Warum wir Schuldner des Evangeliums sind
Ich freue mich, dass wir zu diesem Thema jetzt Ulrich Parzany zu Gast haben. Ich glaube, ich muss nicht viel zu ihm sagen – ihr kennt ihn. Manche wissen vielleicht nicht, dass er als junger Mann, im Alter von vielen, die jetzt hier sind, auch im Ausland war, als Vikar beim Propst in Jerusalem.
Manche wissen vielleicht auch nicht, dass er Träger des Bundesverdienstkreuzes ist, obwohl ich genau weiß, dass ihm das jetzt nicht gefällt, wenn ich das sage. Aber vielleicht weißt du, Ulrich, auch etwas nicht: warum ich auf eine ganz besondere Weise dein Schuldner bin.
Meine Frau und ich haben uns vor über zwanzig Jahren kennengelernt. Da haben wir natürlich auch miteinander darüber gesprochen, was uns im Glauben geprägt hat und was uns besonders wichtig geworden ist. Für meine Frau war ein Dienst in den Achtzigerjahren in Oberndorf am Neckar, bei einem Pfarrer aus Kassel, ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben.
Insofern stehe ich auch in deiner Schuld. Es gibt andere, die könnten jetzt kommen und sagen: Ja, aber Parzany, das ist doch ein Unruhestifter, ein Störenfried. Doch es gibt auch eine heilige Unruhe.
Mein Wunsch für euch heute, mein Wunsch für dich jetzt, Uli, ist, dass du unsere Zuhörer in eine heilige Unruhe versetzt, dass du sie herausforderst, warum wir alle Schuldner des Evangeliums sind.
Ich bin gespannt auf dich und freue mich, dass du hier bist. Wenn ich das alles kommentieren müsste, bräuchte ich ja jetzt keine weitere Rede mehr zu halten. Ich verzichte deshalb darauf.
Hintergrund und Anlass des Römerbriefs
Warum schreibt Paulus den Römerbrief? Er hat einen ganz praktischen Grund und eine Strategie, wie wir heute sagen würden. Er möchte das Evangelium bis an das Ende der Welt bringen – damals war das Spanien. Für manche Senioren ist das bis heute das „Ende der Welt“.
Paulus weiß, dass er dafür eine Basis braucht, von der aus das Evangelium weiter nach Westen verbreitet werden kann. Diese Basis ist Rom. In Rom ist eine Gemeinde entstanden, und deshalb schreibt er an diese Gemeinde.
Der Zweck seines Briefes ist, dass er hofft, irgendwann nach Rom zu kommen. Er schreibt im ersten Kapitel, dass er viele Widerstände hatte und oft nicht kommen konnte. Trotzdem hofft er, dass es bald klappt. Deshalb verfasst er den langen Römerbrief, in dem er die kompakteste und ausführlichste Grundlegung des Evangeliums beschreibt. So sollen die Empfänger verstehen, warum es notwendig ist, diese Botschaft bis ans Ende der Welt zu bringen. Außerdem sollen sie erkennen, dass sie die Startbasis dafür sein müssen und dass dies hoffentlich bald geschieht.
Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man Römer 1, Verse 14 bis 20 liest. Nicht alle haben eine Bibel dabei, aber manche kennen die Verse auswendig.
Vers 14: „Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen. Darum, so viel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.“ Hier steht übrigens das griechische Wort „euangelizistai“, das mit „Evangelium predigen“ übersetzt wird.
Weiter heißt es: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die rettet und selig macht“, sagt Luther. Wörtlich bedeutet es: „die alle rettet, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.“
„Denn darin wird offenbar – also im Evangelium – die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus Glauben kommt und zu Glauben führt, wie geschrieben steht in Habakuk 2: ‚Der Gerechte wird aus Glauben leben.‘“
„Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten.“
„Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbart, denn Gott hat es ihnen offenbart. Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt aus seinen Werken ersehen, wenn man sie wahrnimmt, sodass sie keine Entschuldigung haben.“
Die Bedeutung der Schuldnerschaft gegenüber dem Evangelium
Warum wir Schuldner des Evangeliums sind, heißt das Thema. Es gibt ja diese bekannte Geschichte: „Der Genitiv ist dem Dativ sein Tod“ oder so. Warum? Das ist ein heikles Thema, das ich nicht weiter vertiefen will – besonders, wenn man mit Schwaben spricht und ihren Gebrauch des Dativs.
Aber bei dem Thema dachte ich schon: Was ist denn da? Wer ist denn jetzt wessen Schuld? Warum schulden wir? Also: Schulden wir dem Evangelium etwas, oder schulden wir das Evangelium wem? So ist es, glaube ich, gemeint.
Deshalb stellen wir zunächst einmal die Frage: Wem schuldet Paulus das Evangelium? Ist euch aufgefallen beim Lesen, dass er ja gar nicht sagt „wir sollten“ oder „ihr müsst“ oder „wir alle“ und so weiter? Sondern er sagt ja nur einfach mal „ich“. Und zum Schluss dessen, was ich versuche zu erklären, kann jeder von uns sagen, ob das nun die persönliche Besonderheit von Paulus ist oder ob das vielleicht doch für uns alle gilt. Das muss sich aus dem Inhalt ergeben – das wird sich aus dem Inhalt ergeben, so hoffe ich.
Also: Paulus – wem schuldet er das Evangelium? Das ist zunächst einmal die Frage. Er sagt hier in Vers 14: „Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen.“ „Nichtgriechen“ ist die vornehme Übersetzung. Luther wollte in diesem Fall mal höflicher sein. Sonst war er weniger höflich. Da steht eigentlich „griechisch Barbaren“. Und wenn wir sagen „der Griechen und der Barbaren“, dann denken wir, das sind die, die können nicht mal Messer und Gabel essen und so, das ist etwas Schlimmes.
Ja gut, aber Barbaren nannten die Griechen die, die nicht gebildet waren. Das waren die Gebildeten. Also Griechisch war die Sprache, die man damals im Römischen Reich allgemein als Verkehrssprache sprach – so wie man heute, wenn man in Schwaben Karriere machen will, in der Wirtschaft mit jemandem spricht. Wenn man halt Englisch im Büro spricht, klar, das sind ja hier alle Global Player, man muss halt Englisch sprechen. Wenn man das Internet verstehen will, muss man auch mit Englisch klarkommen. So war das damals mit Griechisch.
Und wer nicht Griechisch konnte, das waren die Barbaren. Die waren irgendwie... ja, denen kann man jetzt auch nicht helfen. Und dann übersetzt Paulus das auch noch einmal: „Ich bin ein Schuldner“, also ich bin denen schuldig, den Klugen, also den Gebildeten, und den Ungebildeten. Das ist schon interessant.
Denn in der Mission, in der Evangelisation, hat man oft herausgefunden, dass es ganz schwer ist, alle Schichten gleichermassen zu erreichen. Und dann hat man gesagt, es ist wirksamer, eine Strategie zu haben, homogene Gruppen zu erreichen. Wir machen das ja: Wir machen Jugendarbeit, wir wissen es besser, so Teenies zu erreichen, wenn die mal unterwegs sind und so. Wir machen Studentenarbeit, da kannst du für Studenten und ihre Fragen da sein. Das ist eine richtige Strategie gewesen – auch ein bisschen umstritten, aber natürlich für uns alle durchaus praktisch wirksam: homogeneous people group, das heißt Gruppen menschengleicher Art.
Und Herr Paulus war ein Intellektueller. Ich meine, der sprach Griechisch als Muttersprache, obwohl er Jude war. Denn er war ja in Tarsus zuhause, der kannte das ja, der hatte die griechischen Philosophen gelesen. Das heißt, der kannte sich aus, der war einer, der in dieser Welt zuhause war. Mit den Gebildeten konnte er ohne Konzept sprechen, das war sozusagen seine Wellenlänge.
Und das war für ihn viel schwerer, mit anderen zu reden. Als er zum Beispiel nach Lystra kam, die verstanden überhaupt kein Griechisch, und er verstand sie nicht. Apostelgeschichte 14 kann man das nachlesen. Die sprachen Lykaonisch, und er wusste sowieso auch nicht, wie er da anknüpfen sollte. Die Synagoge gab es da nicht und so weiter. Dann passiert eine Heilung, weil er denkt, das ist jetzt dran, und das geschieht auch. Aber das Ganze wird ein Riesendesaster. Anstatt dass die Erweckung aufbricht und die sagen: „Jetzt erzählt uns von Jesus“, wollen die gleich ein Götzenopfer feiern und Paulus und Barnabas als Zeus und Hermes verehren.
Das heißt, da waren ganz ungebildete Leute, und wie schwer war das für ihn, ihnen das Evangelium zu vermitteln! Ich habe in meinem letzten Jahrtausend auch Jugendarbeit betrieben. Ich erinnere mich noch daran, als Jugendfahrer in Essen und so. Das war im Wesentlichen: Du hast da so Jungs zwischen 14 und 18 gehabt. Wenn du die zu einem Thema eingeladen hast, dann wusstest du schon, dass wenn die drei Worte sprechen mussten, waren die eigentlich schon müde. Das war erst so: „Wie geht’s dir?“ „Hm?“ „Was sollen wir machen?“ Red mal mit jemandem, der immer nur so grunzt wie eine Wildsau.
Und dann denke ich mir mal, wenn ich so Jugendarbeitsprogramme an, missionarische Jugendarbeit, dann haben sie Themen und dann gibt es Gesprächskreise. Da kommen überwiegend Mädchen und die wenigen Jungs, die der verbalen Kommunikation kundig sind. Das sind wahrscheinlich 15 Prozent der Bevölkerung, die anderen können das einfach nicht. Und ich sage: „Ich bin doch nicht, tu ich mir doch nicht an, ich setze mich doch nicht in so einen Kreis von Eierköpfen, die mir die Ohren vollquatschen und mir demonstrieren, dass ich doof bin, das weiß ich doch so schon. Und dann muss ich auch noch die Bibel lesen, dann lassen sie auch noch reihum lesen, dann kommt raus, dass sie gar nicht lesen können. Also das brauche ich nur wirklich wenig.“
Weißt du, das will ich nur signalisieren: Paulus sagt den Gebildeten und Ungebildeten, denen, die fließend Griechisch sprechen und Englisch sprechen, und denen, die da keine Ahnung von haben. Es ist immer gut, nichts dagegen zu sagen, dass man eine Platzanweisung hat und sagt: „Ich, da mit Schülern und mit Studenten oder mit dieser Zielgruppe, das liegt mir, das ist so meine Wellenlänge, da bin ich so zu Hause, und da kann ich mich verständlich machen, da kann ich auch die Einladung zu Jesus rüberbringen.“
Aber wir brauchen auch in der Weltevangelisation immer Leute, die bereit sind, Kulturgrenzen zu überspringen. Und das ist gar nicht nur so, dass man in spanische Kulturen geht oder in andere Kulturen, afrikanisch, asiatisch und so weiter. Das wissen wir. Sondern wir haben innerhalb unserer eigenen Gesellschaft massive Kulturen.
Für einen Studenten, der sich wirklich kümmert um Teenager, der muss wirklich nicht das tun, was ihm wichtig ist, was ihm Spaß macht, sondern der muss eine Übersetzung schaffen mit dem Evangelium und so leben, dass er die erreicht, die er für Jesus erreichen will.
Also da sagt Paulus: „Da weiß ich nicht, ob du das so empfindest. Vielleicht sagst du: ‚Mit so Leuten, mit denen ich nicht kann, da habe ich auch keine Verantwortung für.‘“ Nein, sagt Paulus: „Ich bin ein Schuldner.“ Der Gebildeten, also Intellektuellen, mit denen ich gut kann, und mit denen, mit denen es mir ganz schwer fällt, wo ich harte Übersetzungsarbeit leisten muss, wo ich mich erst sehr, sehr bemühen muss, einen Kontakt zu finden, bevor ich etwas rüberbringen kann. Das ist schweistreibende Arbeit.
Und ich will euch nur darauf hinweisen, dass es nicht nur so ist, dass, wer in anderen Kulturen weltweit lebt, der weiß, wie hart es ist, eine andere Sprache zu lernen. Ich habe in der arabischen Welt gelebt, und man braucht sechs Jahre, um halbwegs erträglich Arabisch zu sprechen. Das ist eine solche hohe Kultur.
Heute brauchen wir aber ganz, ganz viele fitte junge Christen, die Arabisch und Türkisch und so sprechen, gerade mit der Herausforderung in der Evangelisation zu syrischen Flüchtlingen und Nordafrikanern. In dieser Kultur kannst du zu den Herzen der Menschen nur sprechen, wenn du in ihrer Muttersprache sprichst.
Ich bin tief beeindruckt in den letzten Wochen, bei evangelistischen Wochen, wo ich war. Seit dem Sommer kamen eigentlich immer Flüchtlinge dazu, und oft waren beim Aufruf zum Kreuz die Ersten, die da standen, unter dem Kreuz und ein offenes Herz, eine Sehnsucht hatten. Die haben schon gestrahlt wie Honigkuchenpferde.
Wenn ich nur meine paar Brocken Arabisch kann – ich kann gar nicht Arabisch, ich kann nur so für den Markt, habe ich das gelernt, damit ich nicht so viel Geld bezahlen muss, um Dolmetscher zu machen. Nur wenn ich achte auf Sachen und sagen kann: „Kefalak“ und „Herzlich willkommen“ und „Wie geht’s dir?“, dann sagen die schon „Nasch kumal, alhamdulillah“ – Gott sei Dank. Einer, drei, drei Araber, die sagen: „Sprichst du Arabisch?“ Ich sage: Ich schweige, ich schweige ein bisschen und so. Also alles ganz schrecklich.
Aber da merke ich: Du guckst in glückliche Gesichter, nur weil du ein paar Brocken kennst. Es ist so schwer, fremd zu sein. Wer je in fremden Ländern gelebt hat und Kulturen kennt, weiß, wie anstrengend das ist.
Deshalb, also die Entscheidung: Wenn du wie Paulus ein Schuldner der Griechen und der Barbaren, der Gebildeten und der Ungebildeten bist, dann wirst du wie er die Mühe nicht scheuen, die schwere Arbeit nicht scheuen, solche kulturellen Grenzen und Verhaltensgrenzen, die innerhalb unserer Gesellschaft genauso sind wie nach draußen in der Welt, zu überwinden.
Die Herausforderung und Motivation des Paulus
Paulus war in Athen bei den Professoren auf dem Areopag, der damals als Akademie der Wissenschaft galt. Dort hielt er eine Rede, die nur mäßigen Erfolg hatte, wie wir heute wissen. Ob in Athen danach eine Gemeinde gegründet wurde, ist unklar. Einige Menschen bekehrten sich, doch die meisten lachten ihn aus.
Auf dem Marktplatz war Paulus schneller zu Hause. Dort diskutierte er mit Philosophen. Diese Situation findest du in Apostelgeschichte 17.
Lystra war dagegen ein harter Boden für Paulus. Dort endete seine Arbeit für ihn dramatisch: Er wurde gesteinigt. Paulus hatte die religiösen Überzeugungen der Menschen herausgefordert, indem er sagte, sie seien weder Zeus noch Barnabas, sondern sollten sich von den Götzen zum lebendigen Gott bekehren. Danach war der Spaß vorbei, und Steine flogen auf ihn.
Die Menschen schleiften ihn zur Müllkippe von Lystra und hielten ihn für tot. Doch die zum Glauben gekommenen Jünger überprüften ihn, als sie seine Leiche entsorgen wollten, und stellten fest, dass er noch lebte. Paulus stand auf und setzte seinen Weg fort. Das hatte natürlich seinen Preis.
Paulus sagt hier auch, dass er ein Schuldner sei. Deshalb will er Griechen und Barbaren, Weiße und Nichtweiße erreichen. Soweit es an ihm liegt, möchte er auch nach Rom kommen. Traut er sich nach Rom? In der Provinz und der Pampa, da traut er sich. Aber in Rom, wo der Bär tanzt, wo die Berliner Luft weht und nicht die Hinterwäldler zu Hause sind, da traut er sich angeblich nicht hin, sagen manche.
Doch Paulus widerspricht: „Doch, doch“, sagt er. „Es liegt mir viel daran. Ich bin willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.“ Das Evangelium ist ihm nicht peinlich, er schämt sich nicht dafür.
Das ist die entscheidende Frage: Ist mir Jesus peinlich? Eltern können für Teenager peinlich sein, aber ist Jesus peinlich? Paulus sagt klar: Das Evangelium ist ihm nicht peinlich. Warum? Weil es eine Kraft Gottes ist, die rettet, und zwar die, die daran glauben – zuerst die Juden und ebenso die Griechen.
Paulus betont das hier nochmals und legt damit auch heilsgeschichtlich eine Bedeutung dar. Die Juden haben immer das erste Recht, das Evangelium zu hören, weil sie das Bundesvolk sind. Danach öffnet sich der Bund nach außen für uns, die aus den Völkern sind.
Warum betont Paulus das ausdrücklich in seinem Vorstellungsschreiben in Rom? Weil in Rom zu seiner Zeit ein starker Antijudaismus und Antisemitismus herrschte. Unter Kaiser Claudius gab es eine Judenvertreibung aus Rom. Die Juden wurden immer wieder beschuldigt und stark diskriminiert.
Paulus setzt von Anfang an einen klaren Text: Das Evangelium gilt zuerst dem jüdischen Volk, dem erwählten Volk Gottes, und dann auch den Völkern.
Das ist das Thema: Wem schuldet Paulus das Evangelium?
Die innere Notwendigkeit des Dienstes
Das Zweite, was er sagt, ist: Ich bin ein Schuldner. Da fragen wir uns: Hat er nicht schlechte Motive? Ist das wirklich ein gutes Motiv, zu sagen: Ich bin ein Schuldner?
Ein Schuldner zu sein bedeutet doch Zwang. Jemand kann einen Prozess gegen mich führen, den Gerichtsvollzieher auf mich ansetzen und die Schulden eintreiben. Er kann mich vor Gericht anklagen. Das ist ein Zwang. Man muss das tun. Schulden zu haben bedeutet oft schlaflose Nächte. Ist das nicht eine schlechte Motivation? Soll man das Evangelium weniger predigen, weil man einen solchen Zwang hat?
Wer diese Frage stellt, bekommt von Paulus im ersten Korintherbrief eine klare Antwort: Ja. In 1. Korinther 9 sagt Paulus genau das. Ich lese euch das mal vor: Er sagt, dass er das Evangelium predigt, nicht aus eigenem Ruhm, sondern weil er es muss. Im Griechischen steht sogar wörtlich: „Ein Zwang liegt auf mir.“ Das klingt fast katastrophal. Manche sagen, man müsste ihn zum Psychiater schicken, weil er zwanghaft sei. Er war vielleicht vorher ein Fanatiker und blieb es auch als Christ. Vielleicht hätte man ihm besser eine Psychiatrie empfohlen.
„Ein Zwang liegt auf mir“, sagt Paulus. „Wehe, wenn ich das Evangelium nicht predige.“ Also hatte er schlechte Motive? Kann man das als Vorbild nehmen?
Wenn man die Paulusbriefe liest, wird diese Frage ganz klar beantwortet. Im Römerbrief Kapitel 5 sagt Paulus: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.“ Im zweiten Korintherbrief Kapitel 5, Vers 14 heißt es: „Die Liebe Christi treibt uns.“
Das alles Übersteigende findet sich dann in 1. Korinther 13, dem Hohen Lied der Liebe. Paulus sagt: Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, hätte aber keine Liebe, wäre alles nur Blech. Wenn ich sozial alles täte, alles hergäbe und mich opferte mit Leib und Leben, aber keine Liebe hätte, wäre es nichts. Selbst wenn ich die Gabe der prophetischen Rede hätte und vieles mehr, aber keine Liebe, wäre es nichts.
Das heißt: Paulus war total davon getrieben – von der Liebe Gottes, die in Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, zu ihm gekommen ist. Diese Liebe ist nicht nur von außen, sondern durch den Geist Gottes in sein Herz ausgegossen worden. Sie wurde der Motor seines Lebens.
Gott selbst, der die Liebe ist, wohnt im Heiligen Geist. Die erste Frucht des Heiligen Geistes ist die Liebe. Das ist völlig klar. Die Motivation für alles – zur Ehre Gottes zu leben und in Wort und Tat sein Zeuge zu sein – ist die ausgegossene Liebe. Diese Antriebskraft der rettenden Liebe Gottes.
Deshalb spricht Paulus auch in 2. Korinther 4, Vers 5 davon, dass er sagt: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus als Herrn. Wir aber sind eure Sklaven.“ Das Wort „Sklaven“ klingt heute schrecklich und widerspricht unserem Lebensgefühl. Heute sagen wir: Ich muss etwas aus der richtigen Motivation tun, spontan, frei und ohne Zwang. Kein Druck, kein Stress. Das ist uns sehr wichtig.
Paulus sagt: Die Liebe Gottes, die mich antreibt, erlaubt mir nicht, wie ein Gönner durch die Welt zu gehen und zu sagen: „Na ja, wenn es mir Befriedigung gibt und ich auch Vorteile habe, dann gebe ich vielleicht etwas ab.“ Diese Beliebigkeit, diese Orientierung an eigenem Gewinn und Genuss entspricht nicht der Dynamik der Liebe Gottes, die mich rettet, erfüllt und von innen antreibt.
Niemand hat Paulus das aufgezwungen. Er beschreibt seinen Dienst selbst als Verpflichtung, als Zwang, als innere Notwendigkeit: Ich muss das tun. Er muss sich nichts darauf einbilden, und es geht nicht nur darum, ob es ihm Spaß macht oder Befriedigung bringt.
Heute wird oft versucht, ehrenamtliche Mitarbeit mit dem Versprechen zu locken, dass sie sich auszahlt, weil man Befriedigung dabei hat. Das mag oft stimmen, aber manchmal ist man einfach am Ende, hat nur noch Stress und möchte alles hinschmeißen. Da zahlt sich nichts mehr aus.
War Jesus tief befriedigt am Kreuz, als er schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Paulus sagt: Ich bin ein Schuldner. Seine Motive sind tief. Die Liebe treibt uns zu verantwortlicher und verbindlicher Arbeit.
Die drei Gründe für die Bringschuld des Evangeliums
Und dann nennt er drei starke Gründe, warum er sagt: Wir sind Schuldner. Ich bin ein Schuldner aller – der Griechen und nicht der Barbaren, der Gebildeten und Ungebildeten.
Ihnen das Evangelium zu verkünden bedeutet, dass ich ihnen schuldig bin. Es ist eine Bringschuld. Ich kann nicht sagen: Wer da ist, kann jeder kommen. In Kirchen stehen ja Gelände herum, der Schaukasten ist auch ausgeschlagen, und heute kannst du das Evangelium auch im Internet finden. Man könnte denken, es können ja alle kommen, wenn sie wollen.
Nein, es ist eine Bringschuld. Es ist eine Bringschuld. Und hier nennt er drei starke Gründe, warum das Evangelium eine Bringschuld ist.
Die rettende Kraft des Evangeliums
Und das erste heißt: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes zur Rettung – so wörtlich. Und im Vers sechzehn steht: Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes zur Rettung, wörtlich, denen, die glauben, den Juden zuerst und ebenso den Griechen.
Wie sollen wir das verstehen? Das Evangelium ist die Kraft Gottes zur Rettung. Wenn jemand von einer Lawine verschüttet wird – sei es Schnee oder diese schrecklichen Gerölllawinen, die bei starken Regenfällen ganze Erdhänge abrutschen lassen – dann braucht es eine enorme Kraft, um die Menschen zu retten.
Erstens ist klar: Die eigene Kraft der Verschütteten reicht nicht aus. Sie kommen nicht mehr aus der Lawine heraus. Noch schlimmer ist, dass ihnen die Luft ausgeht, sie werden bewusstlos und wissen oft nicht einmal, wie groß ihre Gefahr ist. Sie können nicht erkennen, was nötig wäre, um gerettet zu werden, geschweige denn, dass sie selbst etwas tun könnten.
Deshalb ist in solchen Situationen eine Rettung nötig, die so stark ist, dass sie von außen zu denen durchdringt, die nicht wissen, was ihre Not ist und sich aus dieser Not nicht selbst befreien können. Das ist ihr Problem.
Paulus sagt: Genau das ist das Problem des Menschen. Das Evangelium – das heißt die Botschaft, dass Jesus, der gekreuzigte und auferstandene Gott selbst, der Retter ist, der uns aus der Lawine der Sünde befreit, uns an die frische Luft des Lebens bringt und mit Gott verbindet, damit wir aufrecht gehen, uns bewegen und wieder leben können.
Die Kraft zu dieser Rettung hat nur das Evangelium von Jesus Christus. Aber was ist das Evangelium von Jesus Christus? Es ist nicht bloß die Information über Jesus Christus. Das Evangelium hat einen Inhalt, und das ist die Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus selbst.
Der Kern des Evangeliums ist, dass er dir durch menschliche Zeugen, durch den Heiligen Geist oder auf andere Weise sagt: Dir sind deine Sünden vergeben, weil ich für dich gestorben und auferstanden bin. Du bist versöhnt mit Gott. Mit diesem Kraftwort schafft er dich frei aus dem Verschüttetsein unter der Lawine der Sünden.
So sagt Paulus: Das ist der Grund, darum ist es Gottes Bringschuld. Die Menschen können gar nicht wissen, was sie brauchen. Kein Mensch. Deutschland ist voller Leute, die überzeugt sind, dass Gott das Letzte ist, was sie brauchen.
Und die Christen rätseln herum und fragen: Wie sollen wir dann evangelistisch arbeiten, wenn die Leute das gar nicht brauchen? Jetzt versuchen manche, ihnen irgendwelchen Quark anzubieten, weil der Kunde König ist und wir es gewohnt sind, das zu bekommen, was wir zu brauchen glauben.
Das Problem ist aber: Der Mensch kann nicht wissen, was er zur Rettung braucht. Er liegt unter der Verschüttung der Sünde, in der Bewusstlosigkeit des Sterbens, des Todes und der Trennung von Gott. Er kann es nicht wissen und kann sich also nicht selbst sagen, was er braucht. Aber er kann es erst recht nicht selbst tun.
Deshalb kommt Gott in diese Welt, in Jesus, der ans Kreuz geht und aufersteht. Paulus sagt: In diesem Evangelium von Jesus Christus allein ist genug Kraft zur Rettung.
Den Ausdruck „Rettung“ verwenden wir sprachlich nur bei einer Form von Hilfe, wenn es um Tod und Leben geht. Man kann Menschen auch auf andere Weise helfen, was sehr nötig und hilfreich ist. Freundliche Hilfe ist immer ein Ausdruck von Liebe.
Aber Rettung – um die geht es hier. Man kann auch den christlichen Glauben als Lebenshilfe anbieten. Das ist überhaupt nichts Falsches und sicherlich nett. Aber das hat noch nichts mit Rettung zu tun.
Natürlich kann der christliche Glaube dazu beitragen, dass man Gemeinschaft findet, mehr Sinn im Leben hat und sich glücklicher fühlt. Neulich sagen Leute sogar, es wäre gesund, wenn man betet. Das sind alles Vorteile, die man den Menschen anbietet, weil sie sagen: „Ich brauche das alles nicht.“ Vielleicht sagen sie dann doch: „Ach, nehm ich vielleicht doch.“
Nein, es geht um Rettung – um Tod und Leben in Ewigkeit. Und das kann sich der Mensch weder selbst sagen, noch selbst wissen oder erkennen. Und schon gar nicht kann er es selbst tun. Sondern die Kraft liegt im Evangelium.
Die Offenbarung des Zorns Gottes
Paulus macht im zweiten starken Grund noch einmal besonders deutlich, was er meint. Er sagt: „Denn Gottes Zorn wird vom Himmel offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“ (Römer 1,18).
Er erklärt damit den Grund, warum er eine Bringschuld hat, warum er ein Schuldner der Menschen ist und ihnen das Evangelium sagen muss. Die größte Gefahr im menschlichen Leben ist der Zorn Gottes. Dieser Zorn wird vom Himmel offenbart über alle gottlosen Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen.
Paulus sagt nicht, dass die Menschen Probleme haben, das alles zu verstehen, weil es eine andere Welt ist und wir heute so postmodern leben. Nein, er sagt, das Problem ist, dass sie die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. Sie könnten es wissen, denn seit der Schöpfung hat Gott sich so weit erkennen lassen, dass jeder wenigstens die richtigen Fragen stellen kann. Das ist so, aber sie wollen es nicht zulassen.
Jeder ahnt es: Wir leben oft nach dem Prinzip „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Doch tief im Innern wissen wir, dass, wenn Gott lebt, wir unser Leben nach ihm richten müssten. Weil wir Veränderungen hassen, wollen wir es gar nicht genau wissen. Eine Religiosität, die alles im Dunst lässt, ist komfortabel und bestätigt den Status quo: So, wie es ist, kann es bleiben.
Warum sollte ich mich ändern, wenn ich nicht weiß, ob es Gott wirklich gibt? Wenn ich nicht weiß, was er wirklich will? Und wenn sich das sowieso ständig ändert? Und wenn sowieso jeder sieht, was er sehen will? Warum sollte ich mich dafür kratzen?
Paulus sagt ganz klar: Das Zorngericht Gottes ist über alle Bosheit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit, die sie von Gott wissen können und nach der sie fragen können, durch Ungerechtigkeit niederhalten und unterdrücken. Das heißt, die Entscheidung fällt.
Natürlich werden ein Leben lang stundenlang intellektuelle Zweifel diskutiert, und Paulus ist jederzeit bereit dazu. Aber er hat immer erlebt, dass, wenn die intellektuellen Fragen beantwortet sind und man denkt, die Leute würden sich nun bekehren, weil sie intellektuell überzeugt sind, die große Enttäuschung folgt. Denn die Entscheidung fällt in die Lebensfragen.
Die Sache ist verstanden, der Widerspruch ist klar, aber die Menschen wollen nicht. Dann weiß man ganz genau: Bekehrung heißt, mein Leben wird verändert. Das heißt, die Wahrheit wird durch Ungerechtigkeit niedergehalten. Sie wollen Gottes Gebote nicht in ihrem Leben anwenden.
Das kann noch so plausibel gemacht werden, ideologisch, theologisch oder philosophisch einleitend sein – sie wollen ihr eigener Herr sein. Sie wollen bestimmen, wie sie mit Geld umgehen, wie sie mit Sex umgehen, wie sie in ihrer Berufsethik leben. In all diesen Fällen wollen sie selbst bestimmen, dass es ihre höchstpersönliche Sache ist.
Die Entscheidung ist also, wer Gott in deinem Leben ist. Das ist keine intellektuelle Entscheidung, sondern eine Lebensentscheidung.
Paulus sagt klar: Das Grundproblem ist nicht, dass wir nicht gut mit dem Leben zurechtkommen, sondern dass wir auf jeden Fall auf die Wirklichkeit Gottes stoßen und dass sein Gericht unausweichlich ist.
Der Zorn Gottes wird offenbart vom Himmel – jawohl! Der Zorn Gottes wird offenbart in Jesus am Kreuz. Der gekreuzigte Jesus ist zugleich die Offenbarung der Heiligkeit und des Zorngerichts Gottes und seiner rettenden Liebe.
So sehr hasst Gott die Sünde, dass er selbst stellvertretend an unsere Stelle geht, als Gerichteter stirbt Jesus unseren Tod und trägt das Urteil. Die Offenbarung des Zornes Gottes ist am Kreuz total offenbart vom Himmel, das heißt erkennbar und enthüllt.
Dasselbe Wort für „offenbart“ steht hier zweimal hintereinander: Im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart, und dann heißt es: „Denn Gottes Zorn wird vom Himmel offenbart über alles gottlose Wesen“ (Römer 1,17-18).
Das gleiche Wort „enthüllt“ oder „offenbart“ steht hier für Gottes Gerechtigkeit, die uns rettet, und für seinen Zorn.
Die doppelte Bedeutung der Gerechtigkeit Gottes
Das ist nämlich der dritte starke Grund. Die Gerechtigkeit ist nicht nur, wie wir es verstehen, jetzt die Gerechtigkeit, die uns verurteilt. In der Bibel ist die Gerechtigkeit Gottes die Bundestreue Gottes. Sie umfasst zugleich natürlich auch die Heiligkeit Gottes. Er steht zu seinem Wort, er ist treu zum Bund. Er hält seinen Vertrag mit Israel und mit den Menschen ein. Er steht zu dem Wort, das er gesagt hat, auch zu seinen Geboten. Aber er ist auch vertragstreu zu seinem Bundespartner.
Insofern umfasst das Verständnis von Gerechtigkeit in der Bibel Gericht und Heiligkeit genauso wie die Liebe. Das ist die Grundentdeckung der Reformation bei Martin Luther, wie man zum Beispiel in Psalm 71 nachlesen kann. Luther dachte: „Wie soll ich das glauben? Herr, rette mich durch deine Gerechtigkeit“, heißt es da im Psalm. Er sagte, die Gerechtigkeit Gottes könne ihn doch nicht retten, sie mache ihn fertig. Wenn Gott gerecht ist, dann ist er verloren.
Bisher verstand man die Gerechtigkeit in der Bibel als verurteilende Gerechtigkeit und als Bundestreue. Diese Bundestreue, diese Gerechtigkeit, wird im gekreuzigten Jesus Christus, im Evangelium von Jesus, offenbart, wie Paulus hier sagt. Dort erkenne ich die Heiligkeit Gottes und seine Richterwirklichkeit und zugleich seine rettende Liebe, indem ich auf Jesus schaue. So sehr hat Gott die Welt geliebt.
All das kann keiner von Natur aus wissen. Das wächst nicht auf unserem Mist, das kann niemand selbst erkennen und niemand selbst tun. Deshalb sagt Paulus, das Evangelium von Jesus, das Juden und Völker rettet, ist eine Bringschuld. Eine Notwendigkeit.
Wenn du fragst, welchen Platz das Evangelium in deinem Leben hat und warum du dich darauf einlassen solltest, wirst du enttäuscht werden, wenn du nur darauf schaust, ob es Spaß macht, ob die Leute nett sind und ob du Erfolg hast und dadurch bestätigt wirst. Das führt zu Frustration.
Was du brauchst, ist Klarheit darüber, was notwendig ist, was wirklich die Notwendigkeit ist. Ist es ein altes Märchen, eine alte Mythologie aus der spätjüdischen Apokalyptik, dass der Zorn, das Zorngericht Gottes über alles Böse, das größte Problem der Menschheit ist? Oder ist das Wahrheit? Haben wir darüber zu befinden? Ob wir das noch sagen dürfen oder nicht, weil wir meinen, das seien damals krause Gedanken, von denen wir weit entfernt sind? Oder ist es in der Offenbarung Gottes im gekreuzigten Jesus offenbart, dass er der heilige Gott ist, der die Sünde richtet?
Das Gericht hält er doch am Schluss, und Christus hält stellvertretend jetzt schon Gericht, sodass ich frei und geborgen bin, wenn ich das annehme. Am Ende der Welt wird er das Weltgericht halten. Ist das wahr oder nur eine ideologische Einbildung? Diese Entscheidung muss man treffen. Dass wir darüber unterschiedlicher Meinung sind, ist okay. Niemand wird gezwungen, also muss es eine freie Debatte geben. Aber wir werden uns entscheiden müssen. Es kann nicht alles wahr sein.
Also gibt es drei starke Gründe: Das Evangelium ist die Kraft Gottes zur Rettung, der Zorn Gottes wird vom Himmel offenbart, und die Gerechtigkeit Gottes wird im Evangelium offenbart.
Die Dringlichkeit der Verkündigung
Mein geistlicher Vater, der Jugendpfarrer Wilhelm Busch, hielt in den 1950er Jahren in Hannover einen Vortrag vor Pfarrern der hannoverschen Landeskirche. Eingeladen wurde er vom damaligen hannoverschen Bischof Hans Willi. Das Thema seines Vortrags lautete: „Was fehlt unserer Predigt?“
Wilhelm Busch war ein starker und guter Prediger. Er war auch erfolgreich, denn viele Menschen besuchten seine Gottesdienste und Vorträge. Zum Schrecken aller Zuhörer begann er seinen Vortrag mit der einfachen Feststellung: „Unserer Predigt fehlt die Angst, dass wir und unsere Hörer in Ewigkeit verloren gehen können.“
Daraufhin gab es einen Aufschrei! Wie konnte er so etwas sagen? Er meinte jedoch nicht, dass man diese Angst jedem aufdrängen müsse. Aber wenn ich selbst nicht weiß, dass es um Tod und Leben geht, dann wird meine Verkündigung belanglos und beliebig. Dann kommt es auch nicht darauf an. Ein bisschen zur Weltverbesserung oder Weltverschönerung beizutragen, ist zwar nett, aber dafür muss man nicht unbedingt Stress machen. Man muss nicht riskieren, ins Gefängnis zu kommen oder den Hals abgeschnitten zu bekommen.
Aber wenn es um Tod und Leben geht, wenn es darum geht, ewig verloren zu sein, dann bete ich: „Herr, zünde da an!“ Ich bin ja auch ein Kind dieser Zeit und nicht anders als die anderen. Das Schrecklichste finde ich, dass ich es oft vergesse. Ich ertappe mich dabei, dass ich die Not der Menschen gar nicht erfasse.
Ich rede mit ihnen über den Glauben, über den christlichen Glauben, das Evangelium und die Bibel – und habe vom Herzen her gar nicht begriffen, dass es für sie jetzt um Tod und Leben geht. Sonst würde ich mit ganz anderer Liebe, mit ganz anderer Fantasie, mit ganz anderer Entschlossenheit und mit ganz anderer Ausdauer handeln. Dann würde ich nicht so viel Rücksicht auf meine eigenen Befindlichkeiten nehmen.
Ich sage nicht, dass es eine schreckliche Welt ist, in der wir nicht mehr glauben, dass es eine Hölle gibt. Nein, das ist in meinem Herzen. Wenn du diese Not spürst und sie dich in deinem Herzen schmerzt – wenn du spürst, dass die Welt verloren geht und Christus geboren ist – dann hast du einen ganz anderen Drang, eine Verbindlichkeit, eine innere Notwendigkeit. Es kostet, was es wolle, die beste Nachricht, die rettende Nachricht der Welt unter die Leute zu bringen.
Paulus’ Lebensweg und seine Verpflichtung
Wie ging es Paulus? Das ist kurios. Er hatte strategische Pläne, wie er nach Rom kommen und von dort aus nach Spanien missionieren wollte. Schließlich kam er jedoch als Gefangener nach Rom. Man liest am Ende der Apostelgeschichte, dass sie ihn dorthin schleppten – als Gefangenen.
Trotz seiner Gefangenschaft hatte Paulus offenen Strafvollzug. Zwei volle Jahre lang lebte er in einer Wohnung und konnte frei und ungehindert allen, die zu ihm kamen, das Evangelium verkünden. So endet die Apostelgeschichte in Kapitel 28.
War es vielleicht eine Strategie von Paulus, am Ende im Gefängnis zu landen? Vielleicht dachte er: „So hat der Herr es mit mir gemacht, es war richtig. Er brachte mich ins Zentrum der Welt.“ Aber er kam als Gefangener für Jesus.
Ich weiß nicht, ob ich dieses Gefühl hätte oder ob das mein Lebenskonzept wäre. Doch die Entscheidung steht fest: Ich bin ein Schuldner der Griechen und Barbaren, der Weisen und der Unweisen. Nach diesen drei starken Gründen will ich sagen: Ja, bis ans Ende meines Lebens.
Wenn die Leute dich ansehen und sagen: „Du bist vielleicht noch zu jung, kannst du das überhaupt? Was willst du machen? Warte doch!“ Wenn sie mich ansehen und denken: „Was will der alte Mann jetzt noch? Er ist frustriert, merkt, dass er keine Bedeutung mehr hat und regt jetzt die anderen auf“, dann gehe ich auf die Knie.
Ich schaue in den Spiegel und sage: „Herr Jesus, ich würde lieber Golf spielen gehen. Lass mich doch!“ Dann sagt Jesus: „Geh zur Jumiko und rede über Römer 1, und ich sage dir, was du tun musst.“