verlangten. Damals gab es einen berüchtigten Gefangenen namens Barabbas.
Als sie nun versammelt waren, fragte Pilatus sie: „Wen wollt ihr, dass ich euch losgebe, Barabbas oder Jesus, der Christus genannt wird?“ Denn er wusste, dass sie Jesus aus Neid ausgeliefert hatten.
Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, sandte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: „Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten, denn im Traum habe ich heute um seines Willen viel gelitten.“
Die Hohenpriester und die Ältesten überredeten die Volksmenge, dass sie Barabbas forderten und Jesus umbringen wollten.
Der Statthalter antwortete erneut: „Welchen von den beiden wollt ihr, dass ich losgebe?“ Sie aber riefen: „Barabbas!“
Pilatus fragte sie: „Was soll ich denn mit Jesus tun, der Christus genannt wird?“ Sie sagten alle: „Er soll gekreuzigt werden!“
Er aber sagte: „Was hat er denn Böses getan?“ Doch sie schrien immer lauter und riefen: „Er soll gekreuzigt werden!“
Als Pilatus sah, dass er nichts ausrichten konnte und stattdessen ein Tumult entstand, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor der Volksmenge und sagte: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten. Seht ihr zu!“
Die ganze Volksmenge antwortete: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“
Dann gab Pilatus ihnen Barabbas frei, ließ Jesus geißeln und überlieferte ihn, damit er gekreuzigt werde.
Die Bonzen des jüdischen Staatsapparates konnten es nicht ertragen, dass Jesus bei der Volksmenge beliebter war als sie selbst. Bei den Juden damals war Jesus populärer als die führenden Vertreter des Staates.
Diese vornehmen Leute, die für Recht und Gesetz verantwortlich waren und sich als Vertreter der damaligen jüdischen Kirche sahen – so könnte man es heute ausdrücken – genossen auf der Straße keinen besonderen Respekt. Niemand jubelte, wenn sie erschienen, und sie wurden nicht besonders angesehen.
Man wusste, dass viele von ihnen viel redeten, aber wenig von dem, was sie vom Volk forderten, selbst taten. Sie nahmen es mit dem Glauben und dem Gesetz oft nicht so genau. Sie stellten hohe Forderungen und Ansprüche, versagten aber häufig selbst als Heuchler.
Und nun kommt vor ein paar Tagen so ein dahergelaufener Wanderprediger aus der Provinz. Er kommt mit seinen zwölf Freunden – alles sehr einfache Leute, Handwerker, Fischer und so weiter. Ein ehemaliger Zöllner war dabei. Zöllner galten als Sünder, das war ein Begriff für die unterste Schicht, die man verachtete.
Solche Leute hatte dieser Wanderprediger, Jesus, im Schlepptau. Sie kamen nach Jerusalem, und plötzlich tobte die Masse vor Begeisterung wegen dieses Mannes. Das war unerhört.
Es gehört doch ein bisschen Ordnung dazu, wenn man über religiöse Dinge spricht. Wie kann einer, so wie er da auftritt, überhaupt beanspruchen, von Gott reden zu können? Und dann auch noch das Gerücht verbreiten, er sei der Sohn Gottes oder der Messias, der von den Propheten angekündigte.
Die Volksmenge schien bereits auf seiner Seite zu sein. Sie bildeten Spalier, als er nach Jerusalem einzog, und feierten Jesus wie einen König.
Das ging den Herren vom Hohen Rat gegen den Strich, und darin waren sie sich einig: Dieser Mann musste aus dem Verkehr gezogen werden. Sie waren ganz einfach eifersüchtig auf Jesus. Deshalb haben sie ihn aus Neid verhaftet.
Das kann man natürlich nicht offiziell als Grund angeben. Man kann nicht sagen, dass der Anklagepunkt Neid ist. Deshalb musste man einen Vorwand finden. Einen Vorwand findet man immer, wenn man will. Man findet Gründe, um jemandem etwas zu unterstellen oder anderen einen schlechten Ruf anzuhängen. Das gelingt immer irgendwie.
Wenn diese einflussreichen geistigen Führer wollten, dass die Leute bei ihrem Erscheinen auf der Straße jubelten, dann mussten sie Jubler bestellen und bezahlen. So wurde das gemacht. Es gab Leute, die für Trauer zuständig waren, sogenannte Klageweiber. Diese wurden bezahlt, wenn ein Trauerfall war, und sie heulten dann. Wenn diese Bonzen irgendwo bei einem Auftritt oder an einem wichtigen Festtag waren, sorgten sie ebenfalls für die passende Stimmung. Das soll es hier und da in manchen Regimen auch heute noch geben.
Es ist klar, dass Volksmengen gezwungen werden, zu jubeln, wenn ihr Diktator erscheint. Wenn man wollte, dass falsche Zeugen vor Gericht aussagten, dann bestellte und bezahlte man eben Lügner. So steht es in diesem Kapitel, in Vers 60: Es traten viele falsche Zeugen auf. Diese falschen Zeugen behaupteten Dinge, die völlig aus der Luft gegriffen waren. Sie wurden bezahlt und instrumentalisiert. Sie tanzten nach der Pfeife dieser einflussreichen geistigen Führer, die auch ein bisschen respekteinflößend waren. Am besten hielt man sich gut mit ihnen und machte, was sie sagten.
Die Geschichten, die sie vorbrachten, waren abenteuerlich und ungeheuerlich. Einer der Vorwürfe, die sie Jesus machten, war, dass er einen Anschlag auf den Tempel geplant habe. Jesus hätte diese Vorwürfe rhetorisch einwandfrei entkräften können. Er war ihnen rhetorisch weit überlegen. Das hat er oft in den drei Jahren, in denen er öffentlich auftrat, bewiesen. Er legte sich häufig mit Pharisäern und Schriftgelehrten an und war ihnen immer einen Schritt voraus. Oft machte er sie sprachlos mit seinen Antworten.
Auch hier wäre er in der Lage gewesen, sich zu verteidigen. Doch er tut es nicht. Wir haben vorhin gelesen, dass diese ganzen Anklagen vor Pilatus vorgetragen wurden. Jesus sagte kein Wort. Er hört die Anklagen schweigend an. Sein Schweigen zu den Lügen spricht, glaube ich, deutlicher als jede Verteidigungsrede.
Es gibt Anklagen und Unterstellungen, eine Art Mobbing, das es nicht wert ist, beantwortet zu werden. Es ist so billig, oberflächlich und durchschaubar, dass man sich selbst lächerlich machen würde, wenn man darauf eingeht. Jesus schweigt.
Als der Hohepriester, der die Verhandlung führt, merkt, dass sich Jesus nicht aus der Reserve locken lässt, verliert er die Fassung. Vor lauter Nervosität kann er nicht mehr stillsitzen. Er springt von seinem Richterstuhl auf und brüllt Jesus an: „Antwortest du nichts? Hörst du nicht, was die sagen? Antwortest du nichts?“ Er kann es nicht ertragen, dass Jesus schweigt. Jesus ruht aus und schweigt.
Der Hohepriester rastet aus und schreit: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes.“
Ups, jetzt ist es raus, jetzt hat er sich verplappert. Plötzlich geht es nicht mehr um irgendwelche unsinnigen Lügengeschichten, die sich selbst widersprochen haben. Jetzt sind wir beim eigentlichen Thema angekommen. Endlich hat er die entscheidende Frage ausgesprochen.
Denn genau um diese Frage dreht sich alles. Um diese Frage dreht sich dieser Prozess. Um diese Frage dreht sich im Grunde genommen die gesamte Weltgeschichte. Und um diese Frage dreht sich auch die Geschichte deines und meines Lebens: Ist es wahr, dass du, Jesus, der Sohn Gottes bist?
Davon hängt in deinem und meinem Leben alles ab. Ist es wahr oder ist es nicht wahr? Dass Jesus gelebt hat, daran besteht historisch gesehen überhaupt kein Zweifel. Aber ob er der Sohn Gottes war, wie die Apostel geschrieben haben und wie er selbst nie abgestritten hat zu sein – er hat die Privilegien eines Gottes niemals abgelehnt – und wie Christen bis heute glauben, das ist die entscheidende Frage.
Ist dem so oder nicht? Wenn es nicht so ist, dann lohnt es sich keine fünf Minuten mehr, über das Ganze weiter nachzudenken. Man könnte so einen Abend, so einen schönen Freitagabend, das Wochenende als Auftakt zum Wochenende auch anders verbringen.
Dann wäre eine ganze Veranstaltungsreihe hier, die zehn Tage dauert, ein Riesenblöff. Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, dann wäre die ganze Kirchengeschichte bedeutungslos. Du könntest das in einer Mikrowelle erzählen. Ganze Bibliotheken, die sich mit geistlichen Themen befassen, wären dann Fake News. Denn alles beruht doch auf dieser Aussage: Jesus, der Sohn Gottes.
Wenn er ein normaler Mensch wie jeder andere gewesen wäre, dann wäre er eben nichts Besonderes. Dann wäre er auch nicht wert, dass man Kreuze aufstellt, an denen Jesus gestorben ist, oder dass man zu Weihnachten das größte christliche Fest feiert, weil Jesus geboren wurde. Dann wäre er doch ein Mensch wie du und ich – das wäre doch komisch.
Wenn Jesus aber der Sohn Gottes ist, der für dich und mich am Kreuz gestorben ist, selbst sündlos – also der Sohn Gottes hat nicht gesündigt, der einzige, der über diese Erde gegangen ist, der niemals irgendeine Sünde getan hat – und der dann als dieser reine, fleckenlose, wie der Hebräerbrief sagt, unsere Flecken, unsere Schuld auf sich genommen hat, damit am Kreuz gestorben ist und das Gericht Gottes getragen hat, wenn er der ist, der auferstanden ist und damit den Tod besiegt hat, dann...
Dann soll er die Mitte in deinem Leben werden. Dann lohnt es sich, diesen Jesus Christus anzubeten. Wie du es am Anfang gesagt hast: Wir wollen Jesus anbeten. Dann ist es angebracht aufzustehen, wenn wir an Jesus denken, wenn wir zu ihm beten. Dann ist er der Herr aller Herren und der König aller Könige.
Dass Jesus der Sohn Gottes ist, hat er während seiner 33 Jahre auf dieser Erde oft zum Ausdruck gebracht. Er nahm die Titel des alttestamentlichen Gottes der Juden für sich in Anspruch. Zum Beispiel sagte er: „Ich bin der gute Hirte.“ Psalm 23 beginnt mit den Worten: „Der Herr ist mein Hirte.“
Jesus sprach auch davon, dass er der Richter aller Menschen sein würde. Das kann man in einigen Kapiteln des Matthäusevangeliums nachlesen. Dort beschreibt Jesus ausführlich, wie die Schafe vor ihm stehen werden. Er wird als Richter die Böcke und Ziegen voneinander trennen und beurteilen, wer dazugehört und wer nicht. Wer verloren geht und wer errettet wird. Wer in der Gegenwart Gottes die Ewigkeit verbringt und wer in der Gottesferne die Ewigkeit verbringen wird, also in die Hölle kommt. Diese Entscheidung trifft niemand außer ihm, Jesus. Das hat er gepredigt.
Dieser Anspruch, als Sohn Gottes und Sohn des Menschen aufzutreten, ist im Alten Testament als der Weltenrichter bekannt. So trat Jesus auf. Einmal sagte er zu einem Gelähmten: „Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.“ Wie kann das sein? Wenn ein Mensch einem anderen sagt, seine Sünden seien vergeben, war das für die anwesenden religiösen Juden ein Skandal. Sie antworteten: „Was maßt er sich an? So eine Gotteslästerung auszusprechen! Nur Gott kann den Menschen ihre Schuld vergeben, sonst niemand.“
Man muss diesen Herren, den Oberkirchenräten, zugestehen, dass sie genau wussten, worum es geht. Ihnen war völlig klar, dass kein Mensch Sünden vergeben kann. Wenn Jesus das trotzdem tat und viele seiner Jünger, nicht nur die zwölf, sondern viele, ihm glaubten, dann folgt daraus, dass er nicht ein Mensch wie du und ich ist, sondern der, der er zu sein beanspruchte.
Jesus hatte die Rolle des Lehrers. Er war nicht der einzige Lehrer. Er hatte auch die Rolle des Heilers, aber auch das war nicht einzigartig. Diese Rollen wurden ihm von den Leuten zugebilligt. Doch diese Rolle sprengte er, denn er handelte in letzter Autorität. Er beanspruchte, der offenbarte Gott zu sein. Jesus ist Gott. Glaubst du das?
Es ist eine Sache, für sich Selbstgöttlichkeit zu beanspruchen, eine ganz andere, monotheistische Juden davon zu überzeugen. Nehmen wir noch einmal die zwölf jungen Männer. Sie waren alle im Glauben erzogen worden, dass es nur einen Gott gibt. „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, so beginnen die Zehn Gebote. Das war heilig für jeden Juden: Es gibt nur einen Gott.
Aber Jesus überzeugte diese Männer, dass er der Sohn Gottes ist. Er sagte zu seinen Jüngern: „Ich und der Vater sind eins.“ Vater, Sohn und Heiliger Geist – dieser Dreiklang, diese Dreieinheit Gottes, das Geheimnis der Trinität.
Man kann natürlich sagen: Gott ist Gott, Punkt. Aber ich glaube, dass Gott viel komplizierter und vielschichtiger ist, als wir einfach nur sagen können: Gott ist Gott, Punkt. Gott ist zumindest – und noch viel mehr, als wir uns vorstellen können – Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Gott steht über uns, er steht an unserer Seite und er ist in uns. Gott ist Vater, er ist Sohn, er ist einer geworden wie wir. Er ist Heiliger Geist, der in uns wirkt. Gott wirkt durch und durch. Er ist nicht nur der ferne Gott, der so erhaben ist, dass er mit Menschen nichts zu tun hat.
Im Islam glaubt man, dass man Allah nicht einmal im Paradies antreffen wird, weil er viel zu erhaben ist und auch dort nichts mit Menschen zu tun hat. Jesus hingegen ist als Sohn Gottes in dieser Welt aufgetreten.
Noch weiter: Er wohnt in uns. Das ist der Heilige Geist, der uns als den Tempel des Heiligen Geistes, wie Paulus das lehrt, in Anspruch nehmen möchte. Er wirkt in Menschen, sodass wir wiederum etwas von der Gegenwart Gottes in dieser Welt als Christen darstellen.
Seine Jünger glaubten an Jesus. Er ist nie einer Krankheit begegnet, die er nicht heilen konnte. Auch einem Geburtsfehler begegnete er nie, den er nicht rückgängig machen konnte, ebenso wenig einem Dämon, den er nicht austreiben konnte.
Was ihm allerdings begegnet ist, das sind Skeptiker, die er nicht überzeugen konnte, und Sünder, die sich nicht bekehren ließen. Solche gab es damals, und solche gibt es auch heute noch.
„Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes.“
Die Frage, die gerade so dem hochroten Ballon des Hohen Priesters entglitten war, schwebt jetzt hier im Raum. „Ich beschwöre dich, bist du der Sohn Gottes oder bist es nicht?“
Zu den vielen erfundenen Vorwürfen der falschen Zeugen hatte Jesus geschwiegen. Aber zu dieser Frage – dieser überaus bedeutsamen Frage, die über dein und mein Schicksal entscheidet – schweigt Jesus nicht.
Da antwortet er: Ja. Und damit ist alles gesagt.
Erleichterung am Hohen Gerichtshof – das ist eine Aussage, aus der man dem Mann einen Strick drehen kann, denn das ist Blasphemie. Ein Mensch, der eine Nase hat, ein Mensch aus Fleisch und Blut, so wie du und ich, steht da und sagt: Ja, ich bin der Sohn Gottes. Das Urteil ist auf der Stelle fertig: Todesstrafe. Das ist das Oberste an Gotteslästerung, was man sich vorstellen konnte.
Jetzt waren zur Vollstreckung die Juden nicht berechtigt. Das durfte nur die Besatzungsmacht, das waren nun mal die Römer. Die Juden mussten zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass sie jetzt auf diesen römischen Gouverneur angewiesen waren. Dieser wurde auch dann sofort eingeschaltet.
So wird Jesus, nachdem sie ihn erst einmal angespuckt und geschlagen hatten – den, der gerade Ja sagte auf die Frage, ob er der Sohn Gottes sei – von ihnen verspottet. Was ist hier Blasphemie, was ist Gotteslästerung? Seine Aussage oder wie Menschen mit ihm umgehen? Selbst wenn es nicht so gewesen wäre, geht man so mit einem Menschen um? Sie spucken ihn an, schlagen ihn, machen sich über ihn lustig. Dann binden sie ihn und überstellen ihn an den Statthalter Pontius Pilatus.
Nun, der kann mit Jesus wenig anfangen. Zu den Anklagen der Juden sagt er nichts, und was er sonst sagt, das kapiert Pilatus nicht. Das Einzige, was er durchschaut, ist, dass die Juden ihn aus Neid überliefert hatten. Ansonsten weiß er überhaupt nicht, was hier wirklich gespielt wird.
Der dicke Statthalter hofft, dass Jesus aufgrund der dünnen Beweislage von der Gnade der Passafest-Amnestie profitieren kann. Immer wurde so ein Gefangener freigelassen. Vielleicht, so war die Hoffnung von Pilatus, bekomme ich ihn so frei.
Eine Weile ist er bemüht zu vermitteln. Mal rennt er vors Haus, verhandelt mit den Juden, dann rennt er wieder rein und redet mit Jesus. Dabei wird ihm immer klarer: Dieser Mann ist absolut unschuldig. Das war seine Einschätzung. Pilatus selbst als Richter ist unparteiisch. Einen Richter – das erwarte ich von einem Richter – dass er nicht parteiisch mit den Anklägern unter einer Decke steckt oder mit dem Angeklagten, sondern völlig neutral ist. Und das kann man ihm als Römer nun auch wirklich nicht anlasten, dass er sich aus religiösen Gründen auf die eine oder andere Seite der Christen oder der Juden gestellt hätte, soweit man da schon von Christen reden kann. Da war er außen vor.
Aber seine neutrale Überzeugung ist: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. Und dann, in Vers 14, wiederholt er das und gibt auch noch das Ergebnis eines zweiten Gutachtens bekannt. Er hat sich das nicht leicht gemacht.
Dann sagt er nämlich in Vers 15: „Aber auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns zurückgesandt, und siehe, nichts Todeswürdiges ist von ihm getan.“ Also Pilatus war ein bisschen überfordert. Er hat gesagt: „Seht ihr zu, ihr habt doch selber einen König, diesen Herodes.“ Die beiden waren danach dann auch ganz gut befreundet. Da hat er gesagt: „Herodes, schau du mal!“
Herodes macht so ein paar Experimente mit Jesus. Er hofft, dass Jesus ein paar Wunder tut. Er hatte schon von Jesus gehört und freute sich, dass er ihn mal so persönlich sehen konnte. Er hatte sich da in seinen Thron fallen lassen, eine Chipstüte bringen lassen und dachte: „So, kannst du mal ein paar Wunder tun, bitte?“ Das ist nicht geschehen.
Auf diese Weise hat Jesus nicht gewirkt unter Menschen. Aber Herodes dachte, er könnte so einen Zeichenkurs bei Jesus belegen oder so. Doch das, was Herodes begriffen hat, ist dasselbe, was Pilatus feststellt: Keine Schuld. Es gibt keinen Anklagegrund gegen diesen Mann.
Trotz permanenter Überwachung und ständiger Beobachtung konnte niemand dem Sohn Gottes eine Sünde vorwerfen. Einer seiner Jünger, Johannes, ein ganz enger Vertrauter von Jesus, hat später in einem Brief, seinem ersten Brief, der im Neuen Testament überliefert ist, geschrieben: „Sünde ist nicht in ihm.“ Das war einer, der Jesus sehr, sehr gut kannte, der drei Jahre sozusagen Tag und Nacht mit Jesus zusammen gewesen ist.
Wenn ich hier vorne stehe und große Reden halte, dann mag das den einen oder anderen beeindrucken. Aber wenn ihr mich in meinem Privatleben hören und sehen würdet, da hättet ihr eine ganz andere Meinung von mir. Da würdet ihr merken, dass ich auch eine Menge Unsinn rede und dass ich ein Sünder bin. Das würdet ihr sehr schnell merken.
Aber Johannes, der drei Jahre lang, so wie auch die anderen Jünger, mit Jesus umherzog, mit ihnen die Städte zusammen, die dann Quartiere suchten, wo sie übernachten konnten, und bis spät in die Nacht miteinander redeten, ist am Ende zu dieser festen Überzeugung gelangt: Sünde ist nicht in ihm.
Auch Petrus, genauso einer der Zwölf, schreibt im ersten Petrusbrief Kapitel 2, Vers 22, dass Jesus keine Sünde getan hat, so in einem Nebensatz. Und das war durchgehend die Überzeugung der Jünger: Er hat keine Sünde getan.
Apostel Paulus sagt: „Den, der die Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.“ Das ist das Evangelium. Er, der Sünde nicht kannte, ist zur Sünde gemacht worden.
Weißt du, ein Mensch, der selber Sünder ist, hätte nicht für die Sünde anderer bezahlen können. Einer, der selber Schulden hat, kann nicht für die Schulden eines anderen aufkommen. Aber er, der keine Sünde kannte, der sündlose Sohn Gottes, war der Einzige, der in der Lage war, für unsere Sünden zu bezahlen. Er ist der Retter, er ist der Erlöser.
Nun, mitten in der Verhandlung gibt es plötzlich eine Unterbrechung. Ein Bote muss sofort mit Pilatus sprechen. Wer schickt ihn? Es stellt sich heraus, dass der Bote von der einzigen Person neben dem Kaiser kommt, vor der Pilatus wirklich Angst hat: von seiner Frau. Sie lässt ihm ausrichten: „Lass die Hände von diesem unschuldigen Mann! Seinetwegen hatte ich letzte Nacht einen schrecklichen Traum.“
Pilatus wird dadurch in seiner Überzeugung bestärkt. Er ist entschlossen, Jesus zu retten – ohne zu ahnen, dass es gar nicht um die Rettung von Jesus geht, sondern letztendlich um seine eigene Rettung und die Rettung von vielen, vielen Menschen. Der Name von Jesus bedeutet ja „Gott wird retten“. Das war seine Mission. Ohne zu ahnen, dass nicht Jesus gerettet werden muss, sondern Jesus ihn retten muss, setzt sich Pilatus hier für Jesus ein.
Die Gegner von Jesus – die führenden Priester und Ratsherren – nutzen die nun entstandene Verhandlungspause geschickt aus. Die Frau hatte den Boten geschickt, und diese Pause wird von ihnen dazu genutzt, in der Volksmenge herumzulaufen. Sie impfen den Leuten ein, sie müssten für Barabbas die Freilassung und für Jesus die Todesstrafe verlangen. Außerdem bestechen sie die Leute wieder einmal.
Die meisten Juden, sowohl die Obersten als auch das Volk, hatten nichts gegen Barabbas. Barabbas steht für Römerhass. Er war ein Terrorist, der sich für das Judentum eingesetzt und sich mit den Römern angelegt hatte. Für viele war er ein Freiheitskämpfer. Diesen Barabbas mochten sie, daher fiel es ihnen gar nicht allzu schwer, jetzt für seine Freilassung zu fordern.
Aber da stand eben dieser Jesus, dem viele vorher nachgefolgt waren. Viele von denen, die jetzt hier schrien „Kreuzige ihn!“, hatten vorher „Hosianna“ gerufen, als er nach Jerusalem eingezogen war. Wie leicht lassen sich Menschen beeinflussen! Schreien die einen, und es ist offensichtlich eine Mehrheit, schließen sich viele an, weil man dann immer auf der sicheren Seite ist. Und wenn die anderen schreien, ruft man auch mit. Wir sind manchmal sehr wankelmütig. Aber das sind nicht immer die lautesten oder die richtigen Argumente.
Hier sehen wir das ganz typisch menschlich: Plötzlich schreien alle „Gebt uns Barabbas frei!“ Hunderte stehen vor dem Palast des Pilatus, alle neugierig. Sie sind aus Neugierde gekommen – Gaffer, wie man das heute bei jedem Unfall auf der Autobahn sehen kann. Alle recken ihre Hälse und sind gespannt darauf, was jetzt passieren wird.
Plötzlich ändert sich etwas. All die Leute, die vorher Zuschauer waren und sich vielleicht neutral fühlten, müssen jetzt mitmachen. Sie sind, ob sie wollen oder nicht, beteiligt. Pilatus ruft zu einer Abstimmung auf: Jesus oder Barabbas. So geht es dir vielleicht auch. Du fühlst dich neutral. Du weißt, hier sind ein paar ziemlich extreme Christen. Leila ist so jemand, die vorne steht und Dinge sagt, die du nie tun würdest. Der Prediger, der ganze Chor – manche laden dich ein. Es gibt ja Extreme, aber man muss es nicht übertreiben.
Du sagst vielleicht: Ein bisschen Gott ist okay, Gott zu leugnen wäre zu weit, ich bin so irgendwo in der Mitte. Namenschrist will ich nicht sein, Fundamentalist auch nicht. Also muss die Definition eines ausgewogenen Christen irgendwo in der Mitte liegen. Doch hier werden sie plötzlich herausgefordert, sich zu entscheiden – sich auf die eine oder andere Seite zu stellen. Und das Volk entscheidet gegen Jesus.
Als sie gehört hatten, dass Jesus Kranke heilte, kamen sie und brachten ihre Kranken zu ihm. Als sie hörten, dass Jesus Brot vermehren konnte, wollten sie ihn zu ihrem König machen – der ideale König, der für sie sorgt und aus nichts etwas machen kann. Da liefen sie ihm in Scharen nach. Aber als er einmal eine etwas kompromisslose Rede hielt, liefen sie in ebensolchen Scharen wieder von ihm weg.
So sind wir: Wenn es uns einen Vorteil bringt, wenn es angenehm ist, sind wir dabei. Aber wenn es unangenehm wird, sind wir ganz schnell wieder weg. Doch das waren noch keine wirklichen Entscheidungen. Die Leute dachten, sie stellen sich nicht dagegen, aber eine Stimme für ihn abzugeben – das war etwas anderes. Jetzt sollen sie genau das tun. Welch eine Entscheidung!
Als das Volk dann die Freilassung Barabbas verlangte, wusste Pilatus nicht weiter. Das hatte er nicht erwartet. Er dachte, jetzt würden alle „Jesus!“ schreien, weil es keine Schuld gab – das hatte er doch gerade nachgewiesen. Doch jetzt, nachdem sie manipuliert worden waren, riefen alle „Barabbas!“
In seiner Hilflosigkeit stellt Pilatus die Frage – eine richtige Frage, aber an die falsche Adresse gerichtet: „Was soll ich mit Jesus machen?“ Er fragt die Menge, doch eigentlich ist es eine Antwort, die er nur selbst geben kann. Das ist die Frage, vor der jeder Mensch steht, auch du und alle, die heute Abend hier sind. Die wichtigste Frage deines und meines Lebens lautet: Was soll ich mit Jesus machen?
Einige von euch haben schon öfter von Jesus gehört. Heute Abend stelle ich euch diese Frage, denn das ist das Thema: Entscheidung – was soll ich mit Jesus machen? Pilatus stellte diese Frage in einem anderen Kontext, aber sie passt auch zu unserer Frage: Was soll ich mit Jesus machen?
Als Pilatus am Morgen des ersten Karfreitags aufwachte, ahnte er nicht, dass er an diesem Tag die größte Entscheidung seines Lebens treffen musste. Er dachte, es ginge um eine ganz normale Gerichtsverhandlung. Doch er hatte ein Urteil zu fällen, das über das Schicksal der ganzen Menschheit entscheiden sollte.
Der wichtigste Tag in der Weltgeschichte ist der, an dem Jesus am Kreuz für uns starb. Das war die große Zeitenwende. Deshalb schreiben wir auch 2018 nach Christus – die große Zeitenwende in ihm, dem Sohn Gottes, der am Ende seine Mission erfüllt hat. Er gab sein Leben und rief am Ende aus: „Es ist vollbracht!“ Jesus hat sein Leben als Lösegeld gegeben für uns, die wir versklavt waren in unserer Sünde, verloren und ohne Chance, vor Gott zu bestehen.
Es gibt Entscheidungsstunden, denen wir nicht ausweichen können. Sie kommen plötzlich und verlangen gebieterisch eine Entscheidung – für oder gegen, ja oder nein.
Wir haben bei uns in Dillenburg am Sonntagabend einen Jugendgottesdienst namens "Treff kurz satt". An einem der Abende kam eine Mitarbeiterin aus einer Flüchtlingsunterkunft auf mich zu und sagte: Einer von unseren Jungs möchte sich heute Abend bekehren und hat gefragt, wer der Pastor ist. Ich bin so eine Art Pastor, und er will hinterher mit dir reden.
Dieser junge Mann, den ich H. nenne, war vier Monate zuvor nach Deutschland gekommen. Er ist ein junger Syrer, der miterleben musste, wie sein dreizehnjähriger Bruder in dem schrecklichen Krieg in Syrien ums Leben kam.
H. stellte in unserem Gespräch einen wichtigen Unterschied fest und brachte ihn zur Sprache: Im Islam herrschen Gewalt und Zerstörung, im Christentum dagegen Liebe und Akzeptanz. Er sagte: „Das ist mir aufgefallen. Bei uns ist alles kaputt, bei euch ist alles heil. Bei uns gibt es so viel Härte und Ablehnung, bei euch habe ich so viel Annahme und Liebe erlebt.“
H. war schon ein paarmal mit im Treff „Satt“ gewesen, hatte eine arabische Bibel geschenkt bekommen und einen Jesusfilm gesehen, der ihm sehr zu Herzen gegangen war. Einer seiner ersten Sätze, die er seiner Betreuerin gegenüber auf Deutsch sagte, war: „Ich will Jesus in meinem Herzen haben.“ Das war sein ganz aufrichtiger Wunsch – ein 18-jähriger junger Mann aus Syrien.
Dann rief er seinen Vater an, der zu der Zeit noch in Syrien war, und sagte ihm: „Ich will Christ werden.“ Der Vater war entsetzt und völlig aufgebracht.
Bei einem zweiten Telefonat ein oder zwei Tage später sagte H. zu seinem Vater: „Wenn du jetzt nicht mehr mit mir reden willst“ – denn das hatte der Vater ihm angedroht: „Du bist nicht mehr mein Sohn, so geht das ganz schnell. Du gehörst nicht mehr dazu.“ – „Wenn du nicht mehr mit mir reden willst, wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, dann akzeptiere ich deine Entscheidung. Aber meine Entscheidung für Jesus steht fest, trotz allem Widerstand.“
H. hat sich für Jesus entschieden. Wir haben zusammen gebetet. Er hat Jesus sein Leben anvertraut und gesagt: „Danke, Herr Jesus, dass du auch für mich gestorben bist. Ich will mit dir leben, du sollst mein Herr sein, dir will ich folgen.“
Als Pilatus am Morgen aufwacht, ahnt er nichts von der wichtigsten Entscheidung seines Lebens. Er denkt, es ist ein Arbeitstag wie sonst auch. Und als du heute Morgen aufgewacht bist, hast du vielleicht auch nicht geahnt, dass du heute Abend vor der größten Entscheidung deines Lebens stehen würdest.
Du hast gedacht, es sei ein ganz normaler Zeltgottesdienst, wie du schon andere diese Woche erlebt hast. Dabei geht es hier darum, dass du vor derselben Entscheidung stehst wie damals Pilatus: Was machst du mit Jesus?
„Was soll ich mit Jesus machen?“, fragt Pilatus. Und da schreien die Leute: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ Was machst du? Sagst du, ich will nichts mit ihm zu tun haben, hinweg mit ihm? Oder sagst du: Wenn es nur diese Alternativen gibt und ich glaube, dass etwas dran ist, dann hält mich nichts mehr davon ab, mich heute für Jesus zu entscheiden.
Damals haben sie geschrien: „Kreuzige, kreuzige!“ Weißt du, ob du den Film „Passion Christi“ gesehen hast, ob du diese Bilder vor Augen hast? Vielleicht hattest du den Eindruck, dass der blutverkrustete Körper von Jesus, wie er nach seiner Geißelung von Pilatus vorgeführt wurde, ein bisschen übertrieben dargestellt ist. Ich glaube nicht, dass das übertrieben ist.
Pilatus ließ Jesus so zurichten in der Hoffnung, dass das Volk Mitleid empfindet. Er ließ ihn auspeitschen, damit die Leute zumindest aus Mitleid sagen: Jetzt hat er seine Prügelstrafe bekommen, eine empfindliche Strafe, die jeden Hochmut, falls er welchen gehabt haben sollte, austreiben würde. Jetzt ist es aber auch gut. Pilatus’ Plan war, ihn geißeln zu lassen und dann gehen zu lassen.
Ein Wink von Pilatus, die Soldaten führen Jesus dem Publikum vor. Er, der die Welt erschaffen hat, wirkt plötzlich wie eine Marionette in der Hand eines zweitklassigen römischen Provinzgouverneurs. Da steht er auf einer Art Tribüne auf dem Vorplatz vor dem Herodespalast, und wie sieht er aus?
Kurz berichtet der Evangelist Johannes: Jesus ging nun hinaus und trug die Dornenkrone und das Purpurkleid, das man aus Spott über ihn gelegt hatte. Das Blut lief Jesus übers Gesicht, und ein Purpurgewand wie ein König – sie hatten es ihm aus Spott umgehängt. „Sei gegrüßt, König der Juden!“
Eine Spottfigur betritt die Bühne. Die Gottheit, die Herrlichkeit eines Sohnes Gottes – weltenfern davon. Dornen stecken in seiner Stirn, das Purpurgewand verdeckt gnädig die Striemen, das aufgerissene, zerschlagene Fleisch seines Körpers.
Dann stellt Pilatus Jesus der gaffenden Menge offiziell vor: „Seht, der Mensch!“, sagt er. Das will sagen: Das ist doch kein König, den Rom fürchten müsste. Diese arme Kreatur gefährdet doch niemanden. Schaut ihn euch an! Seht, der Mensch!
Das hat einen geradezu verächtlichen Unterton. Nein, so will Pilatus unterstreichen, dieser Mann kommt als politischer Verbrecher nun wirklich nicht in Frage. Werden die Anwesenden mitleidig reagieren? Werden sie nachdenklich sein? Werden sie ungestimmt werden?
Ganz im Gegenteil: Als ihn nun die Hohenpriester und Diener sahen, schrien sie: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ Mit dieser aufgehetzten Menge hat es überhaupt keinen Sinn mehr zu diskutieren. Das Getöse wird immer lauter, eine Verständigung ist nicht mehr möglich.
Da greift Pilatus zur Zeichensprache: Er nahm Wasser und wusch sich vor allen Leuten die Hände, so lesen wir. Dann sagt er: „Ich habe keine Schuld am Tod dieses Mannes. Das habt ihr zu verantworten.“
Eigentlich gibt Pilatus hier das Richteramt aus der Hand. Das ist der feige Teil in der Geschichte von Pilatus. Das Gesetz sagt, das lesen wir in 2. Mose 23: „Du sollst der Menge nicht folgen zum Bösen. Du sollst bei einem Rechtsstreit nicht antworten, indem du dich nach der Mehrheit richtest und so das Recht beugst.“
Aber genau das hat Pilatus getan. Die Menge soll entscheiden. Dann kommt es zu einem Volksentscheid. Alle brüllen: „Barabbas! Wir wollen Barabbas!“
Damit wäre das Problem Jesus aus der Welt geschafft. Pilatus gibt nach: „Nehmt ihr ihn und kreuzigt ihn!“ Das lassen sie sich nicht zweimal sagen.
Am selben Tag noch hängt Jesus mit beiden Händen an dem Querbalken des Kreuzes auf dem Hügel vor Jerusalem, auf Golgatha. Dort hängt er zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch – der Sohn Gottes und der Menschensohn – für uns gekreuzigt, das Gericht Gottes tragend.
Sehen Sie sich die Passionsgeschichte an, die von diesem ungeheuren, undenkbaren und unmöglichen Vorgang erzählt: dass der Weltenrichter sich zum Gerichteten machen lässt.
Die Passionsgeschichte berichtet von diesem wunderbaren Tausch, den Gott vollzieht. Der einzig Unschuldige tritt an die Stelle aller Verurteilten, auch an deinen Platz. Es ist geschehen für dich und für mich.
Das, was der Hohepriester Jesus abgerungen hatte – Sohn Gottes – und das, was Pilatus festgestellt hatte – Sohn des Menschen – das stimmt beides. Jesus war wahrer Mensch, und Jesus war wahrer Gott, als er hier auf der Erde war, und er ist es auch heute.
Als wahrer Mensch steht Jesus ganz bei uns und vertritt uns als Stellvertreter vor Gott. Er steht bei uns, er liebt uns, er ist gekommen, weil er uns liebt. Er hat sein Leben gegeben, weil er uns liebt, und er lässt sein Leben, weil er uns liebt.
Jesus will lieber an unserem Platz von Gott gerichtet werden, als sich von uns Menschen zu trennen.
Zugleich steht Jesus aber auch auf der Seite Gottes. Er ist wahrer Mensch, aber auch wahrer Gott. Ganz auf Gottes Seite lässt er sich von Menschen foltern und töten, statt sich vom Vater und von seiner Liebe zu trennen.
So hält Jesus im Sterben beide fest: Gott und den Menschen, den liebenden Vater im Himmel und diese wild rebellierenden Brüder. In seinem Sterben fügt er das zusammen, was auseinandergegangen und durch die Sünde getrennt war: Gott und Menschen.
Er starb für uns, um die Brücke zu sein, die Menschen zu Gott führt. „Ich bin der Weg“, sagt Jesus, „die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“
Er ist Sohn Gottes und er ist der Sohn des Menschen.
Was machst du mit Jesus? Es ist die Stunde der Entscheidung. In Jesus hat Gott sich für uns entschieden. Die Entscheidung Gottes steht fest. Heute Abend ist diese Stunde der Entscheidung da.
Du bist gefragt: Ja oder Nein?