Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist, Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 607: Die Auferweckung des Lazarus, Teil 8
Das Wunder der Auferweckung und seine Wirkung
Wir sind am Ende der Auferweckung des Lazarus angekommen. Jesus ruft, und der Tote kommt als Lebendiger aus dem Grab getrippelt.
Was jetzt folgt, ist einerseits wunderbar und andererseits unglaublich traurig. Dieses Zeichen zwingt die Menschen zu einer Entscheidung: Was mache ich mit diesem Rabbi aus Nazaret? Wie kann es sein, dass jemand einen Toten, der schon stinkt, wieder zum Leben erweckt?
Es gibt eigentlich nur zwei Optionen: Glaube oder Ablehnung. Und nur eine davon macht wirklich Sinn. Man bedenke, dass Bethanien nicht weit von Jerusalem entfernt liegt.
Stell dir einen Ort vor, der drei Kilometer entfernt ist, und stell dir vor, Jesus hätte dort dieses Zeichen getan. Was würdest du tun? Ich jedenfalls würde hingehen, mir die Gruft anschauen, hineingehen und den Mief riechen. Ich würde jemanden suchen, der dabei war, und mir die Sache noch einmal erzählen lassen. Vielleicht würde ich sogar einen Blick auf Lazarus werfen. Ich würde die Sache genauer untersuchen.
Johannes 11,45: Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was er getan hatte, glaubten an ihn. Das ist wunderbar.
Unterschiedliche Reaktionen auf das Wunder
Frage: Warum wird hier Martha nicht erwähnt? Ich vermute, dass Maria die emotionalere der beiden Schwestern war und dass sie einfach mehr Leute in Jerusalem kannte. Die Besucher waren vor allem ihretwegen nach Betanien gekommen. Deshalb blieben sie auch mit Maria im Haus, als Martha zu Jesus lief.
Maria wirkt im gesamten Trauerprozess viel gebrochener und verzweifelter als ihre Schwester. Man hat den Eindruck, dass der Tod ihres Bruders sie viel mehr mitnimmt als Martha, die gefasster wirkt. Auch das ist ein wichtiger Einblick: Menschen sind unterschiedlich, und Menschen dürfen unterschiedlich sein.
Es gibt die emotionaleren Typen und diejenigen, die nüchterner sind – beides ist okay. Es gibt Menschen, die man im Trauerprozess mehr begleiten muss, die Maria-Typen, und solche, die ihren Weg der Trauer lieber etwas für sich gehen, wie Martha.
Lasst uns Menschen bitte so nehmen, wie sie sind.
Die Folge des Wunders: Glaube und Opposition
Die Auferstehung des Lazarus ist ein wunderbares Ereignis, durch das viele Menschen zum Glauben an Gott kommen.
Leider markiert dieses Zeichen auch den Beginn größter Opposition. Denn die Feinde des Herrn Jesus bleiben nicht unbemerkt von diesem Wunder.
In Johannes 11,46 heißt es: Einige aber von denen, die geglaubt hatten, gingen hin zu den Pharisäern und berichteten ihnen, was Jesus getan hatte.
Die Pharisäer stehen nun vor einem Problem. Das Zeichen ist so mächtig, und Betanien liegt so nahe, dass man Jesus nicht länger ignorieren kann.
Es ist nicht so, dass man ihn nicht schon längst aus dem Weg räumen wollte, aber bisher war das nicht gelungen.
Das musste sich jetzt ändern. Dieser Rabbi aus Nazareth musste schnell verschwinden!
Die Versammlung des Hohen Rates und ihre Sorgen
Johannes 11,47: Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: „Was tun wir? Denn dieser Mensch tut viele Zeichen.“
Kurz zum Hohen Rat: Der Hohe Rat, griechisch Synedrion, hebräisch Sanhedrin, war das höchste religiöse, rechtliche und politische Gremium der Juden zur Zeit des Zweiten Tempels. Er bestand vermutlich aus siebzig Mitgliedern unter dem Vorsitz des Hohenpriesters.
Der Rat setzte sich aus Sadduzäern und Pharisäern zusammen und war zuständig für die Auslegung des Gesetzes, für Gerichtsverfahren und religiöse Angelegenheiten. Unter römischer Besatzung besaß er jedoch keine Befugnis zur Vollstreckung der Todesstrafe.
Eine Frage, die sich stellt, ist: Warum wird hier von den Hohenpriestern im Plural gesprochen? Es sollte doch nur einen geben.
Das stimmt, aber der Plural spiegelt die politische Realität unter römischer Herrschaft wider. Ursprünglich gab es nur einen Hohenpriester, der sein Amt ein Leben lang ausübte. Zur Zeit Jesu wurde das Amt jedoch von den Römern politisiert und mit ihnen genehmen Personen besetzt. So existierten faktisch mehrere lebende Hohepriester gleichzeitig.
Hier versammeln sich also die Feinde Jesu und fragen sich: Was tun wir? Denn dieser Mensch tut viele Zeichen.
Die menschliche Reaktion auf das Wunder
Es ist schon schräg, oder? Ich meine, wie der Mensch tickt. Was er nicht glauben will, das will er nicht glauben – selbst wenn ein offensichtlich Toter, der schon stank, nach vier Tagen aus einer Gruft herausspaziert kommt.
Selbst wenn es Zeugen gibt, die man fragen kann, und der Ort des Wunders nicht weit entfernt ist, und die Schwester des Verstorbenen viele Bekannte in der Stadt hat – wir müssen uns das gut merken: Wir sind nicht so logisch, wie wir denken.
Und das gilt nicht nur für hohe Priester und Pharisäer, das gilt auch für gestandene Christen.
Ich sage das deshalb, weil ich im Verlauf meines geistlichen Lebens ein paar theologische Positionen überdacht und verändert habe. Und ich bin froh darüber.
Es hat mich nicht heiliger gemacht, und ich bin dadurch auch nicht geretteter geworden. Aber ich genieße es, dass Gott mich durch sein Wort weiterhin ansprechen und herausfordern darf. Ich möchte offen für neue Sichtweisen bleiben. Gottes Wort soll das letzte Wort haben.
Und genau diese Offenheit, dass Gott mich dorthin führen darf, wo er das will – diese Offenheit fehlt den Männern des Hohen Rats.
Die Angst des Hohen Rates vor den Folgen
Seht ihr die Diskrepanz? Auf der einen Seite steht der Hohe Rat, der nicht weiß, was er tun soll. Auf der anderen Seite ist Jesus, der gerade sein vielleicht größtes Zeichen gewirkt hat. Und es gab ja noch mehr Zeichen.
Dieser Mensch tut viele Zeichen, bekennen seine Gegner. Wenn wir nur an Jerusalem denken, dann lesen wir im Johannes-Evangelium von der Heilung des Gelähmten in Johannes 5 und von der Heilung des Blindgeborenen in Johannes 9. Den Hohen Herren fehlt es wirklich nicht an Zeichen, sie wollen nur einfach nicht glauben.
Und sie haben Angst. In Johannes 11,48 heißt es: „Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben, und die Römer werden kommen und unsere Stadt wie auch unsere Nation wegnehmen.“
Wovor hat der Hohe Rat Angst? Die Sadduzäer und die Pharisäer fürchten einen Aufstand. Sie haben Angst, dass alle an Jesus glauben, egal was er sagt oder tut, und dass es so zu einer Revolte gegen die Römer kommt.
Das jüdische Volk kann diesen Aufstand jedoch nicht gewinnen. Rom ist zu stark. Am Ende würde alles verloren gehen – die Stadt und die Nation.
Die Bedeutung von „Stadt und Nation“ im Kontext
Interessanterweise steht hier nicht das typische Wort für Stadt, Polles, sondern Topos, was man besser mit Ort oder Stätte übersetzen sollte. Gemeint ist deshalb weniger die ganze Stadt als vielmehr der Tempel, das kultische Zentrum des Judentums.
Die Formulierung „Stadt und Nation“ steht dann für die religiöse und politische Identität der Juden. Das ist ihre Angst: Wenn wir diesen Rabbi machen lassen, werden die Römer uns alles wegnehmen. Sie werden die Stadt und den Tempel zerstören und das Volk deportieren.
Die traurige Wahrheit ist genau diese: Siebzig Jahre nach Christus werden die Römer genau das tun. Aber nicht, weil der Hohe Rat diesem Rabbi Einhalt geboten hat, sondern weil er ihn nicht erkannt und keine Buße getan hat.
Der Aufstand wird kommen, aber nicht, weil alle plötzlich an Jesus glauben, sondern weil sich das nationalistische Denken des Hohen Rats verselbständigt. Dieses Denken reißt Stadt, Tempel und Volk in den Untergang.
Einladung zur persönlichen Reflexion
Was könntest du jetzt tun? Überlege einmal, wie durchdacht und an der Bibel ausgerichtet dein Glaube ist.
Das war es für heute. Falls du es noch nicht getan hast, nimm dir vor, die Bibel zu lesen oder anzuhören.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.
